Titel:
Gefährlichkeitsprognose für eine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt
Normenketten:
StGB § 20, § 62, § 63, § 242 Abs. 1, Abs. 2, § 243 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 303c
ABS § 1, § 3, § 29
JGG § 45 Abs. 2, § 47
GG Art. 2 Abs. 1
StPO § 81 Abs. 1, § 414, § 465
Schlagworte:
Arzt, Unterbringung, Erkrankung, Erkenntnisverfahren, Körperverletzung, Sachverständiger, Gesamtwürdigung, Jugendstrafe, Krankheitsbedingtheit, Psychiatrisches Krankenhaus, Strafaussetzung, Justizvollzugsanstalt, Todesangs, Gutachtenserstattung, Totschlagsdelikt
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 21.10.2020 – 6 StR 331/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 35360
Tenor
1. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
2. Der Beschuldigte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewandte Vorschriften:§§ 20, 62, 63 StGB
Entscheidungsgründe
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Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg -Jugendschöffengericht vom 24.09.2008, rechtskräftig seit 03.04.2009 in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB untergebracht. Anlasstaten waren die Tatbestände der vorsätzlichen Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung. Die vom Amtsgericht festgestellte Schuldunfähigkeit resultierte aus einer Psychose, die zu den Tatzeitpunkten vorlag. Als Grund für die Psychosen wurden entweder eine drogeninduzierte Psychose oder eine aus dem schizophrenen Formenkreis seitens des Sachverständigen damals diagnostiziert. Seitdem befindet sich der Beschuldigte ununterbrochen in einem psychiatrischen Krankenhaus. Zuletzt befand sich der Beschuldigte im Bezirksklinikum St.. Trotz der langjährigen Unterbringungszeit ist beim Beschuldigten bis dato kein nennenswerter Behandlungserfolg eingetreten. Auch konnten keine namhaften Lockerungen dem Beschuldigten zugestanden werden. Zu den Tatzeitpunkten wie auch zum Zeitpunkt der Urteilsfindung befand sich der Beschuldigte im BKH St -L in einer hochgesicherten subakuten Station.
2
In dieser Station verletzte der Beschuldigte am 04.08.2018 und am 25.01.2019 je einen Mitpatienten mit mehreren Faustschlägen in das Gesicht. Als Grund nannte der Beschuldigte, dass er provoziert worden sei bzw. von der Situation genervt gewesen sei. Beide Geschädigten erlitten kleinere bis mittlere Verletzungen, wie Hautabschürfungen, Schädelprellungen und Hämatome. Bei beiden Geschädigten hat sich der Beschuldigte mittlerweile entschuldigt. Am 30.03.2019 wollte ein Sicherheitsmitarbeiter den Beschuldigten auffordern, die Musik im Gemeinschaftsraum leiser zu stellen. Als dieser die Tür zu dem Raum öffnete, versetzte der Beschuldigte dem Geschädigten L unvermittelt einen Kopfstoß, sodass dieser bewusstlos wurde. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, wurde er erneut zu Boden gebracht und der Beschuldigte trat mehrfach gezielt mit dem beschuhten Fuß auf den Kopf des Geschädigten L, sodass dieser wieder bewusstlos wurde. Als er wieder zu sich kam und sich zu wehren versuchte, nahm der Beschuldigte, der eine sehr kräftige Körperstatur besitzt, den Geschädigten L hoch, schleuderte ihn durch die Luft, sodass dieser mit dem Nacken auf eine Tischkante aufkam und wieder bewusstlos wurde. Weitere Mitpatienten versuchten dann den Beschuldigten von weiteren Angriffen abzuhalten. Zusammen mit dem weiter hinzugerufenen Sicherheitspersonal gelang es letztendlich 15 Personen den Beschuldigten zu überwältigen, zu Boden zu bringen und dort zu fixieren, so dass der Angriff beendet werden konnte. Der Geschädigte L erlitt mehrere Prellungen, Verstauchungen, Schürfwunden, sowie eine Handverletzung, die zweifach operativ versorgt werden mussten. Des Weiteren war er bis zwei Wochen vor der durchgeführten Hauptverhandlung arbeitsunfähig erkrankt und bedurfte psychologischer Hilfe, um den Vorfall verarbeiten zu können. Derzeit befindet er sich in der Wiedereingliederungsphase.
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Der Beschuldigte hat somit die Tatbestände vorsätzlichen Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen und der gefährlichen Körperverletzung aufgrund einer lebensgefährdenden Behandlung durch gezielte wuchtigen Schläge und Tritte gegen den Kopf des Geschädigten L verwirklicht.
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Der Beschuldigte war zu den Tatzeitpunkten jeweils in seiner Steuerungsfähigkeit krankheitsbedingt aufgehoben gemäß § 20 StGB. Zu dieser Einschätzung gelangte der gerichtlich bestelle Sachverständige Landgerichtsarzt a. D. P. R. Der Beschuldigte selbst hat sich durch den Sachverständigen nicht explorieren lassen und auch die behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbunden. Dem Sachverständigen lagen unter anderem das psychiatrische Gutachten der Vorverurteilung des Jugendschöffengerichts Nürnberg sowie Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses Straubing für die Beurteilung zugrunde. Des Weiteren hatte er sich auch bei einem Termin am 16.05.2019 im BKH L. in St.einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten verschafft. Der Sachverständige kommt daher nachvollziehbar zum Ergebnis, dass beim Beschuldigten eine langjährige chronifizierte Schizophrenie mit Minussymptomatik, eine stark ausgeprägte Persönlichkeitsfehlentwicklung sowie eine komplexe Suchtproblematik bestehen. Bei den Taten geht die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen davon aus, dass er sich bei Begehung der Taten krankheitsbedingt im Zustand einer Psychose befunden hat und seinen Impulsen nichts mehr entgegenzusetzen hatte, sodass es zu den Aggressionstaten kam. Beim Beschuldigen konnten bisher noch keinerlei nennenswerte Behandlungserfolge erzielt werden. Die Kammer ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen davon überzeugt, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit weitere Delikte ähnlich den nunmehrigen Anlassdelikten aufgrund der Erkrankung des Beschuldigten zu erwarten sind. Die Kammer hat deshalb unter Berücksichtigung aller Umständen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da mildere Mittel nicht ersichtlich sind. Der bisherige Behandlungsverlauf hat gezeigt, dass aufgrund des Verhaltens des Beschuldigten und seines Krankheitsverlaufs er zur Einhaltung von Regeln in Lockerungen nicht in der Lage ist. Aufgrund der erneuten Anlasstaten, insbesondere der Taten zulasten des Sicherheitsmitarbeiters L ergibt sich auch eine neue Qualität der Taten aufgrund des großen Gewaltpotentials, das der Beschuldigte gegenüber dem Sicherheitsmitarbeiter gezeigt hat. Auch aufgrund der bereits langjährigen Vollstreckung der Unterbringung der ersten Maßregel ergeben sich durch die Anordnung der erneuten Maßregel in zeitlicher Hinsicht neue Fristen und Änderungen. Die Frage der Allgemeingefährlichkeit durch den Beschuldigten kann aufgrund der Feststellungen in diesem Erkenntnisverfahren aktueller und substantiierter beurteilt werden, als alleine aufgrund der Vorverurteilung und dem Vollstreckungsverfahren. Deshalb hält die Kammer die erneute Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für notwendig und verhältnismäßig.
I. Persönliche Verhältnisse
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Der Beschuldigte wurde 1988 in der Justizvollzugsanstalt A. geboren. Seine Mutter befand sich dort in Haft, sie wurde 1989 aus der Haft entlassen, 1990 jedoch wieder inhaftiert. Während dieser Zeit wurde der Beschuldigte in eine Pflegefamilie gegeben. Dort verbrachte er die folgenden vier Jahre, die frühkindliche Entwicklung war unauffällig, jedoch wurde er in der Pflegefamilie vernachlässigt. Der leibliche Vater des Beschuldigten war Alkoholiker. Bereits bei der Geburt des Beschuldigten waren seine Mutter und sein Vater nicht mehr ein Paar. Jedoch pflegten beide losen Kontakt miteinander. Der Beschuldigte hatte bis zum Tod beider Elternteile (Vater+2012, Mutter+2015) jeweils guten Kontakt mit beiden. Nach Haftentlassung der Mutter im Jahr 1994 fand sie einen neuen Lebensgefährten, der auch ein Alkoholproblem aufwies. Der Beschuldigte wurde 1995 in die Förderschule eingeschult und kam dort gut zurecht, sodass die Umschulung in eine Regelschule erfolgte. Nach einem Jahr des Besuchs der Regelschule kam es jedoch sowohl leistungsmäßig als auch emotional zu Problemen, sodass der Beschuldigte wieder in die dritte Klasse in die Förderschule ging. In der Zeit des Besuchs der Regelschule verstarb der Halbbruder des Beschuldigten am plötzlichen Kindstod. Folgend kam es noch zu einer Fehlgeburt bei einer neuen Schwangerschaft der Mutter. Dies waren unter anderem die Gründe für die Trennung seiner Mutter von dem neuen Lebenspartner. Die Mutter verkraftete den Tod ihres Kindes sehr schlecht und der Beschuldigte war in dieser Zeit ihr Halt, sodass er diesbezüglich für ein Kind hohe Verantwortung übernehmen musste. Ein weitere Halbbruder und eine Halbschwester des Beschuldigen verstarben mittlerweile aufgrund eines Suizids und eines Autounfalls.
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Der Beschuldigte war bereits mit 7 Jahren verhaltensauffällig. Er beging Diebstähle, ein Bauernhof und eine Schule wurden verwüstet, Tiere wurden gequält und getötet. Auch gegenüber seiner Mutter wurde er tätlich. Auch Brandstiftungen wurden begangen. Im Alter von 10 Jahren hielt er sich häufig bei einer Gruppe von „Stadtindianern“ in Nürnberg auf, die ihren Lebensunterhalt durch Kleinkriminalität wie Diebstähle bestritten. Im Alter von 12 Jahren wurde er bereits als Intensivtäter geführt. Nachdem die Mutter Jugendhilfe beantragt hatte, wurde der Beschuldigte am 27.03.2001 in der Jugendhilfeeinrichtung “M.-Stift“ in N. geschlossen untergebracht. Es handelt sich hierbei um eine geschlossene geführte Intensivgruppe. Dort befand er sich bis zum 11.02.2002, anschließend wurde er in eine Außenwohngruppe der Einrichtung nach C. bei M. verlegt. Diese Maßnahme wurde aber wegen massiver Auffälligkeiten auf Veranlassung des Jugendlichen beendet und seit Pfingsten 2003 lebte er wieder im Haushalt seiner Mutter. Ab diesem Zeitpunkt besuchte er auch wieder die Förderschule in Nürnberg. Es kam jedoch zu häufigen Regelverstößen im weiteren Schulbesuch, sodass er im Juli 2004 aus der 9. Klasse der Förderschule entlassen wurde. Ab dem 24.01.2005 besuchte der Beschuldigte einen Lehrgang bei der Deutschen Angestelltenakademie, wo er den Hauptschulabschluss hätte nachholen können. Nach 5 Monaten wurde diese Maßnahme jedoch aufgrund wiederholter Versäumnisse des Beschuldigten abgebrochen. Ab Februar 2006 erhielt der Beschuldigte Erziehungshilfe in Form von ambulanter, intensiver Betreuung durch das Jugendamt Nürnberg. Ziel war, die beruflichen Perspektiven sowie die Wohnsituation zu verbessern, der Beschuldigte lebte abwechselnd bei seiner Mutter oder bei seinem alkoholabhängigen Vater.
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Sämtliche Familienangehörigen des Beschuldigten, sowohl seine Mutter als auch sein leiblicher Vater sowie seine Geschwister sind mittlerweile verstorben. Der Beschuldigte verfügt weder über familiäre noch über soziale Kontakte außerhalb der Klinik. Er ist ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Einer festen Arbeitstätigkeit ging der Beschuldigte in seinem Leben bis jetzt noch nicht nach. Strafrechtlich ist der Beschuldigte wie folgt in Erscheinung getreten:
1. 29.01.2004 AG NÜRNBERG (D3310) -61 DS 606 JS 45459/03 - Rechtskräftig seit 06.02.2004 Tatbezeichnung: Diebstahl in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung Datum der (letzten) Tat: 26.08.2003 Angewandte Vorschriften: STGB § 223, § 230, § 242, § 248A, § 53
eine Woche(n) Jugendarrest.
2. 29.09.2004 STA NÜRNBERG-FÜRTH (D3300S) -353 JS 23288/04 - Tatbezeichnung: Unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln Datum der (letzten) Tat: 13.08.2004 Angewandte Vorschriften: BTMG § 1 ABS. 1, ANLAGE I, § 3 ABS. 1 NR. 1, § 29 ABS. 1 NR. 1
Von der Verfolgung abgesehen nach § 45 Abs. 2 JGG.
3. 10.03.2005 AG NÜRNBERG (D3310) -61 DS 606 JS 48559/04 - Rechtskräftig seit 10.03.2005 Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in 3 Fällen Datum der (letzten) Tat: 20.08.2004 Angewandte Vorschriften: STGB § 265 A ABS. 1, ABS. 3, § 248 A, § 53 Verfahren eingestellt nach § 47 JGG.
4. 20.03.2006 AG Nürnberg (D3310) -61 Ls 603 Js 53214/05 - Rechtskräftig seit 27.06.2006 Tatbezeichnung: Gemeinschaftlicher Diebstahl im besonders schweren Fall in zwei Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichem Diebstahl im besonders schweren Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte Datum der (letzten) Tat: 13.08.2005 Angewandte Vorschriften: StGB § 303 Abs. 1, § 303 c, § 242 Abs. 1, Abs. 2, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 22, § 23, § 25 Abs. 2, § 52, § 53, § 113 Abs. 1, BtMG § 1 Abs. 1, Anlage I, § 3, § 29 Abs. 1 Nr. 1, JGG § 21
zehn Monat(e) Jugendstrafe.
Bewährungszeit bis 26.06.2009.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Strafaussetzung widerrufen.
5. 22.01.2007 AG Nürnberg (D3310) -61 Ls 606 Js 48560/06 - Rechtskräftig seit 12.04.2007 Tatbezeichnung: Diebstahl in 3 Fällen in einem Fall mit Sachbeschädigung Datum der (letzten) Tat: 16.03.2006 Angewandte Vorschriften: StGB § 242, § 243 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 248 a, § 303 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52, § 53
ein Jahr(e) 6 Monat(e) Jugendstrafe.
Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG).
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 20.03.2006+61 Ls 603 Js
53214/05+D3310+AG Nürnberg.
est der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 31.08.2009.
Rest der Jugendstrafe erlassen mit Wirkung vom 21.09.2009.
6. 24.09.2008 AG Nürnberg (D3310) -63 Ls 607 Js 35188/08 - Rechtskräftig seit 03.02.2009 Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung, vorsätzliche Körperverletzung in 2 Fällen mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung Datum der (letzten) Tat: 31.12.2007 Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 303 c, § 52, § 53, § 20, § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
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Der letzten Verurteilung des Amtsgerichts Nürnberg -Jugendschöffengericht vom 24.09.2008, rechtskräftig seit 03.02.2009 (BZR-Eintrag Ziffer 6) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Der Beschuldigte beging im Zustand der Schuldunfähigkeit folgende Taten:
1. Am 31.12.2007, gegen 17.20 Uhr stieß der Beschuldigte den Geschädigten J. K in der G. Straße in Nürnberg plötzlich und ohne rechtfertigenden Grund nieder, sodass der Geschädigte zu Boden fiel. Als der Geschädigte K am Boden lag, schlug der Beschuldigte ihn mit der Faust ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt hierdurch eine Platzwunde am Hinterkopf, Schmerzen sowie mehrere Schürfwunden und Prellungen. Der Beschuldigte entfernte sich vom Tatort, wurde aber vom Geschädigten verfolgt. Um 17.30 Uhr wurde der Beschuldigte von den Polizeibeamten PHK M und POK E auf der Jansenbrücke in Nürnberg angehalten. Die Beamten eröffneten ihm den Tatvorwurf und forderten ihn auf, ein Ausweispapier auszuhändigen. Hierauf entgegnete der Beschuldigte, dass nichts passiert sei. Als PHK M die Jacke des Beschuldigen öffnete, um nach Personalausweis des Beschuldigten zu suchen, sicherte POK E die Situation ab, indem er sich hinter den Beschuldigten stellte. Plötzlich holte der Beschuldigte aus und schlug dem Geschädigten M (Hinweis die beiden Namen sind zu lesen in der Beiakte von Nürnberg 607 Js 35188/08, Blatt 370ff.) mit der Faust auf den Kopf. Es kam nun zu einem Gerangel, bei dem der sodann Geschädigte E seinem Kollegen M zur Hilfe kam. Nachdem der Beschuldigte sich kurzzeitig losreißen konnte, wurde er von den Polizeibeamten gemeinsam zu Boden fixiert. Bei dem Gerangel erlitten beide Polizeibeamte Abschürfungen und Prellungen. Der Geschädigte E war darüber hinaus aufgrund einer Kniekontusion mit Streckdefizit und einer retropatellaren Periostitis im linken Knie für die Dauer eines Monats dienstunfähig erkrankt. Strafantrag wurde durch die Geschädigten jeweils form- und fristgerecht gestellt.
2. Am 03.11.2008 wurde der Beschuldigte von der JVA Nürnberg in die psychiatrische Abteilung der JVA W. verschubt. Zu diesem Zweck wurde er gegen 12.15 Uhr in der JVA Nürnberg durch die Polizeibeamte POM R und PHK K in dem Dienstfahrzeug Marke VW Transporter, amtliches Kennzeichen N-3598 abgeholt. Während der Fahrt auf der BAB 3 in Höhe des Rasthofes Steigerwald begann der Beschuldigte gegen 13.00 Uhr seinen Kot im Fahrzeuge an Gitterstäbe, Fenster, Decke und Polsterung der Sitze zu verschmieren. Zudem riss er ein Loch in eine der Kopfstützen. Dem Polizeipräsidium Mittelfranken entstand Sachschaden in Höhe von insgesamt 260,50 €, was der Beschuldigte zumindest billigend in Kauf genommen hat. Strafantrag wurde durch das geschädigte Polizeipräsidium form- und fristgerecht gestellt“.
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Seitdem befindet sich der Beschuldigte in einer psychiatrischen Abteilung in einem Bezirkskrankenhaus aufgrund einer Unterbringung im Sinne des § 63 StGB. Im Bezirksklinikum St. befindet er sich seit längerer Zeit im hochgesicherten Bereich der subakuten Station E1. Bisherige Behandlungsversuche waren nur äußerst mäßig erfolgreich. Mehrere Versuche den Beschuldigten auf einer offenen Therapiestation zu behandeln scheiterten, meist wegen aggressiver körperlicher Übergriffe von Seiten des Beschuldigten gegenüber Mitpatienten.
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Eine konkrete Lebensperspektive für die Zukunft des Beschuldigten konnte dieser nicht angeben.
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Die Kammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
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Der Beschuldigte ist aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 24.09.2008 nach § 63 StGB im BKH St., L. 32 in St. untergebracht. Dort beging er im Zustand der Schuldunfähigkeit folgende Taten:
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1. Am 04.08.2018 gegen 19.15 Uhr verletzte der Beschuldigte ohne rechtfertigenden Grund den Mitpatienten R im Raucherraum der Station E1, indem er diesen mit den Fäusten mehrfach, mindestens dreimal, gezielt in das Gesicht schlug. Der Geschädigte erlitt hierdurch, wie von dem Beschuldigten mindestens billigend in Kauf genommen, eine Schädelprellung und nicht nur unerhebliche Schmerzen. Der Beschuldigte hat sich zwischenzeitlich beim Beschuldigten R entschuldigt.
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2. Am 25.01.2019 gegen 19.00 Uhr wollte der Beschuldigte im Aufenthaltsbereich der Station E1 Musik hören. Der Mitpatient von W erschien und nahm CDs des Beschuldigten in die Hand. Dieser forderte ihn daraufhin auf, die CDs wieder hinzulegen und nicht anzufassen. Der Zeuge von W kam dieser Aufforderung zunächst nach, nahm eine CD des Beschuldigten jedoch dann nochmals in die Hand. Hierauf schlug der Beschuldigte mehrfach mit seinen Fäusten gezielt in das Gesicht des Geschädigten von W. Der Geschädigte ging durch die Wucht die Schläge zu Boden. Hierbei erlitt der Geschädigte, wie von dem Beschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen, eine Blutung im Gesicht, ein Hämatom am Auge, kleinere Hautabschürfungen und Rötungen im Gesicht sowie eine Prellung am Knie und mehrere Tage anhaltende Schmerzen. Strafantrag wurde vom Geschädigten von W form- und fristgerecht gestellt. Der Beschuldigte hat sich mittlerweile beim Geschädigten von W entschuldigt.
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3. Am 30.03.2019 gegen 15.00 Uhr wollte der geschädigte Sicherheitsmitarbeiter L den Beschuldigten, der sich im Gemeinschaftsraum der Station E2 aufhielt, auffordern, die Musik leiser zu stellen. Als der Beschuldigte den Geschädigten L an der Türe sah, riss er die Türe auf, schrie „Verpiss Dich“ und versetzte den Geschädigten unvermittelt einen Kopfstoß, sodass dieser kurzzeitig bewusstlos wurde und zu Boden ging. Als der Geschädigte wieder zu sich kam, brachte ihn der Beschuldigte erneut zu Boden und trat ihn mit dem Fuß mehrmals mindestens vier bis fünfmalgezielt und mit Wucht in das Gesicht, sodass der Geschädigte erneut bewusstlos wurde. Hierbei trug der Beschuldigte nicht ausschließbar nur leichte Turnschuhe. Als der Geschädigte wieder zu sich kam und sich aufrichtete, stand er mit dem Rücken zur Wand, als der Beschuldigte auf den Sicherheitsbeamten erneut drohend zuging und versetzte mit seinem Fuß dem Beschuldigten einen kräftigen Tritt, worauf dieser jedoch in keinster Weise reagierte, obwohl der Zeuge L festes Schuhwerk trug. Der Beschuldigte packte den Geschädigten nun und fasste ihn hoch in die Luft, sodass dieser mit dem Kopf gegen eine Tischkante im Raum stieß und erneut bewusstlos wurde. Es griffen sodann auch mittlerweile anwesende Mitpatienten, die Zeugen A und B ein, die versuchten den Beschuldigten zurückzuhalten und den Geschädigten zu schützen. Auch auf den Mitpatienten B schlug der Beschuldigte daraufhin ein. Letztendlich gelang es den beiden Mitpatienten A und B sowie der hinzugerufenen Verstärkung des Sicherheitsdienstes mit gesamt ca. 15 Leuten den Beschuldigten zu Boden zu bringen, zu fixieren und ihn von weiteren Angriffen abzuhalten. Wie vom Beschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen, erlitt der Geschädigte L mehrere Prellungen, Verstauchungen und Schürfwunden. Des Weiteren erlitt er Verletzungen am linken Handgelenk (Bänderverletzungen). Der Geschädigte musste deswegen zweimal ambulant unter Vollnarkose am Handgelenk operiert werden und anschließend jeweils für ca. eine Woche eine Schiene tragen. Da die Schmerzsymptomatik jedoch nicht nachließ, wurde bei dem Geschädigten im Handgelenk letztendlich ein Nerv durchtrennt. Eine dritte notwendige Handoperation wird er nicht antreten. Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass eine 10%-ige Einschränkung bei dem Handgelenk dauerhaft bei dem Geschädigten L verbleiben wird. Der Geschädigte L litt während des Angriffs an Todesangst und musste sich nach dem Vorfall psychologischer professioneller Hilfe bedienen, um diesen Vorfall verarbeiten zu können. Er war ca. ein Jahr lang krankgeschrieben und begann zwei Wochen vor der Hauptverhandlung erstmals wieder im Rahmen einer Wiedereingliederung im Bezirksklinikum in seinem vormaligen Beruf zu arbeiten. Des Weiteren erlitt der Geschädigte aufgrund des Vorfalls Schlafstörungen und Albträume sowie Angstzustände, die ärztlicherseits als Anpassungsstörung diagnostiziert wurden. Der Beschuldigte nahm durch die Fußtritte auch billigend in Kauf, dass diese für den Geschädigten potentiell lebensgefährlich sein können.
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Strafantrag wurde vom Geschädigten L form- und fristgerecht gestellt.
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Die Staatsanwaltschaft hält aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen geboten.
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Der Beschuldigte leidet an einer chronifizierten Schizophrenie mit Minussymptomatik und einer Persönlichkeitsfehlentwicklung und war nicht in der Lage sein Verhalten zu steuern, obwohl er erkannte, dass sein Verhalten nicht rechtmäßig war.
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1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten unter Ziffer I. beruhen maßgeblich auf den getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts Nürnberg im Urteil vom 24.09.2008, Ziffer II. Das Urteil wurde verlesen. Die Feststellungen wurden ergänzt durch die Ausführungen des Sachverständigen Landgerichtsarzt a. D. R, der dies in seiner mündlichen Gutachtenserstattung vorgetragen hat und seine Angaben aus dem Vorgutachten von Dr. H, Kinder- und Jugendpsychiatrie Nürnberg gewinnen konnte. Der Vorgutachter explorierte den Beschuldigten selbst und befragte auch dessen Mutter zu seiner Entwicklung. Der Beschuldigte selbst hat diese Feststellungen auch als richtig bestätigt und in einzelnen Punkten ergänzt. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister wurde verlesen und vom Beschuldigten als richtig bestätigt. Somit ergeben sich die Feststellungen wie oben dargelegt.
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2. Die Feststellungen hinsichtlich den Sachverhalten Ziff. II. ergeben sich aus der durchgeführten Beweisaufnahme.
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Zum Teil hat der Beschuldigte die Taten eingeräumt.
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a) Hinsichtlich des Geschehens II. 1. gab der Beschuldigte an, dass er dem Geschädigten keinen Vorwurf machen könne, es hätte keinen speziellen Anlass für die Schläge gegeben, es sei seine Schuld gewesen. Er habe ihm drei Schläge versetzt, sich jedoch bereits bei ihm entschuldigt und das Verhältnis sei wieder gut. Dieses Geständnis wurde bestätigt durch die Aussagen des glaubhaften Zeugen R, des Geschädigten. Auch dieser hat angegeben, dass er zwei bis drei Faustschläge vom Beschuldigen erhalten habe. Es habe zuvor einen Streit gegeben, eine kleinere Auseinandersetzung aufgrund der allgemeinen Situation im Krankenhaus. Grund war, dass jeder vom anderen Patienten Zigaretten und Geld zum Kauf von Trinken bekommen wolle. Grundsätzlich sei der Beschuldigte eher ein ruhiger Patient, er habe zuvor mit ihm keine Probleme gehabt. Auch habe der Beschuldigte mit dem Personal zuvor keine Probleme gehabt. Der fehlende Zahn sei keine Folge der Schläge. Hinsichtlich der festgestellten Verletzungen hat die Kammer das ärztliche Attest des Klinikums St. Elisabeth Straubing vom 04.08.2018 durch Dr. med. Stefanie B verlesen, das die oben genannte Verletzungen bestätigt.
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b) Hinsichtlich der Geschehnisse II.2 gab der Beschuldigte an, dass er Musik im Speiseraum hätte hören wollen. Der Mitpatient von W sei gekommen und habe seine CDs angefasst, dies sei ihm nicht recht gewesen, da ihm die CDs lieb und teuer seien. Der Geschädigte habe die CD weggelegt aber nochmal berührt, sodass er ihm einen Schlag auf die Nase versetzt habe, dann sei das Personal gekommen. Auch bei ihm habe er sich mittlerweile entschuldigt. Der geschädigte Zeuge von W hat glaubhaft angegeben, dass er grundsätzlich zu dem Beschuldigten ein entspanntes Verhältnis habe. Mit dem Beschuldigten habe er bis zu diesem Vorfall eigentlich noch keine Auseinandersetzung gehabt, jedoch sei festzustellen, dass der Beschuldigte sehr schnell beleidigt sei. Der Zeuge hat bestätigt, dass er die CDs des Beschuldigten angefasst habe, wieder weggelegt und nochmal angefasst habe, was diesen verärgert habe. Daraufhin habe er vom Beschuldigten mehrere Faustschläge ins Gesicht bekommen und habe geblutet. Unter anderem habe er ein Hämatom am Auge und eine aufgeplatzte Lippe erlitten. Des Weiteren sei er durch die Wucht der Schläge zu Boden gegangen und habe sich hierbei noch am Knie verletzt. Der Beschuldigte habe sich bei ihm mittlerweile entschuldigt.
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Der Zeuge von W hat Strafantrag gestellt, welcher verlesen worden ist.
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c) Hinsichtlich der Geschehnisse II.3 hat sich der Beschuldigte dahingehend eingelassen, dass ihm an diesem Tag alles zu viel geworden sei. Er müsse immer Befehlen gehorchen. Nach Aufforderung, die Musik leiser zu drehen, habe er dem geschädigten Sicherheitsmitarbeiter eine sogenannte Kopfnuss versetzt. Der Mitpatient B habe ihn daraufhin folgend am Hals gepackt, er habe B einen Schlag auf die Nase versetzt. Der Geschädigte L sei dann Richtung Stützpunkt gelaufen. Er sei ihm nachgelaufen, als der Geschädigte L ihn geschlagen habe. Er habe jedoch den Schlag abwehren können. Daraufhin habe er ihn zu Boden gedrückt. Als L wieder zu Bewusstsein gekommen war, habe er nochmal zugeschlagen. Er habe nicht mit dem Fuß den Geschädigten getreten. Die Schläge habe er zuerst mit dem Kopf, dann mit der Faust ausgeführt. Er habe den Geschädigten auch nicht gewürgt oder mit dem Umbringen gedroht. Der Angriff habe sich nicht speziell auf den angestellten Sicherheitsmitarbeiter L gerichtet. Er habe es grundsätzlich nicht auf ihn abgesehen, sondern er sei nur seit 13 Jahren auf dieser Station und sei einfach durchgedreht.
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Der geschädigte Zeuge L, der auf das Gericht einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, hat glaubhaft angegeben, dass er als Sicherheitsmitarbeiter im Bezirksklinikum Straubing angestellt gewesen sei und seit ca. 4 Jahren den Beschuldigten gekannt habe. Zu Problemen sei es mit ihm noch nicht gekommen. Grundsätzlich habe der Beschuldigte zwar häufiger aggressives Verhalten gezeigt, jedoch bis zu diesem Vorfall noch nie gegenüber dem Personal, sondern nur gegen Mitpatienten. Grundsätzlich sei der Beschuldigte absprachefähig gewesen und habe Weisungen befolgt. Am 30.03.2019 habe er Spätdienst gehabt und habe den Patienten B von einem Besuch im Flur abholen sollen. Eine Krankenschwester habe ihn dann aufgefordert, er solle zum Beschuldigten gehen, da dieser Musik zu laut höre und er solle ihm sagen, dass er diese leise stellen solle. Er sei dann zum Gemeinschaftsraum hochgegangen und bereits an der Türe sei der Beschuldigte aggressiv ihm entgegen gelaufen, habe geschrien „Verpiss dich“, die Türe aufgerissen und ihm unvermittelt einen Kopfstoß versetzt, sodass er sofort bewusstlos geworden sei. Die Aufforderung, die Musik leiser zu drehen, habe er gar nicht mehr anbringen können. Er sei dann am Boden wieder zu sich gekommen und habe dann gesehen, wie der Beschuldigte ihm mit dem beschuhten Fuß in das Gesicht getreten habe, woraufhin er erneut bewusstlos geworden sei. Der Fußtritt sei frontal ins Gesicht erfolgt. Er wisse nicht mehr welche Schuhe der Beschuldigte getragen habe. Als er wieder zu sich kam, habe er den Beschuldigten einen Stuhl in den Weg geworfen, jedoch habe sich dieser wie eine Dampfwalze auf ihn zubewegt. Er sei nun mit dem Rücken zur Wand gestanden und habe ihm mit festen Schuhwerk einen heftigen Tritt in den Genitalbereich versetzt, jedoch habe der Beschuldigte daraufhin so gut wie gar nicht reagiert. Er sei er vom Beschuldigten in die Luft geworfen worden und er sei mit dem Genick auf einer Tischkante gelandet, sodass er nochmals kurzzeitig bewusstlos geworden sei. Es seien dann Mitpatienten gekommen und hätten ihn zurückgedrängt. Schlussendlich seien auch die Kollegen gekommen und hätten ihn befreit. Er habe Angst gehabt, dass er die Situation ohne Hilfe nicht überleben werde. Selbst als der Beschuldigte bereits am Boden fixiert gewesen sei, habe er sich nochmal losgerissen und einen Faustschlag gegen ihn versetzt. Erst als der Arzt den Beschuldigten letztendlich behandelt habe, habe dieser sich beruhigt. Auch der Patient B habe einen Schlag abbekommen, als er ihm zur Hilfe gekommen sei. Durch die Tat habe er mehrere Prellungen und Abschürfungen erlitten. Des Weiteren sei Folge eine Bänderverletzung im linken Handgelenk gewesen, die zweimal operativ unter Vollnarkose ambulant hätte behandelt werden müssen. Da eine anhaltende Schmerzsymptomatik bestanden habe, sei schlussendlich ein Nerv durchtrennt worden. Laut eines Gutachtens verbleibe ihm eine dauerhafte Einschränkung von 10%. Es sei noch eine dritte Handoperation indiziert, die wolle er jedoch nicht mehr durchführen lassen. Er habe sich aufgrund dieser Geschehnisse auch in psychologische Behandlung begeben müssen. Hier sei die Diagnose der Anpassungsstörung gestellt worden. Er habe vier Sitzungen absolviert. Bis vor zwei Wochen sei er aufgrund des Vorfalls arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Seit zwei Wochen beginne er eine Wiedereingliederung im Bezirksklinikum, jedoch geplant ohne Patientenkontakt.
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Diese Ausführungen des Geschädigten L wurden im Wesentlichen auch durch die Aussage des Zeugen A bestätigt, der ebenso auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Der Zeuge A ist zur damaligen Zeit Mitpatient des Beschuldigten im Bezirksklinikum Straubing gewesen. Nun verbüßt er eine Haftstrafe in der JVA Nürnberg. Der Zeuge A hat angegeben, dass er zum Beschuldigten ein grundsätzlich gutes Verhältnis gehabt habe. Grund des Vorfalls sei gewesen, dass der Beschuldigte die Musik hätte leiser drehen sollen. Das habe der Beschuldigte verweigert, woraufhin der Sicherheitsdienst in Form des Zeugen L gerufen worden sei. Er selbst sei zu dem Zeitpunkt im Garten gewesen, als er Schläge gehört habe. Er sei dann zurück in den Gemeinschaftsraum gegangen und habe gesehen, wie der Sicherheitsbedienstete L am Boden gelegen sei und Fußtritte vom Beschuldigten ins Gesicht erhalten habe. Die Tritte seien sehr heftig gewesen, so wie wenn man gegen einen Fußball trete. Er habe vier bis fünf Tritte des Beschuldigten gesehen. Bei einem dieser Tritte habe er richtig ein Knack-Geräusch gehört, woraufhin er Sorge gehabt habe, da er gewusst habe, dass der Geschädigte L bereits eine Verletzung im Nackenbereich gehabt habe. Er habe gesehen, dass der Geschädigte L eigentlich weglaufen habe wollen, als der Beschuldigte ihm den Fuß weggekickt habe, sodass der Geschädigte L zu Boden gekommen sei. Es sei dann der Mitpatient B mit hinzugekommen und habe versucht, den Beschuldigten zurückzuhalten. Auch der Mitpatient B habe Schläge erhalten. Letztendlich habe auch er mitgeholfen und man habe zusammen auch mit den weiteren Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes den Beschuldigten am Boden fixieren können. Insgesamt seien ca. 15 Mann anwesend gewesen, um den Beschuldigten fixieren zu können. An Faustschläge könne er sich nicht mehr erinnern. Der gesamte Vorfall habe schätzungsweise 5 - 10 Minuten gedauert. Anschließend habe er mit dem Beschuldigten nicht mehr gesprochen. Die Situation auf der Station sei jedoch nach diesem Vorfall sehr angespannt gewesen. Am Tag vor dem Vorfall habe er mit dem Beschuldigten Karten gespielt. Hier habe der Beschuldigte bereits eine schlechte Stimmung hinsichtlich der Gesamtsituation gezeigt und habe angekündigt, dass er aufgrund der Unterbringungssituation einen umbringen werde. Ob dies ernst gemeint war, könne er jedoch nicht beurteilen. Er wisse nicht, welche Schuhe der Beschuldigte getragen habe. Es sei jedoch grundsätzlich so, dass auf der Station jeder Patient mit festen Schuhen gehe. Er vermute, er habe Turnschuhe getragen.
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Aufgrund der im Kerngeschehen übereinstimmenden Aussagen des Geschädigten L und des Zeugen A (insbesondere zu den Fußtritten) geht die Kammer von dem oben unter II.3 festgestellten Sachverhalt aus und folgt insofern nicht der Einlassung des Beschuldigten, dass es keine Fußtritte gegeben habe. Die beiden Zeugen haben glaubhaft und widerspruchsfrei tatsächlich Erlebtes detailreich berichtet. Insbesondere ist auch zu sehen, dass beide Zeugen angegeben haben, dass sie mit den Beschuldigten zuvor keinerlei Probleme oder Schwierigkeiten gehabt haben.
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3. Die zu den Tatzeitpunkten aufgehobene Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten ergibt sich aus den sachverständigen Ausführungen des Landgerichtsarztes a. D. R, denen die Kammer vollumfänglich folgt. Es wird auf die folgenden Ausführungen (IV.2) verwiesen.
IV. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
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Der Beschuldigte hat bei den Sachverhalten II.1 und II.2 je die rechtswidrige Tat der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 53 StGB begangen. Der Geschädigte von W hat Strafantrag gestellt. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten gehalten. Hinsichtlich des Sachverhalts II.3. hat der Beschuldigte die rechtswidrige Tat der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen. Nach Aussage der Zeugen A und L hat es sich jeweils um Fußtritte kräftiger Natur, gezielt und mitten in das Gesicht des Geschädigten, gehandelt. Die Tritte in der konkret ausgeführten Form waren abstrakt geeignet, durch Kopfverletzungen das Leben des Geschädigten zu gefährden. Eine derartige Eignung zur Lebensgefahr ist bei einer solchen Tatausführung allgemein bekannt. Auch hatte der Beschuldigte hierüber das entsprechende Bewusstsein. Jedermann ist klar, dass kräftige Fußtritte gegen den Kopf letale Folgen für das Opfer haben kann. Die Fußtritte waren derart heftig, dass der Geschädigte durch sie bewusstlos wurde. Der Geschädigte und auch der Zeuge A haben angegeben, dass der Zeuge L zu dem Zeitpunkt der Tritte bereits am Boden lag, sodass sich die Bewusstlosigkeit auch nicht durch den Aufprall des Kopfes am Boden, sondern durch die Fußtritte selbst direkt ergeben hat. Der Zeuge A hat auch ausgesagt, dass die Tritte so heftig waren, wie wenn man gegen einen Fußball träte und er als Folge ein „Knack“-Geräusch beim Geschädigten gehört habe. Weitere Anhaltspunkte, die möglicherweise ein Totschlagsdelikt durch die Fußtritte gegen den Kopf rechtfertigen würden, haben sich nach durchgeführter Beweisaufnahme jedoch nicht in hinreichenden Maß ergeben, sodass der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung und kein Tötungsdelikt zu Gunsten des Beschuldigten angenommen wird. Die Tatbestandsalternative § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB des gefährlichen Werkzeugs durch den beschuhten Fuß konnte nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden, da weder der Beschuldigte noch die Zeugen genau angeben konnten, welchen Schuh tatsächlich der Beschuldigte am Fuß trug. Die Zeugen gaben an, dass es wahrscheinlich nur leichte Turnschuhe waren, die nicht hinreichend als gefährliches Werkzeug im Sinne der Norm anzusehen sind. Eine tateinheitlich hierzu begangene vorsätzliche Körperverletzung zu Lasten des Zeugen B, wie vom Zeugen A geschildert hat die Kammer nicht angenommen, da die genauen Umstände, die genaue Ausführung und die möglichen Folgen für den Zeugen B nicht näher bekannt sind.
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Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands ist ein natürlicher Vorsatz ausreichend. Verkennt ein Zurechnungsunfähiger in Folge seiner Geisteskrankheit Tatsachen, die jeder geistig Gesunde erkennen würde, so beeinträchtigt das, wie auch die sonstigen Vorstellungsfälle, die durch die Krankheit bedingt sind, nur seine Verantwortungsfähigkeit, dies führt aber nicht dazu, dass die sonstigen inneren Tatbestandsmerkmale im Sinne eines natürlichen Vorsatzes verneint werden müssten (BGH, NJW 1953,111f).
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Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Beschuldigte wusste, dass er gezielt gegen die Geschädigten jeweils geschlagen hat, hinsichtlich der Faustschläge hat er dies auch selbst eingeräumt. Auch bei den Fußtritten ergibt sich aus den Gesamtumständen, dass der Beschuldigte wusste, was er tat und gezielt gegen den Geschädigten L getreten hat. Auch hinsichtlich der potentiellen Lebensgefährlichkeit wusste der Beschuldigte um die besondere Gefährlichkeit. Bei seiner Einlassung hat der Beschuldigte angegeben, dass kräftige Fußtritte hätten gar nicht sein können, denn wenn er richtig zutrete (das Körpergewicht des Beschuldigten liegt bei ca. 150 kg) keiner mehr leben würde. Daraus zeigt sich, dass der Beschuldigte generell Kenntnis von den Folgen wuchtiger Schläge und Tritte gegen den Kopf hat.
2. Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB)
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Der gerichtlich bestellte Sachverständige Landgerichtsarzt a. D. Paul R ist Facharzt für Neurologie und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie forensische Psychiatrie. Er war über viele Jahre Landgerichtsarzt am Landgericht Regensburg und ist gerichtsbekannt ein forensisch sehr erfahrener Sachverständiger. Er hat sein Gutachten in sich schlüssig, logisch und nachvollziehbar dargelegt. Die Ausführungen sind uneingeschränkt glaubhaft und offensichtlich von großer Erfahrung und Sachkunde getragen.
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Der Sachverständige hat angegeben, dass die Grundlage für die Begutachtung neben der Ermittlungsakte das Sonderheft der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing im Verfahren 133 Js 95199/18 mit dem jugendpsychiatrischen Gutachten des Klinikums Nürnberg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Herr Dr. H, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Chefarzt der Klinik vom 04.04.2008 im Verfahren 607 Js 35188/08 und 607 Js 39092/08 der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg -Jugendschöffengericht im Verfahren 63 Ls 607 Js 35188/08 mit der entsprechenden Akte gewesen seien. Des Weiteren habe er den Beschuldigten am 16.05.2019 im Bezirksklinikum L. in St. persönlich exploriert. Der Beschuldigte war allerdings mit einer Untersuchung nicht einverstanden und habe sie abgelehnt, sodass er keine Fragen habe stellen können. Auch habe der Beschuldigte die Ärzte nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden, sodass er seitens des Bezirksklinikums auch keine Einsichtsmöglichkeit in die Krankenakte gehabt habe. In der Ermittlungsakte hätten sich jedoch Schreiben des Bezirkskrankenhauses Straubing vom 17.09.2018 und vom 09.10.2018 befunden, in denen anlässlich der Vorfälle auch eine medizinische Einschätzung der behandelnden Ärzte - erfahrene forensische Psychiater - im Bezirksklinikum Straubing befänden.
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Soweit die Verteidigerin des Beschuldigten darauf abgestellt hat, dass der Sachverständige auch die Krankenakte hätte einsehen dürfen und müssen, entsprechend § 463 Abs. 4 S. 6 StPO, folgt dem die Kammer nicht. § 463 StPO regelt die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung. § 463 Abs. 4 StPO gestaltet die periodische Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus durch Sachverständige und externe Sachverständige aus. Im Rahmen dieser Überprüfungstätigkeit ist gesetzlich geregelt, dass dem Sachverständigen Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren ist. Diese Vorschrift ist jedoch nicht entsprechend oder analog für das Erkenntnisverfahren anwendbar. Während im Vollstreckungsverfahren die Maßregel bereits rechtskräftig festgestellt ist und sich nur die Frage stellt, ob die bereits verhängte Maßregel weiter vollzogen werden muss oder ob Lockerungen, Bewährungen oder Aufhebung gewährt werden können - also Maßnahmen zu Gunsten des Beschuldigten - ist im Erkenntnisverfahren zu prüfen, ob überhaupt eine Maßregel verhängt wird oder nicht. Der Beschuldigte hat im Erkenntnisverfahren folglich mit einer deutlichen Beschwer zu rechnen. Entsprechend des Rechts des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG, insbesondere hinsichtlich seiner Gesundheitsdaten, als auch aus dem prozessrechtlichen Grundsatz: nemo tenetur se ipsum accusare - kein Beschuldigter ist verpflichtet an seiner Überführung im Erkenntnisverfahren mitzuwirken - verbietet sich eine entsprechende oder analoge Anwendung dieser Norm auch auf das Erkenntnisverfahren. Der Beschuldigte hat vorliegend sich entschieden, dass Krankendaten nicht an den Sachverständigen im Erkenntnisverfahren herauszugeben sind, was letztendlich zu respektieren ist. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Beschuldigte sich bereits in Unterbringung befindet und nunmehr über eine erneute Unterbringung zu entscheiden ist. Das hier vorliegende Verfahren ist ein vollumfängliches neues Erkenntnisverfahren, sodass auch dieselben Verfahrensregeln wie bei einer ersten Unterbringung gelten müssen.
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Auch eine Unterbringungsmaßnahme nach § 81 StPO wäre vorliegend nicht angezeigt und erfolgsversprechend gewesen. Nach § 81 Abs. 1 StPO kann ein Beschuldigter zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand in ein öffentliches-psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden und dort beobachtet werden. Im vorliegenden Fall war jedoch diese Maßnahme nicht durchzuführen. Der Sachverständige hat sich bei dem Explorationsbesuch einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten verschaffen können. Von einer Maßnahme nach § 81 StPO ist abzusehen, wenn im Hinblick auf die Weigerung des Angeklagten zur Mitwirkung brauchbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind (Meyer-Goßner, StPO, 62. Auflage, 2019, § 81, Rd.-Nr. 8 mit weiteren Nachweisen). So liegt der Fall hier. Der Sachverständige hatte als Beurteilungsgrundlage Vorgutachten, seinen persönlichen Eindruck, als auch die Stellungnahmen des Bezirksklinikums hinsichtlich der Vorfälle. Entscheidend für einen weiteren Erkenntnisgewinn wäre für den Sachverständigen ein Explorationsgespräch gewesen, welches jedoch der Beschuldigte verweigert hat. An dieser Weigerung hätte auch eine Unterbringung gemäß § 81 StPO nichts geändert. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte ja bereits aufgrund der bereits vollstreckten Maßregeln nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist und insoweit hierdurch durch Beobachtungen Feststellungen getroffen werden konnten. Diese waren dem Sachverständigen zumindest durch die Stellungnahmen des Bezirksklinikums anlässlich der Vorfälle vom 17.09.2018 und 09.10.2018 zugänglich. Nach Ausführungen des Sachverständigen wurden diese Stellungnahmen von erfahrenen Forensikern und Psychotherapeuten im Bezirksklinikum Straubing verfasst und unterzeichnet. Eine mögliche weitere Aufklärung durch Einsicht der Krankenakten, die zum Beispiel der Frage der Medikamentation o.ä. Aufschluss gegeben hätte, hat der Beschuldigte verweigert (siehe oben) und wäre auch durch eine Maßnahme nach § 81 StPO nicht hinreichend zu erlangen gewesen.
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Dem Sachverständigen stand somit kein weiteres Informationsmaterial als Grundlage für die Erstellung seines Gutachtens zur Verfügung.
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Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei kritischer Würdigung der derzeit bekannten Akten- und Befundlage der Beschuldigte an einer langjährig chronifizierten Schizophrenie mit Minussymptomatik, einer stark ausgeprägten Persönlichkeitsfehlentwicklung sowie einer komplexen Suchtmittelproblematik leide. Der Beschuldigte habe seit seiner frühen Kindheit Entwicklungsdefizite, welche insbesondere durch soziale Randgruppenverhältnisse gekennzeichnet seien. Konfliktsituationen und Kränkungen begegne der Beschuldigte aufgrund seiner defizitären Persönlichkeitsstruktur und fehlender Kompetenz zur emotionalen Reflexionsfähigkeit sowie mangelnder Empathie mit spontanen und impulsiv-aggressiven Verhaltensstrategien. Aufgrund psychotischem Erlebens ergebe sich die Diskrepanz zwischen Anlass und Handlungsfolge.
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Hierbei hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich aus dem Schreiben des Bezirkskrankenhauses Straubing vom 17.09.2018 ergebe, dass der bisherige Behandlungsverlauf des Beschuldigten als schwierig zu bezeichnen sei und es bereits mehrfach zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitpatienten gekommen sei. In dem Schreiben des Bezirksklinikums Niederbayerns vom 09.10.2018 sei dargelegt, dass bei dem Beschuldigten neben einer stark subkurellen Persönlichkeitsentwicklung und einer komplexen Suchtmittelproblematik eine langjährig chronifizierte Schizophrenie mit derzeit dominierender Minussymptomatik vorliege. Durch die sozial randständigen Verhältnisse seit frühester Kindheit sowie einer Vielzahl von Verhaltensauffälligkeiten während der Schulzeit in Verbindung mit einer ungünstigen Sozialisationbedingung habe der Beschuldigte in erster Linie einen gefühllos vermeidenden Bindungsstil entwickelt. Konfliktsituationen oder Kränkungen begegne der Beschuldigte aufgrund eines auffälligen Mangels an reflexiven Fähigkeiten und einer defizitären Kompetenz an emotionale Reflexionsfähigkeit vornehmlich mit spontanen sowie impulsiv-aggressiven Bewältigungsstrategien. Der Beschuldigte befinde sich aktuell und seit längerem auf einer hochgesicherten subakuten Station. Mehrere Versuche, eine offene Therapiestation zur Behandlung heranzuziehen, seien meist nach kurzer Zeit aufgrund aggressiver körperlicher Übergriffe von Seiten des Beschuldigten gescheitert. Beim Beschuldigten seien im Gesamten keine neuen Aspekte im Krankheits- oder Behandlungsverlauf aufgetreten. Er verfüge über keinerlei erkennbare Tagesstruktur und verhalte sich vorwiegend bedürfnisorientiert. Es dominiere im Zustandsbild eine Minussymptomatik mit fehlenden Antrieb und mangelnden Durchhaltevermögen. Mehrfach sei es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitpatienten gekommen. Unverzichtbar für ein weiteres Vorgehen erscheine eine therapeutische Aufarbeitung des erheblichen Mangels an Selbstkritik und Verantwortungsübernahme bevor eine Verlegung auf eine mögliche offene Behandlungsstation oder eine andere Einrichtung in Frage käme. Jedoch sei beim Beschuldigten ein erheblicher Egozentrismus für eine starke Bedürfnisorientierung festzustellen und nach wie vor imponiere er durch Delegation von Verantwortung sowie mangelnder Selbstkritik und Reflexionsfähigkeit. Zwar bestehe eine vordergründige Bereitschaft zur Kooperation, jedoch sei es bisher nicht gelungen, ein ehrliches Problembewusstsein zu erarbeiten, dass zu einer verinnerlichten Veränderungsbereitschaft führen könnte. Prognostisch relevant sei, dass der Beschuldigte trotz jahrelanger therapeutischer Behandlung weiterhin eine sehr geringe Fähigkeit aufweise, sich mit seinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen, sich empathisch in die Perspektive anderer Personen zu versetzen und konstruktive Lösungsalternativen zu entwickeln sowie die Folgen seines Verhaltens und sozialadäquater Weise abschätzen und regulieren zu können. Aufgrund seiner bekannten Defizite sei der Beschuldigte auf eine reizarme Umgebung angewiesen. Nur ein vertrauter Rahmen im vorhandenen Setting trage dafür Sorge, dass es bei dem Beschuldigten nicht noch häufiger zu Verhaltensentgleisungen und Auseinandersetzungen gekommen sei.
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Des Weiteren führte der Sachverständige R aus, dass beim damaligen Gutachten (63 Ls 607 Js 35188/08 AG Nürnberg-Jugendschöffengericht) von Chefarzt Dr. H des Klinikums Nürnberg, Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Diagnosen einer psychotischen Störung bei Cannabisgebrauch, eine paranoide Schizophrenie, kein Hinweis auf umschriebene Entwicklungsstörungen, eine unterdurchschnittliche Intelligenz von IQ 82, sowie keine relevante körperliche Symptomatik festgestellt worden seien. Zum Zeitpunkt der ihm zu Last gelegten Taten habe bei dem Beschuldigten eine paranoide Psychose vorgelegen, die unabhängig von ihrer Genese (drogeninduziert oder Schizophrenie) einer krankhaften, seelischen Störung entspreche. Im Ablauf der Taten sei sehr eindeutig einen Zusammenhang mit dieser Störung anzunehmen, in dem Wahngedanken und Affektstörungen die Handlungsoptionen des Beschuldigten beeinflusst hätte. Die kognitiven Verarbeitungsmöglichkeiten und Beurteilungsmöglichkeiten seien bei der derartigen Störung erheblich eingeschränkt. Dies gelte insbesondere auch im konkreten Fall, wo sich für den Beschuldigten subjektiv eine Bedrohungssituation dargestellt habe. Er sei in der Einsicht hinsichtlich seines Handelns erheblich eingeschränkt gewesen. Aufgrund der damit verbundenen motorischen Erregung und abnormen Affektlage sei er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen (Anmerkung: Das Gutachten bezieht sich auf die Geschehnisse bei der Verurteilung des Jugendschöffengerichts Nürnberg).
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Der Sachverständige R hat ausgeführt, dass die in dem Gutachten von Dr. H vom 04.04.2008 beschriebenen Gewaltdelikte durchaus ähnlich den Vorfällen in der derzeitigen Unterbringung im BKH Straubing seien. Man müsse davon ausgehen, dass er auch jetzt bei den vorgeworfenen Gewaltdelikten sich krankheitsbedingt in einer akuten Belastungssituation befunden habe. Es sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte wieder spontan sich aggressiv verhalten habe und auf die Geschädigten eingeschlagen habe. Wenngleich man auch einen konkreten Wahn mangels Bereitschaft zur Exploration nicht genauer beschreiben könne, müsse man jedoch davon ausgehen, dass ein Wahn vorliege, welcher sich in der deutlichen Diskrepanz zwischen Anlass und Folge des Verhaltens beim Beschuldigten zeige. Es sei zu sehen, dass sich eine gewisse Aggression beim Beschuldigten aufstaue und dann aufgrund der schizophrenen Erkrankung eine Verleugnung der Realität stattfinde, was zu dem Gewaltausbruch führe. Auch Dr. L2. S, der stellvertretende ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Straubing, hätte in seinem Schreiben vom 18.04.2019 wieder bestätigt, dass der Beschuldigte an einer undifferenzierten Schizophrenie nach ICD-10:F20.3 leide. In den letzten Monaten sei es immer wieder zu aggressiven Impulsdurchbrüchen mit akuter Psychosymptomatik und paranoiden Beziehungserleben gekommen. Nach all dem müsse man sehen, dass zu den Tatzeitpunkten die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten krankheitsbedingt aufgehoben gewesen sei, die Voraussetzungen des § 20 StGB würde vorliegen.
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Nach eigener umfassender kritischer Prüfung und Würdigung durch die Kammer sieht diese das Eingangsmerkmal der krankhaft seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB durch die Erkrankung des Beschuldigten als eröffnet an und die Steuerungsfähigkeit zu den jeweiligen Tatzeitpunkten als aufgehoben an. Die Kammer hat bei der Prüfung insbesondere berücksichtigt, dass dem Sachverständigen durch die Weigerung des Beschuldigten zum einen die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, zum anderen an einem Explorationsgespräch aktiv mitzuwirken nur ein beschränkter Umfang zur Ermittlung der Diagnose zur Verfügung stand. Andererseits war zu sehen, dass in der Vergangenheit eine umfangreiche Diagnostik und Begutachtung bereits durchgeführt wurde, auch unter Einbindung des Beschuldigten -sowie beim Gutachten des Sachverständigen Dr. H auch von der Mutter des Beschuldigten. Des Weiteren liegen aktuelle Beobachtungen durch die Stellungnahme des Bezirksklinikums Straubing durch die erfahrenen forensischen Ärzte, insbesondere Oberarzt Dr. med. L2. S, vor, die weiterhin ein psychotisches Erleben und eine undifferenzierte Schizophrenie dem Beschuldigten bestätigen. Der Beschuldigte hat in seiner Einlassung angegeben, dass er derzeit Depotspritzen mit Risperdal verabreicht bekomme. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass dieses Medikament zur Behandlung von Schizophrenie und der Impulskontrolle eingesetzt werde. Somit zeigt sich, dass die behandelnden Ärzte auch ganz aktuell weiter von der Diagnose einer Schizophrenie beim Beschuldigten ausgehen. Der Kammer ist bewusst, dass der Beschuldigte offensichtlich auch an einer Persönlichkeitsfehlentwicklung leidet, ist jedoch auch überzeugt, dass daneben eine schizophrene Erkrankung beim Beschuldigten vorliegt. Die beschriebene Minussymptomatik konnte die Kammer auch selbst im Rahmen der Verhandlung deutlich feststellen. Auf Fragen der Kammer nach Zukunftsplänen konnte der Beschuldigte keine nennen. Auf Fragen der Kammer hinsichtlich seines Tagesablaufs gab er an, dass er praktisch nichts mache, außer in seinem Zimmer zu sein und Musik zu hören. Dies bestätigt auch die Einschätzung des Sachverständigen und lässt sich zwanglos mit einer Minussymptomatik als Folge einer schizophrenen Erkrankung in Einklang bringen. Auch ergibt sich für die Kammer deutlich das Missverhältnis zwischen Anlass und Folge bei dem Verhalten des Beschuldigten. Bei allen Geschehnissen lag kein bzw. nur ein sehr geringer Anlass zugrunde und führte zu Aggressionsausbrüchen und Schlägen seitens des Beschuldigten, im Fall II.3. sogar zu einem massiven Gewaltausbruch mit Fußtritten auf einem Boden liegenden Menschen. Auch dieses Missverhältnis spricht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen für das Vorliegen eines psychotischen Erlebens oder eines sonstigen Ausflusses der schizophrenen Erkrankung und lässt sich alleine mit einer schwierigen Persönlichkeit oder Impulssteuerungsstörung nicht erklären. Soweit der damalige Gutachter Dr. H noch nicht sicher feststellen konnte, ob die sicher vorliegende Psychose drogeninduziert oder aufgrund einer Schizophrenie gegeben war, kann nunmehr gesagt werden, dass der Beschuldigte seit 13 Jahren in einer geschlossenen Abteilung eines Bezirkskrankenhauses sich befindet und ein zumindest (forensisch relevanter) Drogen- bzw. Cannabiskonsum beim Beschuldigten ausgeschlossen werden kann, die Symptomatik sich jedoch nicht als rückläufig gezeigt hat. Somit steht nunmehr fest, dass die zweite Alternative des damaligen Gutachters Dr. H, der schizophrenen Psychose gegeben ist. Der Sachverständige R hat ausgeführt, dass auch eine fehlende Impulskontrolle Ausfluss einer schizophrenen Erkrankung sein kann. Offensichtlich hat der Beschuldigte durch Krankheitsfolgen der paranoiden Schizophrenie in der konkreten Situation seinen unkontrollierten Ausbrüchen nichts entgegenzuhalten und kann seine Impulse in keinster Weise steuern. Des Weiteren sieht die Kammer, dass im Vergleich zu den Vorfällen bei der Verurteilung durch das Amtsgericht Nürnberg durchaus eine große Ähnlichkeit besteht. Auch damals schubste der Beschuldigte unvermittelt den damals Geschädigten K zu Boden nieder ohne irgendeinen erkennbaren äußeren Anlass. Dann schlug er ihm mit der Faust in das Gesicht. Damals gab der Beschuldigte an, dass er sich von dem Geschädigten K verfolgt gefühlt habe. Der Sachverständige Dr. H konnte damals eine Psychose sicher feststellen. Auch in den hier vorliegenden Geschehnissen lag kein erkennbar äußerer Grund vor, insbesondere nicht bei der Tat II.3, vielmehr gab der Geschädigte L an, dass der Beschuldigte zuvor noch nie - trotz 13-jährigen Aufenthalts - aggressiv sich gegenüber dem Personal gezeigt hätte und er noch nicht einmal die Aufforderung zum Leiserdrehen der Musik gesagt habe, bevor er bereits den Kopfstoß versetzt bekommen habe. Somit ist die Kammer überzeugt, dass auch in den vorliegenden Fällen eine Psychose dem Verhalten des Beschuldigten zugrunde lag und geht davon sicher aus, dass die Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 20 StGB zum Zeitpunkt der Tatbegehungen aufgehoben war. Die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht der Tat war dagegen erhalten. Der Kammer ist sich bewusst, dass bei einer Schizophrenie oftmals bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben ist. Im vorliegenden Fall hat die Erkrankung unter vornehmlichen Einfluss auf die Impulskontrolle und somit auf die Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Taten gewirkt. Auch bei Berücksichtigung der stark ausgeprägten Persönlichkeitsfehlentwicklung des Beschuldigten ist die Kammer der Überzeugung, dass weiter ein psychotisches Erleben Grund für die fehlende Impulskontrolle und handlungsleitendes Motiv für die Schläge und für die Körperverletzungsdelikte des Beschuldigten war. Die Kammer ist sich bewusst, dass eine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt bei Untergebrachten zu einer herabgesetzten Hemmschwelle führen kann, ohne dass dies auf einer Krankheit beruht. Die unkontrollierte Handlungsweise des Beschuldigen ist jedoch damit nicht zu erklären. Der Geschädigte L wurde dreimal bewusstlos geschlagen, dies ist alleine aufgrund der Unterbringungssituation nicht erklärlich. Die Gewalthandlung beruht auf der Erkrankung des Beschuldigen.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen und nach eigener kritischer Prüfung ergibt sich auch, dass beim Beschuldigten nicht nur ein vorübergehender Defekt vorliegt, sondern eine länger andauernde Erkrankung. Der Beschuldigte leidet nunmehr seit mindestens 13-14 Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit entsprechender Symptomatik. Es handelt sich somit nicht nur um einen vorübergehenden Zustand, sondern um einen Zustand, der bereits seit Jahren andauert. Es ist zu sehen, dass trotz jahrelanger Behandlung beim Beschuldigten sich der Zustand nicht verbessert hat, sondern vielmehr nach wie vor eine ausgeprägte Minussymptomatik und auch psychotisches Erleben vorliegen. Der Beschuldigte hat auch nach wie vor keine Krankheitseinsicht. In der Hauptverhandlung hat er angeben, dass er nunmehr eine Depotspritze bekommen habe, die Zweite stehe an. Allerdings habe er einer Behandlung nur zugestimmt, dass er möglicherweise Lockerungen bekomme. Er selbst sei der Ansicht, dass ihm die Medikamente nicht gut tun würden und er sie auch nicht benötige. Dies zeigt auch für die Kammer, dass eine Krankheitseinsicht und eine entsprechende Medikamentencompliance beim Beschuldigten in keinster Weise gegeben sind.
3. Gefährlichkeitsprognose
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Voraussetzung für die Anordnung einer Maßnahme nach § 63 StGB ist, dass bei einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter von dem Täter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wegen desselben psychischen Defekts, der bereits zur Anlasstat geführt hat, weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die Anlasstat selbst muss zwar noch nicht unbedingt erheblich gewesen sein, doch bedarf die Gefährlichkeitsprognose und die Erwartung künftig erheblicher Taten dann besonderer Prüfung und Darlegung. Hierzu ist regelmäßig eine besonderes eingehende Würdigung der Person des Beschuldigten, der Krankheitsgeschichte und der Anlasstaten notwendig. Sind die Voraussetzungen des § 63 S. 2 StGB gegeben, so bedarf es weiterhin besonderer Umstände, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustands derart erhebliche rechtswidrige Taten weiter begehen wird (Ziegler/ Beck'scher Online-Kommentar, StGB, 41. Edition, Stand 01.02.2019, § 63 Rd-Nr. 10 mit weiteren Nachweisen).
a) Erwartung rechtswidriger Taten
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Erforderlich ist, dass weitere rechtswidrige Taten beim Beschuldigten zu erwarten sind und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades, die über eine bloße Möglichkeit der Begehung künftiger Taten hinausgeht (am angegebenen Ort, Rd.-Nr. 11). Zudem muss die Tat symptomatisch für die zu erwartenden Taten sein. Die psychische Störung muss für die Anlasstat und die zu erwartenden Taten kausal sein.
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Der Sachverständige R gab an, dass der Beschuldigte aus nervenärztlicher Sicht für die Allgemeinheit als gefährlich einzuschätzen sei. Er sehe es als höchstwahrscheinlich an, dass der Beschuldigte auch zukünftig Delikte vergleichbar mit den Anlassdelikten begehen werde. Der Beschuldigte leide an einer Schizophrenie sowie einer Persönlichkeitsfehlentwicklung. Eine Folge der Schizophrenie sei die vorliegende Minussymptomatik. Grundsätzlich müsse man sehen, dass bei dieser Art einer psychiatrischen Erkrankung bei richtiger medikamentöser Einstellung und regelmäßiger Medikamenteneinnahme ein Zurückdrängen der Symptomatik bis zu einem beschwerdefreien Leben möglich sei. Beim Beschuldigten zeige sich jedoch ein anderes Bild. Die Behandlung zeige sich beim Beschuldigten aus den bisherigen Verlauf als ziemlich schwierig. Es sei zu sehen, dass der Beschuldigte bereits seit dem Kleinkindesalter an unter ungünstigen Bedingungen aufgewachsen sei und es bereits in der Schulzeit zu Vorfällen gekommen sei. Auch die psychosomatischen Erscheinungen aufgrund der Schizophrenie lägen schon seit Jahren vor. Eine medikamentöse Einstellung sei bis jetzt noch nicht gelungen. Trotz der langjährigen Behandlung im Setting eines geschlossenen Bezirksklinikums habe man keine wesentliche Besserung erreichen können. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte auch bereits vor den nunmehrigen Anlassdelikten in einer hochgesicherten subakuten Station untergebracht gewesen sei. Nach den Vorfällen dürfe er sein Zimmer nur noch mit Fesselung verlassen. Unter diesen Voraussetzungen sei eine Heilung als eher unwahrscheinlich anzusehen und auch eine Besserung durch medikamentöse Einstellung biete nur einen geringen Anlass zur Hoffnung auf Besserung. Trotz der reizarmen Umgebung und einem hochgesicherten Setting könnten beim Beschuldigten Aggressionsdelikte nicht ganz verhindert werden. In Zusammenschau all dieser Aspekte ergebe sich, dass die Begehung weiterer Körperverletzungsdelikte beim Beschuldigten als höchstwahrscheinlich anzusehen sei.
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Nach eigener Würdigung durch die Kammer schließt sie sich den Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich an. Beim Beschuldigten wurden trotz langjähriger Behandlung der Erkrankung keinerlei Fortschritte erzielt werden konnten. Insbesondere zeigt sich dies daran, dass der Beschuldigte auch nach 13-jähriger Unterbringungszeit bereits vor den Anlasstaten auf der hochgesicherten subakuten Station untergebracht war, Lockerungen mussten zurückgenommen werden. Beim Beschuldigten besteht ferner keine Krankheitseinsicht sowie kaum Medikamentencompliance. Auch hat der Beschuldigte keinerlei Ziele für die Zukunft oder Motivationen, die ihn antreiben könnten, sein Leben maßgeblich zu ändern und an der Behandlung mitzuwirken. Dies zeigt sich darin, dass sich aus der Aktenlage ergibt, dass Lockerungen beim Beschuldigten bis jetzt nicht über längere Zeit oder in größerem Umfang durchgeführt werden konnten. Auch hat der Beschuldigte keine weiteren stabilisierenden Faktoren wie eine Berufsausbildung oder ein soziales Umfeld. Seine gesamte Familie ist verstorben. Der Beschuldigte verfügt über keinerlei soziale Kontakte außerhalb des Bezirksklinikums. Auch ist der Beschuldigte ungelernt und war letztendlich auch noch nicht im Berufsleben stehend. In der Zusammenschau all dieser Aspekte sieht auch die Kammer es als höchstwahrscheinlich an, dass der Beschuldigte weiterhin den Anlassdelikten ähnliche Taten begehen wird, insbesondere auch gefährliche Körperverletzungen.
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Die zu erwartenden rechtswidrigen Taten müssen erheblich sein. Erheblichkeit bedeutet, dass die Opfer seelisch und körperlich erheblich geschädigt werden oder erheblich gefährdet werden und die Taten über reine Lästigkeiten hinaus gehen. Gefährliche Körperverletzungen können Taten mittlerer Kriminalität darstellen (am angegebenen Ort, Rd.-Nr. 13.1). Die Voraussetzung der Erwartung erheblicher Straftaten ist gegeben. Die Anlasstaten mit zweimal vorsätzlicher Körperverletzung mittels gezielter Faustschläge in das Gesicht sowie einmal einer gefährlichen Körperverletzung mittels Kopfstoß, gezielter Fußtritte und Faustschläge sind erhebliche Delikte der zumindest mittleren Kriminalität, insbesondere hinsichtlich des Sachverhalts II.3. Insbesondere bei dem Vorfall zu Lasten des Geschädigten L ist zu sehen, dass sowohl der Kopfstoß eine gefährliche Handlungsalternative darstellt, da die Intensität des Schlages bei einem Kopfstoß kaum gesteuert werden kann. Auch Fußtritte gezielt in das Gesicht stellen eine lebensgefährliche Behandlung dar und sind kein Bagatelldelikt, sondern vielmehr ein Delikt der mittleren bis sogar schwereren Kriminalität. Auch hat der Sachverständige angegeben, dass Delikte, ähnlich dieser Anlassdelikte zu erwarten seien. Dem schließt sich die Kammer an (siehe oben). Die Kammer erwartet, dass bei zukünftigen Verhalten ebenso Aggressionsdelikte beim Beschuldigten zu erwarten sind und zwar nicht nur solche mit reinen Lästigkeiten oder Verletzungshandlungen, die nur leichte Folgen mit sich ziehen, sondern auch Tatalternativen, die für Geschädigte gefährlich bis lebensbedrohlich sein können. Des Weiteren ist zu sehen, dass der Beschuldigte bei den Geschehnissen II.2 und II.3 auch nicht aus eigenem Antrieb aufhörte, sondern erst als Dritte in das Geschehen eingriffen, die Angriffe beendet werden konnten. Aufgrund seiner Erkrankung und der damit einhergehenden fehlenden Impulskontrolle hat der Beschuldigte keine Möglichkeiten, im Falle eines Aggressionsausbruchs seine Handlungen zu steuern, zu dosieren oder auch wieder entsprechend zu beenden, sodass auch schwerere Verläufe bei den Delikten zu erwarten sind. Dies zeigt sich auch durch die Tat II.3., die eine neue Qualität der Aggressionsdelikte beim Beschuldigten aufgezeigt hat. Während die bisherigen Straftaten des Beschuldigten zwar nicht nur unerhebliche Verletzungen hervorgerufen hatten, ist zu sehen, dass sie dennoch hauptsächlich von Faustschlägen mit geringeren bis mittleren Verletzungsfolgen geprägt waren. Die Tat II.3 zeigt jedoch eine andere Qualität auf. Hier wurde sowohl mit Kopf als auch mit Faust, als auch mit beschuhten Fuß auf einen Boden liegenden und dann bewusstlosen Menschen körperlich verletzende eingewirkt. Die Verletzungsfolgen für den Geschädigten waren sowohl in physischer als besonders auch in psychischer Hinsicht erheblich. Auch aus diesem Grund sieht die Kammer, dass erhebliche Delikte beim Beschuldigten zu erwarten sind.
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Es liegt die notwendige doppelte Kausalität beim Beschuldigten vor, sowohl die Anlasstaten als auch die zu erwartenden rechtswidrigen Tagen erfolgten bzw. sind in Folge seines Zustands zu erwarten. Die psychische Erkrankung des Beschuldigten ist überdauernd (siehe oben). Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sowohl die Anlasstaten als auch die zu erwartenden Taten jeweils Ausfluss eines psychotischen Erlebens aufgrund der schizophrenen Erkrankung mit Minussymptomatik und der Persönlichkeitsfehlentwicklung zu sehen seien. Aufgrund der deutlichen Diskrepanz zwischen Anlass und Folgen bei den Geschehnissen sei von einem psychotischem Erleben des Beschuldigten auszugehen, auch die Ärzte des Bezirksklinikums St. hätten ein psychotisches Erleben in ihrer Stellungnahme beschrieben. Man müsse beim Beschuldigten davon ausgehen, dass sich seine Gefühle anstauten und es dann aufgrund eines wahnhaften Erlebens und der Verleugnung der Realität es irgendwann aufgrund eines nichtigen Anlasses zum Ausbruch der Gewalt komme.
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Nach eigener Prüfung der Kammer folgt diese den Ausführungen des Sachverständigen. Zu sehen ist, dass beim Beschuldigten sowohl die Anlasstaten der damaligen Verurteilung des Jugendschöffengerichts Nürnberg als auch die nunmehrigen Anlasstaten ein sehr ähnliches Muster aufweisen und deutlich auf ein psychotisches Erleben als Auslöser für die Gewaltausbrüche aufgrund von Nichtigkeiten hinweisen. Hierbei hat die Kammer nicht aus dem Blick verloren, dass bei besonderen Situationen des Beschuldigten - wie insbesondere bei der Unterbringungssituation - zu prüfen ist, ob die Geschehnisse nicht der Unterbringungssituation selbst und nicht der Krankheit geschuldet sind. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte bei der Tat II.1 sich dahingehend eingelassen hat, dass ihm schlicht und einfach die Situation zu viel geworden sei. Der Zeuge R hat beschrieben, dass es größere Schwierigkeiten unter Mitpatienten gebe wegen ständiger Anfragen nach Zigaretten und Geld zum Trinken und auch der Zeuge A hat berichtet, dass am Tag vor dem Geschehnis II.3 beim Kartenspielen der Beschuldigte aufgrund der Gesamtsituation in einer schlechten Stimmungslage gewesen sei. Dennoch sieht die Kammer, dass die Geschehnisse aufgrund der Erkrankung des Beschuldigten erfolgt sind. Der Sachverständige hat nachvollziehbar beschrieben, dass es sich beim Beschuldigten aufgrund seiner Erkrankung und seiner Persönlichkeitsstruktur mehrere Dinge anstauen können, die dann allerdings aufgrund eines psychotischen Erlebens schlagartig zum Ausbruch in Form eines aggressiven Verhaltens kommen. Somit ist zwar zu sehen, dass die Gesamtumstände der Unterbringung - die sicherlich für den Beschuldigten nicht leicht sind - zwar sich beim Beschuldigten angestaut haben mögen, der Ausschlag für die Gewaltdelikte war jedoch dann ein psychotisches Erleben aufgrund seiner Erkrankung. Dies bestätigt sich zur Überzeugung der Kammer auch darin, dass die von der Struktur her sehr ähnliche Anlasstat -grundlosen Umstoßen eines Passanten-, die das Jugendschöffengericht Nürnberg abgeurteilt hatte, zu einer Zeit erfolgt war, als der Beschuldigte auf freiem Fuß war und gerade nicht so eine belastende Situation wie in der Unterbringung erleben musste. Dennoch erfolgte das Aggressionsdelikt. Somit mögen die Gesamtumstände der Unterbringung zwar in gewisser Weise für den Beschuldigten mit eine Rolle gespielt haben, waren jedoch letztendlich nicht der Auslöser der Aggressionsdelikte; der Grund hierfür ist in der Erkrankung des Beschuldigten zu finden. Bei einer krankhaften seelischen Störung wie der Schizophrenie besteht der notwendige Kausalzusammenhang dann, wenn sich die Erkrankung etwa durch einen akuten Schub bei der Begehung der Tat auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit maßgeblich ausgewirkt hat (BGH, NSTZ-RR 2014, 243ff.). Diese Voraussetzungen liegen vor, das akute psychotische Erleben hat zum Ausbruch der angestauten Gefühle des Beschuldigten in Form eines Aggressionsdelikts geführt und hat ihn in seiner Impulskontrolle derartig eingeschränkt, dass die Steuerungsfähigkeit aufgehoben war. Auch bei den möglichen zukünftigen Taten ist zu erwarten, dass diese als Folge eines akuten Schubs des schizophrenen Erlebens auftreten werden.
d) Allgemeingefährlichkeit
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Der Beschuldigte ist aufgrund seines Zustands auch für die Allgemeinheit gefährlich. Die Aggressionsdelikte richten sich beim Beschuldigten nicht gegen spezielle Personen, sondern gegen beliebige Personen. Dies hat letztendlich der Beschuldigte auch selbst eingeräumt, insbesondere beim Geschädigten L gab er an, dass der Angriff diesem nicht persönlich gegolten habe, sondern vielmehr aufgrund der Gesamtsituation erfolgt sei. Auch die Zeugen von W und R haben angegeben, dass sie zuvor mit dem Beschuldigten keinerlei Probleme gehabt hätten. Somit zeigt sich, dass die Gefährlichkeit, die durch den Beschuldigten ausgeht für die Allgemeinheit besteht.
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e) Gesamtwürdigung und Verhältnismäßigkeit, erneute Anordnung einer Maßregel Die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB ist auch verhältnismäßig gemäß § 62 StGB. Andre, gleich wirksame und mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Die Kammer hat hierbei nochmal im Lichte einer umfassenden Gesamtwürdigung von Tat und Täter, insbesondere der Gesamtpersönlichkeit des Täters, die Art seiner Erkrankung, die Dauer seiner Erkrankung, sein Vorleben in biographischer als auch klinischer Hinsicht, seine allgemeinen Lebensbedingungen, die derzeit vollstreckt Maßregel gemäß § 63 StGB und das Gewicht der Anlasstaten in den Blick genommen und hat die Faktoren sorgsam abgewogen. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Behandlung des Beschuldigten äußerst schwierig sei und kaum Erfolg gebracht habe. Der Beschuldigte hat selbst in der Hauptverhandlung angegeben, dass er jetzt mit Risperdal behandelt werde. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass dieses Medikament eingesetzt werde, zur Behandlung einer Schizophrenie und der Impulskontrolle. In Form eines Depots werde das Medikament verabreicht, wenn eine fehlende Medikamentencompliance bestehe. Der Beschuldigte hat angegeben, dass er die Depotspritze zum zweiten Mal erhalte, er aber eigentlich der Ansicht sei, dass er diese nicht brauche und sie ihm nicht guttue. Die Kammer sieht somit, dass eine ausreichende Krankheitseinsicht und Medikamentencompliance beim Beschuldigten, trotz der bereits seit 13 Jahren andauernden Unterbringung, nicht vorhanden ist. Auch hat der Sachverständige aufgrund der Stellungnahme des Bezirksklinikums dargelegt, dass beim Beschuldigten Lockerungen längerer Art nicht durchgeführt hätten werden können, da es immer wieder zu Aggressionsdelikten gegenüber Mitpatienten gekommen sei. Vielmehr habe der Beschuldigte auch vor den Anlassdelikten in einer hochgesicherten subakuten Station untergebracht werden müssen. Insbesondere sei das hochgesicherte und reizarme Setting notwendig, um Aggressionsausbrüche des Beschuldigten zu verhindern, was jedoch nur zum Teil gelinge. Die Kammer sieht deshalb, dass mildere und gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen, um den Beschuldigten hinreichend behandeln zu können bzw. die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten schützen zu können. Auch unter Berücksichtigung der Freiheitsrechte des Beschuldigten sowie der Tatsache, dass dieser einen Großteil seines Lebens in Heimen, JVA und Unterbringung bis jetzt verbracht hatte, muss trotzdem festgestellt werden, dass eine Lockerung oder eine andere mildere Maßnahme nicht ersichtlich ist, um die Allgemeinheit gleich wirksam vor Übergriffen des Beschuldigten zu schützen. Hierbei hat die Kammer auch in den Blick genommen, dass der Beschuldigte über keinerlei weitere soziale Kompetenzen und soziale Strukturen außerhalb, wie Familie oder Freundeskreis zurückgreifen kann, sowie dass er auch im Rahmen eines Berufslebens über keine Ressourcen verfügt, die er nutzen könnte, um stabilisierend auf sein Leben einzuwirken. Hinsichtlich der Angaben des Beschuldigten zur derzeit laufenden Depotbehandlung und der fehlenden Einsicht, sieht die Kammer auch hier keine allzu große Erfolgsaussicht, da der Beschuldigte die Notwendigkeit der Medikamentengabe nicht einsieht. Der Beschuldigte hatte seit seiner Geburt mit schwierigsten Lebensumständen zu kämpfen und somit keine reelle Chance, sich Fähigkeiten anzueignen, die ihm trotz seiner Erkrankung ein geregeltes Leben ermöglichen würden. Auch auf konkrete Nachfrage konnte der Beschuldigte selbst keinerlei Zukunftspläne oder Wünsche für sich nennen. Die Kammer konnte vielmehr beim Beschuldigten selbst eine Art Hoffnungslosigkeit feststellen. Vielmehr muss gesehen werden, dass die Qualität der Delikte im Laufe der Zeit eher zugenommen hat. Bei der Tat II.3 hat der Beschuldigte nach 13 Jahren erstmals nicht nur Mitpatienten, sondern auch Pflegepersonal angegriffen, was nach übereinstimmender Aussage aller Beteiligten zuvor noch nie der Fall gewesen war. Auch die Intensität und die Qualität der Gewalthandlung hat eine neue Stufe erreicht. Somit zeichnet sich eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung beim Krankheitsbild des Beschuldigten ab. Bei einer Entlassung oder Lockerung wäre derzeit mit einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes und einer hohen Wahrscheinlichkeit erneuter rechtswidriger Aggressionstaten zu rechnen. Nach all dem erscheint die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus trotz des bereits langjährigen Freiheitsentzugs beim Beschuldigten als verhältnismäßig im Sinne von § 62 StGB unter Abwägung aller auch grundgesetzlich geschützter Rechte des Beschuldigten.
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Auch war die erneute Anordnung der Maßregel im Sinne von § 63 StGB angezeigt. Eine erneute Anordnung der Unterbringung eines bereits in einem psychiatrisch Untergebrachten ist zulässig, soweit nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 StGB vorliegen. Sie darf allerdings nur erfolgen, wenn sie zu Erreichung des Maßregelziels der Besserung und Sicherung geeignet und erforderlich ist, weil von ihr Wirkungen ausgehen, die der erste Maßregelausspruch nicht hervorbringen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das neue Urteil erheblich Auswirkungen auf Dauer und Ausgestaltung des Maßregelvollzuges haben kann (siehe Ziegler in Beck'scher Online-Kommentar, StGB, 46. Edition, 01.05.2020, § 63 Rd.-Nr. 21 mit weiteren Nachweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Frage einer erneuten Unterbringungsanordnung insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Die Verhältnismäßigkeit ist jedenfalls dann gewahrt, wenn das neue Urteil erhebliche Auswirkungen auf Dauer und Ausgestaltung des Maßregelvollzugs haben kann und das Erkenntnisverfahren in besserer Weise als das Vollstreckungsverfahren geeignet ist, die neue Symptomtat sowie die sich darin widerspiegelnde Gefährlichkeit des Angeklagten bzw. Beschuldigten für alle an der Maßregelvollstreckung Beteiligten verbindlich festzustellen und damit Änderungen in der Ausgestaltung des Vollzugs oder der Anordnung von dessen Fortdauer zu legitimieren (BGH, NStZ-RR 2017, 170). Unter nochmaliger Prüfung der Verhältnismäßigkeit sieht die Kammer hier diese Voraussetzungen für gegeben an. Hierzu verkennt die Kammer zwar nicht, dass der Beschuldigte auch bereits vor diesen Anlasstaten in der hochgesicherten subakuten Station untergebracht war. Nach Ausführungen des Sachverständigen hatte die Klinik mitgeteilt, dass aufgrund des Vorfalls II.3 der Beschuldigte z.B. nunmehr nur im gefesselten Zustand sein Zimmer verlassen dürfe, sodass zu sehen ist, dass die jetzt festgestellte Anlasstat Auswirkungen auf den Vollzug der Maßregel gehabt hat bzw. aktuell hat. Im Hinblick auf die erneute Anordnung der Unterbringung war zu bewerten, dass insbesondere hinsichtlich der neuen Qualität der Tat - Sachverhalt II. 3 - im Hinblick auf den Angriff nunmehr auf Personal des Bezirkskrankenhauses als auch auf die neue Form und Intensität der Gewaltanwendung durch gezielte Fußtritte auf einen am Boden liegenden Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit, das Erkenntnisverfahren Feststellungen treffen kann, wie sie alleine im Vollstreckungsverfahren nicht möglich wären. Der Sachverhalt musste durch eine Beweisaufnahme und Einvernahme von Zeugen geklärt werden wie es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kaum möglich gewesen wäre. Aufgrund der neuen Dimension der Gewaltbereitschaft beim Beschuldigten zeichnet sich auch eine Verschlechterung des Krankheitsbildes ab, sodass auch Folgen auf die zeitliche Dauer der Unterbringung - die erste Unterbringung dauert nunmehr ca. 13 Jahre an - und die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung haben kann und haben wird. Das neue Erkenntnisverfahren war notwendig, um verbindlich festzustellen, welche weiteren Geschehnisse dem Beschuldigten zur Last zu legen waren. Insofern ist auch bei besonderer Betrachtung der Verhältnismäßigkeit die erneute Anordnung der Maßregel im Sinne von § 63 StGB bei Berücksichtigung aller Aspekte durch die Kammer notwendig und geboten gewesen.
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Bei nochmaliger Gesamtwürdigung aller Aspekte war die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 414, 465 StPO.