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VGH München, Beschluss v. 18.12.2020 – 20 NE 20.2678
Titel:

Betriebsschließung von Sportstätten (hier: Tennishalle) in der Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
11. BayIfSMV § 2 S. 2 Nr. 10, § 10 Abs. 3
IfSG § 28 Abs. 1, § 28a, § 32
Leitsätze:
1. § 10 Abs. 3 S. 1 11. BayIfSMV steht im Einklang mit §§ 28 Abs. 1 S. 1, 28a Abs. 1 Nr. 8, 32 S. 1 IfSG und erweist sich bei summarischer Prüfung weder als unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die durch § 10 Abs. 3 S. 1 8. BayIfSMV erfolgte Ausdehnung der Maßnahmen auf alle Sportanlagen, soweit sie sich nicht unter freiem Himmel befinden, ist vereinbar mit dem Gesamtkonzept, Kontakte, die freizeitbedingt in Innenräumen stattfinden, einzuschränken, um das Infektionsgeschehen abzuschwächen. Das Gleiche gilt für die Nachfolgeregelung des § 10 Abs. 3 S. 1 11. BayIfSMV. Auf die Frage, ob es in der Anlage (hier: Tennishalle) nachweislich zu Infektionen mit SARS-CoV-2 gekommen ist, kommt es nicht an.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Betriebsschließung Sportstätten (Tennishalle), Erfolgsaussichten der Hauptsache (verneint), Folgenabwägung, Infektionsschutz, Kontakteinschränkung, Innenräume, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 36149

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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1. Der Antragsteller, der in Bayern eine Tennisanlage mit Vermietung von Hallen- und Freiplätzen, Tennisunterricht, Gastronomie sowie Organisation und Ausrichtung von Turnieren betreibt, wendet sich gegen die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737), soweit diese in § 10 Abs. 3 (Satz 1) bzw. ggf. in § 2 Satz 2 Nr. 10 11. BayIfSMV den Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen und anderen Sportstätten untersagt.
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2. Die angegriffenen Regelungen haben folgenden Wortlaut:
㤠2
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Allgemeine Ausgangsbeschränkung
4
Das Verlassen der Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Triftige Gründe im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere:
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10. Sport und Bewegung an der frischen Luft unter Beachtung der Kontaktbeschränkung nach § 4,
§ 10
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Sport
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(3) Der Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderen Sportstätten ist untersagt. 2Abs. 2 und § 18 bleiben unberührt.“
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3. Der Antragsteller trägt zur Begründung seines zunächst gegen Bestimmungen der 8. BayIfSMV vom 30. Oktober 2020 gerichteten und zuletzt mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 auf die 11. BayIfSMV umgestellten Eilantrags im Wesentlichen vor, durch die vollständige Schließung seiner Tennishalle schwere wirtschaftliche Verluste von wöchentlich ca. 9.000 bis 10.000 Euro zu erleiden. Die Gleichbehandlung des Tennissports mit Sportarten mit hohem Infektionsrisiko (z.B. Squash) verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die angegriffene Regelung infektiologisch völlig unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandle. In seiner ca. 12.000 m3 großen Tennishalle hielten sich maximal acht Personen auf, die beim Einzel während des deutlich überwiegenden Teils des Spiels einen Abstand von mehr als 20 m einhielten. Die Maßnahme verstoße gegen den Parlamentsvorbehalt und sei unverhältnismäßig. Statt eines pauschalen Verbots hätte es genügt, nur solche (Sport-)Bereiche zu schließen, in denen tatsächlich ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe. Die vollständige Schließung sei auch unangemessen, weil der damit verbundene Mehrwert jedenfalls in keinem Verhältnis zu dem damit verbundenen Grundrechtseingriff stehe. Unter Berücksichtigung der weiterlaufenden Kosten für die Anlage drohe dem Antragsteller schlimmstenfalls die Schließung des Betriebs, sodass neben seiner Berufsfreiheit auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt sei.
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Er beantragt,
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1. Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV“ wird vorläufig außer Kraft gesetzt.
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2. Hilfsweise zu 1: Die Regelung des § 10 Abs. 3 der 11. BayIfSMV wird vorläufig außer Kraft gesetzt.
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3. Hilfsweise zu 2: Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 der 11. BayIfSMV wird vorläufig außer Kraft gesetzt, soweit sie die Öffnung und den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen und anderen Sportstätten untersagt.
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4. Hilfsweise zu 3: Die Regelung des § 10 Abs. 3 der 11. BayIfSMV wird vorläufig außer Kraft gesetzt, soweit sie die Öffnung und den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen und anderen Sportstätten untersagt.
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5. Hilfsweise zu 4: Die Regelungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 und des § 2 Satz 2 Nr. 10 der 11. BayIfSMV werden vorläufig außer Kraft gesetzt.
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6. Hilfsweise zu 5: Die Regelungen des § 10 Abs. 3 und des § 2 Satz 2 Nr. 10 der 11. BayIfSMV werden vorläufig außer Kraft gesetzt.
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7. Hilfsweise zu 6: Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 1 der 11. BayIfSMV, soweit sie die Öffnung und den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen und anderen Sportstätten untersagt, und die Regelung des § 2 Satz 2 Nr. 10 der 11. BayIfSMV werden vorläufig außer Kraft gesetzt.
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8. Hilfsweise zu 7: Die Regelung des § 10 Abs. 3 der 11. BayIfSMV, soweit sie die Öffnung und den Betrieb von Sporthallen, Sportplätzen und anderen Sportstätten untersagt, und die Regelung des § 2 Satz 2 Nr. 10 der 11. BayIfSMV werden vorläufig außer Kraft gesetzt.
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4. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) schütze nur den konkreten Bestand an Rechten, nicht jedoch Umsatz- und Gewinnchancen. In Ansehung der hohen Neuinfektionszahlen und der bedenklichen Entwicklung auf den Intensivstationen sei die Schließung von Sportstätten als Berufsausübungsregelung nach Art. 12 GG gerechtfertigt. Die Maßnahme verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es liege keine unzulässige Gleichbehandlung mit Sportarten mit hohem Infektionsrisiko vor. Das grundsätzliche Ziel bestehe darin, Kontakte zu reduzieren, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen. Die individuelle Infektionsgefahr konkreter Sportarten sei für den Verordnungsgeber nicht handlungsleitend und müsste dies auch nicht sein. Auch eine Folgenabwägung ginge zulasten des Antragstellers aus, weil sein Interesse an der Weiterführung seines Betriebs gegenüber den bedrohten Rechtsgütern von Leib und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), wesentlich geringer sei.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
A.
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Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 10 Abs. 3 (Satz 1) 11. BayIfSMV (vgl. Anträge 1 bis 4) hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.). Unabhängig davon ginge auch eine Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus (3.).
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
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Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der Eilantrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung abzulehnen, weil ein in der Hauptsache zu erhebender Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
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a) Zu der Frage, ob die angegriffene Untersagung des Betriebs von Sportstätten durch § 10 Abs. 3 Satz 1 10. BayIfSMV auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung beruht, insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt und an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG genügt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2020 (20 NE 20.2461 - juris Rn. 22 ff.), wonach gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG jedenfalls im Rahmen des Eilrechtsschutzes keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
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b) Die vom Antragsteller angegriffene Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV steht mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 8, § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG im Einklang und erweist sich bei summarischer Prüfung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 5.11.2020 - 20 NE 20.2468 - juris Rn. 14 ff.; B.v. 12.11.2020 - 20 NE 20.2463 - juris Rn. 33 ff. betreffend § 10 8. BayIfSMV i.d.F.v. 30.10.2020).
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Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Untersagung oder Beschränkung von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind (§ 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG), und von Sportveranstaltungen und der Sportausübung sein (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG). Entscheidungen über Schutzmaßnahmen sind nach § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 nicht zwingend erforderlich ist (§ 28a Abs. 6 Satz 2 und 3 IfSG).
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c) Für die Ausübung von Amateursport schreibt § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV die mit der 9. und 10. BayIfSMV ergriffenen Maßnahmen fort (vgl. Begründung der 11. BayIfSMV vom 15.12.2020, BayMBl. 2020 Nr. 738, S. 1). Hintergrund der Beschränkungen ist die (typisierende) Erwägung des Verordnungsgebers, dass es sich beim Betrieb und der Nutzung von Sportstätten - im Innen- und Außenbereich (anders noch § 10 Abs. 3 Satz 2 8. BayIfSMV i.d.F.d. Änderungsverordnung vom 12.11.2020 [BayMBl. 2020 Nr. 639] für die Nutzung von Sportstätten unter freiem Himmel) - um kontaktintensive Bereiche handelt, wo das Infektionsgeschehen durch eine Verminderung der persönlichen Kontakte effektiv begrenzt werden könne. Der Normgeber hält es seitdem für unerheblich, ob sich der Anteil der betroffenen Bereiche am Infektionsgeschehen genau und im Einzelnen sicher feststellen lässt, da die Ermittlung der Umstände einer Infektion ohnehin nur schwer möglich sei (vgl. Begründung zur 9. BayIfSMV vom 30.11.2020, BayMBl. 2020 Nr. 684, S. 4). Vielmehr geht er davon aus, dass die körperliche Aktivität beim Sport mit einer erhöhten Produktion von Aerosolen verbunden ist und in Innenräumen deshalb ein erhöhtes Risiko der Anreicherung von Aerosolen besteht, die eine mögliche Infektionsübertragung auch bei Einhalten von Mindestabständen begünstigen kann. Aus diesen Gründen ist er davon ausgegangen, dass die Infektionsgefahr bei der Ausübung von Sport in Innenräumen auch bei Beachtung von Schutz- und Hygienekonzepten nicht vollständig vermieden werden kann (vgl. Begründung zur 9. BayIfSMV vom 30.11.2020, a.a.O., S. 4).
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Der Senat hat die Ausdehnung der Maßnahmen mit § 10 Abs. 3 Satz 1 8. BayIfSMV (i.d.F. der Änderungsverordnung vom 12.11.2020) auf alle Sportanlagen, soweit sie sich nicht unter freiem Himmel befinden (§ 10 Abs. 3 Satz 2 8. BayIfSMV), nicht beanstandet. Sie steht in Einklang mit dem Gesamtkonzept, Kontakte, die freizeitbedingt in Innenräumen stattfinden, einzuschränken, um das Infektionsgeschehen abzuschwächen (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2020 - 20 NE 20.2567 - juris Rn. 25). Nichts Anderes gilt für § 10 Abs. 3 Satz 1 11. BayIfSMV. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich seitdem nicht verringert; für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld weiterhin nicht ermittelt werden. Auf die Frage, ob es in Tennishallen nachweislich zu Infektionen mit SARS-CoV-2 gekommen ist, kommt es deshalb derzeit nicht an.
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d) Aus diesem Grund dürfte auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG ausscheiden, weil der Verordnungsgeber nicht gehalten war, Sportstätten nur bei einer individuell erhöhten Infektionsgefahr zu schließen. Soweit der Antragsteller eine Ungleichbehandlung seiner Tennishalle mit geöffneten Einzelhandels- und Friseurbetrieben rügt, ist dies mit der 11. BayIfSMV überholt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 11. BayIfSMV). Für die weiter geöffneten Ladengeschäfte wie z.B. den Lebensmittelhandel kann sich der Verordnungsgeber auf § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG stützen, der ihm bei den notwendigen Differenzierungen in einem Gesamtkonzept einen Gestaltungsspielraum einräumt. Dabei kann insbesondere das öffentliche Interesse an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten berücksichtigt werden (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 82). Die vom Antragsteller ebenfalls angeführte Zulassung des Besuchs von Gottesdiensten unter Schutz- und Hygieneauflagen (vgl. § 6 11. BayIfSMV) kann - auch im Hinblick auf die besondere grundgesetzliche Bedeutung der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) - nicht mit der Ausübung von Amateursport in Sportstätten verglichen werden (vgl. auch BVerfG, E.v. 29.4.2020 - 1 BvQ 44/20 - NVwZ 2020, 783 - juris Rn. 13)
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3. Auch eine Folgenabwägung ergibt, dass die betroffenen Schutzgüter der Normadressaten, insbesondere ihre Grundrechte aus Art. 12 GG und ggf. Art. 14 Abs. 1 GG, derzeit hinter den Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen (vgl. BVerfG, B.v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20 - juris Rn. 12 ff.; BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 - Vf. 90-VII-20 - juris Rn. 41); eine Außervollzugsetzung kommt daher auch insofern nicht in Betracht.
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a) Das pandemische Geschehen ist weiterhin sehr angespannt. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 17. Dezember 2020 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-17-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Seit dem 4. Dezember 2020 ist ein starker Anstieg der Fallzahlen zu beobachten. Die Inzidenz der letzten sieben Tage liegt deutschlandweit bei 179 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Sachsen und Thüringen liegt sie sehr deutlich über der Gesamtinzidenz und steigt weiter an. Seit Anfang September nimmt der Anteil älterer Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Personen ≥ 60 Jahre liegt bei aktuell 173 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen, mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten sowie in Alten- und Pflegeheimen, aber auch in beruflichen Settings, in Gemeinschaftseinrichtungen und ausgehend von religiösen Veranstaltungen. Für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden. Nach dem starken Anstieg der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle bis Mitte November (von 879 Fällen am 20.10 [abrufbar unter https://www.divi.de/divi-intensivregister-tagesreport-archiv] auf 3.615 Fälle am 20. November 2020), hat sich dieser mittlerweile etwas verlangsamt, die Gesamtzahl steigt aber derzeit weiter an (4.856 am 17.12.2020). Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (vgl. Risikobewertung vom 11.12.2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Risikobewertung.htm).
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b) In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung - im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten - schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Rechte der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verpflichtet ist, müssen die Interessen der von der Schließung von Sportstätten Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 - juris Rn. 25; B.v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20 - juris Rn. 12 ff.).
B.
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Die Hilfsanträge gegen § 2 Satz 2 Nr. 10 11. BayIfSMV (Anträge Nr. 5 bis 8), die nur für den Fall gestellt wurden, dass der Senat davon ausgeht, dass diese Regelungen der Öffnung des Betriebs des Antragstellers entgegenstehen, obwohl § 10 Abs. 3 (Satz 1) 11. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen sei, gehen nach alledem ins Leere.
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Bestimmung bereits mit Ablauf des 10. Januar 2021 außer Kraft tritt (§ 29 Abs. 1 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass der Streitwert für das Eilverfahren nicht nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verringern ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).