Inhalt

FG München, Urteil v. 16.10.2020 – 8 K 611/19
Titel:

Der für die Anwendung der Fahrtenbuchmethode geforderte Belegnachweis kann ergänzt werden

Normenkette:
EStG § 8 Abs. 2 S. 4
Leitsätze:
1. Für die Besteuerung der privaten Nutzung eines Dienstwagens nach § 8 II 4 EStG (sog. individuelle oder Fahrtenbuchmethode) ist neben der Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs der Belegnachweis für die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen materiell-rechtliche Voraussetzung.
2. Konnten zwar zur Berechnung der tatsächlichen Treibstoffkosten lediglich geschätzte Werte hinsichtlich des Verbrauchswerts des einzelnen Fahrzeugs und der Treibstoffpreise zugrunde gelegt werden, weil die Betankung des jeweiligen Fahrzeugs durchgehend an einer betrieblichen Zapfsäule des Arbeitgebers ohne Anzeige der Mengenabgabe und des Preises erfolgt ist, liegen jedoch sämtliche Einkaufsrechnungen des Arbeitgebers für die gesamten Treibstoffkosten vor, so stellt die erforderliche Teilschätzung des durchschnittlichen Treibstoffpreises sowie des konkreten Treibstoffverbrauchs eines von einem Arbeitnehmer auch privat genutzten Kfz nur einen geringfügigen Mangel dar, der insgesamt nicht zur Verwerfung der Fahrtenbuchmethode führt, sofern bei der Teilschätzung der höchste vom Hersteller angegebene Verbrauch pro km (innerstädtischer Verkehr) angesetzt wird und eine Manipulation somit praktisch ausgeschlossen ist.
Schlagwort:
Sachbezug
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 15.12.2022 – VI R 44/20
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2021, 541
DStRE 2021, 1117
LSK 2020, 35992
BeckRS 2020, 35992

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 6. Februar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2019 wird dahingehend geändert, dass der Haftungsbetrag für Lohnsteuer von bisher 18.312 € auf 4.462 €, für Solidaritätszuschlag von bisher 1.007,65 € auf 245,41 € und für römisch-katholische Kirchensteuer von bisher 1.465,68 € auf 356,96 €, insgesamt von bisher 20.794,33 € auf 5.064,37 € herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 22 v.H. und der Beklagte zu 78 v.H.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer und römisch-katholische Kirchensteuer für die private Kraftfahrzeug(Kfz)-Nutzung ihrer Arbeitnehmer.
2
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in … Sie ist im Handelsregister B des AG … unter HRB … eingetragen und betreibt ein …Unternehmen. Im Haftungszeitraum überließ sie ihren Arbeitnehmern A und B jeweils firmeneigene Fahrzeuge, die diese auch privat nutzen durften. Im Einzelnen verfügte A über einen Audi A5 im Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 27. April 2012, einen BMW 530xd im Zeitraum 27. April 2012 bis 16. April 2015 und einen BMW X5 M50d im Zeitraum 17. April 2015 bis 31. Dezember 2015. B verfügte über einen VW Tiguan im Zeitraum 1. Januar 2012 bis 5. April 2014 und einen Volvo XC60 im Zeitraum 3. April 2014 bis 31. Dezember 2015. Beide Arbeitnehmer führten über die mit ihren Dienstwagen unternommenen Fahrten im gesamten streitigen Zeitraum Aufzeichnungen in Fahrtenbüchern.
3
Der Beklagte (Finanzamt) führte in der Zeit vom 10. Mai 2016 bis 19. Dezember 2016 eine Lohnsteueraußenprüfung für den Haftungszeitraum Dezember 2011 bis April 2016 durch. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die aus der privaten Nutzung der Dienstwagen resultierenden geldwerten Vorteile nach einer Mischmethode ermittelt hatte. Für die Privatfahrten der Arbeitnehmer kam die sogenannte individuelle Methode zur Anwendung, d.h. der Nutzungsvorteil wurde anhand des Einzelnachweises aller Fahrten und Gesamtkosten ermittelt. A hatte sein jeweiliges Fahrzeug auch für die Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte/erste Tätigkeitsstätte genutzt. Für die Berechnung des hieraus resultierenden geldwerten Vorteils wurde die pauschalierende Bewertung mit 0,03% des Bruttolistenpreises angewandt. Weiter stellte der Prüfer fest, dass zur Berechnung der tatsächlichen Treibstoffkosten geschätzte Werte hinsichtlich der Verbrauchswerte der Fahrzeuge und der Treibstoffpreise zugrunde gelegt worden waren. Der Grund hierfür war, dass die Betankung der Fahrzeuge an einer betrieblichen Zapfsäule ohne Anzeige der Mengenabgabe und des Preises erfolgt war. Die Fahrtenbücher waren nach Auffassung des Prüfers ordnungsgemäß. Mit Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 17. Januar 2017 berechnete der Prüfer den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung der Firmen-Pkws pauschal nach der 1-%-Methode bzw. der 0,03-%-Methode für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte neu. Hieraus errechneten sich individuell nachzuversteuernde geldwerte Vorteile von 33.042,78 € (588,00 € für 2011 + 7.076,32 € für 2012 + 7.281,54 € für 2013 + 8.138,16 € für 2014 + 9.958,76 € für 2015) für A und von 16.581,55 € (3.718,08 € für 2012 + 3.744,24 € für 2013 + 4.223,23 € für 2014 + 4.896,00 € für 2015) für B. Darauf entfiel eine nachzuerhebende Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und römisch-katholischer Kirchensteuer von 15.178,35 € für A und von 5.105,23 € für B, gesamt 20.283,58 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 17. Januar 2017 Bezug genommen. Die Klägerin erklärte sich bereit, die Steuerbeträge zu übernehmen. Die weitere Prüfungsfeststellung, die das Fahrzeug von C betrifft, steht nicht im Streit.
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Das Finanzamt schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ gegenüber der Klägerin den angefochtenen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 6. Februar 2017, den es auf § 42d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) stützte. Zur Begründung für die Haftungsinanspruchnahme berief es sich u.a. darauf, dass die Klägerin sich damit einverstanden erklärt hatte. Den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2019 als unbegründet zurück.
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Während des Klageverfahrens wurde die Klägerin mit gerichtlicher Aufklärungsanordnung vom 30. April 2019 aufgefordert, sämtliche Fahrtenbücher und Belege über die insgesamt entstandenen Aufwendungen für die Fahrzeuge vorzulegen. Die Klägerin legt nunmehr eine Neuberechnung des geldwerten Vorteils vor. Hierbei ermittelt sie die durchschnittlichen Kosten pro Liter Treibstoff nach der Festwertmethode anhand ihres gesamten Jahresaufwands für Treibstoff. Für die Zuordnung des Treibstoffaufwands zu den jeweiligen Fahrzeugen geht sie von durchschnittlichen Herstellerangaben aus. Den geldwerten Vorteil des A für die Benutzung seiner Dienstwagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erste Tätigkeitsstätte berechnet die Klägerin nunmehr mit den individuell ermittelten Kfz-Kosten. Auf die mit Schriftsatz der Klägerin vom 29. April 2019 vorgelegten Belege und Berechnungen wird Bezug genommen.
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Zur Begründung der fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:
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Die Bewertung des Nutzungsvorteils für die private Kfz-Nutzung sei nach der individuellen Methode vorzunehmen. Sämtliche Kosten für Leasing, Kfz-Steuern, Kfz-Versicherungen, Reparaturen etc. seien durch Belege nachgewiesen. Die Fahrtenbücher seien unstreitig ordnungsgemäß. Lediglich die Treibstoffkosten seien gemäß den Verbrauchsangaben der Hersteller der betrieblichen Kfz und der von ihr aufgewendeten Kosten pro Liter rechnerisch ermittelt worden. Ab 2017 seien die privat genutzten Kfz nicht mehr an der betrieblichen Zapfsäule betankt worden, sondern an Tankstellen. Dabei habe sich herausgestellt, dass die alternative Berechnung der Treibstoffkosten anhand der Verbrauchsangaben der Kfz sachgemäß sei. Für den X5 des A habe sich ein Durchschnittsverbrauch von 9,59 Liter/100 km ergeben. Vor dem Hintergrund, dass die rechnerische Ermittlung der Treibstoffkosten sachgemäß sei, seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Fahrtenbuchmethode erfüllt. Der geringe Mangel bei der Einzelaufzeichnungspflicht hinsichtlich der Betankung der Kfz müsse vernachlässigt werden und dürfe nicht zur Versagung der Fahrtenbuchmethode führen. Die Anwendung der Bruttolistenpreisregelung führe hier zu einer ungerechtfertigt hohen Besteuerung, da die Privatanteile laut Fahrtenbuch lediglich zwischen 1,8 und 12,3% betragen hätten.
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Die Klägerin beantragt,
den Haftungsbescheid vom 6. Februar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2019 dahingehend zu ändern, dass der Haftungsbetrag um 20.283,58 € auf 510,75 € herabgesetzt wird.
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Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt es aus, zunächst sei die Ermittlung der geldwerten Vorteile durch eine nicht zulässige Mischberechnung erfolgt. Nunmehr werde richtigerweise die Berechnung des geldwerten Vorteils für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte sowie für die Fahrten zu privaten Zwecken durch individuelle Wertermittlung anhand der Fahrtenbücher durchgeführt. Zwar könne der neu vorgelegten Ermittlung der Benzinkosten nach Durchschnittspreisen gefolgt werden. Die Ermittlung des Benzinpreises und des Verbrauchs nach Durchschnittswerten könne jedoch nicht als belegmäßiger Nachweis anerkannt werden. Der Verbrauch werde anhand der gefahrenen Kilometer und des Fahrzeugtyps geschätzt. Dies sei kein Nachweis aller entstandenen Aufwendungen durch Belege im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG. Die 1-%-Methode komme daher zwingend zur Anwendung.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Einspruchsentscheidung, die eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet. Soweit das Finanzamt es abgelehnt hat, den Haftungsbetrag auf der Basis der Bewertung des geldwerten Vorteils für die privaten Kfz-Nutzungen der Arbeitnehmer LM und BM nach der Fahrtenbuchmethode zu berechnen, ist der Haftungsbescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
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1. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin liegen dem Grunde nach vor.
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a) Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Dasselbe gilt für den Solidaritätszuschlag nach § 1 Abs. 1, Abs. 4 Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) i.V.m. § 51a Abs. 1, Abs. 2a EStG. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner der Lohnsteuer (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG), der Arbeitnehmer als Steuerschuldner und der Arbeitgeber als Steuerentrichtungsschuldner. Die Finanzbehörden können nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG die Steuer- oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) gegenüber jedem Gesamtschuldner gelten machen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig aufgebaut (vgl. BFH-Urt. vom 20. September 2016 X R 36/15, BFH/NV 2017, 593; vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579 m.w.N.). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es zur Haftung heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Haftungsnorm erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfende rechtlich gebundene Entscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar. Prüfungsmaßstab hierfür ist allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
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b) Nach diesen Maßgaben ist der angegriffene Haftungsbescheid für den Haftungszeitraum ab Dezember 2011 dem Grunde nach rechtmäßig.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung der Klägerin gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG liegen vor. Die Klägerin haftet als Arbeitgeberin für die Lohnsteuer, soweit sie diese in zu geringer Höhe an das Finanzamt abgeführt hat. Die Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens durch das Finanzamt ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin sich bereit erklärt hat, die nachzufordernden Beträge zu übernehmen (vgl. BFH-Urt. vom 24. August 2017 VI R 58/15, BStBl II 2018, 72).
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2. Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin ist jedoch der Höhe nach unzutreffend. Die Bewertung des geldwerten Vorteils für die privaten Kfz-Nutzungen der Arbeitnehmer A und B ist nach der Fahrtenbuchmethode vorzunehmen.
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a) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sind für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs zu privaten Fahrten für jeden Kalendermonat der privaten Nutzung Einnahmen in Höhe von 1% des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten der Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 erhöht sich der nach Satz 2 ermittelte Wert für jeden Kalendermonat um 0,03% des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte, wenn das Kfz auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte genutzt werden kann (1%-Regelung oder sog. pauschale Methode). Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 kann der Wert nach den Sätzen 2 und 3 mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kfz-Aufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (sog. individuelle oder Fahrtenbuchmethode).
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b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Fahrtenbuchmethode vor.
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aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Arbeitnehmer der Klägerin A und B ordnungsgemäße Fahrtenbücher geführt haben. Dem Senat liegen die Fahrtenbücher vor. Auch nach hiesiger Auffassung weisen die Fahrtenbücher nur geringfügige Mängel auf, die nicht zu ihrer Verwerfung führen. Die Belege und die Eintragungen im Fahrtenbuch stimmen bei A vollständig und bei B nahezu vollständig überein. Zwar hat B es mehrfach versäumt, Fahrten zur Firma D zum Reifenwechsel in das Fahrtenbuch aufzunehmen (21. März und 12. November 2012, 15. März 2013). Die Entfernung zur Werkstatt beträgt jedoch nur einen km, der Fehler ist deshalb geringfügig. Auch soweit in diesen Rechnungen kleinere Abweichungen bei den Kilometerständen zwischen den Fahrtenbüchern und den Werkstattrechnungen bestehen, führt dies nicht dazu, die Ordnungsmäßigkeit insgesamt zu versagen, da diese Angaben auf den Werkstattrechnungen erfahrungsgemäß häufiger ungenau sind (vgl. BFH-Urt. vom 10. April 2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768). Insgesamt bieten die Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern vorliegend eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit und sind plausibel.
22
bb) Der Belegnachweis für die durch die Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen ist geführt.
23
Der Belegnachweis ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG. Zu den durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen (Gesamtkosten) gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und in Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen; dazu rechnen insbesondere die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, AfA oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen und Garagenmiete (BFH-Urt. vom 3. September 2015 VI R 27/14, BStBl II 2016, 174). Die Gesamtkosten müssen insgesamt durch Belege nachgewiesen sein, sie sind lückenlos im Einzelnen zu belegen (Kister in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 8 EStG Rz. 102). Nicht abschließend geklärt ist, inwieweit der grundsätzlich geforderte Belegnachweis u.U. durch eine (Teil-)Schätzung ergänzt werden kann (insoweit offen gelassen in BFH-Beschl. vom 16. September 2004 VI B 5/04, BFH/NV 2005, 336; ablehnend FG München, Urt. vom 29. Januar 2018 7 K 3118/16, DStRE 2019, 539). Zwar führt der BFH in seinem Urteil vom 10. April 2008 (VI R 38/06, BStBl II 2008, 768) aus, die 1%-Regelung komme nicht schon deshalb zur Anwendung, weil die Firma, die das Kfz gestellt hat, die auf den jeweils zur Nutzung überlassenen Dienstwagen entfallenden Kosten nicht getrennt aufgezeichnet hat. § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setze die Einrichtung eines gesonderten Aufwandskontos nicht voraus. Demgegenüber vertritt ein Teil der Literatur die Auffassung, dass eine (Teil-) Schätzung von Aufwendungen aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht zulässig sei (vgl. Adamek in Bordewin/Brandt, EStG, § 8 Rz. 151; Ettlich in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 8 EStG Rz. 120; Krüger in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 8 Rz. 53; Kulosa in Schmidt, § 6 Rz. 568), während andere Autoren eine differenzierende Betrachtung fordern. So erläutert Werndl, eine Schätzung der Aufwendungen könne den Belegnachweis jedenfalls nicht ersetzen. Probleme könnten sich allerdings dort ergeben, wo Leistungen nicht auf ein konkretes Kfz bezogen, sondern gemeinsam für alle in Nutzung stehenden Kfz eingekauft würden (z.B. Treibstoffe, Öl, Garagierungsleistungen). Für diesen Fall seien zusätzliche interne Aufzeichnungen, die eine individuelle Zuordnung zu den einzelnen Kfz ermöglichten, einzufordern (Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 6 Anm. E 91; ebenso Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Anm. 823). Ehmke lässt eine teilweise Schätzung von Aufwendungen zu, wenn es sich beim fehlenden Belegnachweis, wie beim Fahrtenbuch, um geringfügige Mängel handelt (Ehmcke in: Blümich, § 6 EStG Rz. 1014a).
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Nach Auffassung des erkennenden Senats ist vorliegend der Belegnachweis geführt, da die erforderliche Teilschätzung des konkreten Treibstoffverbrauchs der genutzten Kfz nur einen geringfügigen Mangel darstellt, der insgesamt nicht zur Verwerfung der Fahrtenbuchmethode führt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind sämtliche Aufwendungen für das Fahrzeug durch Belege nachzuweisen. Diese gesetzliche Vorgabe ist im Streitfall erfüllt, weil die Klägerin für die allein noch streitigen Treibstoffkosten ihre Einkaufsrechnungen sämtlich vorgelegt hat. Durch die Bewertung nach Durchschnittspreisen stehen auch die Kosten pro Liter fest und sind belegmäßig nachgewiesen. Somit fehlt vorliegend lediglich der belegmäßige Nachweis für den konkreten Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge. Die Klägerin ist nicht in der Lage, diesen Verbrauch nachzuweisen, weil die von ihren Arbeitnehmern genutzte betriebliche Tankstelle nicht über eine Vorrichtung zur Erfassung der abgegebenen Menge verfügte. Dieser Mangel ist jedoch geringfügig, da die verbrauchte Treibstoffmenge unter Heranziehung der Herstellerangaben geschätzt werden kann. Sofern hierbei der höchste vom Hersteller angegebene Verbrauch pro km (innerstädtischer Verkehr) angesetzt wird, ist eine Manipulation praktisch ausgeschlossen und dem vom Gesetz geforderten vollständigen Belegnachweis hinreichend Genüge getan. Mit dem BFH (in BStBl II 2008, 768) ist davon auszugehen, dass die individuelle Zuordnung der belegmäßig nachgewiesenen Kosten zu den jeweiligen Dienstwagen durch getrennte Aufzeichnung der Kosten nicht verlangt werden kann. Auch insoweit sind die entstandenen Aufwendungen im Wege der sachgerechten Schätzung aufzuteilen.
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3. Unter Anwendung der Fahrtenbuchmethode berechnen sich die geldwerten Vorteile für die beiden Arbeitnehmer A und B sowie die nachzuversteuernden Beträge wie nachfolgend dargestellt. Dabei wurde für den Treibstoffverbrauch der höchste Durchschnittsverbrauch laut Herstellerangaben zugrunde gelegt.
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Der Haftungsbetrag berechnet sich demnach wie folgt (vgl. Schr. des Finanzamts vom 22. September 2020, Prozessakte S. 77):
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Der Haftungsbetrag ist um die unstreitige Prüfungsfeststellung für die Arbeitnehmerin C in Höhe von 510,75 € zu erhöhen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung in Hinblick auf die Anforderungen für den belegmäßigen Nachweis nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG zugelassen.