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LG München I, Endurteil v. 23.01.2020 – 27 O 12605/19
Titel:

Darlehensvertrag, Widerrufsrecht, Widerruf, Widerrufsbelehrung, Widerrufsfrist, Beschaffenheit, Frist, Pflichtangaben, Vertragsurkunde, Aufrechnung, Darlehen, Berechnung, Unternehmer, Fahrzeug, Kosten des Rechtsstreits, Zeitpunkt des Vertragsschlusses, eigene Kosten

Schlagworte:
Darlehensvertrag, Widerrufsrecht, Widerruf, Widerrufsbelehrung, Widerrufsfrist, Beschaffenheit, Frist, Pflichtangaben, Vertragsurkunde, Aufrechnung, Darlehen, Berechnung, Unternehmer, Fahrzeug, Kosten des Rechtsstreits, Zeitpunkt des Vertragsschlusses, eigene Kosten
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 23.06.2020 – 5 U 1002/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 10.11.2020 – XI ZR 343/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36291

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs geltend.
2
Am 4.3.2016 schloss die Klagepartei mit der Beklagten unter Vermittlung der P GmbH einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines VW Tiguan über einen Nettodarlehensbetrag von 23.430,29 Euro und einem Darlehensgesamtbetrag von 25.263,47 Euro ab. Der Kaufpreis betrug 21.680,00 Euro. Die Klagepartei leistete keine Anzahlung. Der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz betrug 2,27% gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit. Das Darlehen sollte in 59 monatlichen Raten zu je 281,21 Euro und einer Schlussrate von 8.672,00 Euro zurückgezahlt werden.
3
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 verwiesen.
4
Parallel schloss die Klagepartei mit der Verkäuferin des Fahrzeugs, der P GmbH, einen Kaufvertrag über das von der Beklagten zu finanzierende Fahrzeug.
5
Die der Klagepartei ausgehändigten Darlehensvertragsunterlagen bestanden aus insgesamt 11 Seiten. Die der Klagepartei ausgehändigten Darlehensunterlagen enthielten auf den Seiten 1 bis 3 das Formular „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“, auf der Seite 4 „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“, auf den Seiten 5 bis 7 das Darlehensantragsformular, auf den Seiten 9 bis 11 eine Selbstauskunft sowie die Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten. Auf Seite 5 oben befand sich der folgende Hinweis:
„Zur Finanzierung des Kaufes des nachstehend näher bezeichneten Fahrzeuges bzw. zur Bezahlung anliegender Reparaturrechnungen beantragt der/beantragen die Unterzeichner als Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer bei der (…) die Gewährung eines Darlehens in der unten genannten Höhe unter Anerkennung der nachstehenden Bedingungen und beigefügten Allgemeinen Darlehensbedingungen.“
6
Auf Seite 8 der Darlehensunterlagen war eine die gesamte Seite einnehmende, grau unterlegte „Widerrufsinformation“ abgedruckt, die auszugsweise lautete wie folgt:
„Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten haben. Sie haben alle Pflichtangaben erhalten, wenn Sie in der für Sie bestimmten Ausfertigung Ihres Antrags oder in der für Sie bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für Sie bestimmten Abschrift ihres Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und Ihnen eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben können Sie nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Sie sind mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Brief, Telefax, E-Mail) erfolgt.
Der Widerruf ist zu richten an:
Besonderheiten bei weiteren Verträgen
- Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, so sind Sie auch an den Kaufvertrag über das o.g. Fahrzeug und den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Tod und Arbeitsunfähigkeit (AU) und den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Arbeitslosigkeit (AL) / Schwere Krankheiten (SK) (im Folgenden Verbundener Vertrag) nicht mehr gebunden.
- Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, so sind Sie mit wirksamem Widerruf des verbundenen Vertrags auch an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden. Für die Rechtsfolgen des Widerrufs sind die in dem verbundenen Vertrag getroffenen Regelungen und die hierfür erteilte Widerrufsbelehrung maßgeblich.
Widerrufsfolgen
Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.
Besonderheiten bei weiteren Verträgen
- Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, sind im Falle des wirksamen Widerrufs des verbundenen Vertrags Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen Sie ausgeschlossen.
- Sind Sie aufgrund des Widerrufs dieses Darlehensvertrags an den verbundenen Vertrag nicht mehr gebunden, sind insoweit die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
- Sie sind nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer angeboten hat, die Sachen abzuholen. Grundsätzlich tragen Sie die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Dies gilt nicht, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder er es unterlassen hat, den Verbraucher über die Pflicht, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen, zu unterrichten. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Wenn Sie die aufgrund des verbundenen Vertrags überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren können, haben Sie insoweit Wertersatz zu leisten. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war.
- Wenn Sie infolge des Widerrufs des Darlehensvertrags nicht mehr an den weiteren Vertrag gebunden sind oder infolge des Widerrufs des weiteren Vertrags nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden sind, gilt ergänzend Folgendes: Ist das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs Ihrem Vertragspartner aus dem verbundenen Vertrag bereits zugeflossen, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zu Ihnen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag ein.
Einwendungen bei verbundenen Verträgen (…)“
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Das Darlehen wurde ausgekehrt.
8
Mit Schreiben vom 28.12.2018 erklärte die Klagepartei den Widerruf des Darlehensvertrages (Anlage K3). Die Beklagte wies den Widerruf zurück.
9
Die Klagepartei begehrt die Rückabwicklung des Vertrags und Rückzahlung der geleisteten Zahlungen.
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Die Klagepartei meint, dass ihr zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht zugestanden habe, weil die Beklagte nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt habe. In der Widerrufsbelehrung und den sonstigen Regelungen des Vertrags lägen folgende Fehler vor, die dazu führten, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei:
- Im Darlehensvertrag sei die Art des Darlehens nicht beschrieben. Die bloße Angabe „Darlehensvertrag“ reiche nicht. Notwendig wäre die Bezeichnung als „Annutitätendarlehen“ gewesen.
- Die Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei nicht klar angegeben.
- Die in der Widerrufsbelehrung aufgeführten Verträge über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Tod und Arbeitsunfähigkeit (AU) und den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Arbeitslosigkeit (AL) / Schwere Krankheiten (SK) seien keine verbundenen Verträge. Ihre Aufnahmen die Widerrufsbelehrung widerspräche dem gesetzlichen Muster. Die Beklagte könne sich daher nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen.
- Die Regelungen in Ziffer 10.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen negierten die Möglichkeit der Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Rückabwicklungsverhältnis. Hierdurch könnten Verbraucher davon abgehalten werden, das Widerrufsrecht auszuüben.
- Die Angaben in der Widerrufsbelehrung, dass das Darlehen nach erklärtem Widerruf zurückzuzahlen ist und die vereinbarten Soll-Zinsen bis zur Rückgabe zu entrichten sind, seien fehlerhaft.
- Der von der Beklagten im Darlehensvertrag genannte Gesamtbetrag in Höhe von 25.263,47 € sei fehlerhaft. Würde man die Annuitäten addieren, so käme man auf einen Gesamtbetrag von 25.263,39 €.
- Die einzelnen Teilzahlungen seien falsch angegeben, da die jeweiligen Raten, welche korrekte 281,2113559 Euro betragen würden, gerundet worden sein.
11
Vorsorglich werde die Aufrechnung mit den zum Stichtag des Widerrufs gegenseitig bestehenden Ansprüchen erklärt. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung der Beklagten bestehe nicht.
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Die Klagepartei beantragte zunächst:
1. Der Kläger schuldet ab seiner Widerrufserklärung vom 28.12.2018 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. ...13, abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Finanzierung-Nr.: 3122666874 weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 8.161,13 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. ...13, nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Kraftfahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. ...13, sich in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von Euro 1.242,84 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13
Mit Schriftsatz vom 17.12.2019 erweiterte der Kläger die Klage und beantragt nunmehr:
1. Der Kläger schuldet ab seiner Widerrufserklärung vom 28.12.2018 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr., abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Finanzierung-Nr.: weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 9.279,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr., nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Kraftfahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr., sich in Verzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von Euro 1.242,84 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Für den Fall, dass die Klage zugesprochen werden sollte, erhebt die beklagte Partei hilfsweise Widerklage und beantragt,
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des VW Tiguan mit der Fahrgestellnummer, zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war und der über den anhand der gefahrenen Kilometer zu ermittelnden Wertersatz nach der Wertverzehrtheorie hinausgeht.
16
Die Klagepartei beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
17
Die Beklagte meint, dass die von der Klagepartei erhobenen Feststellungsanträge Ziffer 1 und 3 unzulässig seien.
18
Die Beklagte erklärt für den Fall, dass dem Widerruf stattgegeben würde, hilfsweise die Aufrechnung mit bestehenden Nutzungsansprüchen wegen des eingetretenen Wertverlusts des gegenständlichen Fahrzeugs.
19
Die Beklagte meint, dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen könne. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation entspreche vollständig den Vorgaben des Musters aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB.
20
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung enthalte alle gem. § 492 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Pflichtangaben. Die Pflichtangaben müssten dabei nicht notwendigerweise in dem Darlehensvertrag beinhaltet sein. Es genüge, wenn dies in den ADB bzw. in dem beigefügten Standardisierten Merkblatt enthalten seien.
21
Im übrigen hätte die Klagepartei ihr Widerrufsrecht verwirkt bzw. es sei als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.
22
Im Falle eines wirksamen Widerrufs müsste die Klagepartei Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zahlen.
23
Mit Beschluss vom 03.09.2019 (Bl. 29) hat das Landgericht Hagen den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen.
24
Mit Beschluss vom 28.10.2019 (Bl. 106) hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
25
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 04.07.2019, 30.8.2019, 19.11.2019 und 17.12.2019 sowie der beklagten Partei vom 26.08.2019, 27.8.2019, 24.10.2019, 29.10.2019 und 23.12.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

26
Die Klage erweist sich als unbegründet.
A.
27
Der Feststellungsantrag in Ziffer 3 erweist sich als zulässig. Die Feststellung des Annahmeverzugs kann Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 256 Rz. 5).
28
Dahinstehen kann, ob die Klage hinsichtlich des Klageantrags in Ziffer 1 wegen Vorrangs der Leistungsklage mangels Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 467/15, Rn. 13 ff., juris; BGH, Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 741/16, Rn. 15 f. beck-online). Denn insoweit ist die Klage jedenfalls unbegründet (im Folgenden unter B.). Das Feststellungsinteresse ist nur für ein stattgebendes Sachurteil echte Prozessvoraussetzung (BGH, Urteil vom 09.12.2003, VI ZR 404/02, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 456/16, Rn. 16, juris). Im Übrigen bestehen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.
B.
29
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 9.279,93 Euro, die begehrten Feststellungen oder Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Der von der Klagepartei erklärte Widerruf erweist sich als unwirksam. Zwar bestand grundsätzlich ein Widerrufsrecht (I.). Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen (II.). Mangels wirksamen Widerruf bestehen auch die weiteren geltend gemachten Ansprüche nicht.
I.
30
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 4.3.2016 um ein Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustand.
II.
31
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs mit Schreiben vom 28.12.2018 bereits abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB eingehalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor.
Im Einzelnen:
32
1. Die Art des Darlehens ist in dem Vertrag ausreichend beschrieben. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 5.11.2019 - XI ZR 650/18 bei einem weitgehend wortgleichen Vertragstext folgendes ausgeführt:
„Die Beklagte hat ferner gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB hinreichend über die „Art des Darlehens“ informiert. Jedenfalls die in der Form der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite nach Art. 247 § 2 Abs. 2 EGBGB zu dem Punkt „Kreditart“ gemachten Angaben genügen - was auch die Revision nicht in Zweifel zieht - den gesetzlichen Anforderungen. Aus ihnen geht hervor, dass es sich um ein befristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung handelt (vgl. BT-Drucks. 16/11643 S. 123). Die zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 1 BGB erforderliche Urkundeneinheit zwischen der Standardinformation und den übrigen Vertragsunterlagen wurde hier mittels fortlaufender Paginierung hergestellt (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2019 - XI ZR 662/18, Rn. 19). Hierdurch hat die Beklagte zugleich zum Ausdruck gebracht, mittels der Standardinformation nicht nur vorvertragliche, sondern auch vertragliche Informationspflichten erfüllen zu wollen (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2016 - XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52 Rn. 30).“
33
Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
34
2. Die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung sind weder unverständlich noch intransparent. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 5.11.2019 - XI ZR 650/18 zu der weitgehend wortgleichen Klausel folgendes ausgeführt:
„Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Juni 2019 - 17 U 158/18, juris Rn. 58; OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 5 U 3251/18, n.v.; OLG München, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 17 U 1469/18, BeckRS 2018, 30388 Rn. 13; MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl., § 492 Rn. 34 i.V.m. § 491a Rn. 39; Edelmann, WuB 2018, 429, 431 f.; Münscher in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 81 Rn. 118; Kropf in Baas/Buck-Heeb/Werner, Anlegerschutzgesetze, § 491a Rn. 14; Herresthal, ZIP 2018, 753, 759; Schön, BB 2018, 2115, 2118; aA Rosenkranz, BKR 2019, 469, 474 f.).
Dem hat die Beklagte durch die mit dem Wort „insbesondere“ eingeleiteten Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung genügt, indem sie die nach der Senatsrechtsprechung maßgeblichen Parameter benennt, nämlich das zwischenzeitlich veränderte Zinsniveau (als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zinsverschlechterungsschadens), die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme (als Grundlage der sogenannten Cash-Flow-Methode), den der Bank entgangenen Gewinn (als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zinsmargenschadens), die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten (als Abzugsposten) und den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 1997 - XI ZR 267/96, BGHZ 136, 161, 168 ff.; BT-Drucks. 16/11643 S. 87).
Damit hat die Beklagte die Klägerin in der Gesamtschau hinreichend über die maßgebliche Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung informiert, wobei sie sich durch die Angabe der Parameter auf die sogenannte Aktiv-AktivMethode festgelegt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Juni 2019 - 17 U 158/18, juris Rn. 59). Es bedarf deswegen keiner Entscheidung, ob sich der Darlehensgeber bereits im Darlehensvertrag für eine Methode entscheiden muss (so Knops in BeckOGK BGB, Stand: 1. August 2019, § 492 Rn. 27; Kropf in Baas/Buck-Heeb/Werner, Anlegerschutzgesetze, § 491a Rn. 14; LG Berlin, WM 2018, 1002, 1005; vgl. für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge BTDrucks. 18/5922 S. 116). Der finanzmathematischen Bezeichnung „Aktiv-AktivMethode“ bedurfte es daneben nicht, weil diese für den Verbraucher keinen Informationsmehrwert hat (vgl. Edelmann, WuB 2018, 429, 431; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3). Dass die Berechnung auf den Zeitpunkt der Rückzahlung anzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 2018 - XI ZR 445/17, WM 2018, 782 Rn. 30 mwN), ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Formulierung, dass der Darlehensgeber den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Schaden verlangen kann.
Die Angaben sind auch im Übrigen geeignet, dem Darlehensnehmer die zuverlässige Abschätzung seiner finanziellen Belastung im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/11643 S. 87).
Die Beklagte hat in Absatz 3 der auf die Vorfälligkeitsentschädigung bezogenen Angaben im Wesentlichen wortgleich die Kappungsgrenze des § 502 Abs. 3 BGB übernommen. Die Wiedergabe des Gesetzestextes kann für sich weder unklar noch unverständlich sein (siehe nur Senatsbeschluss vom 19. März 2019 - XI ZR 44/18, WM 2019, 864 Rn. 15 mwN). Des Weiteren hat die Beklagte in Absatz 2 die Entschädigung mit einem Betrag von 75 € pauschaliert und dem Darlehensnehmer - ersichtlich um § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB zu genügen - den Nachweis der Entstehung eines geringeren Schadens oder dessen Ausbleibens eröffnet. Dies steht als solches in Einklang mit der Verbraucherkreditrichtlinie, nach deren Erwägungsgrund 39 aus Gründen leichter Anwendbarkeit und aufsichtsbehördlicher Nachprüfbarkeit der Höchstbetrag der Entschädigung in Form eines Pauschalbetrages festgelegt werden darf.
Aus dem Zusammenspiel der drei auf die Vorfälligkeitsentschädigung bezogenen Absätze ergibt sich eindeutig, dass der Darlehensnehmer von den drei in Betracht kommenden Entschädigungsbeträgen - dem nach Maßgabe des § 502 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Parametern des Absatzes 1 errechneten, dem nach Absatz 2 in Höhe von 75 € pauschalierten oder dem nach Maßgabe des Absatzes 3 gemäß § 502 Abs. 3 BGB beschränkten - den geringsten schulden soll. Hierdurch hat die Beklagte sichergestellt, dass die zu Gunsten des Verbrauchers halbzwingenden (§ 512 BGB) Entschädigungshöchstgrenzen des § 502 Abs. 3 BGB nicht unterlaufen werden.“
35
Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
36
3. Soweit die Klagepartei gegen die Richtigkeit der Widerrufsinformationen einwendet, dass es sich bei den in der Widerrufsinformation genannten Versicherungen nicht um verbundene Verträge handelt, kann dahinstehen bleiben, ob dies der Fall ist. Selbst wenn es sich bei den in der Widerrufsinformation genannten Verträgen nicht um verbundene Verträge handeln würde, so wäre die Aufnahme in die Widerrufsinformationen als Angebot seitens der Beklagten zu verstehen, die dort genannten Verträge als verbundene Verträge zu behandeln. Dieses Angebot, welches die Rechte der Klagepartei erweitern würde, hat die Klagepartei durch Abschluss des Darlehensvertrags angenommen. Unabhängig davon, ob die Verträge daher tatsächlich verbundene Verträge sind oder nicht, ist die Belehrung daher zutreffend (so auch LG Heilbronn, Urteil vom 24.1.2018 - 6 O 311/17). Ein Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion ist hiermit nicht verbunden.
37
4. Soweit die Klagepartei die Auffassung vertritt, dass durch die inzwischen erfolgte Feststellung des BGH, dass das Aufrechnungsverbot in den ADB Nr. 10.3 unwirksam ist, die Widerrufsfrist nicht anläuft, weil dadurch das Widerrufsrecht des Verbrauchers an anderer Stelle als bei den Pflichtangaben oder in der Widerrufsinformation vereitelt wird, folgt das Gericht dem nicht.
38
Die in Ziffer 10.3. der ADB enthaltene Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit auf unbestrittene bzw. rechtskräftige Forderungen bezieht sich (anders als z.B. die Nennung von Pflichtangaben) nicht auf die Widerrufsinformation, sondern kommt nur in den Fällen zum Tragen, in denen der Darlehensnehmer mit eigenen Forderungen aufrechnen möchte. Dies kann sich im Falle eines Widerrufs erst nach erfolgter Widerrufserklärung auswirken. Dass ein verständiger Darlehensnehmer sich dadurch von einem Widerruf abhalten lassen würde, sieht das Gericht nicht.
39
Das Gericht folgt der Rechtsprechung des 11. Zivilsenat beim BGH, der im Beschluss vom 09.04.2019 - XI ZR 511/18 dazu folgendes ausführt.
„In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (Senatsurteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 25). Erst recht gilt dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufweisen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stehen. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthalten, ist damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung.“
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Ein Verlust des Musterschutzes ist mit der Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes ebenfalls nicht verbunden.
41
5. Die Angabe zur Rückzahlung des Darlehens und zur Entrichtung der Soll-Zinsen, ist nicht fehlerhaft. Die Beklagte kann sich hier auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB berufen, da sie gegenüber dem Kläger in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung auf Seiten 31 ff. (Bl. 70 ff. der Akte) durch eine Gegenüberstellung deutlich gemacht, dass sie das Muster übernommen hat.
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Dass die Beklagte den Darlehensnehmer im Gegensatz zum Muster direkt angesprochen hat, ist nach den Gestaltungshinweisen zur Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ausdrücklich zulässig.
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6. Soweit die Klagepartei rückt, dass der Gesamtbetrag falsch sei, kann sie damit nicht durchdringen. Grund dafür, dass die Multiplikation der zu zahlenden Raten mit der Ratenanzahl nicht den Gesamtbetrag ergibt ist, dass die Klagepartei eine nicht vermeidbare Rundung vorgenommen hat. Zieht man von dem Darlehensgesamtbetrag in Höhe von 25.263,47 € die Schlussrate von 8.672,00 € ab, so ergibt sich ein verbleibender Darlehensbetrag von 16.591,47 €. Teilt man diesen durch die Ratenanzahl von 59, so ergibt sich ein Wert einer Rate in Höhe von 281,211356 €. Nachdem Teile von Centbeträgen banktechnisch nicht abwickelbar sind, war die Beklagte gezwungen, die Rate auf 281,21 € zu runden. Dies ist dem durchschnittlichen Verbrauch auch offensichtlich. Hieraus bedingt sich, dass sich dem Verbraucher bei Rückzahlung des Darlehens ein Rundungsvorteil von 0,08 € ergibt. Das Entstehen dieses Rundungsvorteils, welche im vorliegenden Vertrag für den Kläger ausschließlich positiv ist, hat auf die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung keinen Einfluss. Die Angaben der Beklagten sind im Rahmen der notwendigen Rundungen zutreffend.
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7. Soweit die Klagepartei rügt, dass die einzelnen Raten gerundet worden sein, kann sich hiermit nicht durchdringen. Nachdem Teile von Centbeträgen bereits banktechnisch nicht abwickelbar sind, ist nachvollziehbar, dass die Beklagte Beträge auf ganze Centbeträge runden muss. Dies ist gerichtsbekannt im Wirtschaftsverkehr allgemein üblich. Eine Irreführung des Verbrauchers ist hierdurch ausgeschlossen. Das Anlaufen der Widerrufsfrist wird durch die Rundung nicht beeinträchtigt.
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8. Das Gericht hat im Übrigen - entsprechend der Vorgabe des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.06.2017 - XI ZR 72/16, BeckRS 2017, 120503) - die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen auch über die von der Klagepartei beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können. Nach alledem sind die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen nicht zu beanstanden, so dass der Klage kein Erfolg beschieden Die 14-tägige Widerrufsfrist war damit ordnungsgemäß in Gang gesetzt worden und bei Widerruf des Darlehensvertrages durch die Klagepartei bereits längstens abgelaufen. Auf die Frage des Rechtsmissbrauchs bzw. der Verwirkung sowie einer etwaigen Wertersatzpflicht der Klagepartei kommt es daher nicht mehr an.
C.
46
Nachdem die Klage abzuweisen ist, ist die von der Beklagten genannte Bedingung für die Hilfswiderklage nicht eingetreten. Ein Eingehen auf die Hilfswiderklage ist daher nicht notwendig.
D.
47
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
E.
48
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.