Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 14.02.2020 – W 8 S 20.30220
Titel:

kein Abschiebungsschutz

Normenketten:
AsylG § 3e, § 4 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 17
GG Art. 6
Leitsatz:
Ein junger Mann ohne gravierende gesundheitliche Einschränkungen kann in einer der zahlreichen nigerianischen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sofortverfahren, Nigeria, unzulässiger Zweitantrag, Bezugnahme auf Bundesamtsbescheid, Distanzierung von früherer Homosexualität, angebliche Verfolgung durch Polizei, interner Schutz, inländische Aufenthaltsalternative, Sicherung des Existenzminimums, Anämie, Hämorrhoiden, keine lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen, keine qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen, inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, Frau, irrelevant, Entscheidung über inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sowie über gemeinsame Ausreise von Familienangehörigen durch Ausländerbehörde, Abschiebungsandrohung, Folgeantrag, Existenzminimum, Homosexualität
Fundstelle:
BeckRS 2020, 3577

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, nigerianischer Staatsangehöriger, verließ sein Heimatland nach eigenen Angaben im Jahr 2015 und hielt sich mehrere Jahre in Italien auf. In Italien wurde sein Asylantrag abgelehnt. Am 19. Dezember 2019 stellte der Antragsteller einen weiteren Asylantrag in Deutschland. Zur Begründung seines Asylantrags brachte er im Wesentlichen vor: Er habe homosexuelle Kontakte in Nigeria gehabt. Er sei dabei fotografiert worden. Er habe weitere homosexuelle Kontakte zu Männern in Italien gehabt. Aber er habe dann eine Frau geheiratet und wolle mit ihr ein Kind. Er fühle sich nicht mehr zu Männern hingezogen. Zudem habe er in Nigeria Geld für andere aufbewahrt und dieses Geld für die Finanzierung seiner Flucht verwendet. Außerdem sei er operiert worden und auf Medikamente angewiesen.
2
Mit Bescheid vom 4. Februar 2020 hob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Bescheid vom 24. Januar 2019 auf (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag als unzulässig ab (Nr. 2) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Asylantrag sei unzulässig, wenn im Fall eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Der Antragsteller habe keine neuen Gründe und Beweismittel vorgelegt. Er habe sich nur auf die Sachverhalte berufen, die er schon im früheren Asylverfahren vorgebracht habe bzw. hätte vorbringen können. Mittlerweile habe sich der Antragsteller von seinen homosexuellen Neigungen klar distanziert und im Jahr 2018 eine Frau geheiratet. Sollte der Antragsteller 2015 von der Polizei tatsächlich gesucht worden sein, könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dies auch bei einer Rückkehr noch der Fall sei. Eine landesweit anhaltende polizeiliche Fahndung wegen der besagten Ereignisse im Jahr 2015 oder eine Gefahr der Verfolgung durch die Personen, denen er Geld gestohlen habe, sei auszuschließen. Dem Antragsteller sei es zuzumuten, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen. Der Antragsteller habe auch schon in der Vergangenheit gearbeitet und für seinen Unterhalt gesorgt. Es gebe außerdem Hilfseinrichtungen sowie auch Rückkehr- und Starthilfen sowie Reintegrationsprogramme. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter (etwa Verwandter) zu überleben. Der Antragsteller könne sich eine Existenz aufbauen. Die Regelvermutung des § 60 Abs. 7 AufenthG, die davon ausgehe, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstünden, seien durch den Antragsteller nicht widerlegt. Bei der gelten gemachten Hämorrhoiden handle es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung.
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Am 12. Februar 2020 ließ der Antragsteller zu Protokoll der Urkundsbeamtin im Verfahren W 8 K 20.30218 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
4
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf die beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgetragenen Gründe und führte unter Vorlage ärztlicher Unterlagen weiter aus: Am 10. Februar 2020 sei die Mutter des Antragstellers von der Polizei hinsichtlich des Aufenthaltsorts ihres Sohnes befragt worden. Es werde noch immer nach ihm gefahndet. Der Antragsteller befinde sich in medizinischer Behandlung. Seine Hämorrhoiden sollen in Deutschland erneut operiert werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 20.30218) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
6
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Antragstellers ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 4 des Bundesamtsbescheids vom 4. Februar 2020 begehrt.
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Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen (§ 36 Abs. 3 und 4 AsylG). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Entscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Wiederaufgreifens- und Asylgründe bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.
8
Der Asylantrag des Antragstellers ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG unzulässig, weil er nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, insbesondere eine entscheidungsrelevante Veränderung der dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, liegen nicht vor. Ebenso bestehen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
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Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insbesondere von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes decken sich mit den vorliegenden Erkenntnissen.
10
Das Bundesamt hat schon zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller keine neuen relevanten Wiederaufgreifensgründe geltend gemacht hat, sondern vielmehr die Gründe vorgebracht hat, die er auch schon in seinem erfolglosen Asylverfahren in Italien angegeben hatte bzw. hätte vorbringen könnten. Zur Homosexualität hat das Bundesamt des Weiteren schon zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger von seinen früheren homosexuellen Neigungen klar distanziert, stattdessen seine Frau geheiratet und betont habe, sich nicht mehr zu Männern hingezogen zu fühlen, sondern ausschließlich zu seiner Frau. Er versuch gerade mit ihr zusammen ein Kind zu bekommen. Eine Verfolgung bzw. Bestrafung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Nigeria aufgrund seine früheren sexuellen Orientierung ist beim Antragsteller demnach nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, sondern vielmehr auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 22.1.2020 - 2 BvR 1807/19 - juris zu einem Einzelfall, in dem selbst Homosexuellen bzw. Bisexuellen in Nigeria keine Verfolgung drohen muss).
11
Weiter kann nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr jetzt noch wegen seiner früheren Sexualkontakte zu Männern polizeiliche Verfolgung drohen sollte. Selbst wenn die Polizei am 10. Februar 2020 bei seiner Mutter nach ihm gefragt haben sollte, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Nachfrage wegen einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung des Antragstellers erfolgt ist, zumal der Vorfall fast fünf Jahre zurückliegt und der Kläger mittlerweile eine Frau geheiratet hat, zu der er sich hingezogen fühlt und von der er ein Kind will. Abgesehen davon hat das Bundesamt schon im Einklang mit der Auskunftslage (siehe nachfolgend) zutreffend festgestellt, dass dem Antragsteller auch seitens der Polizei jedenfalls keine landesweite Verfolgung droht.
12
Denn dem Antragsteller ist möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem er vor seinen eventuellen privaten Verfolgern und auch vor der Polizei sicher wäre (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Der Antragsteller kann sich beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias, insbesondere in der Hauptstadt Abuja, oder im christlich geprägten Südwesten des Landes, beispielsweise in Lagos oder in einer anderen Stadt niederlassen. Er genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass er seinen Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn der Antragsteller seinen Heimatort meidet, ist es unwahrscheinlich, dass er in einer anonymen Großstadt nach mehrjähriger Abwesenheit (seit dem Jahr 2015) außerhalb seiner Heimatregion aufgefunden würde, zumal Nigeria etwa 190 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 m² aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Grundsätzlich besteht nach der Erkenntnislage in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dem Antragsteller ist ein Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias auch zumutbar. Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnissen hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben. Insbesondere familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 18.12.2019, S. 46 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Der Antragsteller könnte jedoch im Fall der Rückkehr nach Nigeria - wie auch schon vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid zutreffend ausgeführt - auch ohne solche Bindungen als junger Mann ohne gravierende gesundheitlichen Einschränkungen in einer der zahlreichen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann. Zudem hat er sich auch schon in der Vergangenheit mit einfachen Arbeiten beholfen. Er hat beruflich Erfahrungen gesammelt und ist auch mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann (VG Kassel, B.v. 21.1.2020 - 6 L 2648/19.KS.A - juris; VG Augsburg, B.v. 16.1.2020 - Au 9 K 19.30382 - juris; OVG NRW, B.v. 2.1.2020 - 19 A 183/18.A - juris; VG München, B. 13.12.2019 - M 12 S 19.34141 - juris; ebenso schon VG Würzburg, B.v. 20.12.2019 - W 10 S 19.32023).
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An der vorstehenden Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass in die Betrachtung miteinbezogen wird, dass der Antragsteller gegebenenfalls mit seiner Frau zurückkehrt. Auch insofern hält es das Gericht für möglich, dass sich der Antragsteller eine Existenz für sich und seine Frau in zumutbarer Weise sichern kann. Auch seine Frau kann zusätzlich durch eigene Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beitragen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass beide über verwandtschaftliche Beziehungen verfügen, auf die sie nötigenfalls zurückgreifen könnten. So ist nicht ersichtlich, dass sich der Antragsteller und seine Frau in einer solchen speziellen Situation befänden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria sehenden Auges mit dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wären, wenn auch möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
14
Des Weiteren ist auch in dem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass abgesehen von privaten Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen auch auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgegriffen werden kann. So hat der Antragsteller die Option, seine finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr besser zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris).
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Ernstliche Zweifel ergeben sich nach den vorstehenden Ausführungen des Weiteren nicht mit Bezug auf § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht im Hinblick auf eventuelle gesundheitlichen Probleme. Auch insofern kann das Gericht auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides Bezug nehmen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Die geltend gemachten Erkrankungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136). Dass dem Antragsteller solche Gefahren drohen, ist weder vorgebracht, noch den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen zu entnehmen, noch sonst ersichtlich.
17
Eine derartige extreme Gesundheitsgefahr hat der Antragsteller insbesondere nicht durch qualifizierte Atteste im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG glaubhaft gemacht. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136). Nach den vorliegenden Arztberichten des Krankenhauses St. Josef vom 18. Mai 2019, vom 18. Juli 2019 und vom 13. Januar 2020 wurde der Antragsteller bereits am 17. Mai 2019 problemlos an Hämorrhoiden operiert. Ein weiterer operativer Eingriff solle am 21. April 2020 stattfinden. Eine Anämie werde medikamentös behandelt. Weiter werde eine bedarfsadaptierte Analgesie und eine schmerzadaptierte Mobilisation vorgeschlagen sowie eine betreffende Medikamenteneinnahme. Abgesehen von der Einnahme von Schmerzmitteln und anderen Medikamenten sowie einem möglichen weiteren operativen Eingriff wegen Hämorrhoiden hat der Antragsteller selbst keinen weitergehenden Behandlungsbedarf geltend gemacht. Über die Folgen, die sich nach der ärztlichen Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich für den Antragsteller ergeben, ist in den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen überhaupt nichts ausgeführt, insbesondere auch nichts zu den möglichen Folgen, falls bestimmte Behandlungen unterblieben oder verzögert stattfänden bzw. die Medikation nicht in gleicher Weise fortgeführt würde.
18
Im Übrigen ist der Antragsteller gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des - zugegebenermaßen mangelhaften - nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 18.12.2019, S. 48 ff. u. 51 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) auszuschöpfen. Gegebenenfalls kann er auch auf private Hilfemöglichkeiten oder Hilfsorganisationen sowie auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückzugreifen, sodass er nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch Medikamente besorgen könnte. Abgesehen davon könnten dem Antragsteller bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136).
19
Das Gericht verkennt nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
20
Des Weiteren ist die Ausländerbehörde (und nicht die Antragsgegnerin) zuständig, über eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse - wie etwa Ehe und Familie (Art. 6 GG) oder Reiseunfähigkeit - zu entscheiden (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Gleichermaßen darf die Ausländerbehörde gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um eine gemeinsame Ausreise mit anderen Familienangehörigen zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund spielt der Hinweis des Antragstellers auf seine Frau und ein damit zusammenhängendes eventuelles inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im vorliegenden Verfahren keine Rolle.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher abzulehnen.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.