Inhalt

VG München, Urteil v. 09.11.2020 – M 8 K 19.1671
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzinteresse für Klage des früheren Grundstückseigentümers auf Bauvorbescheid

Normenkette:
BayBO Art. 71
Leitsatz:
Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse steht der positiven Verbescheidung eines Antrags entgegen, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von der beantragten Genehmigung keinen Gebrauch machen kann. Davon ist auszugehen, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Antragsteller einen Vorbescheid für ein Grundstück begehrt, obwohl der Grundstückseigentümer eine Verwirklichung des beantragten Vorhabens eindeutig ausschließt (vgl. OVG Münster, BeckRS 2018, 17112 Rn. 33). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Verpflichtungsklage, Rechtsschutzbedürfnis, Vorbescheidsantrag, Fehlendes Sachbescheidungsinteresse eines Nichteigentümers, Verpflichtungsklage, Vorbescheid, Anspruch auf Erteilung, Sachbescheidungsinteresse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.05.2022 – 2 ZB 21.73
Fundstelle:
BeckRS 2020, 35805

Tenor

I.  Die Klage wird abgewiesen.
II.  Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.  Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt als frühere Eigentümerin eines Grundstücks, das mittlerweile im Eigentum der Beigeladenen steht, die Erteilung eines Vorbescheids für die Erweiterung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses.
2
Die Klägerin ist die Nachfolgegesellschaft der früheren Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gem. …, …straße 26 (im Folgenden: Baugrundstück). Das Baugrundstück ist derzeit mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut (EG +1. - 3. OG + ausgebautes Dachgeschoss). Das Anwesen …straße 26 ist Bestandteil des Ensembles „… …“. Das benachbarte Gebäude …straße 24 ist als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste eingetragen.
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verkaufte das Baugrundstück mit Kaufvertrag vom 2. September 2016 (Urkunde des Notars … … vom 2. September 2016 - URNr. … …*) an die „…straße 26 … GmbH“. In Ziffer IX. enthält der Kaufvertrag folgende Regelung:
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„BEDINGTE KAUFPREISERHÖHUNGEN
5
Der Verkäufer und auch der Käufer werden das Klageverfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgericht in München gegen den Ablehnungs-Vorbescheid der … …, Az: …, auf ihre Kosten - je zu ½ - gemeinsam weiter betreiben.“
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Alternativ wird der Verkäufer zusammen mit dem Käufer noch eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude um ein weiteres Stockwerk zur Schaffung einer weiteren Geschoßfläche (hier und nachfolgend jeweils im Sinne des § 20 Abs. 3 BauNVO) mit mindestens 400 m² bei der … … beantragen; anfallende Kosten tragen Verkäufer und Käufer je zu ½.
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Für den Fall, dass bis spätestens zum 31.12.2018
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- bezüglich der auf dem Vertragsgrundbesitz aufstehenden Gebäude eine Abbruchgenehmigung durch die … … erteilt wurde, und 9
9
- auf Antrag ein Bauvorbescheid erteilt wurde, wonach eine Neubebauung mit einer Geschossfläche von insgesamt mindestens 2000 m² zulässig ist, und
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nicht binnen sechs Wochen nach der Bekanntgabe des jeweiligen Bescheids durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die oder einen der Bescheide eingelegt wurde, erhöht sich der Kaufpreis um 1.900.000 € (i.W. eine Million neunhunderttausend Euro) auf dann insgesamt 9.200.000 € (i.W. neun Millionen zweihunderttausend Euro). Klargestellt wird hierzu, dass den Käufer keine Kaufpreisnachzahlungspflicht trifft, sofern der Vorbescheid nur eine geringere Geschossfläche als 2000 m² zulässt.
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Klargestellt wird ferner, dass es für die vorstehende Kaufpreiserhöhung genügt, dass die Bescheide bis zum 31. Dezember 2018 erteilt wurden, auch wenn die vorstehende Sechs-Wochen Frist erst nach dem 31. Dezember 2018 abläuft.
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Für den Fall, dass zwar keine Abbruchgenehmigung für die vorhandenen Gebäude, aber eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude mit einer weiteren Geschoßfläche von mindestens 400 m² (vierhundert Quadratmeter) bis spätestens zum 31. Dezember 2018 erteilt wurde und nicht binnen 6 Wochen nach der Bekanntgabe der Baugenehmigung durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung eingelegt wurde, erhöht sich der Kaufpreis um 1.200.000 € (i. W. eine Million zweihunderttausend Euro) auf dann insgesamt 8.500.000 € (i.W. acht Millionen fünfhunderttausend Euro). Klargestellt wird hierzu, dass den Käufer keine Kaufpreisnachzahlungspflicht trifft, sofern die Baugenehmigung zur Aufstockung nur eine geringere weitere Geschossfläche als 400 m² zulässt. Klargestellt wird ferner, dass es für vorstehende Kaufpreiserhöhung genügt, dass die Baugenehmigung bis zum 31. Dezember 2018 erteilt wurde, auch wenn die vorstehende Sechs-Wochen-Frist erst nach dem 31. Dezember 2018 abläuft.
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Der entsprechende Kaufpreiserhöhungsbetrag ist, das Vorliegen der Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen nach vorstehendem Abschn. VIII. vorausgesetzt, innerhalb von vier Wochen fällig, sobald die jeweiligen Bedingungen eingetreten sind.
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Klargestellt wird, dass die vorstehend getroffenen Kaufpreisanpassungsvereinbarungen dann erlöschen, sollte bis spätestens zum 31. Dezember 2018 weder eine entsprechende Abbruchgenehmigung noch eine entsprechende Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude erteilt worden sein.
…“
15
Mit Bescheid vom 18. November 2016 übte die Beklagte ihr Vorkaufsrecht in Bezug auf den vorgenannten Kaufvertrag zugunsten der Beigeladenen aus. In einem Nachtrag zum Kaufvertrag vom 2. September 2016 traf die Beigeladene mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin Vereinbarungen zum Vollzug des Kaufvertrags (Urkunde des Notars … … vom 10. August 2017 URNr. … …*). Dabei wurde in Ziff. III a) klargestellt, dass die Vereinbarungen in Abschnitt IX. der Vorurkunde hinsichtlich bedingter Kaufpreiserhöhungen auch zwischen der Beigeladenen als Käufer und dem Verkäufer gelten. Am 21. März 2018 wurde die Beigeladene als Eigentümerin des Baugrundstücks in das Grundbuch eingetragen.
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Am 18. Dezember 2018 (Eingangsdatum) reichte die Klägerin einen Antrag auf Vorbescheid bei der Beklagten ein (Pl.Nr. …*). Nach den mit dem Vorbescheidsantrag eingereichten Plänen ist die Erweiterung des Altbestandes durch ein Zwischengebäude im Bereich zwischen dem Bestandsgebäude und dem Anwesen …-Straße 1 sowie durch die Errichtung eines viergeschossigen Glasvorbaus vor der Fassade des Bestandsgebäudes an der …-Straße geplant. Ausweislich einer Berechnung auf dem eingereichten Plan ergibt sich dadurch eine Mehrung der Geschossfläche um 490,24 m². Mit dem Vorbescheidsantrag wird in Fragen Nr. 1 und Nr. 2 nach der Zulässigkeit der Planung nach der Art und dem Maß der Nutzung gefragt. In Frage Nr. 3 soll geklärt werden, ob eine grenzständige Bebauung zum benachbarten Gebäude in der …-Straße 1 planungsrechtlich zulässig ist. In Frage Nr. 4 wird nach der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für das Vorhaben und in Frage Nr. 5 nach der Erteilung einer Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück …straße 24 und …-Straße 1 gefragt.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie als Eigentümerin kein weiteres Interesse an einer Aufstockung oder Erweiterung des Gebäudes habe und weitere Antragsverfahren nicht unterstütze. Ein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin sei für ab dem 1. Januar 2019 gestellte Anträge nicht gegeben.
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Mit Bescheid vom 6. März 2019 beantwortete die Beklagte die mit dem Vorbescheidsantrag gestellten Fragen Nummer 1 und 2 positiv. Zu Frage Nr. 3 und 4 wurde in dem Bescheid ausgeführt, dass die Bauvorlagen zum Vorbescheid insbesondere in den Fragen des Denkmalschutzes mangelhaft seien. Der Dachgeschossausbau könne aufgrund fehlender Darstellungen nicht beurteilt werden. Denkmalrechtlich könne die geplante Erweiterung wegen der Verdeckung der Fassade und des Verlusts des Pavilloncharakters im denkmalgeschützten Ensemble nicht hingenommen werden. Die in Frage Nr. 5 begehrte Erteilung einer Abweichung wegen der Nichteinhaltung von Abstandsflächen könne nicht erfolgen, da insofern öffentliche Belange des Denkmalschutzes eine Erteilung einer Abweichung nicht möglich machten.
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Mit Schriftsatz vom 8. April 2019 erhob die Klägerin Klage gegen die Beklagte und beantragt,
I.
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Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2019 wird aufgehoben.
II.
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Die Beklagte wird verpflichtet, den Vorbescheidsantrag betreffend Erweiterung eines Wohn- und Geschäftshauses …straße 26 gemäß Antrag vom 18. Dezember 2018 zu genehmigen.
22
Hilfsweise:
23
Die Beklagte wird verpflichtet, entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag zu entscheiden.
24
In der Klagebegründung vom 29. Juli 2020 stellte die Klägerin klar, dass sich die Versagungsgegenklage nur auf die negativ beantworteten Fragen 3, 4 und 5 beziehe.
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Die Klägerin könne auch als Nichteigentümerin einen Vorbescheidsantrag für das streitgegenständliche Grundstück stellen, da ein Vorbescheid unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt werde. Zudem bestehe aufgrund der vereinbarten Nachbesserungsklausel ein rechtliches Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Erweiterung der Wohnfläche. Die Frage 3 sei nicht beantwortet worden. Da planungsrechtlich eine geschlossene Bauweise vorliege, hätte diese Frage indes positiv beantwortet werden müssen. Auch die Frage 4 sei positiv zu beantworten gewesen, da die Planung denkmalrechtlich zulässig sei. Ebenso sei die Frage 5 a und b positiv zu beantworten gewesen, da eine Abweichung wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen erteilt hätte werden müssen. Im Falle eines Grenzanbaus wären gar keine Abstandsflächen einzuhalten, da ein System der geschlossenen Bauweise vorliege. Eine Beeinträchtigung nachbarschaftlicher Belange sei auch angesichts des Umstands, dass das Gebäude …straße 24 seine Abstandsflächen teilweise auf das Nachbargrundstück werfe, nicht erkennbar. Es komme auch nicht zu einer Verschlechterung der Belange Belichtung und Belüftung. Ergänzend führte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung aus, dass ein Rechtsschutzinteresse für die Verpflichtungsklage bestehe, nachdem sich die Beklagte nicht auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse berufen habe.
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Mit Schriftsatz vom 28. November 2019 beantragt die Beklagte,
27
die Klage abzuweisen.
28
Die Planvorlagen seien widersprüchlich und lückenhaft, sodass keine Prüfung und Beantwortung habe erfolgen können. Die geplanten Anbauten würden das bisher freistehende und ensembleprägende Gebäude so massiv in seiner Kubatur verändern, dass sich dies auf das Ensemble … … auswirke und deshalb gewichtige Gründe des Denkmalschutzes der Planung entgegenstünden. Auch die Nichteinhaltung der Abstandsflächen stehe den Anbauten entgegen.
29
Die Beigeladene hat keinen Klageantrag gestellt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 stimmten sämtliche Beteiligte einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne weitere mündliche Verhandlung zu.
31
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung vom 21. September 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Nach § 101 Abs. 2 VwGO konnte in dem Verfahren ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben und eine solche Verhandlung nicht erforderlich ist.
33
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist.
34
Das Rechtsschutzinteresse für eine auf Genehmigungserteilung gerichtete Verpflichtungsklage kann im Einzelfall fehlen, wenn Ziel der Rechtsverfolgung der Erhalt einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ist, die sich mit Rücksicht auf rechtliche Verhältnisse - ggf. auch auf solche des Zivilrechts - nicht durchsetzen lässt und die Klage daher für die Klägerin ersichtlich nutzlos ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.1.2017 - 15 B 16.1834 - juris Rn. 14).
35
1. Der Klägerin fehlt bereits das Sachbescheidungsinteresse für die begehrte Erteilung des beantragten Vorbescheids. Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse steht der positiven Verbescheidung eines Antrags entgegen, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von der beantragten Genehmigung keinen Gebrauch machen kann. Davon ist auszugehen, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.1993 - 4 B 110.93 - juris; BayVGH, U.v. 11.6.2014 - 2 B 13.2555 - juris Rn. 26). Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Antragsteller einen Vorbescheid für ein Grundstück begehrt, obwohl der Grundstückseigentümer eine Verwirklichung des beantragten Vorhabens eindeutig ausschließt (OVG NRW, U.v. 17.4.2018 - 2 A 1387/15 - juris Rn. 38; Decker in Simon/Busse, Stand: September 2020, Art. 71 Rn. 61). Dies gilt zur Entlastung der Behörde von unnötiger und nutzloser Verwaltungstätigkeit trotz Art. 68 Abs. 4 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter ergeht, wenn von vornherein feststeht, dass der Bauherr aus privatrechtlichen Gründen definitiv nicht in der Lage sein wird, das Bauvorhaben auszuführen (vgl. BayVGH, U.v. 27.1.2017 - 15 B 16.1834 - juris Rn. 15).
36
Der Klägerin fehlt im konkreten Einzelfall dieses Sachbescheidungsinteresse, da sie bereits seit 21. März 2018 nicht mehr Eigentümerin des Baugrundstücks ist, keine Absicht oder ein Interesse der Beigeladenen als Eigentümerin an der Verwirklichung des begehrten Vorbescheids besteht und auch kein anderweitiges schutzwürdiges Interesse der Klägerin an dem begehrten Vorbescheid erkennbar ist. Der Vorbescheidsantrag wurde am 18. Dezember 2018 ohne Zustimmung der Beigeladenen als Eigentümerin des Baugrundstücks eingereicht. Sie hat gegenüber der Beklagten bereits mit Schreiben vom 14. Februar 2019 ausdrücklich erklärt, dass sie als Eigentümerin kein Interesse an einer Aufstockung oder Erweiterung des Gebäudes habe und weitere Antragsverfahren von ihr nicht unterstützt würden. In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Beigeladenen nochmals klargestellt, dass die Beigeladene den streitgegenständlichen Vorbescheid nicht verwirklichen wolle. Das Gebäude sei saniert worden und solle im Bestand weiter genutzt werden. Aufgrund der fehlenden privatrechtlichen Verfügungsbefugnis und des fehlenden Einverständnisses der Beigeladenen besteht damit ein dauerhaftes, für die Klägerin nicht ausräumbares privatrechtliches Hindernis für die Verwirklichung des mit dem Vorbescheid abgefragten Bauvorhabens. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Klägerin die privatrechtliche Verfügungsbefugnis wiedererlangen könnte. Die Beigeladene hat das Eigentum durch die Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB erlangt. Nachdem die Beigeladene eine Verpflichtungserklärung gem. § 27 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB abgegeben hat und das Grundstück allein deshalb in deren Eigentum überführt wurde, um die mit dem Vorkaufsrecht verbundenen Zwecke zu erfüllen, scheidet eine Rückübereignung des Grundstücks an die Klägerin aus. Der begehrte Vorbescheid kann damit nicht der Vorbereitung und Verwirklichung eines künftigen Bauvorhabens dienen, weshalb die Klägerin hieraus kein Sachbescheidungsinteresse ableiten kann.
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Auch aus der in Ziffer IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 geregelten Kaufpreisanpassungsklausel lässt sich kein Sachbescheidungsinteresse der Klägerin ableiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Kaufpreisanpassung für den Fall der Erteilung eines Vorbescheids, der wie hier lediglich die Erweiterung des Bestands vorsieht, nicht vereinbart ist. Vielmehr wurde nur für den Fall, dass sowohl eine Abbruchgenehmigung als auch ein Vorbescheid für eine Neubebauung mit einer Geschossfläche von insgesamt mindestens 2000 m² erteilt wird, eine Kaufpreisanpassung vereinbart. Eine Neubebauung mit mindestens 2000 m² ist indes nicht Inhalt des streitgegenständlichen Vorbescheidsantrags. Geplant ist lediglich eine Mehrung um 490,24 m² und eine Gesamtgeschossfläche von 1407,24 m². Im Falle einer bloßen Aufstockung des Bestandes haben die Parteien nur bei der Erteilung einer Baugenehmigung eine Kaufpreisanpassung vorgesehen.
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Darüber hinaus kann die Klägerin aus einem Kaufpreisnachzahlungsanspruch auch deshalb kein Sachbescheidungsinteresse ableiten, da ein solcher nur bestünde, sofern die „Baugenehmigung“ bis spätestens 31. Dezember 2018 erteilt worden wäre. Eine Erteilung des Vorbescheids im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts kann die Rechtsposition der Klägerin somit nicht mehr verbessern. Zum Nachzahlungsanspruch haben die Parteien in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 ausdrücklich geregelt: „Klargestellt wird, dass die vorstehend getroffenen Kaufpreisanpassungsvereinbarungen dann erlöschen, sollte bis spätestens 31.12.2018 weder eine entsprechende Abbruchgenehmigung noch eine entsprechende Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude erteilt worden sein.“ Es handelt sich dabei um eine Erlöschensfrist, die für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung nach dem 31. Dezember 2018 ausschließt, dass ein Kaufpreisnachzahlungsanspruch entsteht. Infolgedessen ist mit Ablauf dieser Frist auch ein auf die Kaufpreisanpassung gestütztes Interesse der Klägerin an der Erteilung einer Baugenehmigung entfallen. Der Kaufvertrag bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Anspruch auf Kaufpreisanpassung auch durch einen nach Ablauf der Erlöschensfrist erteilten Vorbescheid entstehen könnte. Eine solche Annahme lässt sich insbesondere nicht aus dem Eintritt der Beigeladenen in die Käuferstellung ableiten. Denn die Parteien haben diesen Vertragspartnerwechsel durch den Nachtrag zum Kaufvertrag vom 10. August 2017 geregelt. Dabei wurde ausdrücklich klargestellt, dass die Vereinbarungen in Abschnitt IX. der Vorurkunde hinsichtlich bedingter Kaufpreiserhöhungen auch zwischen der Beigeladenen als Käufer und dem Verkäufer gelten (vgl. Ziff. III „Sonstiges“ Buchstabe a)). Mithin wurde auch die Erlöschensfrist der in Bezug genommenen Regelung nochmals zwischen den neuen Vertragspartnern bestätigt.
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2. Das fehlende Sachbescheidungsinteresse lässt auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage entfallen und führt zu deren Unzulässigkeit (vgl. OVG NRW, U.v. 17.04.2018 - 2 A 1387/15 - juris Rn. 37). Das Sachbescheidungsinteresse ist im Verwaltungsprozess materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Verpflichtungsanspruch wie er im vorliegenden Verfahren geltend gemacht wird. Aus denselben Gründen, aus denen einem Antrag im Verwaltungsverfahren das Sachbescheidungsinteresse fehlt, kann indes im nachfolgenden Prozess auch das Rechtsschutzinteresse fehlen (vgl. BVerwG, B. v. 30.6.2004 - 7B 92/03 - juris Rn. 28). Denn Voraussetzung der Zulässigkeit jeder Klage ist, dass der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung des Gerichts hat. Hieran fehlt es, wenn der Rechtsschutz nicht geeignet ist, zur Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung des Klägers beizutragen, und damit unnütz in Anspruch genommen wird (BVerwG, B. v. 20.7.1993 - 4 B 110/93 - juris Rn.3). Ein solcher Fall ist hier gegeben, da mit der beantragten Verpflichtung zur Erteilung des Vorbescheids mangels privatrechtlicher Verfügungsbefugnis der Klägerin weder eine künftige Bebauung des Grundstücks vorbereitet werden kann noch andere rechtlich vorteilhafte Folgerungen aus dem positiven Vorbescheid gezogen werden können.
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Es ist für die Frage des Bestehens eines Rechtsschutzbedürfnisses für die hier streitgegenständliche Verpflichtungsklage unerheblich, dass die Beklagte den Vorbescheidsantrag trotz fehlenden Sachbescheidungsinteresses verbeschieden hat. Die Zulässigkeitsvoraussetzung des Vorliegens eines Rechtsschutzinteresses dient dazu, eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 16.9.2015 - 1 B 36/15 - juris Rn. 5 m.w.N.). Dieser Schutzzweck besteht unabhängig davon, ob die Behörde trotz Fehlens des wiederum ihrem Schutz vor unnötiger Inanspruchnahme dienenden Sachbescheidungsinteresses eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 8. August 1984 (3 S 352/84 - BRS 42,435). Diese Entscheidung bezieht sich auf die Besonderheiten der Spezialvorschrift des § 55 Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 4 Satz 2 Landesbauordnung Baden-Württemberg, die hier nicht inmitten steht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat gem. § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da sie sich nicht mit der Stellung eines Klageantrags in ein Kostenrisiko begeben hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.