Titel:
Adventsspaziergang gegen die Einsamkeit
Normenketten:
BayVersG Art. 15 Abs. 1
11. BayIfSMV § 7
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 8
Leitsätze:
1. Bei einer sich fortbewegenden Versammlung mit mehreren hundert Teilnehmern ist die Einhaltung eines Mindestabstands aufgrund des dynamischen Geschehens der Versammlung mit regelmäßigen (unerwarteten) Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen innerhalb der Versammlungsgruppe und an Engstellen grundsätzlich zweifelhaft. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Heranziehung von Ereignissen im Zusammenhang mit früheren Versammlungen im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz für das Gefahrenpotenzial ist zulässig, soweit diese bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlungsrecht, Infektionsrisiko, Corona, Abstandsgebot, Querdenker, Auflage, stationäre Versammlung, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36380
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Beschränkung einer für den 20. Dezember 2020 angezeigten Versammlung im Stadtgebiet … hinsichtlich der Versammlungsmodalität und des Versammlungsortes.
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Der Antragsteller zeigte am 30. November 2020 für den 20. Dezember 2020 eine sich fortbewegende Versammlung in … unter dem Motto „Adventsspaziergang gegen die Einsamkeit (Vereinsamung als Folge des Lockdown)“ mit Schlusskundgebung am …-Platz an. Die Veranstaltung soll zwischen 15:00 und 17:00 Uhr stattfinden; die Teilnehmerzahl wurde mit 500 Personen angegeben.
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Die Antragsgegnerin hat die Polizeiinspektion … um eine Gefahrenprognose gebeten. In der polizeilichen Stellungnahme vom 8. Dezember 2020 wird ausgeführt, dass es in … in den letzten Wochen einige thematisch vergleichbare, jeweils der „Querdenken“-Bewegung zuzurechnende Versammlungen gegeben habe, die sich kritisch mit den Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus auseinandergesetzt hätten. Bei Versammlungen am 24. Oktober, am 17. November sowie am 22. November 2020 seien jeweils dieselben Versammlungsteilnehmer festgestellt worden. Der Antragsteller selbst habe bei den Veranstaltungen am 24. Oktober und am 22. November 2020 zum Organisatorenkreis gehört. Bei allen genannten Versammlungen, besonders aber im Zusammenhang mit der Versammlung am 17. November 2020, sei es zu versammlungsrechtlichen Verstößen in Bezug zur Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen und zu Straftaten (u.a. Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte) gekommen. Im Zusammenhang mit der Versammlung am 17. November 2020 sei zu einem nicht angezeigten Spaziergang durch … aufgerufen worden, der durch Polizeikräfte habe aufgelöst werden müssen. Aufgrund der hohen Anzahl von Verstößen gegen Versammlungsrecht sei es dabei nicht mehr möglich gewesen, diese im Einzelnen zu ahnden. Bei der Versammlung am 20. Dezember 2020 müsse aus polizeilicher Sicht nach den Erfahrungen mit früheren vergleichbaren Versammlungen mit 500 oder mehr Teilnehmern gerechnet werden, obwohl die Versammlung durch den Antragsteller nicht beworben werde. Nach kriminalpolizeilichen Erkenntnissen bewerbe die gut vernetzte Bewegung der Querdenker einschlägige Versammlungen auch ohne Teilnahmeaufruf von Veranstalterseite; zudem sei Rosenheim verkehrlich gut angebunden und entfalte erfahrungsgemäß eine höhere Anziehungskraft auf Versammlungsteilnehmer als kleinere Kommunen. Das vorgelegte Sicherheits- und Hygienekonzept sei bei dieser Sachlage nicht geeignet, den Infektionsschutz zu gewährleisten. Unter anderem könne nicht nachvollzogen werden, wie der Übergang von der sich fortbewegenden Versammlung in die stationäre Form der Versammlung reibungslos gewährleistet werden solle und fehle es an Darlegungen dazu, wie der Zulauf zum Demonstrationszug begrenzt werden könne.
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Mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 ordnete die Antragsgegnerin neben weiteren Beschränkungen an, dass die Versammlung ausschließlich als stationäre Kundgebung im Bereich … Süd stattfinden dürfe (Ziffer II Nr. 1 des Bescheides). Die pandemiebedingte Gefährdung sei derzeit bundesweit hoch. Die 7-Tages-Inzidenz neuer Coronavirus-Fälle liege in … bei über 200. In den vergangenen Wochen sei es bei zahlreichen Versammlungen der „Querdenker“-Szene zu Verstößen Infektionsschutzvorschriften gekommen. Diese Erkenntnisse seien auf die angezeigte Versammlung aufgrund der thematischen und personellen Überschneidungen hinsichtlich Teilnehmer- und Organisatorenkreis sowie der einschlägigen Bewerbung der Versammlung über soziale Medien übertragbar. Gerade bei sich fortbewegenden Versammlungen in Innenstadtbereichen bestehe das Risiko, dass es aufgrund der Dynamik des Geschehens und möglichen Interaktionen mit Passanten zu Unterschreitungen von Sicherheitsabständen komme. Ferner könne die Teilnehmerzahl bei Demonstrationszügen nicht effektiv begrenzt werden. Der Antragsgegner habe kein nachvollziehbares Konzept vorgelegt, das geeignet gewesen wäre, diese Bedenken auszuräumen.
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Am 17. Dezember 2020 hat der Antragsteller Klage gegen diese Beschränkung erhoben und zugleich beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 14. Dezember 2020 anzuordnen.
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Art. 8 GG schütze das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters auch in Bezug auf Versammlungsmodalität und Versammlungsort. Eingriffe seien nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und nur bei einer unmittelbaren Gefährdung gleichwertiger Rechtsgüter zulässig. Die Behörde habe dem im Rahmen der Ermessenausübung nicht hinreichend Rechnung getragen. Bei 250 Teilnehmern und 50 professionell ausgebildeten Ordnern sei es nahezu ausgeschlossen, dass es zu nennenswerten Abstandsverstößen komme. Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Versammlung für die Querdenker-Bewegung „szenetypisch“ sei, treffe nicht zu. Es sei davon auszugehen, dass die teilnehmenden Bürger selbst am störungsfreien Verlauf der Veranstaltung interessiert seien. Zudem sei der von der Antragsgegnerin bestimmte Versammlungsort als solcher witterungsbedingt nicht gut geeignet. Das Gelände sei durch Niederschläge aufgeweicht und nicht beleuchtet, sodass es zu Stürzen von Versammlungsteilnehmern kommen könne.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Die 7-Tages-Inzidenz von COVID-19 in … liege nach wie vor bei mehr als 200. Das Stadtgebiet sei daher nach den Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen als besonderes Risikogebiet anzusehen, in dem die Bürger besondere Einschränkungen hinnehmen müssten. Die Antragsgegnerin sei weiterhin der Auffassung, dass aufgrund der Erfahrungen im Zusammenhang mit früheren Kundgebungen des Antragstellers damit gerechnet werden müsse, dass es bei der Durchführung der Versammlung in Form eines Demonstrationszuges in erheblichem Umfang zu infektionsschutzrechtlich unerwünschten Zuständen, insbesondere zu längeren Unterschreitungen des einzuhaltenden Mindestabstands zwischen den Teilnehmern, kommen würde. Nicht nachvollzogen werden könne der Einwand, dass sich der … nicht als Veranstaltungsort eigne. Das Parkgelände sei von beleuchteten öffentlichen Geh- und Radwegen eingerahmt und verfüge über einen robusten Spezialrasen, um Veranstaltungen auch nach Niederschlägen zu ermöglichen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag war nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen der Ziffer II Nr. 1 des Bescheides vom 14. Dezember 2020 begehrt wird. Der so verstandene Antrag ist zwar gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. Art. 25 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) - keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Nach herrschender Meinung trifft das Gericht dabei eine eigene Ermessensentscheidung, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs maßgeblich sind. Bei offener Erfolgsprognose ist eine Folgenabwägung durchzuführen. Dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht dabei in der Regel eine nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. Gersdorf, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 176). Auf dem Gebiet des Versammlungsrechts ist jedoch schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Vollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 -juris Rn. 18 m.w.N.).
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Hieran gemessen überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids das private Suspensivinteresse des Antragstellers. Ziffer II Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 14. Dezember 2020 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. § 7 Abs. 1 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich und hinsichtlich des § 7 Abs. 1 im Verhältnis zu der zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides geltenden 10. BayIfSMV unverändert ist, bestimmt für öffentliche Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern (Satz 1) sowie die Pflicht der nach § 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörde, soweit im Einzelfall erforderlich durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet (Satz 2). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 11. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestands-, wie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BayVGH, B.v. 19. September 2020 - 10 CS 20.2103, m.w.N.).
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Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke der gemeinschaftlichen, auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen (vgl. BVerfG, B. v. 14.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - juris Rn. 39 ff.). Hierbei gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. - juris Rn. 61). Nur soweit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt, kann von dem Veranstalter nach Art. 15 Abs. 1 verlangt werden, dass er den geplanten Verlauf seiner Versammlung in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht ändert (BayVGH, B.v. 25.02.2008 - 10 CS 08.466 - juris Rn. 4). Die Beschränkung, eine Versammlung nicht als Demonstrationszug, sondern als stationäre Versammlung durchzuführen, ist bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als milderes Mittel zu einem vollständigen Verbot der Versammlung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes regelmäßig zulässig (vgl. Dürig-Friedl, Versammlungsrecht, 1. Aufl., § 15 Rn. 101; BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17 m.w.N).
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Diesen verfassungsrechtlichen Maßgaben wird die angefochtene Untersagung der Versammlung als sich fortbewegenden Versammlung und ihrer Verlegung als stationäre Versammlung in den … Süd bei summarischer Beurteilung noch gerecht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht angenommen, dass die angezeigte Versammlung in Form einer sich fortbewegenden Versammlung angesichts der pandemischen Lage und der Erfahrungen mit vergleichbaren Versammlungen in der Vergangenheit infektionsschutzrechtlich nicht mehr vertretbar ist.
18
Nach den Wertungen des Verordnungsgebers ist von einer infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit einer ortsfest stattfindenden Versammlung auszugehen, wenn diese nicht mehr als 200 Teilnehmer hat. Die angemeldete Versammlung entspricht dieser Regelvermutung weder hinsichtlich ihrer Form als sich fortbewegende Versammlung, noch hinsichtlich der Anzahl ihrer Teilnehmer. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, ist gerade bei einer sich fortbewegenden Versammlung mit mehreren hundert Teilnehmern die Einhaltung des in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV statuierten Mindestabstands aufgrund des dynamischen Geschehens der Versammlung mit regelmäßigen (unerwarteten) Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen innerhalb der Versammlungsgruppe und an Engstellen grundsätzlich zweifelhaft. Dies gilt umso mehr, als auch damit zu rechnen ist, dass sich weitere (unbeteiligte) Personen dem angemeldeten Aufzug anschließen. Darüber hinaus kann sich die Problematik des Mindestabstands durch Interaktionen der Versammlungsteilnehmer mit unbeteiligten Passanten zusätzlich verschärfen (vgl. OVG NRW, B.v. 24.05.2020 - 15 B 755/20, juris Rn. 23).
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Die Antragsgegnerin durfte bei der erforderlichen Gefahrenprognose die Erkenntnisse aus früheren Versammlungslagen aufgrund deren Vergleichbarkeit heranziehen.
20
Die Heranziehung von Ereignissen im Zusammenhang mit früheren Versammlungen im Rahmen der Gefahrenprognose als Indiz für das Gefahrenpotenzial ist zulässig, soweit diese bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, B.v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 - Rn. 11; BVerfG, B. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 m.w.N.; vgl. BVerfG, B. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 - juris Rn. 13; vgl. BayVGH, B. v. 12.04.2013 - 10 CS 13.787 - juris Rn. 8). Ausweislich der sich in der Verwaltungsakte befindlichen Stellungnahme der Polizeiinspektion … vom 8. Dezember 2020 wurden in … am 24. Oktober 2020, am 17. November 2020 sowie am 22. November 2020 Versammlungen abgehalten, die sich inhaltlich ebenfalls gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus richteten, im Zusammenhang mit der Querdenkenbewegung standen und bei denen im Wesentlichen der gleiche Teilnehmerkreis festgestellt wurde. Hierbei kam es zu versammlungsrechtlichen Verstößen. Der Antragsteller war bei der Versammlung am 24. Oktober 2020 Ansprechpartner der Ordner und am 22. November 2020 Versammlungsleiter. Im Zusammenhang mit der Versammlung am 17. November 2020 wurde zu einem Spaziergang durch … aufgerufen, woraufhin diese unangemeldete Versammlung von der Polizei unter Androhung von unmittelbarem Zwang aufgelöst werden musste. Verstöße gegen das Versammlungsrecht und deren Beschränkungen konnten aufgrund der hohen Anzahl nicht mehr verfolgt werden. Bei allen Vergleichsversammlungen kam es zu versammlungsrechtlichen Verstößen mit Bezug zur Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen und zu Straftaten.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin diese Versammlungen als Vergleichsversammlungen im Rahmen der Gefahrenprognose herangezogen hat. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass die angezeigte Versammlung für die Querdenker-Bewegung nicht „szenetypisch“ sei, hat er nicht substantiiert vorgetragen, dass nunmehr mit einem anderen Teilnehmerkreis zu rechnen ist. Dem Verlaufsbericht der Polizeiinspektion Rosenheim vom 22. November 2020 kann entnommen werden, dass bei der Versammlung vom 22. November 2020, bei der der Antragsteller ebenfalls die Funktion des Versammlungsleiters übernahm, der Aufbau durch das Organisatorenteam des Veranstalters „Querdenken 8031- …“ erfolgt ist. Weiterhin hat der Antragsteller, der nach den Ausführungen in der polizeilichen Stellungnahme vom 8. Dezember 2020 bereits als Leiter der Versammlung am 22. November 2020 in Teilen kein Verständnis für die getroffenen infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen gezeigt hat, weder in seinem Sicherheitsund Hygienekonzept, noch in seinem Vorbringen im Eilverfahren hinreichend dargetan, wie er die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen, insbesondere die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m, während des Aufzuges durch die Teilnehmer sicherstellen will.
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Nach dem Konzept sollen die Auflagen während der Auftaktveranstaltung durchgesagt und die Durchsagen während des Aufzugs nach Bedarf wiederholt werden. Zudem ist „geplant, durchweg einen Abstand von ca. 3,0 m zu sichern und die Teilnehmer auf die Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen hinzuweisen“, was von speziell unterwiesenen Ordnern überprüft werden soll. Zudem soll „vermieden“ werden, dass zu viele Teilnehmer mitlaufen. Konkrete Ausführungen dazu, auf welche Art und Weise dies sichergestellt wird und welche Maßnahmen bei während des Aufzugs, aber auch während des Übergangs in eine stationäre Versammlung vor der Abschlusskundgebung auftretenden Stauungen getroffen werden sollen, sind dem Konzept nicht zu entnehmen. Aus dem Sicherheits- und Hygienekonzept ist zudem nicht ersichtlich, wie der Antragsteller verhindern will, dass sich während des Aufzugs weitere Teilnehmer anschließen. Sofern der Antragsteller vorträgt, er habe angeboten, ein entsprechendes Serviceunternehmen hierfür abzustellen, ist dies nicht näher belegt; gleiches gilt für seine Behauptung, bei 250 erwachsenen Teilnehmern und 50 Ordnern könnten Abstandsverstöße nahezu ausgeschlossen werden. Dass es bei der vom Antragsteller erwarteten Zahl von 250 Teilnehmern bleibt, ist nach Auffassung des Gerichts bei Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Gefahrenprognose zweifelhaft, denn nach polizeilicher Einschätzung ist aufgrund der Erfahrungen mit den vergangenen stationären Vergleichsversammlungen eine Teilnehmerzahl von 500 oder mehr realistisch, da durch die Querdenker-Bewegung derartige Versammlungen auch ohne Aufruf der Anmelder beworben werden. Jedenfalls begegnet die Annahme der Antragsgegnerin, auch bei einer (geringeren) Teilnehmerzahl von 250 Personen sei eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit aufgrund der Unübersichtlichkeit eines Aufzuges, des mangelhaften Sicherheits- und Hygienekonzepts, der Erfahrungen mit vergangenen Versammlungen und insbesondere aufgrund des sehr hohen 7-Tages-Inzidenzwertes von über 200, der im Rahmen der Gefahrenprognose als Anhaltspunkt für ein erhöhtes Infektionsrisiko herangezogen werden darf (vgl. BayVGH, B.v. - 19.09.2020 - 10 CS 20.2103 - juris Rn. 10), nicht mehr gegeben, keine durchgreifenden Bedenken.
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Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat die entsprechenden Belange abgewogen. Den von einer stationären Versammlung im Vergleich zu einer sich fortbewegenden Versammlung ausgehenden geringeren infektionsschutzrechtlichen Gefahren hat sie durch die Erhöhung der maximalen Teilnehmerzahl auf 1.000 Rechnung getragen.
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Die Untersagung der Versammlung als sich fortbewegende Versammlung und ihre Verlegung als stationäre Versammlung in den … sind nach summarischer Prüfung auch verhältnismäßig.
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Mildere, gleichgeeignete Beschränkungen, mit denen die Einhaltung des Mindestabstands nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV gewährleistet werden kann, sind nicht ersichtlich. Der vom Antragsteller vorgeschlagene Alternativort … ist nach den Ausführungen der Antragsgegnerin aufgrund der beengten örtlichen Verhältnisse und der einzuhaltenden Abstände nicht geeignet. Dem Vorbringen des Antragstellers, der … Süd sei aufgrund seiner Bodenbeschaffenheit, der mangelnden Beleuchtung und der daraus resultierenden Unfallgefahren nicht zur Durchführung der Versammlung geeignet, ist die Antragsgegnerin nach Auffassung des Gerichts, das die Beleuchtungs- und Bodenverhältnisse im Rahmen des Eilverfahrens nicht überprüfen kann, jedenfalls in substantiierter Weise entgegengetreten. Der Antragsteller kann auch bei Durchführung seiner Versammlung als ortsfeste Versammlung sein Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG in ausreichender Weise ausüben. Nach alledem überwiegt im vorliegenden Einzelfall das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer weiteren, nicht nachverfolgbaren Ausbreitung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2, dem Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung sowie die Gesundheit und das Leben einzelner (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) das grundrechtlich geschützte Interesse des Antragstellers an der unbeschränkten Ausübung seiner Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.