Titel:
Fiktive Klagerücknahme nach dem Asylgesetz im Rechtsmittelverfahren
Normenketten:
AsylG § 10 Abs. 1, § 81
VwGO § 92 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Die Einwilligung der Beklagten ist für die Annahme einer Rücknahmefiktion im Asylstreitverfahren nicht erforderlich, weil § 81 AsylG insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 92 Abs. 2 S. 2 VwGO darstellt (Rn. 3). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylstreitverfahren, Rechtsmittelverfahren, Betreibensaufforderung, prozessuale Mitwirkungspflicht, Mitteilung der Anschrift, fiktive Klagerücknahme, Einwilligung der Beklagten, Entscheidung durch Berichterstatter
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 13.02.2019 – Au 6 K 17.33740
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36163
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Februar 2019 ist wirkungslos geworden.
III. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung von § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 VwGO durch den Berichterstatter einzustellen, weil die Klage nach § 81 Satz 1 AsylG als zurückgenommen gilt. Diese Bestimmung ist auch im Rechtsmittelverfahren anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2019 - 9 ZB 19.31342 - juris Rn. 1 m.w.N.). Entsprechend § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist das Urteil des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären.
2
Die Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 AsylG sind gegeben, weil der Kläger die seinem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 4. November 2020 zugestellte gerichtliche Aufforderung vom 2. November 2020, die Anschrift des Klägers mitzuteilen, länger als einen Monat nicht beantwortet hat. Nachdem der Kläger laut Mitteilung der Regierung von Schwaben seit dem 27. Oktober 2020 als untergetaucht gilt und damit seine prozessuale Mitwirkungspflicht verletzt, während der Dauer des Asylverfahrens dem angerufenen Gericht jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen (§ 10 Abs. 1 AsylG), bestanden Zweifel an seinem Rechtsschutzbedürfnis und damit ein hinreichender Anlass für die Betreibensaufforderung. Diese enthielt auch die nach § 81 Satz 3 AsylG erforderliche Belehrung über die Folgen des Nichtbetreibens.
3
Die Einwilligung der Beklagten ist für die Annahme der Rücknahmefiktion nicht erforderlich, weil § 81 AsylG insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 2 VwGO darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2018 - 8 ZB 18.30470 - juris Rn. 4 m.w.N.).
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Satz 2, § 83b AsylG.
5
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 3 Satz 2 AsylG).