Titel:
Keine Kostenerstattung bei fortdauernder Leistungsverpflichtung
Normenkette:
SGB VIII § 86 Abs. 2 S. 1, § 86c Abs. 1 S. 1, § 89c Abs. 1 S. 1, § 89e Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Der Kostenerstattungsanspruch eines Jugendhilfeträgers nach § 89c Abs. 1 S. 1 SGB VIII ist ausgeschlossen, wenn ihm ein gegenläufiger Kostenerstattungsanspruch nach § 89e SGB VIII gegenübersteht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine längere Untersuchungshaft beendet regelmäßig nicht einen gewöhnlichen Aufenthalt, auch nicht nach einer Zwangsräumung der Wohnung, wenn eine Rückkehr an einen anderen Ort im früheren Stadtgebiet naheliegend erschien. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerstattung bei fortdauernder Leistungsverpflichtung, Kostenerstattung zum Schutz eines Einrichtungsorts, gewöhnlicher Aufenthalt, Untersuchungshaft, Strafhaft, Zwangsräumung des angemieteten Anwesens während der Untersuchungshaft, Kostenerstattung, Jugendhilfe, örtliche Zuständigkeit, Freiheitsstrafe, Justizvollzugsanstalt, Zwangsräumung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 35897
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Kosten für geleistete Hilfe zur Erziehung der am * 2000 geborenen, die in der Zeit vom 28. Oktober 2016 bis 28. April 2017 in Höhe von insgesamt 7.101,61 EUR angefallen sind.
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Mit Beschluss des Familiengerichts * vom 3. April 2012 wurde * Mutter das alleinige Sorgerecht übertragen. * Eltern leben seit 2005 getrennt und sind seit 2008 rechtskräftig geschieden. Im Jahr 2006 zog die Mutter mit den Kindern aus dem Landkreis * in das Stadtgebiet der Klägerin. Dort lebte sie zusammen mit den Kindern in einem angemieteten Anwesen, bis sie am 23. Oktober 2015 verhaftet wurde. Die Kinder blieben zunächst in dem angemieteten Anwesen, bis sie am 6. Januar 2016 zur ihrer Tante nach * im Landkreis * umzogen, wo sie in Pflege genommen wurden. Am 23. Februar 2016 wurde das angemietete Anwesen durch einen Gerichtsvollzieher zwangsweise geräumt. Da * am 28. April 2017 aus dem Haushalt ihrer Tante ausgezogen ist, wurde die Hilfe zu ihrer Erziehung mit Ablauf dieses Tages beendet.
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Die Mutter war bereits mit Urteil des Amtsgerichts * vom 1. August 2011 wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Sie befand sich vom 23. Oktober 2015 bis 28. Oktober 2016 in verschiedenen Justizvollzugsanstalten in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landgerichts * vom 4. Mai 2016 wurde sie wegen Untreue und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Nach Eintritt der Rechtskraft verbüßte sie die Strafe vom 28. Oktober 2016 bis 20. Dezember 2018 in der Justizvollzugsanstalt *. Vom 7. Oktober 2017 bis 7. Mai 2018 befand sie sich in Überhaft, weil die mit dem Urteil des Amtsgerichts * vom 1. August 2011 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war.
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Mit Schreiben vom 26. Januar 2017 bat die Klägerin den Beklagten um Übernahme des Falls in die eigene Zuständigkeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt und bestätigte ab diesem Zeitpunkt ihre Kostenerstattungspflicht nach § 89e SGB VIII.
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Mit Schreiben vom 10. August 2017 nahm sie ihr „Kostenerstattungsanerkenntnis vom 26.01.2017“ zurück und bat den Beklagten unter Hinweis auf § 89e Abs. 2 SGB VIII, sich bezüglich der Kostenerstattung mit dem Beigeladenen in Verbindung zu setzen.
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Am 19. März 2018 erklärte * Mutter gegenüber einer Mitarbeiterin des Beklagten, sie habe sich vor ihrer Inhaftierung durchgehend und dauerhaft im Stadtgebiet der Klägerin aufgehalten und beabsichtige, sich nach der Haftentlassung erneut langfristig dort niederzulassen. Während ihrer Inhaftierung pflege sie weiterhin Kontakte zu Freunden/Bekannten und ihrer Familie im Stadtgebiet.
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Daraufhin lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2018 die Übernahme des Hilfefalls in eigener Zuständigkeit ab.
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Am 17. September 2018 erhob die Klägerin Klage. Zuletzt beantragte sie,
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den Beklagten zu verpflichten, ihr die seit dem 28. Oktober 2016 entstandenen ungedeckten Jugendhilfeaufwendungen für * in Höhe von 7.101,61 EUR zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
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Der Klägerin stehe der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89c Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 86c Abs. 1 SGB VIII, §§ 102 ff. SGB X zu. Ab dem 28. Oktober 2016 sei der Beklagte für die Hilfeleistung örtlich zuständig gewesen, weil * Mutter zu diesem Zeitpunkt mit dem Antritt der mehrjährigen Strafhaft ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt * begründet habe. Die Betrachtung der individuellen Lebensumstände und ggf. bestehende familiäre Bindungen ließen keine Anhaltspunkte erkennen, dass der gewöhnliche Aufenthalt unter der bisherigen Anschrift oder anderweitig im Stadtgebiet der Klägerin aufrechterhalten worden sei. So lebten die Kinder nicht mehr hier, sondern im Landkreis *. Unerheblich sei, dass * Mutter am 19. März 2018 zur Niederschrift beim Kreisjugendamt * angegeben habe, sich nach der Haftentlassung erneut langfristig unter der (zwangsgeräumten) Anschrift im Stadtgebiet der Klägerin niederlassen zu wollen. Eine erneute Wohnsitznahme dort erscheine derzeit nicht realistisch. Spätestens ab der Zwangsräumung des angemieteten Anwesens am 23. Februar 2016 habe keine Rückkehrmöglichkeit in die bisherige Wohnung mehr bestanden. Mit dem Verlust des gewöhnlichen Aufenthalts im Stadtgebiet der Klägerin aufgrund der Zwangsräumung während der Untersuchungshaft habe sich die örtliche Zuständigkeit der Klägerin aus § 86 Abs. 4 SGB VIII ergeben, weil * Mutter als alleinsorgeberechtigter Elternteil keinen gewöhnlichen Aufenthalt (mehr) besessen und sich die Zuständigkeit somit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder vor Beginn der Leistung gerichtet habe. Mit dem Antritt der Strafhaft am 28. Oktober 2016 habe die örtliche Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zum Beklagten gewechselt. Die Klägerin sei dem Beklagten auch nicht nach § 89e SGB VIII kostenerstattungspflichtig, weil eine Justizvollzugsanstalt zum Zwecke der Untersuchungshaft keine dem Strafvollzug dienende Einrichtung sei und * Mutter vor dem Antritt der Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt * am 28. Oktober 2016 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Stadtgebiet der Klägerin gehabt habe. In Fällen wie dem vorliegenden werde der Schutz der Einrichtungsorte durch die Kostenerstattungsvorschrift des § 89e Abs. 2 SGB VIII gewährleistet, wonach die Kosten von dem überörtlichen Träger zu erstatten seien, zu dessen Bereich der erstattungsberechtigte örtliche Träger gehöre.
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Der Beklagte beantragte,
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* Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Klägerin auch während der Untersuchungshaft nicht aufgegeben, sondern vielmehr beibehalten. Trotz der Zwangsräumung sei es objektiv möglich gewesen, ggf. unter Beantragung von Sozialleistungen, ein neues Mietverhältnis unter der bisherigen Anschrift zu begründen oder ggf. eine neue Wohnung im Stadtgebiet der Klägerin anzumieten. Dies habe auch dem erklärten Willen der Betroffenen entsprochen. Deren Bindung an das Stadtgebiet der Klägerin habe sich in den Jahren vor der Untersuchungshaft so verfestigt, dass sie dieses als ihren Lebensmittelpunkt empfunden habe. Dies habe selbst nach mehreren Jahren der Strafhaft gegolten. Umso mehr müsse dies für den Zeitraum der Untersuchungshaft gelten. Es entspreche nicht Sinn und Zweck des § 89e Abs. 2 SGB VIII, in einem solchen Fall wie dem vorliegenden eine Kostenerstattungspflicht des überörtlichen Trägers zu begründen. Dessen Kostentragung sei zu bejahen, wenn schon vor der Untersuchungshaft nur ein tatsächlicher Aufenthalt und gerade kein gewöhnlicher Aufenthalt bestanden habe. Auch mit Beginn der Strafhaft habe sich (zunächst) nichts daran geändert, dass die Kindsmutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Klägerin beibehalten habe. Der aus der ex-ante-Sicht zu beurteilende subjektive Rückkehrwille sei gegeben. Die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten habe aus ex-ante-Sicht erwarten lassen, dass möglicherweise nicht deren gesamte Dauer zu verbüßen sei und die Kindsmutter eventuell nach kürzerer Zeit wieder freikommen könne. Als objektiver Umstand sei damit jedenfalls keine Dauer einer Strafhaft gegeben gewesen, dass nach der bisherigen Rechtsprechung fraglos von einer solchen Verfestigung des Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt gesprochen werden könne, der - nach den jeweiligen weiteren Umständen - die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nahelege. Selbst wenn ab einem späteren Datum als dem mit der Klage geltend gemachten eine Zuständigkeit des Beklagten zur Hilfegewährung in Betracht komme, greife der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten nicht. Vielmehr habe dieser einen Kostenerstattungsanspruch aus § 89e Abs. 1 SGB VIII gegenüber der Klägerin.
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Der Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 3. Januar 2019,
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Man schließe sich den Ausführungen des Beklagten an. Die örtliche Zuständigkeit der Klägerin nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei weiterhin gegeben. Es bestünden auch keine Kostenerstattungsansprüche gegen den Beklagten und damit auch kein etwaiger Anspruch gegen den Beigeladenen nach § 89e Abs. 2 SGB VIII.
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Mit Schreiben vom 9. August 2019 teilte die Klägerin mit, * Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt jedenfalls seit 1. Juni 2019 in * begründet. Nach der Haftentlassung am 20. Dezember 2018 seien als Aufenthaltsort eine Adresse in * und eine Adresse in * im Raum gestanden, bei denen es sich um Wohnungen/Ferienwohnungen von Bekannten gehandelt habe. Vom 4. Januar 2019 bis 28. Februar 2019 sei sie in einem Hotel in * gemeldet gewesen, vom 28. März 2019 bis 27. April 2019 in einer Ferienwohnung in *. Zu den übrigen Zeiten lägen keine Angaben vor.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat letztlich keinen Anspruch auf Ersatz der ungedeckten Kosten, die sie als Hilfe zur Erziehung von * aufgewendet hat.
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1. Allerdings sind die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII grundsätzlich gegeben. Obwohl die örtliche Zuständigkeit für die erbrachten Jugendhilfeleistungen mit * Mutters Strafantritt am 28. Oktober 2016 zum Beklagten gewechselt hat, hat die Klägerin im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die anfallenden Kosten weiterhin aufgewendet.
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Die örtliche Zuständigkeit für die Erbringung von Jugendhilfeleistungen für * richtete sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter (vgl. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Ein gewöhnlicher Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt kann zwar nicht durch Untersuchungshaft, aber durch Strafhaft begründet werden (vgl. Loos in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 86 Rn. 6). Voraussetzung ist, dass sich aus den Umständen des Einzelfalls (wie etwa der voraussichtlichen Dauer der Strafhaft und den sonstigen Lebensumständen der Untergebrachten) ergibt, dass sie sich dort nicht nur vorübergehend aufhält, sondern nunmehr bis auf Weiteres den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2010 - 5 C 21.09 - juris Rn. 14). Beim Antritt der Strafhaft am 28. Oktober 2016 musste * Mutter auch unter Berücksichtigung der Anrechnung der Untersuchungshaft und der üblichen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe damit rechnen, erst ca. zwei Jahre und zwei Monate später entlassen zu werden. Bei dieser Prognose ist nicht nur die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten durch das Urteil des Landgerichts * vom 4. Mai 2016 zu berücksichtigen, sondern auch diejenige zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung durch das Urteil des Amtsgerichts * vom 1. August 2011, weil * Mutter wegen Rückfälligkeit mit einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung rechnen musste. Die Richtigkeit dieser Prognose wird dadurch bestätigt, dass ihre Strafhaft erst am 20. Dezember 2018 endete. Zwar wollte sie stets in das vor ihrer Verhaftung von ihr bewohnte Anwesen im Stadtgebiet der Klägerin zurückkehren (siehe Niederschrift des Landratsamts * vom 19.3.2018). Dies war jedoch angesichts der am 23. Februar 2016 erfolgten Zwangsräumung und angehäufter Mietrückstände in sechsstelliger Höhe (vgl. Schreiben der Eigentümerin vom 30.10.2015) völlig unrealistisch. Auch der allgemeine Wunsch, sich nach der Haftentlassung, also nach mehr als drei Jahren haftbedingter Abwesenheit, dauerhaft im Stadtgebiet der Klägerin niederzulassen, war wenig realistisch, wie der fehlgeschlagene Versuch nach der Haftentlassung zeigt. Trotz mehrerer (Kurz-)Aufenthalte im Stadtgebiet der Klägerin konnte * Mutter dort nicht mehr dauerhaft unterkommen, so dass sie sich in einer Wohnung in * in der Nähe ihres Elternhauses niederließ (vgl. Schreiben der Klägerin vom 9.8.2019).
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2. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist jedoch ausgeschlossen, weil ihm ein gegenläufiger Kostenerstattungsanspruch des Beklagten nach § 89e SGB VIII gegenübersteht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der in den §§ 89 ff. SGB VIII enthaltenen Kostenerstattungsregelungen. Eine Kostenerstattung, die unverzüglich rückgängig zu machen ist, würde keinen Sinn ergeben. Davon ist ersichtlich auch die Klägerin ausgegangen (vgl. Schreiben der Klägerin vom 26.1.2017 und 10.8.2017).
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Der Kostenerstattungsanspruch nach § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dient dem Schutz der Einrichtungsorte. Richtet sich - wie hier - die örtliche Zuständigkeit für die Erbringung einer Jugendhilfeleistung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteils und ist dieser in einer dem Strafvollzug dienenden Einrichtung begründet worden, so ist der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da * Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt bis zu ihrem Strafantritt am 28. Oktober 2016 weiter im Stadtgebiet der Klägerin hatte, ist diese demnach ihrerseits dem Beklagten zur Erstattung anfallender Kosten verpflichtet.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin hat * Mutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet der Klägerin nicht während der Untersuchungshaft verloren. Auch eine längere Untersuchungshaft beendet regelmäßig nicht einen gewöhnlichen Aufenthalt, weil diese Haftform nach ihrem Zweck und ihrer gesetzlichen Ausgestaltung nur vorübergehend ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2010 - 5 C 21.09 - juris Rn. 27 und 32). Eine Ausnahme von dieser Regel ist hier auch nicht im Hinblick auf die am 23. Februar 2016 erfolgte Zwangsräumung des von * Mutter angemieteten Anwesens zu bejahen. Die von ihr gewünschte Rückkehr bzw. Wiedereinweisung in das Anwesen war zwar aus den genannten Gründen bereits damals völlig unrealistisch. Eine Rückkehr an einen anderen Ort im Stadtgebiet der Klägerin erschien damals aber durchaus naheliegend. So beantragte * Mutter mit Schreiben vom 31. Januar 2016 angesichts der drohenden Zwangsräumung ausdrücklich eine Wohnraumzuweisung durch die Klägerin für sich und ihre fünf Kinder. Da sie sich damals in Untersuchungshaft befand und ihre Kinder bei der Tante bzw. den Großeltern in * untergebracht waren, wurde das Anliegen zwar abschlägig verbeschieden. Bei einer - grundsätzlich jederzeit möglichen - Entlassung aus der Untersuchungshaft wäre die Sachlage jedoch grundlegend anders gewesen. Der Kindsmutter stand damals das Sorgerecht einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts für sämtliche fünf Kinder uneingeschränkt zu. Diese hielten sich zur damaligen Zeit erst einige Wochen bei ihrer Tante bzw. den Großeltern auf, so dass von einer Verfestigung des dortigen Aufenthalts noch keine Rede sein konnte. Das Wohnhaus der Tante (*str. * in *) und dasjenige der Großeltern (*str. * in *) sind ohnehin weniger als 500 m von der Stadtgrenze bzw. vom Stadtgebiet der Klägerin entfernt. Unter diesen Umständen wäre es nach Einschätzung des Gerichts nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die alleinerziehende Mutter für sich und ihre fünf Kinder im Rahmen der kommunalen Wohnungsfürsorge eine (Sozial-)Wohnung im Stadtgebiet der Klägerin zugeteilt bekommen hätte. Im Hinblick auf diese Rückkehrperspektive und den früheren langjährigen Aufenthalt im Stadtgebiet der Klägerin hat * Mutter ihren dortigen gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht durch die Zwangsräumung des von ihr angemieteten Anwesens verloren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin auch seine außergerichtlichen Kosten trägt.
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Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.