Titel:
Jugendschutz bei Lasertag-Spiel
Normenketten:
JuSchG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1, § 7 S. 1, S. 2, § 14 Abs. 1
VwGO § 114
BayVwVfG Art. 40
Grundsätze der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, 22. Fassung vom 15. Juni 2020 ((FSK-Grundsätze) § 18 Abs. 2 Nr. 3
Leitkriterien der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computer- und Videospielen (USK-Leitkriterien) Ziff. 2.2, Ziff. 2.4
Leitsätze:
1. Eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen i.S.d. § 7 S. 2 JuSchG ist anzunehmen, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die körperliche Unversehrtheit, die psychische Konstitution oder das sozialethische Wertebild Minderjähriger Schaden nehmen wird. Die Gefahr muss nicht unmittelbar drohen, sondern es genügt, dass Kinder und Jugendliche an den fraglichen Orten nach Kenntnis der Behörde einer solchen dauernd oder zeitweise ausgesetzt sind. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundlage, der zu erstellenden Gefahrprognose müssen ausreichende und tatsächliche Anhaltspunkte, Erfahrungen des täglichen Lebens, das Erfahrungswissen von Polizeibeamten oder Sozialarbeitern oder wissenschaftliche und technische Erkenntnisse sein. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gefährdung in § 7 JuSchG kann mit dem Begriff der Jugendbeeinträchtigung im Sinn des § 14 Abs. 1 JuSchG gleichgesetzt werden, also mit der Gefahr, dass die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigt wird. In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der Frage, ob das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt wird, die Grundsätze der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft heranziehbar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Gefahrenprognose ist nach USK-Leitkriterien nicht auf den durchschnittlichen, sondern - unter Ausnahme von Extremfällen - auf den gefährdungsgeneigten Minderjährigen abzustellen (ebenso VG München BeckRS 2020, 8621). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
5. Aufgrund der typischerweise eingeschränkten Sichtverhältnisse durch Dunkelheit, Dunst und Hindernisse, aufgrund der Hintergrundmusik und aufgrund des allgemeinen Kampfgeschehens kann ein Bedrohlichkeitsgefühl erzeugt werden. Spieler können unvorhergesehen auf Gegenspieler, insbesondere auch auf körperlich deutlich überlegene und nicht vertraute erwachsene Gegner treffen oder gar von mehreren Gegenspielern eingekreist werden. Damit weist das Spiel eine hohe Reizintensität auf, die zumindest sensible Spieler emotional überfordern und bei diesen zu starken Angstreaktionen führen kann (ebenso VG Würzburg BeckRS 2016, 46082 und BeckRS 2019, 21010). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Jugendschutz, Lasertag-Anlage, kindeswohlgefährdender Betrieb, Teilnahmeverbot für unter 14-Jährige, jugendgefährdender Betrieb, Teilnahme von Jugendlichen unter 16 Jahren nur in Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person, Laserspiele, Lasertag, Gefährdung, Gefahrenprognose, Reizintensität, Minderjährige, USK-Leitkriterien, FSK-Grundsätze
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36262
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin betreibt in ... eine Lasertag-Arena. Die Beteiligten streiten um einen Bescheid des Beklagten auf der Grundlage des § 7 JuSchG.
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In einer Empfehlung des bayerischen Landesjugendamts aus dem Jahr 2014 wurde die Einschätzung vertreten, dass Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren die Teilnahme an Laserspielen unabhängig von den unterschiedlichen konzeptionellen und gestalterischen Ausrichtungen zu untersagen sei. Diese hätten in der Regel noch nicht die notwendigen Entwicklungsschritte vollzogen, um zwischen Spiel und Realität unterscheiden zu können. Relativierende Aspekte wirkten bei ihnen nicht entlastend. Die Gefahr einer Desensibilisierung und sozialethischen Desorientierung rechtfertige eine Zugangsbeschränkung. Auch für Jugendliche ab 16 Jahren werde empfohlen, die Teilnahme zu untersagen, falls nicht im Einzelnen aufgeführte Anforderungen erfüllt würden.
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Daraufhin beanstandete das Bayerische Landesjugendamt mit Schreiben vom 10. März 2017 die Altersregelung der streitgegenständlichen Anlage. Im Bericht des Landratsamts über die am 5. Mai 2017 erfolgte Begehung wurde festgehalten, dass sich Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren mit der schriftlichen Genehmigung der Eltern mittels Infrarot-Lasergeräten (Phasern) gegenseitig „markieren“ könnten. Der Phaser ähnle einem pistolenartigen Gerät und gebe schussähnliche Geräusche von sich. Die Teilnehmer trügen eine mit Sensoren ausgestattete Weste. Gespielt werde in einer abgedunkelten Halle, die mit Hindernissen und Versteckmöglichkeiten aufgebaut sei. Während des Spiels ertöne sphärische Musik und fluoreszierende Bilder würden eingespielt. Ziel des Spiels sei das Markieren der Gegner im Rücken- und Brustbereich. Die Spielzeit sei mit 15 Minuten vorgegeben. Die Punkte würden als Treffer erfasst. In der Regel werde in der Spielvariante „Team gegen Team“ gespielt. Das Markieren führe dazu, dass der betroffene Spieler für 6 Sekunden stillgelegt sei. Im Spielbereich sei ein Warbot aufgestellt, der sich nach dem Zufallsprinzip einschalte und dann von den Spielern markiert werden könne oder selbst Spieler markiere. In der Arena seien nicht-menschliche Ziele versteckt, die zum Gewinnen notwendig seien. Den Spielern sei das Rennen untersagt. Gespielt werde in Freizeitkleidung. Das Spiel werde durch geschultes Personal beobachtet. Vor jedem Spiel gebe es eine ca. 15-minütige Einweisung. Es könne gegen Gebühr eine Membercard erworben werden, um Spielstände und erreichte Levels zu speichern. Diese werde allerdings erst ab 14 Jahren freigeschaltet. In den einzelnen Levels gebe es verschiedene Aktionen wie Schutzschild oder Mehrfachtreffer. Inhaber der Membercard bekämen auf den Eintritt 0,50 EUR Ermäßigung pro Spiel. Kindergeburtstage seien möglich. Im April 2017 habe die Zahl der Kinder bei ca. 4000 Besuchern bei 5% gelegen. Aktuell gebe es ca. 8000 Mitglieder, davon seien ca. 350 Kinder und ca. 600 Jugendliche.
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Nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten am 6. Juli 2017 hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juli 2017 zu möglichen Altersbegrenzungen an. Diese erklärte in ihrer Stellungnahme vom 22. August 2017, dass die Lasertag-Anlage anhand zweier Gutachten aus gerichtlichen Verfahren in Würzburg und Hannover angepasst werde. Durch die Anpassungen werde die Anlage exakt den strengen Vorgaben des Gutachtens aus Hannover entsprechen. Bei der streitgegenständlichen Anlage komme eine Gefährdung nicht in Betracht, weil dort das Ziel gerade nicht sei, durch möglichst viele Markierungen von Personen ein Spiel zu gewinnen.
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Mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 untersagte der Beklagte Kindern die Teilnahme am Spielbetrieb der Lasertag-Arena ausnahmslos (Nr. 1.1). Jugendlichen unter 16 Jahren dürfe die Teilnahme am Spielbetrieb nur in Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person gestattet werden (Nr. 1.2). Begründet wurde dies damit, dass das Spiel den Eindruck eines Kampfes vermittele. Die kurze Spieldauer und ggf. erhebliche Zahl von Gegnern führe zu Hektik und Stresssituationen, die keine Zeit zur Reflektion lasse. Durch das Zielen auf Brust-, Rücken- oder Schulterbereich sinke die Hemmschwelle, diese besonders verletzlichen Bereiche in anderen Situationen anzugreifen. Es bestehe auch ein erheblicher Unterschied zu Computerspielen, weil sich die Spieler körperlich mitten im Geschehen befänden. Die Teilnahme lasse eine Kindeswohlgefährdung erwarten, weil es zu Bedrohungsgefühlen, unmittelbaren Versagensängsten und einer gewissen Enthemmung und Reizüberflutung kommen könne. Nach der Rechtsprechung sei bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren eine desensibilisierende und aggressionssteigernde Wirkung zu erwarten. Kinder unter 14 Jahren hätten in der Regel noch nicht die Reife, die Reize als Spiel zu erleben. Jugendliche unter 16 Jahren seien in der Entwicklung schon so weit fortgeschritten, dass sie die Spielsituation als solche einordnen könnten, wenn ihnen eine Begleitperson zur Verfügung stünde.
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Am 2. November 2017 erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage. Zur Begründung trug sie vor, dass der Bescheid an die falsche Person gerichtet sei. Zudem stehe bei der streitgegenständlichen Anlage der sportliche Charakter im Vordergrund. An der Anlage seien Anpassungen anhand eines Gutachtens vorgenommen worden. Von Anfang an habe es eine altersunabhängige Raumgestaltung ohne aggressive und militärische Bilder gegeben. Die Spielfreigabe ab 10 bis 14 Jahren berücksichtige die von dem Gutachten als entscheidend angesehenen Punkte. Das Ermessen sei nicht richtig ausgeübt. Nach dem Gutachten komme es darauf an, wie die Arenas und die Spielformen im Einzelnen ausgestaltet seien. Gewisse Spielformen könnten je nach Ausgestaltung ein geringes emotionales Wirkpotential aufweisen. Zudem seien in der streitgegenständlichen Arena kinderfreundliche Spielvarianten programmiert worden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Landratsamtes ... vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung trug er vor, dass die Ausgestaltung an ein Kampfgeschehen erinnere. Das Vorhandensein auch nicht-menschlicher Ziele ändere nichts daran, dass das Zielen auf Menschen ein Wesensmerkmal des Spiels darstelle. Die Klägerin verkenne Psyche, Entwicklung und erhöhte Beeinflussbarkeit und Prägbarkeit von Kindern und Jugendlichen, gerade wenn noch schwierige persönliche Situationen hinzuträten. Die Spielhandlung simuliere erhebliche tödliche Gewalt und sei geeignet, die Spieler in eine Art Kampfmodus fallen zu lassen, Zielen und Schießen auf Menschen zu bagatellisieren und ein falsches Bild vom wertschätzenden Umgang miteinander zu entwickeln. Auch die Anpassungen würden nichts an der grundlegenden Gestaltung des Betriebes ändern. Das vorgelegte Gutachten betreffe nicht die streitgegenständliche Anlage. Zudem könne nach der Rechtsprechung grundsätzlich auf Einschätzungen von Fachbehörden wie dem Landesjugendamt zurückgegriffen werden.
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Mit Schreiben vom 15. Februar 2018 erwiderte die Klägerin, dass die Ausgestaltung der Laserspiel-Anlage futuristisch und keineswegs kriegsähnlich sei. Das Spiel als solches sei eine neue Art des Fangenspielens. Die pauschale Betrachtungsweise des Beklagten verkenne, dass es für die Gefahrenprognose ganz erheblich darauf ankomme, wie die Arena und die Spielformen im Einzelnen ausgestaltet seien.
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In dem eingereichten Gutachten des ... e.V. vom 24. März 2017 zu einer Laserspiel-Anlage in Hannover wird ausgeführt, dass mit der Teilnahme am Laserspiel aggressive Gedanken und Gefühle aktiviert würden und es zu einer erhöhten psychophysiologischen Aktivierung komme. Das Spielangebot erscheine damit eindeutig geeignet, kurzfristig einen aggressiven Erlebniszustand hervorzurufen. Eine langfristige Verstärkung aggressiver Überzeugungen und Einstellungen komme in Betracht, wenn Spielziele ausschließlich durch aggressiv erlebte Handlungen wie das Markieren anderer Spieler erreicht werden könnten. Wenn Alternativen zum Markieren gegnerischer Spieler existierten, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass es zu einer langfristigen Verstärkungsaggression komme. Wenn jedoch das Markieren anderer Spieler einen höheren Stellenwert für das Gewinnen des Spiels habe, könne eine langfristige Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Das affektive Wirkpotential sei bei allen Spielmodi geeignet, kurzfristig starke Angstreaktionen bei Kindern und Jugendlichen hervorzurufen. Auch bei den tendenziell ungefährlicheren Spielmodi sei ein geringes affektives Wirkpotential festzustellen. Je nach Spielmodus attestierte der Gutachter eine Altersgrenze von 10-12 Jahren oder ab 14 Jahren, ab der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung ausgeschlossen werden könne, wenn zusätzlich allgemeine Bedingungen für einen Gefährdungsausschluss erfüllt seien.
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Mit Schreiben vom 18. März 2020 erklärte die Klägerin, dass die Lautstärke der Musik um etwa 20% gesenkt werde. Es würden bassarme und eher ruhige Lieder verwendet. Die Arena sei mit bunten, unnatürlichen Farben gestaltet. Durch den verwinkelten Aufbau könnten sich die Spieler jederzeit in einen ruhigeren Spielfeldwinkel zurückziehen. Es gebe einen gekennzeichneten Notausgang. Es werde jederzeit sichergestellt, dass mindestens eine Aufsichtsperson vor Ort sei. Bei der Einweisung werde neben dem Ablauf und den Spielregeln vor allem auf Fairness hingewiesen. Die Gruppen würden durch das Personal gebildet und so eine faire Verteilung sichergestellt. Der Spielleiter zeige den Spielern in der Arena die Ausgänge und weise nochmals darauf hin, dass das Spiel jederzeit gegen Rückerstattung des Geldes verlassen werden könne. Wenn möglich sei ein mit Trillerpfeife ausgestatteter Mitarbeiter in der Arena. Bei personellem Engpass werde die Überwachung mit Kameras sichergestellt. Das Treffen von Targets bringe zehnmal so viele Punkte wie das Treffen von Spielern. Für eine Spielfreigabe ab 10 Jahren bis 14 Jahren würden mehrere im Einzelnen genannte Anforderungen beachtet. Ab zwölf Jahren könne „Shadows“ gespielt werden. Ab 14 Jahren würden auch Spielvarianten wie „Zombie“ angeboten. Beigefügt war eine Beschreibung der verschiedenen Spielmodi.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2020 beantwortete die Klägerin mehrere von Seiten der Beklagten am 2. April 2020 gestellte Fragen: Bislang müssten Kinder bis zwölf Jahren eine Einverständniserklärung der Eltern vorlegen. Das Jugendschutzgesetz hänge direkt am Eingang. In der Regel spiele ein Spieler zwei Spiele und halte sich im Durchschnitt etwa 45-60 Minuten in der Anlage auf. 95% der gespielten Spiele seien Standardspiele. Sonderspiele würden unter 14 Jahren nicht gespielt. Die Spiele würden nicht verändert. Auf der Homepage stehe ein Altershinweis. Bei offensichtlich Minderjährigen werde ein Altersnachweis gefordert. In der Anlage müsse mindestens eine Person an der Kasse und eine weitere Person für Einweisung und Betreuung der Spieler anwesend sein. In Spitzenzeiten sei entsprechend mehr Personal erforderlich. Eine Nebelmaschine existiere nicht, sondern nur ein Hazer (Dunstmaschine). Angesichts der verbauten Musikanlage sei es nicht möglich, mit tiefen und kräftigen Bässen zu arbeiten. In der Arena dürften 42 Spieler gleichzeitig spielen. Es seien drei Schutzzonen vorhanden. Von einer Empore aus könne man das ganze Spielgeschehen überblicken. Eine Kameraüberwachung sei vorhanden. In der Arena sei eine Ansage über Mikrofon möglich. Die Spielenden seien aufgrund ihrer leuchtenden Westen gut sichtbar. Es existierten neun Targets. Es gebe keinen Warbot, dieser heiße vielmehr „Freddy“. Auch eine Selbstschussanlage existiere nicht. Bei Minderjährigen sei die Zielgenauigkeit sehr gestreut. Der Phaser sei grundsätzlich nur mit zwei Händen benutzbar. Für Spieler unter 14 Jahren sei Unverwundbarkeit und die Verwendung von Raketen/Atombomben nicht möglich. Ein komplettes Level System sei erst ab 14 Jahren möglich. Nach dem Spiel erfolge mit dem Spielleiter eine Nachbesprechung.
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Darüber hinaus erklärte die Klägerin in dem Schreiben, dass die begutachtete Anlage in Hannover dasselbe Setting, dieselbe Ausrüstung und dieselbe Grundausstattung habe. In beiden Fällen handele es sich um Spielausrüstung der Firma .... Die Arena in Hannover sei vom jetzigen Betreiber in ... ausgestattet und programmiert worden. Die Spiele auf der Homepage seien entfernt worden. Ohnehin würden zu 90% Standardspiele gespielt. Die einzige Ausnahme sei, dass Spieler unter 14 Jahren keine Spielvorteile durch die Membercard (wie Unverwundbarkeit etc.) hätten. Auch bei anderen Spielen werde auf das Spielalter geachtet.
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Mit Schreiben vom 29. September 2020 erklärte der Beklagte, dass mehrere Begehungen zu folgenden Ergebnissen geführt hätten: Es werde keine Einverständniserklärung der Eltern verlangt. Es gebe keine Altershinweise und Spielbeschreibungen in der Arena. Das Spielen sei ab 10 Jahren erlaubt. 10 bis 13-Jährige würden die Anlage jedoch nur im Rahmen von Kindergeburtstagen besuchen. Die Standardspiele seien „Jeder gegen Jeden“, „Team“ oder „Colour Conquest“. Nur diese würden auch ab 10 Jahren angeboten. Ab 12 Jahren dürfe „Shadows“ gespielt werden. Alle anderen Varianten seien ab 14 Jahren erlaubt. Welche Teile der AGB Inhalt der Einweisung seien, hätten die Mitarbeiter nicht beantworten können. Es sei immer die gleiche Lichtstufe eingestellt. Die Musik werde als nicht zu laut empfunden. Die mündliche Beschreibung und die Erfahrungen aus den Testspielen würden nicht mit den schriftlichen Spielbeschreibungen übereinstimmen. In der Anlage sei kein Kamerasystem installiert. Erfahrene Spieler würden mit Unerfahrenen gemischt. Es gebe nur eine Ruhezone. Auch dort könnten Spieler jedoch abgephasert werden. Zudem sei die Lage der Zone unklar. Bei Spielern unter 14 Jahren seien keine zusätzlichen Funktionen (z.B. Schnellfeuer) spielbar. Ausschließlich Zusatzfunktionen (50 Punkte extra, doppelte Punktzahl) seien durch das Markieren der sog. „Beacon Targets“ möglich. Tatsächlich seien bei den Testspielen jedoch die zusätzlichen Funktionen selbst nach einem Hinweis aktivierbar gewesen. Zusammenfassend sei das allgemeine Setting für Spieler unter 14 Jahren ungeeignet. Der Aufbau erinnere an einen Häuserkampf. Dieser Eindruck werde durch Nebel- und Lichteffekte verstärkt. Der Phaser sei waffenähnlich gestaltet und werde waffenähnlich benutzt. Er gebe beim Markieren Töne von sich, die an Kampfszenen in Sciencefiction-Filmen erinnern würden. Die Körperlichkeit verstärke das Erleben. Der Fokus sei auf das Markieren von Spielern gelegt. Auch Schiedsrichter seien nicht permanent anwesend und nicht ausreichend. Die Mindestpause von 15 Minuten sei zu knapp. Aufgrund von Membercards mit Rabatten und Zusatzfunktionen bestehe Suchtpotential. Angebote wie Kindergeburtstage würden Gruppendruck fördern. Es werde eine bewaffnete Gefechtssituation simuliert, in der es wesentlich um das Außer-Gefecht-Setzen von Menschen gehe. Kinder unter 14 Jahren seien überfordert. Auch Jugendliche bis 16 Jahren könnten ohne Begleitung das Geschehen nicht verarbeiten, weil sie anders als ältere Jugendliche und Erwachsene Fiktion und Realität noch nicht voneinander trennen könnten. Dabei müssten besonders die gefährdungsgeneigten Minderjährigen in den Blick genommen werden. Keines der getesteten Spiele sei für unter 14-Jährige geeignet. Auch für Jugendliche im Alter von 14 und 15 Jahren komme keines der getesteten Spiele in Frage, selbst wenn eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sie begleiten würde. Jugendliche ab 16 Jahren könnten die Spiele „Team“, „Colour Conquest“ und „Shadows“ ohne Begleitung spielen, ebenso die Spiele „Jeder gegen Jeden“, „Erbeute die Flagge“ und „Markiere“. Alle anderen getesteten Spiele seien nicht für Minderjährige geeignet. Im Übrigen verwies er auf die pädagogische Einschätzung der Jugendschutzbeauftragten des Beklagten vom 28. September 2020.
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In dieser wird ausgeführt, dass Altershinweise für jede einzelne Spielvariante erforderlich seien. Äußerst bedenklich sei, dass sich minderjährige Besucher uneingeschränkt und ohne erziehungsberechtigte Personen bis 22:00 Uhr in der Arena aufhalten dürften. Da Mitarbeiter der Laserspiel-Anlage nicht immer die komplette Arena überblicken könnten, müsse für Jugendliche im Alter von 14 und 15 Jahren immer eine erziehungsberechtigte Person anwesend sein. Sonderangebote, mit denen man für wenig Geld viele Spiele hintereinander machen könne, würden bei Jugendlichen zu Überforderung, Reizüberflutung und Unsicherheit führen. Kindergeburtstagspartys seien kritisch zu beurteilen. Äußerst bedenklich sei, dass keine Einverständniserklärung der Eltern erforderlich sei. Membercards und Member-Tagesflatrates seien kritisch. Die Zusatzfunktionen wie „Schnellfeuer“ seien erst ab 16 Jahren empfehlenswert. Positiv sei, dass immer mindestens ein Mitarbeiter die Aufsicht übernehmen müsse. Tatsächlich sei bei den Testspielen jedoch keine ständige Aufsichtsperson vorhanden gewesen. Für minderjährige Spieler müsse zudem immer eine Ansprechperson an der Schutzzone bzw. in der Halle und zusätzlich eine andere Person auf der Tribüne sein. Blitzgeräte sollten für Spieler unter 16 Jahren entfernt werden. Die Einweisung sei grundsätzlich positiv. Es werde jedoch nicht explizit erklärt, dass die nicht-beweglichen Targets spielentscheidend seien. Eine neue Information sei ein Hinweis auf eine Schutzzone in der Mitte der Halle gewesen. Diese sei jedoch nicht erkennbar. Nach Einschätzung der Polizeiinspektion ... sei die Einweisung zu schnell und nicht kindgerecht gewesen. Hinsichtlich des Spiels allgemein wurde erklärt, dass das Spiel nur teilweise futuristisch sei. Realitätsnähe werde durch das Gegenüberstehen zweier Menschen, die tatsächliche Dreidimensionalität und das körperliche Erleben erzeugt. Die Professionalisierung und Kommerzialisierung einer kindlichen Spielidee ändere den Charakter des Spiels erheblich. Der Fokus des Spiels liege auf dem Markieren anderer Spieler. Vor allem bei Spielen für 14-jährige sei es sehr wichtig, dass der Fokus ausschließlich auf den unbeweglichen Zielen liege. Auch die Zusatzfunktion „Auslösen der Generatorverseuchung“ zeige, dass der Fokus auf dem Markieren der beweglichen Ziele liege. Funktionen wie Schnellfeuer seien für Jugendliche unter 16 Jahren auszuschalten. Positiv sei, dass der Schiedsrichter bei den Testspielen sehr präsent gewesen sei, dennoch sei ein größerer Aufsichtsschlüssel von ca. 1:3 erforderlich. Die Helligkeit sei nach Einschätzung der Jugendschutzbeauftragten unübersichtlich und gruselig, nach Einschätzung der Polizeiinspektion jedoch noch in Ordnung. Die Anzeige der Punkte pro Spieler nach dem Spiel könne für Kinder belastend sein. Die Spielvarianten „Jeder gegen Jeden“, „Team“, „Markiere“, „Erbeute die Flagge“ und „Colour Conquest“ seien für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet. Die Spielvarianten „Highlander“, „Gladiator“ und „Zombie“ seien für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet.
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 nahm die Klägerin zum Schriftsatz der Beklagten vom 29. September 2020 Stellung und übergab einen Bescheid der Stadt, nach dem in einer dortigen Anlage auch 10-Jährige spielen dürfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte. Weiter wird Bezug genommen auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2020.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 4. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids ist § 7 JuSchG. Geht von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen aus, so kann gemäß § 7 Satz 1 JuSchG die zuständige Behörde anordnen, dass der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf. Nach § 7 Satz 2 JuSchG kann die Anordnung Altersbeschränkungen, Zeitbegrenzungen oder andere Auflagen enthalten, wenn dadurch die Gefährdung ausgeschlossen oder wesentlich gemindert wird.
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2. Tatbestandvoraussetzung dieser Vorschrift ist, dass von einem Gewerbebetrieb - und ein solcher ist hier unstreitig gegeben - eine Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen ausgeht. Eine derartige Gefährdung ist anzunehmen, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die körperliche Unversehrtheit, die psychische Konstitution oder das sozialethische Wertebild Minderjähriger Schaden nehmen wird. Die Gefahr muss nicht unmittelbar drohen, sondern es genügt, dass Kinder und Jugendliche an den fraglichen Orten nach Kenntnis der Behörde einer solchen dauernd oder zeitweise ausgesetzt sind (Liesching in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: März 2019, § 7 JuSchG, Rn. 4 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist eine Gefahrenprognose zu erstellen. Deren Grundlage müssen ausreichende und tatsächliche Anhaltspunkte, Erfahrungen des täglichen Lebens, das Erfahrungswissen von Polizeibeamten oder Sozialarbeitern oder wissenschaftliche und technische Erkenntnisse sein (Liesching, a.a.O., Rn. 5). Der Begriff der Gefährdung in § 7 JuSchG kann mit dem Begriff der Jugendbeeinträchtigung im Sinn des § 14 Abs. 1 JuSchG gleichgesetzt werden, also mit der Gefahr, dass die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigt wird (Gutknecht in Nikles/Roll/Spürck/Erdemir/Gutknecht, Jugendschutzrecht, 3. Aufl. 2011, § 7 JuSchG Rn. 6 m.w.N.). In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der Frage, ob das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt wird, die Grundsätze der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, 22. Fassung vom 15. Juni 2020, heranziehbar (FSK-Grundsätze). Nach deren § 18 Abs. 2 wird die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit beeinträchtigt, wenn die Nerven überreizt, übermäßige Belastungen hervorgerufen werden, die Fantasie über Gebühr erregt, die charakterliche, sittliche oder geistige Erziehung gehemmt, gestört oder geschädigt wird oder zu falschen und abträglichen Lebenserwartungen verführt wird (§ 18 Abs. 2 Nr. 3 FSK-Grundsätze; vgl. hierzu auch Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG Rn. 6). Als Wertmaßstäbe sind in diesem Zusammenhang die Grundwerte der Verfassung zu beachten, insbesondere die Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 5 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.10.2001 - 6 C 3/01 - BVerwGE 115, 189 ff.). Bei der in § 7 Satz 1 JuSchG vorgegebenen Tatbestandsvoraussetzung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist.
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Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist das Gericht überzeugt, dass von dem Betrieb der streitgegenständlichen Anlage zumindest eine Gefährdung für das geistige und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren ausgeht.
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a) Bei der Gefahrenprognose ist nach den verallgemeinerungsfähigen Gedanken aus Ziffer 2.2 und 2.4 der Leitkriterien der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computer- und Videospielen (USK-Leitkriterien - beschlossen und in Kraft gesetzt durch den Beirat der Freiwilligen S. U. GmbH im Juni 2011, zuletzt geändert im Juli 2020) nicht auf den durchschnittlichen, sondern - unter Ausnahme von Extremfällen - auf den gefährdungsgeneigten Minderjährigen abzustellen (so auch VG München, B.v. 5.5.2020 - M 18 S 19.5062 - BeckRS Rn. 75 m.w.N.). Aus den dem Gericht aus anderen Verfahren vorliegenden Sachverständigengutachten und fachkundigen Äußerungen geht hervor, dass Laserspiele unabhängig vom konkret gespielten Spielmodus eine aggressionssteigernde Wirkung haben. Die Teilnahme am Spiel erzeugt einen kurzfristigen aggressiven Erlebniszustand, weil sie zu aggressiven Gedanken und Gefühlen führt. Dies basiert auf der Waffenähnlichkeit des Phasers, die impliziert, dass aggressives Verhalten in dieser Situation angemessen ist. Das Spiel belohnt und fördert das Verhalten, andere Spieler simuliert zu beschießen, aus psychologischer Sicht selbst eine aggressiv erlebte Verhaltensweise. Dem stehen die entmilitarisierten Begrifflichkeiten und die abstrakte futuristische Spielumgebung nicht entgegen. Die simulierte Ausübung aggressiver Handlungen, zu denen auch das Markieren nicht-menschlicher Ziele zählt, ist alternativlos, um das Spiel gewinnen zu können. Dies lässt darauf schließen, dass Lasertag kognitiv und emotional als ein Bedrohungs- bzw. Gefahrenszenario verarbeitet wird. Die psychophysiologische Aktivierung kommt durch die intensive körperliche Beanspruchung in Verbindung mit Zeit- und Handlungsdruck im Sinne eines Stresserlebens zustande.
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Die Teilnahme am Laserspielen bewirkt eine langfristige Verstärkung aggressionsbezogener Wissensstrukturen. Dies ergibt sich daraus, dass es bei der wiederholten Teilnahme zu einer Verstärkung aggressiver Überzeugungen und Einstellungen sowie zu einer Verstärkung aggressiver Verhaltensmuster kommt, obwohl eine Verstärkung aggressiver Wahrnehmungsschemata und eine Verstärkung feindseliger Attributionstendenzen sowie eine aggressionsbezogene Desensibilisierung nicht festgestellt werden können.
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Die Verstärkung aggressiver Überzeugungen und Einstellungen ergibt sich daraus, dass spielerisch simulierte Aggression die einzige Möglichkeit ist, das Spiel zu gewinnen. Es kommt zu zahlreichen Einzelkonfrontationen gegnerischer Spieler, die derjenige gewinnt, der zuerst bzw. zielgenauer eine Markierung abgibt (schießt). Damit ist der „aggressivere“ Spieler der erfolgreichere Spieler. Kompromissbereitschaft und anderweitige Formen prosozialen Verhaltens werden nicht gefördert. Diesbezüglich kann die Zusammenarbeit im Spielteam aus lernpsychologischer Sicht nicht als prosoziale Handlung wirksam werden. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass lediglich bestimmte aggressive Haltungen nach den Spielregeln legitimiert sind und die Spieler reflektieren können, dass ihre Handlungen nicht tatsächlich zu Schäden beim Gegenspieler führen.
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Die Verstärkung aggressiver Verhaltensmuster ergibt sich daraus, dass das Spiel eine bewaffnete Gefechtssituation simuliert, die sich in ähnlicher Weise auch mit echten Waffen zutragen könnte. Demgegenüber verfügen Kinder und Jugendliche üblicherweise nicht über differenzierte kognitive Erkenntnisse darüber, welche Ereignisse in einer Gefechtssituation tatsächlich erwartet werden können. Das Spiel erscheint geeignet, Verhaltensmuster zu bewaffneten Gefechtssituationen zu lernen, zu festigen und weiter auszudifferenzieren, dies auch auf der Grundlage elektronischer Rückmeldungen über Erfolge und Misserfolge. Diese intensivieren den Lernerfolg. Zwar werden diese Lernerfahrungen durch einige Verfremdungen in der Benutzung des Phasers und bezüglich der möglichen Trefferflächen beim gegnerischen Spieler begrenzt; jedoch ist gerade bei Personen, die keine Erfahrungen mit solchen Spielen haben, zu erwarten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressive Verhaltensmuster erlernt werden, zu denen bislang allenfalls rudimentäre Lernerfahrungen vorliegen. Zu beachten ist hierbei, dass es sich um besonders kritische aggressive Verhaltensmuster handelt, die das Verhalten in einem bewaffneten Gefecht zum Gegenstand haben.
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Aufgrund der typischerweise eingeschränkten Sichtverhältnisse durch Dunkelheit, Dunst und Hindernisse, aufgrund der Hintergrundmusik und aufgrund des allgemeinen Kampfgeschehens kann ein Bedrohlichkeitsgefühl erzeugt werden. Spieler können unvorhergesehen auf Gegenspieler, insbesondere auch auf körperlich deutlich überlegene und nicht vertraute erwachsene Gegner treffen oder gar von mehreren Gegenspielern eingekreist werden. Damit weist das Spiel eine hohe Reizintensität auf, die zumindest sensible Spieler emotional überfordern und bei diesen zu starken Angstreaktionen führen kann (vgl. zum Ganzen VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 - W 3 K 14.438 - juris Rn. 40-46; U.v. 9.5.2019 - W 3 K 17.62 - juris Rn. 48 ff.).
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b) Die Gefahr besteht dabei insbesondere für Kinder unter 14 Jahren. Das Gericht ist davon überzeugt, dass Laserspiele für Kinder unter 14 Jahren generell nicht geeignet sind. Davon gehen auch die Vollzugshinweise zum Jugendschutzgesetz des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. September 2016 und die hinsichtlich Laserspiel-Anlagen inhaltsgleiche Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration über die Vollzugshinweise zum Jugendschutzgesetz vom 10. Januar 2018 (AllMBl. S. 29) aus. Nach deren fachkundiger Einschätzung kommt ein Zugang zu Laserspiel-Anlagen selbst ausnahmsweise bei Vorliegen entlastender Anhaltspunkte nur für Jugendliche ab 14 Jahren in Betracht. Die in das Verfahren eingeführte Stellungnahme des Bayerischen Landesjugendamts vom 22. Januar 2018 bestätigt diese grundsätzliche Einschätzung. Nur wenn der kämpferische Aspekt des Spiels völlig eliminiert würde und wie bei einer Volksfest-Schießbude ausschließlich auf Gegenstände geschossen würde, wäre eine Teilnahme von Kindern ohne Gefährdung des Kindeswohls möglich. Eine solche (Selbst-)Beschränkung ist dem kommerziellen Spiel in Laserspiel-Anlagen jedoch wesensfremd. Es hat sich gezeigt, dass es selbst die von der Klägerin angeblich eingeführten speziellen Kinder-Spielmodi nicht gibt, sondern nur Spielmodi, die nach Auffassung der Klägerin auch für Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren geeignet sind. Im Übrigen kam der vom Verwaltungsgericht Würzburg in dem Verfahren W 3 K 17.62 beigezogene Gutachter zu dem Ergebnis, dass keines der dortigen Spiele für Kinder geeignet ist (vgl. VG Würzburg, U.v. 9.5.2019 - W 3 K 17.62 - BeckRS Rn. 62 f.). Auch wenn die Spielmodi und die Gestaltung bei der streitgegenständlichen Anlage geringfügig anders sind, ändert dies nichts an der dargelegten Aggressionsproblematik und daran, dass gerade bei sensiblen Kindern starke Angstreaktionen hervorgerufen werden können. Dies gilt umso mehr, wenn - wie bei der streitgegenständlichen Anlage - im gegnerischen Team auch ältere Jugendliche und sogar Erwachsene sein können, die Kinder sich daher in einem abgedunkelten Ambiente einem körperlich überlegenen Gegner gegenübersehen und dabei sogar mit Schnellfeuer beschossen werden können.
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c) Auch bezüglich der Altersgruppe der 14- und 15-Jährigen besteht ein erhebliches Gefahrenpotential. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat, bestätigt durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, ursprünglich sogar ein generelles Zutrittsverbot für Jugendliche unter 16 Jahren für rechtmäßig erachtet. Da deren Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und sie anders als ältere Jugendliche und Erwachsene Fiktion und Realität noch nicht in gleicher Weise trennscharf unterschieden können, kam der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu der Einschätzung, dass das Laserspiel im konkret entschiedenen Fall in den Händen von unter 16-Jährigen nichts verloren habe (BayVGH, B.v. 21.7.2016 - 12 ZB 16.1206 - BeckRS Rn. 4). Auch das Landesjugendamt hielt es zunächst unabhängig von den unterschiedlichen konzeptionellen und gestalterischen Ausrichtungen für notwendig, Jugendlichen unter 16 Jahren die Teilnahme am Laserspiel generell zu untersagen (vgl. Empfehlung des Landesjugendamts von 2014 Bl. 38 der Verwaltungsakte). Zu berücksichtigen ist zudem, dass eine Spielfreigabe auch nach den weniger strengen aktuellen Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration für Jugendliche unter 16 Jahren nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Erforderlich ist demnach eine besondere Gestaltung, bei der das Gefährdungspotential gegenüber üblichen Laserspiel-Anlagen erheblich verringert ist. Eine solche besonders jugendfreundliche Gestaltung konnte das Gericht nicht erkennen. So konnte die Kammer durch das vorgespielte Video-Material in der mündlichen Verhandlung und das Bildmaterial auf der Homepage nicht den Eindruck gewinnen, dass die streitgegenständliche Anlage außergewöhnlich hell und freundlich gestaltet wäre. Vielmehr besteht durch die schwarzen Wände und Hindernisse durchaus ein dunkles und potentiell angsteinflößendes Ambiente. Zudem wird der Phaser nach der Vorführung des Gerätes in der mündlichen Verhandlung waffenähnlich wie eine Maschinenpistole gehalten und verwendet. Das eingesetzte Stroboskoplicht führt sogar zu einem gegenüber anderen Anlagen erhöhten Gefährdungspotential. Ebenso ist der „Warbot“ bzw. „Freddy“ in allen Spielformen aktiviert. Durch dieses Element, das einer Selbstschussanlage zumindest nahekommt, wird das Gefährdungspotential der Anlage weiter gesteigert.
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3. Der Beklagte hat das ihm durch § 7 Satz 1 und 2 JuSchG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Er konnte dem Gefährdungspotential der Laserspiel-Anlage dadurch begegnen, dass er Kindern die Teilnahme am Spielbetrieb ausnahmslos untersagte und in der Altersgruppe der 14- und 15-Jährigen die Begleitung durch eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person vorschrieb. Insofern steht die Auswahl der konkreten Maßnahme im Ermessen der Behörde, so dass das Gericht hier nach § 114 VwGO und Art. 40 BayVwVfG nur überprüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, nicht dagegen, ob andere Lösungen zweckmäßiger und effektiver gewesen wären. Der Beklagte durfte sich dabei an den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und der hiermit übereinstimmenden Einschätzung des Bayerischen Landesjugendamts orientieren, dem für Fragen des Jugendschutzes eine besondere Sachkunde zukommt. Demnach ist das angeordnete generelle Teilnahmeverbot für Kinder erforderlich, um einer Kindswohlgefährdung vorzubeugen. Angesichts der großen Bedeutung, die dem Kinderschutz zukommt, und der Intensität der Gefährdung, die vom Laserspiel für Kinder ausgeht (s.o.), ist auch der vollständige Ausschluss von Kindern von der Teilnahme am Laserspiel nicht unangemessen. Aber auch die Anordnung, Jugendlichen unter 16 Jahren die Teilnahme am Spielbetrieb nur in Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragen Person zu gestatten, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Insofern ist es im Hinblick auf die Praktikabilität und Durchführbarkeit nicht zu beanstanden, dass der Beklagte generell für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 15 Jahren die Begleitung durch eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person vorsieht. Eine vom Spielmodus abhängige Zulassung ohne Begleitung würde zu erheblichen Vollzugsschwierigkeiten führen. Zudem wäre nicht sichergestellt, dass der Betreiber die Spielmodi nicht unbemerkt in gefahrerhöhender Weise verändert. Der Verlauf des gerichtlichen Verfahrens zeigt, dass sich die Gestaltung der Anlage und der Spielmodi im Verlauf der Zeit erheblich verändern kann. Gerade der Gefahr einer Verängstigung kann durch die Anwesenheit einer Bezugsperson besser begegnet werden als beispielsweise bei dem bloßen Erfordernis einer schriftlichen Einverständniserklärung oder einem vorherigen Gespräch mit einem Personensorgeberechtigten. Abgesehen davon entspricht die gewählte Lösung den gesetzlichen Wertungen der § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 JuSchG. Zudem erscheint es fraglich, ob eine Teilnahmebeschränkung für 14- und 15-Jährige auf weniger jugendgefährdende Spielmodi für die Klägerin tatsächlich ein weniger einschneidendes Mittel wäre. Nach der Regelung im Bescheid können Jugendliche in diesem Alter - gegebenenfalls mit nur einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person - sämtliche Spielmodi spielen. Dies erscheint zwar bei Spielformen wie „Zombie“ sehr problematisch. Eine Rechtsverletzung der Klägerin ist damit jedoch nicht verbunden.
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b) Die getroffene Regelung ist auch nicht unangemessen. Zum einen ist die überragende Bedeutung des Jugendschutzes zu berücksichtigen, dem sich wirtschaftliche Überlegungen grundsätzlich unterzuordnen haben (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2016 - 12 ZB 16.1206 - BeckRS Rn. 13). Die Intensität der Beschränkung erscheint zudem gering. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass der Anteil der an die unter 14-Jährigen verkauften Eintrittskarten 20 bis 30% betrage und der Anteil der an die 14- und 15-Jährigen verkauften Karten sogar noch höher liege, steht in deutlichem Widerspruch zum schrift-sätzlichen Vorbringen, nach dem der Anteil der spielenden Kinder im April 2017 5% betragen habe und von den 8000 Mitgliedern 350 Kinder (4,37%) und 600 (7,5%) Jugendliche seien. Demnach dürfte der Anteil der unter 14-jährigen Spieler nur gering sein und die Hauptzielgruppe Spieler ab 16 Jahren darstellen. Die Beschränkung ist zuletzt auch deshalb verhältnismäßig, weil den 14- und 15-Jährigen die Teilnahme grundsätzlich gestattet bleibt. Jugendliche dieser Altersgruppe können alle Spielmodi mit nur einer volljährigen Begleitperson spielen.
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4. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte bedingte Beweisantrag ist abzulehnen. Das Beweisthema, dass die streitgegenständliche Anlage „unter bestimmten Bedingungen“ auch für Kinder ab 10 Jahren geeignet sei, ist zu unbestimmt und unerheblich. Für die Frage der Gefährdung des geistigen und seelischen Wohls von Kindern kommt es auf die Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (vgl. VG Würzburg, U.v. 9.5.2019 - W 3 K 17.62 - BeckRS Rn. 77). Es ist daher unerheblich, mit welchen Anpassungen in der Zukunft der Gefährdung begegnet werden könnte. Soweit der Kläger hilfsweise beantragt hat, durch Sachverständigengutachten zu klären, dass in der konkreten Anlage die Spiele Jeder gegen Jeden/Individual, Team und Colour Conquest für Kinder ab 10 Jahren geeignet seien, hat auch dieser Antrag keinen Erfolg. Die Frage der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ist eine Rechtsfrage, die durch das Gericht selbst zu klären ist. Die Auswirkungen des Laserspiels auf Kinder ab 10 Jahren und damit die Grundlagen der Gefahrenprognose sind durch die vorliegenden, bereits in anderen Verfahren eingeholten Gutachten sowie die sachkundigen Stellungnahmen des zuständigen Staatsministeriums, des Bayerischen Landesjugendamts und der Jugendschutzbeauftragten des Beklagten bereits hinreichend geklärt (vgl. o.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.