Titel:
Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs
Normenketten:
BayBG Art. 97
BayBeamtVG Art. 52, Art. 62
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Ein Versäumnisurteil stellt einen Anspruch rechtskräftig fest im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG und ist insbesondere nicht mit Vergleichen gemäß Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BG gleichzusetzen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob eine Erfüllungsübernahme erfolgt, ist nicht gegeben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Polizeibeamter, Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs, Versäumnisurteil als rechtskräftige Feststellung eines Schmerzensgeldanspruchs, Dienstunfall, Dienstunfallfolge, Versäumnisurteil, Vollstreckungsbemühung, Erfüllungsübernahmebetrag, Schmerzensgeld, tätlicher rechtswidriger Angriff, Versorgung, Erfüllungsübernahme
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 16.12.2020 – 3 B 20.1556
Fundstelle:
BeckRS 2020, 3573
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 5. Juni 2019 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 28. Dezember 2018, die Erfüllung des mit Versäumnisurteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 4. Juni 2018 rechtskräftig festgestellten Anspruchs des Klägers auf Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 EUR zu übernehmen, erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostengläubiger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostenschuldner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs.
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Er steht als Polizeibeamter im Dienste des Beklagten.
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Am 25. März 2016 flüchtete Herr M. S. mit einem Fahrzeug und wurde auf der BAB 3 durch Polizeibeamte gestoppt. Als der Kläger zur Unterstützung der Kollegen eintraf, lag Herr M. S. gefesselt am Boden. Als der Kläger sich kurz von diesem entfernte, stand dieser auf. Bei dem Versuch, ihn wieder auf den Boden zu legen, sprang Herr M. S. hoch, drehte sich hierbei und stieß seinen Kopf und seine Schulter gegen die Innenseite des rechten Knies des Klägers.
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Mit Bescheid vom 11. Mai 2016 wurde dieser Unfall als Dienstunfall mit der Dienstunfallfolge „Prellung rechtes Knie“ anerkannt. Dem zugrunde lagen zwei Schreiben des Klinikums Aschaffenburg Alzenau. In dem ersten Schreiben vom 25. März 2016 wurde als Diagnose „Prellung rechtes Knie, V.a. Innenmeniskusschaden rechts“ angegeben. In dem Schreiben vom 12. April 2016 wurde als Diagnose „Kniegelenscontusion mit Bone bruise des medialen Femurkondylus ventro-medial“ angegeben.
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Mit Schreiben vom 3. April 2018 ließ der Kläger vor dem Amtsgericht Aschaffenburg Klage gegen Herrn M. S., welche unter anderem auf die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 4.000,00 EUR gerichtet war, erheben. Am 4. Juni 2018 erging daraufhin ein Versäumnisurteil, mit welchem Herr M. S. unter anderem zur Zahlung von 4.000,00 EUR Schmerzensgeld verurteilt wurde.
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Mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erfüllungsübernahme dieses Schmerzensgeldanspruchs unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils sowie einer Kopie der Klagebegründung und einem Vermögensverzeichnis vom 6. Dezember 2016 des Herrn M.S. Mit Bescheid vom 5. Juni 2019 wurde der Antrag abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass es an einer rechtskräftigen Feststellung des Schmerzensgeldes im Sinne des Art. 97 BayBG fehle.
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Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben. Der Kläger sei knapp einen Monat dienstunfähig gewesen und habe sich sechs Monate in krankengymnastischer bzw. physiotherapeutischer Behandlung befunden. Insbesondere habe er auch Lymphdrainagen durchführen lassen müssen. Die Zwangsvollstreckung gegen den Schädiger sei erfolglos geblieben, da er bereits 2016 die Vermögensauskunft abgegeben habe. Der Beklagte verkenne, dass die Anforderungen des Versäumnisurteils nur im Bereich der Tatsachenfeststellung abgesenkt seien, während in rechtlicher Hinsicht das Zivilgericht weiterhin verpflichtet sei, selbst durch einen Akt der Rechtsanwendung im Rahmen des § 287 ZPO zu entscheiden, ob die vorgetragenen Tatsachen das gewünschte Schmerzensgeld rechtfertigen würden. Zudem sei die Rechtsmeinung der Beklagten, dass in vergleichbaren Fällen niedrigere Schmerzensgeldbeträge zugesprochen worden seien, unzutreffend. Der Beklagte führe im Wesentlichen ein Urteil des Amtsgerichts Trier aus dem Jahr 1995, eine Entscheidung des Landgerichts Ellwangen aus dem Jahr 1992 und eine Entscheidung des Amtsgerichts Essen aus dem Jahr 2008 an. Bereits in zeitlicher Hinsicht seien die Entscheidungen des Amtsgerichts Trier und des Landgerichts Ellwangen als Vergleichsfälle untauglich, da innerhalb dieser Zeitspanne eine erhebliche Weiterentwicklung der Rechtsprechung von Schmerzensgeldbeträgen erfolgt sei. Hinsichtlich der Entscheidung des Amtsgerichts Essen sei, entgegen der Annahme des Beklagten, das dortige Schmerzensgeld von 1.500,00 EUR nicht wegen der Knieverletzung zugesprochen worden, sondern vielmehr wegen eines HWSSyndroms, welches der dortige Geschädigte bei einem Verkehrsunfall erlitten habe. Der Beklagte habe daher nicht geprüft, ob die anhand einer Kurzzusammenfassung gegebenenfalls vergleichbar scheinenden Fälle auch tatsächlich vergleichbar seien. Insbesondere führe der Beklagte regelmäßig Urteile zu fahrlässig verursachten Verkehrsunfällen an, obwohl solche nicht mit Schmerzensgeldansprüchen aus vorsätzlichen Angriffen auf uniformierte Polizeibeamte vergleichbar seien. Gezielte Angriffe würden eine erhebliche Genugtuungsfunktion für den Geschädigten auslösen. Auch sei hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Flensburg aus Klägersicht eine Bewertung, ob eine Vergleichbarkeit mit den Verletzungen des Klägers vorliege oder nicht, kaum möglich. Die dortigen Orientierungssätze würden die Vermutung nahelegen, dass es sich um einen schweren Sturz infolge eines Tierangriffs gehandelt haben dürfte. Auch das Urteil des Oberlandesgerichts München sei in einer Verkehrsunfallangelegenheit ergangen. Auch dort sei nur eine leichte Fahrlässigkeit festgestellt worden. Entscheidend bei der Orientierung an Schmerzensgeldsummen sei, dass nach der Ermittlung möglicher vergleichbarer Fälle eine Bewertung vorgenommen werde, ob es sich dabei tatsächlich um vergleichbare Lebenssachverhalte handele. Zudem werde verkannt, dass das geschädigte Knie des Klägers mit einem Gipsverband habe fixiert werden müssen. Dies sei in keinem der genannten Vergleichsfälle erforderlich gewesen. Zudem habe das VG Ansbach mit Urteil vom 25. Juli 2019 einer vergleichbaren Klage stattgegeben und in einem weiteren Fall bei dem Beklagten den Erlass eines Abhilfebescheides angeregt. Zudem werde die Diagnose „Bone bruise-Struktur des medialen Femurkondylus ventro-medial“ in der deutschen Sprache mit dem Begriff „Knochenquetschung“ umschrieben. Auch erscheine es abwegig, dass das Amtsgericht Aschaffenburg bei seiner Entscheidung das offensichtliche Schreibversehen in der Klageschrift so verstanden habe, dass es von einer Krankschreibung von mehr als einem Jahr ausgegangen sei.
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Juni 2019 zu verpflichten, an den Kläger einen Erfüllungsübernahmebetrag in Höhe von 4.000,00 EUR zu leisten und den Zahlungsbetrag mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
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Der Beklagte beantragt,
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Es fehle an einer rechtskräftigen Feststellung des Schmerzensgeldanspruchs, da das Schmerzensgeld der Höhe nach nicht angemessen sei. Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG stelle dies für gerichtliche Vergleiche klar, für ein Versäumnisurteil könne nichts Anderes gelten. Die Angemessenheit sei in der Regel nicht gegeben, wenn sich anhand einschlägiger Schmerzensgeldtabellen ein grobes Missverhältnis zwischen den körperlichen Schäden und dem vereinbarten Schmerzensgeldbetrag herausstelle. Vorliegend sei ein Betrag von 4.000,00 EUR nicht angemessen. Die in dem Bescheid zitierten Entscheidungen seien mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Dem Umstand, dass die Entscheidungen teilweise längere Zeit zurückliegen würden, sei durch die Preisindexbereinigung Rechnung getragen worden. Eine Tendenz zur massiven Anhebung von Schmerzensgeldbeträgen in der Rechtsprechung sei nicht erkennbar. Zudem werde vom Kläger die Genugtuungsfunktion überstrapaziert. Zwar könne sich die Genugtuungsfunktion und ein vorsätzliches Verhalten des Täters schmerzensgelderhöhend auswirken, dabei könne es sich jedoch allenfalls um maßvolle Erhöhungen handeln. Die vom Kläger erlittenen Verletzungen seien jedoch nicht besonders massiv gewesen. Weshalb sich die Fixierung mit einem Gipsverband schmerzensgelderhöhend auswirken solle, sei nicht nachvollziehbar. Zudem sei das Urteil des VG Ansbach nicht rechtskräftig, es sei ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt worden. Auch sei das dortige Verfahren der Sache nach nicht mit dem hiesigen Verfahren vergleichbar. Dem Versäumnisurteil habe zudem ein falscher Sachverhalt zu Grunde gelegen. Im Zivilverfahren sei eine Kniegelenkskontusion mit Knochenquetschung geltend gemacht worden, während mit Bescheid vom 11. Mai 2016 lediglich eine Prellung des rechten Knies anerkannt worden sei. Einen Nachweis, dass der Dienstunfall kausal zu einem bone bruise geführt habe, gebe es nicht. Maßgeblich für die Bemessung des Schmerzensgeldes im Rahmen der Erfüllungsübernahme sei die anerkannte Dienstunfallfolge. Zudem enthalte die Klageschrift die Angabe, dass der Kläger bis zum 9. Mai 2017 krankgeschrieben worden sei. Der Kläger sei jedoch nur bis zum 9. Mai 2016 krankgeschrieben gewesen. Dieser vermeintliche Schreibfehler sei im Rahmen des Zivilverfahrens nicht korrigiert worden, sodass das Amtsgericht deshalb von einer unzutreffend langen Krankschreibung habe ausgehen müssen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im Sinne eines Bescheidungsurteils begründet, da der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erfüllungsübernahme durch den Beklagten hat. Die Ablehnung des Antrags ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO).
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Nach Art. 97 Abs. 1 BayBG kann der Dienstherr die Erfüllung eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld übernehmen, welcher daraus resultiert, dass ein Beamter in Ausübung des Dienstes oder außerhalb dessen wegen seiner Eigenschaft als Beamter einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erleidet. Der Dienstherr kann den Anspruch bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Eine solche liegt nach Art. 97 Abs. 2 BayBG insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500,00 EUR erfolglos geblieben ist. Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen (Art. 97 Abs. 3 BayBG).
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Die Voraussetzungen zur Erfüllungsübernahme nach Art. 97 BayBG liegen grundsätzlich vor.
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Der Kläger hat bei der Festnahme des Schädigers durch die Gegenwehr des Schädigers in Ausübung seines Dienstes einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erlitten.
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Aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 4. Juni 2018 verfügt der Kläger über einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten, seinen Schädiger M.S.
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Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, Versäumnisurteile könnten nur dann einen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 BayBG ergeben, sofern die Höhe des dort festgestellten Schmerzensgeldes angemessen ist, so kann dieser Einwand nicht durchgreifen. Ein Versäumnisurteil stellt einen Anspruch rechtskräftig fest im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG und ist insbesondere nicht mit Vergleichen gemäß Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BG gleichzusetzen. Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG unterscheidet seinem Wortlaut nach nicht, auf welche Weise die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs zustande gekommen ist. Ein Versäumnisurteil erwächst ebenso wie ein Endurteil in formelle und materielle Rechtskraft, sodass dieses auch einen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG begründen kann. Im Übrigen hat der Kläger vor dem Zivilgericht keine Einflussmöglichkeiten auf das Prozessverhalten des Beklagten, sodass dieser es nicht in der Hand hat, ob nunmehr ein Versäumnisurteil oder ein Endurteil ergeht. Dies kann dem Kläger jedoch nicht zum Nachteil gereichen. Zudem ist dem eindeutigen Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG nach lediglich bei Vergleichen eine Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass diese nur dann einem rechtskräftig festgestellten Anspruch gleichstehen, wenn die Höhe desselben angemessen ist. Eine solche Einschränkung sieht die Norm für Versäumnisurteile gerade nicht vor. Im Übrigen ist eine solche Einschränkung für ein Versäumnisurteil nach dem Sinn und Zweck der Norm auch nicht begründet. Bei Vergleichen findet keine richterliche Kontrolle dahingehend statt, ob der festgesetzte Schmerzensgeldanspruch durch die Schädigung gerechtfertigt ist. Insoweit muss es dem Beklagten möglich sein, die Angemessenheit des Schmerzensgeldes, der im Wege eines Vergleiches geregelt wird, zu überprüfen. Ein solcher Zweck ist bei einem Versäumnisurteil hingegen nicht gegeben. Zwar werden bei einem Versäumnisurteil die Tatsachenbehauptungen des Klägers als wahr unterstellt, jedoch hat auf der Rechtsfolgenseite das Gericht eine eigene Prüfung vorzunehmen, welcher Schmerzensgeldbetrag durch die Schädigung angemessen ist. So steht die Bestimmung des Schmerzensgeldes nach § 287 ZPO im Ermessen des Gerichts. Ein Anspruch, der aufgrund eines Versäumnisurteils festgestellt ist, stellt somit einen rechtskräftig festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG dar.
18
Vorliegend lag dem Versäumnisurteil auch nicht, wie der Beklagte meint, ein falscher Sachverhalt zu Grunde. So trug der Beklagte zunächst vor, in der Klageschrift, die dem Versäumnisurteil zugrunde lag, sei eine falsche Dauer der Dienstunfähigkeit angegeben worden. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich unter anderem nach der Art, Schwere und Dauer des durch die Verletzung ausgelösten Leidens und Beeinträchtigung der Lebensführung (Jauernig/Teichmann, 17. Aufl. 2018, BGB § 253 Rn. 3-9; BGH, U.v. 10.1.2006 - VI ZB 26/05 - juris). Somit kann die Dauer der Dienstunfähigkeit Auswirkungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes haben. Vorliegend enthält die Klageschrift an einer Stelle zwar die Ausführung, der Kläger sei bis zum 9. Mai 2017 dienstunfähig gewesen, tatsächlich war er jedoch nur bis zum 9. Mai 2016 dienstunfähig. Im weiteren Verlauf der Klageschrift wird dies jedoch bereits korrigiert und die Dauer der Dienstunfähigkeit mit 6,5 Wochen und der Zeitraum 25. März 2016 bis 9. Mai 2016 angegeben. Insofern handelte es sich bei dem Datum 9. Mai 2017 ersichtlich um einen Schreibfehler. Es ist daher davon auszugehen, dass der Zivilrichter die korrekte Dauer der Dienstunfähigkeit dem Schmerzensgeld zugrunde gelegt hat. Zudem gibt der Beklagte an, der Kläger habe in der Klageschrift angegeben, er habe an einer Kniegelenkskontusion mit Knochenquetschung gelitten, tatsächlich sei ihm diese Diagnose jedoch nicht gestellt worden. Zudem sei nur eine Prellung des rechten Knies als Dienstunfallfolge anerkannt worden. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Kläger entgegen der Angaben des Beklagten die Diagnose Kniegelenkskontusion mit Knochenquetschung gestellt wurde. In dem ärztlichen Bericht vom 12. April 2016 heißt es zwar, der Kläger habe eine Kniegelenkskontusion mit Bone Bruise erlitten. Bone Bruise stellt dabei jedoch nur die englische Bezeichnung für eine Knochenquetschung dar (https://schulterinfo.de/bone_bruise.html). Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass dem Kläger lediglich eine Prellung des Knies als Dienstunfallfolge anerkannt wurde und diese nicht zwangsläufig identisch ist mit einer Kniegelenkskontusion mit Bone Bruise. Allerdings umfasst die Anerkennung einer Dienstunfallfolge nicht zugleich die Aussage, dass keinerlei andere Erkrankungen/Verletzungen auf den Dienstunfall zurückzuführen sind. So lag bereits im Dienstunfallverfahren dem Beklagten das ärztliche Schreiben vom 12. April 2016 mit der Diagnose Kniegelenkskontusion mit Bone Bruise vor, dennoch hat sich der Beklagte in dem Bescheid vom 11. Mai 2016, mit welchem eine Dienstunfallfolge anerkannt wurde, nicht mit dieser Diagnose auseinandergesetzt. Insbesondere hat er keine Ablehnung dieser Diagnose als Dienstunfallfolge ausgesprochen. Dass im Wege der Erfüllungsübernahme zudem nur die Diagnose aus dem Dienstunfallverfahren zugrunde zu legen ist, ist dem Wortlaut des Art. 97 BayBG nicht zu entnehmen. Vorliegend liegt zudem nahe, dass die Kniegelenkskontusion mit Bone Bruise ebenfalls bedingt durch den Dienstunfall entstanden ist. So lässt sich dem MRT-Bericht, welcher dem ärztlichen Schreiben vom 12. April 2016 zugrunde lag, bereits nicht entnehmen, dass es sich um eine degenerative Erkrankung handelt, anders etwa bei der dort festgestellten initialen Degeneration des Vorderhorns des Innenminiskus des Klägers. Zudem wurde die Diagnose des Bone Bruise erstmals nach dem Dienstunfall gestellt. Anhaltspunkte, dass eine solche Verletzung bereits vorher vorlag, sind nicht gegeben. Ein Bone Bruise entsteht zudem in der Regel durch ein traumatisches Ereignis und tritt häufig in der Nähe von Gelenken auf (u.a. am Knie), anders als etwa Stressfrakturen als Folge von Überbelastungen (https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/ bone-bruise-und-stressfraktur-knochen-im-stress/). Zusammenfassend lag dem Versäumnisurteil daher kein falscher Sachverhalt zu Grunde.
19
Der Kläger hat zudem gemäß Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG ausreichende Nachweise für erfolglose Vollstreckungsbemühungen vorgelegt. Der Kläger hat vorliegend eine Vermögensauskunft des Schädigers vorgelegt, aus der ersichtlich wird, dass der Schädiger vermögenslos und somit nicht im Stande war den Schmerzensgeldanspruch zu erfüllen. Dies genügt den Anforderungen des Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG; einen Vollstreckungsversuch zu unternehmen, war dem Kläger nicht zumutbar (VG Ansbach, U.v. 25.7.2019 - AN 1 K 18.01545 - juris).
20
Art. 97 BayBG sieht auf der Rechtsfolgenseite die Erfüllungsübernahme „bis zur Höhe“ des festgestellten Betrages und mithin eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des zu übernehmenden Betrages vor. Ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage, ob eine Erfüllungsübernahme erfolgt, ist hingegen nicht gegeben (VG München, U.v. 5.7.2017 - M 5 K 16.4266 - juris). Eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Höhe der Übernahme hat der Beklagte indes nicht getroffen, da er zu Unrecht vom Fehlen eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs ausging. Eine unbillige Härte liegt zudem auch nach Auffassung des Dienstherrn vor, da dieser offensichtlich davon ausgeht, ein Schmerzensgeld zwischen ca. 500,00 EUR und 1.500,00 EUR wäre angesichts der erlittenen Verletzungen des Klägers angemessen, so dass der Mindestbetrag des Art. 97 Abs. 2 BayBG jedenfalls übertroffen ist. Dem Schmerzensgeld kommt eine Doppelfunktion zu. Zum einen dient es dem Ausgleich für Schäden nicht-vermögensrechtlicher Art, zum anderen trägt es dem Umstand Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat. Was als „billige“ und damit gerechte Entschädigung des Nichtvermögensschadens anzusehen ist, kann nur aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller maßgeblichen Fallumstände vor dem Hintergrund der Funktion des Schmerzensgeldes bestimmt werden. Hierzu stellt die einschlägige aktuelle Rechtsprechung (die Heranziehung von Vergleichsfällen ist notwendig; KG Berlin, B.v. 12.7.2010 - 12 U 193/09 - juris) einen wesentlichen Orientierungsrahmen dar (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 25. Aufl. 2018, BGB § 253 Rn. 16a). Im Hinblick auf die Ausgleichsfunktion richtet sich die Höhe des Schmerzensgeldes nach den hervorgerufenen Verletzungen, ihrer Versorgung, künftigen gesundheitlichen Risiken sowie physischen und psychischen Auswirkungen auf den Verletzten und sein berufliches und soziales Leben (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 25. Aufl. 2018, BGB § 253 Rn. 18a). Hinsichtlich der Genugtuungsfunktion hingegen ist etwa der Verschuldensgrad sowie eine Mithaftung des Verletzten zu berücksichtigen (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 25. Aufl. 2018, BGB § 253 Rn. 32). Im Hinblick auf die seitens des Beklagten als Vergleichsrechtsprechung herangezogenen Fälle bleibt festzuhalten, dass dem Urteil des Amtsgerichts Trier vom 15. März 1996 ein Fall zugrunde lag, bei dem der Geschädigte leidglich zehn Tage krankgeschrieben wurde und ein Heilungsverlauf allein mittels Salben und Verbänden erfolgte. Vorliegend war der Kläger hingegen 6,5 Wochen erkrankt und musste sich unter anderem Lymphdrainagen unterziehen. Insofern ist dieses Urteil bereits nicht vergleichbar mit dem hiesigen Sachverhalt. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung hinreichend aktuell ist.
21
Ein sonstiger Grund für eine Verweigerung der Erfüllungsübernahme (Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung nach Art. 62 BayBeamtVG oder eines Unfallausgleichs nach Art. 52 BayBeamtVG) ist nicht ersichtlich (Art. 97 Abs. 2 Satz 2 BayBG).
22
Der Klage war daher im Sinne des Bescheidungsurteils überwiegend stattzugeben. Daraus folgend hat der Kläger keinen Anspruch auf Prozesszinsen nach §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Die Kostenfolge folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt den jeweiligen Grad des Obsiegens und Unterliegens.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.