Titel:
Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger - Fortsetzungsfeststellungsklage
Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 113 Abs. 1 S. 4
StVG § 2a Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3, Ab. 6, § 2b
FeV § 34 Abs. 1, § 35
FeV Anl. 12 Abschn. A Nr. 2.1
Leitsätze:
1. Das besondere rechtliche Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch Befolgung während des Klageverfahrens erledigten Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger besteht wegen der sich kraft Gesetzes daran anknüpfenden Rechtsfolgen des § 2a StVG, die nicht von der Rechtmäßigkeit, sondern nur von der Vollziehbarkeit der vorausgegangenen Anordnung abhängen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei Maßnahmen nach S. 1 des § 2a Abs. 2 StVG nach dessen S. 2 an die rechtskräftige Entscheidung über die anlassgebenden Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden, so dass ihr ebenso wie dem Gericht die (nochmalige) Prüfung untersagt ist, ob der Inhaber der Fahrerlaubnis auf Probe die Straftat oder Ordnungswidrigkeit auch tatsächlich begangen hat. Folglich sind diese Maßnahmen im Rahmen einer gebundenen Entscheidung der Behörde ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände der jeweiligen Zuwiderhandlung zwingend anzuordnen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Hinweis der Bußgeldbehörde auf eine mögliche Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger hätte im Rahmen des Bußgeldverfahrens nicht nur keinen Raum, sondern wäre mangels Zuständigkeit der Bußgeldbehörde auch nicht rechtsverbindlich, denn bei dem repressiven Ordnungswidrigkeitenverfahren einerseits und dem präventiven Verwaltungsverfahren zur Gefahrenabwehr andererseits handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Verfahren mit unterschiedlicher Zielrichtung. Folglich sieht das geltende Recht auch keine Verpflichtung der öffentlichen Gewalt vor, in Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheids auf die sich gegebenenfalls aus § 2a Abs. 2 StVG ergebenden Folgen hinzuweisen (VGH München BeckRS 2009, 33860). (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Fahrerlaubnis auf Probe, Ordnungswidrigkeit innerhalb der Probezeit, Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger, Aufbauseminar absolviert, besonderes Feststellungsinteresse, Bindung an rechtskräftigen Bußgeldbescheid, Aufbauseminar für Fahranfänger, Erledigung durch Befolgung, kraft Gesetzes anknüpfende Rechtsfolgen, Hinweispflicht der Bußgeldbehörde
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.01.2022 – 11 ZB 21.164
Fundstelle:
BeckRS 2020, 35707
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass die ihr gegenüber ergangene Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger rechtswidrig gewesen ist.
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1. Die Klägerin (geb. …1998) ist Inhaberin einer Fahrerlaubnis auf Probe der Klassen AM, B und L (Ablauf der Probezeit: 6.9.2019). Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts verursachte die Klägerin am 11. Juni 2019 um 7:25 Uhr einen Verkehrsunfall. Aus dem Polizeibericht vom 16. Juli 2019 ergibt sich, dass die Klägerin auf der St22.. (Abschnitt ..., km ...) von G. in Fahrtrichtung O. aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit, bei regennasser Fahrbahn, die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor und nach rechts von der Fahrbahn abkam. Der PKW der Klägerin sei auf der Fahrertüre in Endstellung vorgefunden worden, die Klägerin habe sich selbstständig aus dem Fahrzeug befreien können. An ihrem PKW sei ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden, zudem sei ein Feld der dort befindlichen Leitplanke beschädigt worden.
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Gegen die Klägerin wurde aufgrund dieses Sachverhalts zunächst mit Bußgeldbescheid vom 19. September 2019 wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 145,00 EUR festgesetzt, (zzgl. 28,50 EUR Auslagen). Nachdem die Klägerin mit E-Mail vom 25. September 2019 darauf hingewiesen hatte, dass sie als Auszubildende nicht so viel verdiene, wurde der ursprüngliche Bußgeldbescheid zurückgenommen und mit Bußgeldbescheid vom 28. Oktober 2019 eine Geldbuße in Höhe von 75,00 EUR festgesetzt. Der Bußgeldbescheid erwuchs am 14. November 2019 in Rechtskraft.
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Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 hörte das Landratsamt W. (nachfolgend: Landratsamt) die Klägerin unter Hinweis auf die begangene Ordnungswidrigkeit zur beabsichtigten Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten vortragen, dass die im Bußgeldbescheid festgehaltene Bemerkung zum Tatvorwurf nicht zutreffend sei, insbesondere sei eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Klägerin nicht erkennbar. Die Klägerin sei wegen der Reduzierung des Bußgeldes nicht weiter gegen den Bescheid vorgegangen, da sie gedacht habe, dass sich damit die Angelegenheit erledigt habe.
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Mit kostenpflichtigem Bescheid vom 19. Februar 2020 ordnete das Landratsamt wegen der o.g. Verkehrszuwiderhandlung die Teilnahme der Klägerin an einem Aufbauseminar für Fahranfänger gemäß § 2b StVG an. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Probezeit sich gemäß § 2a Abs. 2a StVG um zwei Jahre verlängere und somit am 6. September 2021 ende und die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, wenn am angeordneten Seminar nicht innerhalb der gesetzten Frist teilgenommen werde, § 2a Abs. 3 StVG. Auf ein beigefügtes Merkblatt über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a StVG wurde hingewiesen. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 21. Februar 2020 zugestellt
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2. Am 5. März 2020 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamts W. vom 19. Februar 2020 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze, da kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 und § 3 StVO vorliege. Die Klägerin sei aufgrund des unvorhersehbaren Zusammenspiels einer Vielzahl von Faktoren von der Straße abgekommen, die jeweils für sich noch nicht die Schwelle zu einer Verkehrssorgfaltspflichtverletzung überschreiten würden. Zwar habe der Bußgeldbescheid eine Indizwirkung, jedoch sei auch im Verwaltungsverfahren eine vollständige Beweisaufnahme notwendig. Die Sichtverhältnisse seien am Vorfallstag gut gewesen, insbesondere habe kein umfassendes Aquaplaning bestanden, es habe nur leicht geregnet. Es seien nicht wie fehlerhaft im Bußgeldbescheid angegeben eine überhöhte Geschwindigkeit, schlechte Lichtverhältnisse oder schlechte Wetterverhältnisse einzig maßgeblich gewesen, es habe sich daher nicht um eine Verkehrssorgfaltspflichtverletzung gehandelt. Überdies hätte im Hinblick auf die von der Klägerin angegebenen Geldprobleme zwingend ein Hinweis ergehen müssen, dass ab einem Bußgeld von 60,00 EUR nachträglich an einem Aufbauseminar mit Kosten in Höhe von ca. 400 bis 500 EUR teilzunehmen sei und dass bei einem anschließenden Rechtsbehelf eine Bindungswirkung an die Tatsachen im Bußgeldbescheid bestehe. Dies gelte auch aufgrund der vorgesehenen Verknüpfung zwischen Bußgeld- und Strafverfahren, § 3 Abs. 3 und § 3 Abs. 4 StVG. Die eigentlich den Verkehrsteilnehmer schützende Bindung führe vorliegend dazu, dass keine informierte Entscheidung über das Einlegen eines Rechtsbehelfs mehr getroffen werden könne, was einen effektiven Rechtsschutz gegen die Anordnung des Aufbauseminars unmöglich mache.
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Das Landratsamt W. beantragte für den Beklagten,
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Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da die Voraussetzungen für die Anordnung vorgelegen hätten, ein Ermessensspielraum sei nicht gegeben. Der Verstoß vom 11. Juni 2020 sei am 14. November 2019 rechtskräftig geworden und eine schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne der Anlage 12 (A. Nr. 2.1.) zur FeV. Die Behörde sei an die rechtskräftige Entscheidung gebunden, eine Nachprüfung des Sachverhalts finde nicht statt.
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3. Die Klägerin absolvierte im Zeitraum vom 26. Juni 2020 bis 17. Juli 2020 ein Aufbauseminar für Fahranfänger.
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Mit Schriftsatz vom 23. September 2020 ließ die Klägerin mitteilen, dass die erhobene Klage zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werde. Diese sei zulässig, auch liege das besondere Feststellungsinteresse vor, da die Probezeit der Klägerin um zwei Jahre verlängert worden sei und im Falle einer neuen behaupteten Ordnungswidrigkeit eine Wiederholungsgefahr gegeben sei, denn Einwendungen gegen den Sachverhalt könnte wiederum nicht im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgebracht werden können. Auch bestehe ein Präjudizinteresse, da der Klägerin Kosten für das Aufbauseminar in Höhe von 440,00 EUR entstanden seien. Es liege im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor, da die Bindungswirkung zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen den Bußgeldbescheid nicht vorhersehbar gewesen sei. Damit sei gegen die Anordnung des Aufbauseminars kein effektiver Rechtsschutz mehr gegeben. Es hätte im Bußgeldverfahren ein Hinweis erfolgen müssen, dass eine Überprüfung des Sachverhalts außerhalb des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nicht mehr stattfinden werde. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. November 2020 hielt der Klägerbevollmächtigte an seinem Vorbringen fest. Auf den Schriftsatz wird verwiesen.
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4. Mit Beschluss vom 28. April 2020 wurde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt (Az.: W 6 S 20.510).
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Mit Beschluss vom 10. November 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2020 beantragte der Klägerbevollmächtigte, es wird festgestellt, dass der Bescheid des Landratsamtes W. vom 19. Februar 2020 rechtswidrig gewesen ist.
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Der Beklagte hielt seinen Antrag auf Klageabweisung aufrecht. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung wird verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren W 6 K 20.510, und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid des Landratsamts W. vom 19. Februar 2020 rechtmäßig gewesen ist.
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1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Durch die Teilnahme der Klägerin an dem angeordneten Aufbauseminar hat sich der angefochtene Bescheid nach Klageerhebung gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG erledigt, sodass die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage unzulässig geworden ist. Die daraufhin erklärte Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage war nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO kraft Gesetzes zulässig.
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Das besondere Feststellungsinteresse der Klägerin ist vorliegend gegeben. So gebietet Art. 19 Abs. 4 GG die Gewährung von effektivem Rechtsschutz, jedoch darf dies zu keiner unnötigen Inanspruchnahme des Gerichts führen. Folglich steht die Beschreitung des Klageweges nur dann offen, wenn der Bürger des Rechtsschutzes (noch) bedarf. Maßgeblich für die Feststellung des besonderen Feststellungsinteresses ist, ob die Klagefortsetzung für die Verbesserung der Position der Klagepartei geeignet ist. Hierfür genügt jedes berechtigte Interesse an der gerichtlichen Feststellung rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 108). Vorliegend besteht das besondere rechtliche Interesse an einer Feststellung wegen der sich kraft Gesetzes ergebenden Rechtsfolgen des § 2a StVG, welche an die Anordnung eines Aufbauseminars knüpfen. So verlängert sich gemäß § 2a Abs. 2a Satz 1 StVG nicht nur die Probezeit des Fahranfängers um weitere zwei Jahre, sondern der Fahranfänger unterliegt bei weiteren Zuwiderhandlungen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften nunmehr dem Stufensystem des § 2a Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 StVG, welche - ähnlich wie das Stufensystem des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG beim gemeinen Fahrerlaubnisinhaber - als nächste Maßnahmen zunächst die Verwarnung (Nr. 2) und schließlich die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 3) zur Folge haben. Nachdem ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 2a Abs. 6 StVG) und bei nicht fristgerechter Teilnahme die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist (§ 2a Abs. 3 StVG), wird der Fahranfänger zur Abwendung dieser einschneidenden Folge das Aufbauseminar in der Regel absolvieren. Da die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe nach § 2a Abs. 3 StVG gerade nicht davon abhängt, dass die vorausgegangene Anordnung der Nachschulung rechtmäßig ist, sondern deren Vollziehbarkeit genügen lässt (Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/ Jahnke/Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, StVG § 2a Rn. 5), kann dies sein Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht entfallen lassen. Entsprechend hat das Gericht im vorangegangenen Eilverfahren darauf hingewiesen, dass die Interessensabwägung nicht zu Gunsten der Klägerin ausfallen kann, da ihre erforderlichen finanziellen Aufwendungen für die Teilnahme an dem angeordneten Aufbauseminar und die Verlängerung der Probezeit im Fall eines Erfolges im Hauptsacheverfahren wieder rückgängig zu machen wären (VG Würzburg, B.v. 28.4.2020 - W 6 S 20.510, S. 13).
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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet, da der angefochtene Bescheid zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Erledigung rechtmäßig gewesen ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 VwGO.
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2.1. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar ist § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde für den Inhaber einer Fahrerlaubnis, gegen den wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die nach § 28 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 Buchstabe a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei dieser Maßnahme an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden (§ 2a Abs. 2 Satz 2 StVG). Die Probezeit verlängert sich um zwei Jahre (§ 2 Abs. 2a StVG). Nach § 34 Abs. 2 FeV erfolgt die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 2a Abs. 2 StVG (§ 35 FeV) schriftlich unter Angabe der Verkehrszuwiderhandlungen, die zu der Anordnung geführt haben; dabei ist eine angemessene Frist zu setzen. Die schriftliche Anordnung ist bei der Anmeldung zu einem Aufbauseminar dem Kursleiter vorzulegen. Nach § 37 FeV ist über die Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 35 FeV vom Seminarleiter eine Bescheinigung zur Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde auszustellen.
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2.2 Diese Voraussetzungen lagen vor und werden von der Klägerin im Übrigen auch nicht bestritten. Nach dem vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Auszug aus dem Fahreignungsregister hat die Klägerin während der Probezeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, die rechtskräftig geahndet wurde. Der Vorfall vom 11. Juni 2019 ereignete sich innerhalb der ursprünglich bis zum 6. September 2019 laufenden Probezeit. Die Zuwiderhandlung ist auch eine schwerwiegende. Nach § 34 Abs. 1 FeV erfolgt die Bewertung der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe nach Anlage 12 zur FeV. Nach Abschnitt A Nr. 2.1 der Anlage 12 zur FeV handelt es sich bei Ordnungswidrigkeiten (§§ 24, 24a, 24c StVG) im Falle von Verstößen gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung über die Geschwindigkeit (vorliegend wegen Unfalls aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen gemäß § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 2 i.V.m. § 49 StVO, § 24 StVG; 8.1 BKat) um schwerwiegende Zuwiderhandlungen. Die Einstufung hat der Verordnungsgeber selbst vorgenommen und sie wird von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt. Die rechtskräftige Entscheidung über die Ordnungswidrigkeit ist auch nach § 28 Abs. 3 Nr. 3a Buchst. bb) StVG (Geldbuße von mindestens 60,00 EUR) in das Fahreignungsregister einzutragen.
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Mit der Einwendung, die Klägerin habe mangels Sorgfaltspflichtverletzung keine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 2, § 3 StVO begangen, kann sie nicht durchdringen.
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Nach § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde bei Maßnahmen nach den Nrn. 1 bis 3 des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebunden. Damit ist der Fahrerlaubnisbehörde ebenso wie dem Gericht die Nachprüfung untersagt, ob der Inhaber der Fahrerlaubnis auf Probe die Straftat oder Ordnungswidrigkeit auch tatsächlich begangen hat, sodass eine (nochmalige) Prüfung der eingetragenen Ordnungswidrigkeit weder im behördlichen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt (vgl. BT-Drs. 13/6914, S. 67). Folglich sind die Maßnahmen nach § 2a Abs. 2 StVG im Rahmen einer gebundenen Entscheidung der Behörde ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände der jeweiligen Zuwiderhandlung zwingend anzuordnen. Nur diese Auslegung der Regelung wird dem Zweck des Gesetzes gerecht, die Fahrerlaubnisbehörde und die Gerichte von der Nachprüfung ordnungswidrigkeitenrechtlicher Entscheidungen zu befreien. Auch für Gerichte, die die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde beurteilen, besteht damit die Bindung an die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Entscheidungen. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 20.4.1994 - 11 C 44/92 - NJW 1995, 70 f.), wonach Verkehrsbehörden bei Anordnungen nach § 2a Abs. 2 StVG (a.F.) nicht an die darin enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen gebunden sind, wenn gewichtige Anhaltspunkte gegen deren Richtigkeit sprechen, ist durch die Neufassung des Gesetzes überholt (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 1.8.2018 - W 6 K 18.386).
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Entscheidet sich der Betroffene, kein Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid einzulegen, sondern ihn zu bezahlen und damit im Ergebnis die zugrundeliegende Ordnungswidrigkeit anzuerkennen, muss er sämtliche sich daraus ergebenden Folgen gegen sich gelten lassen, solange dieses nicht aufgehoben wurde oder die Zuwiderhandlung nicht mehr verwertet werden kann. Nachdem der maßgebliche Bußgeldbescheid offensichtlich nicht nichtig und damit rechtswirksam ist, ist die Frage, ob die Klägerin den geahndeten Verstoß am 11. Juni 2019 in vorwerfbarer Weise begangen hat, vorliegend nicht zu klären.
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2.3. Der Einwand des Bevollmächtigten, die Klägerin hätte von der Bußgeldbehörde darüber unterrichtet werden müssen, dass aufgrund der festgesetzten Höhe des Bußgeldes (mehr als 60,00 EUR) sie von Gesetzes wegen an einem kostenpflichtigen Aufbauseminar teilnehmen müsse, vermag an der Beurteilung nichts zu ändern.
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Bei dem Ordnungswidrigkeitenverfahren einerseits und dem Verwaltungsverfahren andererseits handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Verfahren mit unterschiedlicher Zielrichtung: So ahndet das Bußgeldverfahren einen konkreten Vorschriftsverstoß des Betroffenen in der Vergangenheit, während die Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde als Gefahrenabwehrrecht die Verhütung von zukünftigen Gefahren durch den Fahrerlaubnisinhaber - hier: Fahranfänger - zum Ziel hat; die von der Fahrerlaubnisbehörde zu ergreifenden Maßnahmen sind durch das StVG vorgegeben und orientieren sich am konkreten Einzelfall. Damit obliegt die Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 StVG vorliegen, ausschließlich der Fahrerlaubnisbehörde und hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens nicht nur keinen Raum, sondern etwaigen Ausführungen der Bußgeldbehörde könnte mangels Zuständigkeit auch keine Rechtsverbindlichkeit zukommen. Folgerichtig kann der Betroffene im Verwaltungsverfahren auch nicht mit dem Einwand gehört werden, im Rahmen des Ordnungswidrigkeitsverfahrens sei ihm erklärt worden, dass die Zuwiderhandlung keine weitergehenden Konsequenzen haben werde (vgl. OVG NW, B. v. 16.12.2015 - 16 B 1224/15 - juris, Rn. 7).
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Soweit der Bevollmächtigte in diesem Zusammenhang unter Berufung auf Art. 19 Abs. 4 GG die Durchbrechung der Bindungswirkung des § 2a Abs. 2 Satz 3 StVG fordert, da die Klägerin ansonsten ihres effektiven Rechtsschutzes beraubt wäre, weil sie bei Erhalt des Bußgeldbescheides keine informierte Entscheidung habe treffen können, verfängt dies nicht. Der Betroffene hat nach Bekanntgabe des Bußgeldbescheides gemäß § 67 OWiG die Möglichkeit Einspruch einzulegen und sämtliche Einwände im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahrens vorzutragen, welche dort vollumfänglich überprüft werden. Aus welchen pragmatischen oder prozesstaktischen Erwägungen heraus der Betroffene darauf verzichtet, gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen, ist unerheblich, da es ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts lediglich auf die Rechtskraft der Entscheidung ankommt. Folglich sieht das geltende Recht auch keine Verpflichtung der öffentlichen Gewalt vor, in Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheids auf die sich ggf. aus § 2a Abs. 2 StVG ergebenden Folgen hinzuweisen (BayVGH, B.v. 16.1.2006 - 11 CS 05.1880 - juris, Rn. 13).
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Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ein Fahranfänger im Rahmen der Fahrschulausbildung im theoretischen Unterrichtsteil u.a. über die gesetzlichen Rechte und Pflichten eines Fahrerlaubnisinhabers aufgeklärt wird, wozu auch die besonderen Anforderungen an einen Fahranfänger (Fahrerlaubnisinhaber auf Probe) und die Folgen eventueller Verstöße während der Probezeit zählen. Die Klägerin hätte daher wissen müssen, dass sie während ihrer Probezeit besonderen Anforderungen unterliegt und bei gewichtigeren Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet wird (in diesem Sinne auch OVG Hamburg, B.v. 18.9.2006 - 3 Bs 298/05 - juris, Rn. 10). Sie hätte sich nach Erhalt des Bußgeldbescheids zumindest über mögliche Folgen informieren bzw. Rechtsberatung einholen können.
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Demnach erweist sich die Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme an dem angeordneten Aufbauseminar zum Zeitpunkt der Erledigung als rechtmäßig.
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3. Nachdem die Klage keinen Erfolg hat, ist sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.