Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 30.10.2020 – AN 19 K 20.00962
Titel:

Berechnung der Höhe eines Kanalherstellungsbeitrags

Normenkette:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 4
Leitsatz:
Erweist sich, dass Tiefgaragen mit den Kellern und den darüber liegenden Wohneinheiten derart verbunden sind, dass nicht mehr von einer Selbständigkeit der Tiefgaragenräume ausgegangen werden kann, so sind diese Räume bei der Berechnung des Beitrags auf der Grundlage der Geschossfläche zu berücksichtigen. (Rn. 43 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommunalabgaben, Herstellungsbeitrag, Entwässerung, Keller, Tiefgaragen, selbständige Gebäude oder Gebäudeteile (verneint), Beitragspflicht, Anschluss, Geschossfläche
Fundstelle:
BeckRS 2020, 35349

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Kanalherstellungsbeitrags.
2
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ist Eigentümerin des Grundstückes mit der Fl.Nr. … der Gemarkung …, mit der Adresse …, …, …, …, … und … Das Grundstück liegt im Hoheitsgebiet des Beklagten.
3
Dort gilt die „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) und zur Fäkalschlamm-Entsorgungssatzung (BGS/FES) vom 24.07.2012“, zuletzt geändert durch die
„3. Satzung zur Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) und zur Fäkalschlamm-Entsorgungssatzung (BGS/FES) des Markes … vom 06.11.2019“. Darin ist u.a. folgendes geregelt:
§ 2 Beitragstatbestand
4
Der Beitrag wird für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare, sowie für solche Grundstücke und befestigte Flächen erhoben, auf denen Abwasser anfällt, wenn
1.
für sie nach § 4 Entwässerungssatzung (EWS) ein Recht zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht,
2.
sie an die Entwässerungseinrichtung tatsächlich angeschlossen sind oder
3.
sie aufgrund einer Sondervereinbarung nach § 7 EWS an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen werden.
§ 5 Beitragsmaßstab
5
(1) Der Beitrag wird nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet. Die beitragspflichtige Grundstücksfläche wird bei übergroßen Grundstücken auf das fünffache der beitragspflichtigen Geschossfläche, mindestens jedoch auf 2.500 qm begrenzt.
6
(2) Die Geschossfläche wird nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen ermittelt. Keller werden mit der vollen Fläche herangezogen. Dachgeschosse werden nur herangezogen, wenn und soweit sie ausgebaut sind. Berechnet wird die tatsächlich ausgebaute Grundfläche, aber nur mit 2 1/3 (zwei Drittel). Dies gilt auch für weitere Dachgeschosse.
7
Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Schmutzwasserableitung auslösen, werden nicht herangezogen. Dies gilt nicht für Gebäude oder Gebäudeteile, die tatsächlich eine Schmutzwasserableitung haben. Balkone, Loggien und Terrassen bleiben außer Ansatz, wenn und soweit sie über die Gebäudefluchtlinie herausragen.
(…)
§ 6 Beitragssatz
8
Der Beitrag beträgt für anschließbare Grundstücke
a) je Quadratmeter Grundstücksfläche 1,62 EUR
b) pro Quadratmeter Geschossfläche 9,88 EUR.
9
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2018 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin erstmalig einen Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 83.934,65 EUR fest. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 Widerspruch eingelegt. Durch Widerspruchsbescheid vom 27. August 2019 hob die Widerspruchsbehörde den Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 2018 auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das zugrunde liegende Bauvorhaben („Errichtung von Wohngebäuden mit Tiefgarage und Stellplätzen“) im Zeitpunkt des Erlasses des Kanalherstellungsbeitragsbescheids vom 6. Dezember 2018 noch nicht im Sinne einer Bezugsfertigkeit fertiggestellt gewesen sei.
10
Unter dem 15. Oktober 2019 erließ der Beklagte einen erneuten Kanalherstellungsbeitragsbescheid für das Grundstück mit der Fl.Nr. … der Gemarkung … und setzte darin einen Herstellungsbeitrag für den Anschluss an die gemeindliche Entwässerungsanlage in Höhe von 83.934,65 EUR fest.
11
Zugrunde gelegt wurde darin eine beitragspflichtige Geschossfläche in Höhe von 8495,41 qm und ein Beitragssatz von 9,88 EUR.
12
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2019, welcher am 4. November 2019 bei dem Beklagten eingegangen ist, ließ die Klägerin Widerspruch einlegen, soweit der festgesetzte Herstellungsbeitrag einen Betrag von 52.487,90 EUR übersteigt.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die abgabenrechtlich erforderliche bauliche und funktionelle Zuordnung des Tiefgaragenbereichs zum Gebäude vorliegend zu verneinen sei. Es seien eigenständige Zu- und Ausfahrten der beiden getrennten Tiefgaragenbereiche vorhanden, welche auch als Zu- und Abgänge benutzt werden könnten. Insoweit verwies der Klägervertreter auf die diesbezüglichen Ausführungen von Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern (Stand April 2019, Bd. 1, Teil IV, Art. 5, Abschnitt A, Frage 12, Nr. 3.3.1) und insbesondere auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2005 (Az.: 23 ZB 05.2520), wonach die Integration einer Garage in das Gesamtgebäude nicht (allein) entscheidend sei. Ähnlich wie in dem dort entschiedenen Beispielsfall, wo es um „Aufzugstürme“ gegangen sei, schade vorliegend das Treppenhaus, welches sich hinter der Brandwand nebst Brandschutztür befinde, nichts. In dem dortigen Übergangsbereich würden zusätzlich Sicherheitsschleusen ausgeführt. Die Parkplätze der Tiefgarage dienten als Nachweis für die gesetzlich gebotenen Stellplätze, was mit der genannten Entscheidung des BayVGH ebenfalls unproblematisch sei. Auch eine laut Thimet „berühmt gewordene“ Entscheidung zu einem Getränkemarkt mit angebautem Lager vom 17. Januar 2007 (BayVGH, B.v. 17.1.2007, 23 ZB 06.2936, juris) habe betont, dass noch nicht einmal eine Glastür zwischen Verkaufsraum des Getränkemarktes und Lager zu einer Beitragspflicht des Lagers führe. Vorliegend stehe auch die Entscheidung des 20. Senats vom 1. März 2012 nicht entgegen (BayVGH, U. v. 1.3.2012, 20 BV 11.2536, juris). Dort schaffe eine Tür zwischen Garage und Vorratsraum des Vorhauses eine unmittelbare Verbindung zwischen Wohnhaus und Garage. Die Vorratsräume im vorliegenden Tiefgaragenbereich hätten jedoch keinerlei Verbindung zu sonstigen Räumlichkeiten, sondern besäßen ausschließlich die Brandschutztüre zur Tiefgarage hin.
14
Daher komme man zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass die hier streitgegenständliche Tiefgaragenfläche von einer Beitragspflicht auszunehmen sei, zumal Thimet sogar empfehle, gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS bzw. BGS-WAS folgenden Satz in die Abwassersatzung aufzunehmen: „Garagen gelten als selbständiger Gebäudeteil; dies gilt nicht für Garagen, die tatsächlich an eine Schmutzwasserableitung angeschlossen sind“.
15
Nachdem ein solcher Anschluss an die Schmutzwasserleitung vorliegend ebenfalls nicht gegeben sei, würde dieses Ergebnis auch insgesamt Sinn machen, insbesondere, um den Abrechnungsaufwand für 52 ETW-Erwerber und 19 zusätzliche Stellplatzeigentümer zu vermeiden, der andernfalls notwendig würde. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses werde von den Ausführungen bei Thimet am Ende des Beitrags zur Garagen-/Tiefgaragenproblematik zusätzlich gestützt (vgl. Seite 22.3). Wie bei der streitgegenständlichen Garage sei eine bauliche Verbindung durch sog. Sicherheitsschleusen ausdrücklich verneint worden. Ausweislich der anliegenden Pläne sei zu erkennen, dass die Klägerin solche Sicherheitsschleusen („Türe -Gang-Türe“) ebenfalls ausgeführt habe, welche einer derartigen baulichen Trennung gleiche.
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Bedenken an der Wirksamkeit solcher Satzungsregelungen, welche nicht den oben angesprochenen, von Thimet empfohlenen Ergänzungssatz beinhalten würden, habe man anlässlich einer Besprechung mit dem Beklagten bereits geäußert. Im Urteil vom 15. Juli 2014 habe das Verwaltungsgericht Ansbach (VG Ansbach, U. v. 15.7.2014, 1 K 14.00794, juris) bestätigt, dass diese Regelung wegen Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip im Beitragsrecht nichtig und damit unwirksam sei. Der BayVGH habe in seinem Nichtzulassungsbeschluss vom 2. Februar 2015 diese Einschätzung nicht in Zweifel gezogen (BayVGH, B. v. 2.2.2015, 20 ZB 14.1978). Hierbei handele es sich um die jüngste von Thimet in ihrem aktuellsten Kommentarwerk zitierte Entscheidung, welche die Tiefgaragenproblematik betreffe.
17
Der Beklagte half dem Widerspruch in der Folgezeit nicht ab, sondern legte diesen mit Schreiben vom 26. Februar 2020 der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor.
18
Durch Widerspruchsbescheid vom 16. April 2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
19
Zur Begründung wurde auf § 5 Abs. 2 Satz 5 BGS-EWS hingewiesen, wonach bei der Berechnung der beitragspflichtigen Geschossfläche zu beachten sei, dass Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserableitung auslösten, nicht zur Geschossflächenberechnung herangezogen würden, es sei denn, sie seien tatsächlich an die Schmutzwasserableitung angeschlossen. Es stelle sich also die Frage, ob es sich bei der Tiefgarage um einen selbständigen Gebäudeteil handele oder nicht. Insoweit komme es darauf an, ob das Gebäude oder der Gebäudeteil baulich und funktionell vom restlichen Gebäude abgegrenzt sei (unter Hinweis auf BayVGH, U. v. 22.10.1998, 23 B 97.3505, BayVBl 1999, 272, GK 140/1999). Diese Frage sei nach den baulichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Ein selbständiger Gebäudeteil liege nicht vor, wenn eine Tiefgarage (sowie Kellerräume) mit dem Wohnbereich durch eine Treppe (und einen Aufzug) im Haus verbunden sei. Durch eine solche Konstruktion würden die Stellplätze in das (Wohn-)Gebäude integriert, indem der Weg dorthin möglichst kurzgehalten und ohne größere Schwierigkeiten überwindbar gemacht werden solle (unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 10.3.2015, 20 ZB 14.2287, juris).
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Im vorliegenden Fall liege eine bauliche Abgrenzung der Tiefgarage und der Garagenstellplätze zum Hauptgebäude nicht vor, und der Tiefgaragenbereich sei aufgrund seiner Positionierung dem Kellergeschoss zuzuordnen. Ein selbständiger Gebäudeteil liege damit nicht vor. Da die Kellergeschosse mit der vollen Fläche zum Beitrag herangezogen würden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 BGS/EWS), sei die Geschossflächenberechnung nicht zu beanstanden.
21
Die im Widerspruchsschreiben vom 30. Oktober 2019 vorgetragenen satzungsrechtlichen Bedenken seien für die Rechtslage im vorliegenden Fall irrelevant, weil der Markt … nicht verpflichtet gewesen sei, die dort genannten Formulierungen in seine Satzung aufzunehmen. Bei den in der BGS-EWS gewählten Formulierungen bezüglich der Beitragspflicht von sog. selbständigen Gebäudeteilen handele es sich in jedem Fall um zulässige Regelungen. Der Satzungswortlaut entspreche insoweit auch der Mustersatzung.
22
Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist der Widerspruchsbescheid am 20. April 2020 bei dem Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen (Blatt 59 der Widerspruchsakte).
23
Durch bei Gericht am 19. Mai 2020 eingegangenem Schriftsatz ließ die Klägerin Klage erheben.
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Zur Begründung ließ die Klägerin durch Schriftsatz vom 10. Juni 2020, beim Verwaltungsgericht Ansbach am 17. Juni 2020 eingegangen, ausführen, dass der Tiefgaragenbereich zwar in das Gebäude integriert, jedoch aus mehreren Aspekten baulich selbständig sei. Die beiden getrennten Tiergaragenbereiche hätten jeweils eigenständige Zu- und Ausfahrten, welche auch als Zu- und Abgänge benutzt werden könnten. Das gemeinsame Treppenhause weise alle aus brandschutztechnischen Aspekten relevanten Sicherheitsmerkmale einer baurechtlichen Trennung auf. Das Treppenhaus befinde sich hinter der Brandwand nebst Brandschutztür. Im Übergangsbereich würden zusätzlich Sicherheitsschleusen ausgeführt. Die Parkplätze der vorliegenden Tiefgarage würden als Nachweis für die gesetzlich gebotenen Stellplätze dienen. Die abgabenrechtlich erforderliche bauliche und funktionelle Zuordnung des Tiefgaragenbereichs zum Gebäude sei damit ohne Weiteres zu erkennen.
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Des Weiteren entspricht die Klagebegründung nahezu wortgleich der Widerspruchsbegründung vom 30. Oktober 2019.
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Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 trat der Beklagte der Klage entgegen und beantragte
27
Klageabweisung.
28
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte in Anwendung von § 5 Abs. 2 BGS/EWS die auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindliche Tiefgarage zu einem Geschossflächenbeitrag in der veranlagten Höhe habe heranziehen dürfen. Die Tiefgarage könne nicht als Gebäude oder selbständiger Gebäudeteil ohne Bedarf an die Schmutzwasserableitung angesehen werden.
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Um Wiederholungen zu vermeiden, werde der Auffassung der Widerspruchsbehörde in der Begründung zum Widerspruchsbescheid im vollen Umfang beigetreten. Das KAG enthalte zwar keine konkrete Regelung, wann von einem Gebäude oder selbständigem Gebäudeteil gesprochen werden könne. Der BayVGH habe sich jedoch insbesondere im Urteil vom 22. Oktober 1998 (BayVBl 1999, 272) mit dieser Rechtsfrage beschäftigt, wonach von einer grundsätzlichen Klärung auszugehen sei. Da die systematische Heranziehung des Art. 2 Abs. 2 BayBO nicht ausreiche, orientiere sich der BayVGH an der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern in der Bekanntmachung zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 24. Dezember 1993, vom 26. Juli 1994, Gemeines Ministerialblatt Nr. 18/1994, 655, 657 vorgeschlagenen Auslegung. Nach den dortigen Ausführungen sei weder auf die Baugeschichte noch auf das äußere Erscheinungsbild abzustellen. Dies müsse abgabenrechtlich ohne Bedeutung sein. Die streitgegenständliche Tiefgarage sei weder baulich noch funktionell von den sich auf dem Grundstück befindlichen sonstigen baulichen Anlagen abgegrenzt. Die Tiefgarage sei mit der Wohnanlage baulich verbunden. Der Nachweis werde bereits durch die dem Gericht vorgelegten Planzeichnungen erbracht. Diese zeigten das verbundene Treppenhaus und die Aufzugsanlage. Ersichtlich sei auch, dass die Kellerräume den einzelnen Räumen zugeordnet seien und nur über den jeweiligen Garagenstellplatz betreten werden könnten. Damit zögen die Kellerräume die Tiefgarage in die Beitragspflicht ein.
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Durch Beschluss der 19. Kammer vom 11. August 2020 wurde die Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins durch die Berichterstatterin gemäß § 96 Abs. 2 VwGO angeordnet. Dieser fand am 6. Oktober 2020 statt. Es wurden zahlreiche Lichtbilder gefertigt und zu den Akten des Gerichts genommen.
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In der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2020 beantragte die Klägerin, den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2019 zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung für das Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung …, in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 16. April 2020, Az.: …, aufzuheben, soweit er den Betrag von 52.487,90 EUR übersteigt, sowie die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über den gerichtlichen Augenschein am 6. Oktober 2020 sowie die dabei gefertigten Lichtbilder und auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
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Gegenstand der vorliegenden Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2020, soweit dort ein höherer Betrag als 52.487,90 EUR festgesetzt worden ist, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Angefochten und streitgegenständlich ist damit ein Betrag von 31.446,75 EUR. Dabei handelt es sich rechnerisch um den im Bescheid vom 15. Oktober 2019 festgesetzten Geschossflächenbeitrag für die Tiefgarage und die Keller auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. … der Gemarkung …
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II. Der insoweit angefochtene Herstellungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2019 erweist sich nach Prüfung durch das erkennende Gericht in formeller und materieller Hinsicht als rechtmäßig.
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1. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
37
Der Beklagte betreibt eine öffentliche Einrichtung zur Wasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) und hat von der ihm in Art. 5 KAG eröffneten Möglichkeit zur Beitragserhebung durch Erlass der „Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) und zur Fäkalschlamm-Entsorgungssatzung (BGS/FES) vom 24. Juli 2012“ zuletzt geändert durch die „3. Satzung zur Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) und zur Fäkalschlamm-Entsorgungssatzung (BGS/FES) des Marktes … vom 6. November 2019“ in der hier anwendbaren Fassung vom 18. Dezember 2018 Gebrauch gemacht.
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Soweit die Klägerin etwa die Auffassung vertritt, die zugrunde liegende Satzung sei aufgrund des fehlenden, von der Kommentierung von Thimet in „Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern“ (Stand April 2019, Bd. 1, Teil IV, Art. 5, Abschnitt A, Frage 12, Nr. 3.3.1) empfohlenen Zusatzes („Garagen gelten als selbständiger Gebäudeteil; dies gilt nicht für Garagen, die tatsächlich an eine Schmutzwasserableitung angeschlossen sind.“), ist dem folgendes entgegenzuhalten: Der von Thimet vorgeschlagene Satz mag zur Klarstellung - zumindest aus Sicht der Beitragspflichtigen - vielleicht wünschenswert sein, bildet aber gerade nicht sämtliche Fälle in der Realität ab, weil es durchaus Garagen gibt, welche nicht selbständig sind, sondern aufgrund baulicher und funktioneller Gegebenheiten der Hauptnutzung zuzuordnen sind und daher keine Selbständigkeit entfalten. Der Verzicht auf eine derartige Regelung kann daher nicht per se zur Unwirksamkeit führen. Ganz im Gegenteil: Garagen generell - unabhängig von den baulichen Gegebenheiten vor Ort und den individuellen funktionellen Umständen - zu selbständigen Gebäuden bzw. Gebäudeteilen zu erklären, dürfte im Hinblick auf das beitragsrechtliche Äquivalenzprinzip sehr, zu weitgehend sein, bedarf aber an dieser Stelle keiner Entscheidung. Hinzu kommt, dass die vorgeschlagene Klarstellung wohl eher oberirdische Garagengebäude im Blick hat, es sich vorliegend jedoch um eine Tiefgarage handelt.
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Auch die in diesem Zusammenhang vom Klägervertreter in Bezug genommene Entscheidung der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach im U.v.15.7.2014 (AN 1 K 14.00794) führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach Auffassung des Klägervertreters habe das VG darin „bestätigt“, dass eine Satzung bei Fehlen dieser Regelung unwirksam sei: „Diese Regelung ist wegen Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip im Beitragsrecht nichtig und damit unwirksam.“
40
Dies habe der BayVGH im Nichtzulassungsbeschluss v.22.2.2015 „nicht in Zweifel gezogen“ (20 ZB 14.1978).
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Die Entscheidung des VG Ansbach und damit des BayVGH betraf jedoch eine andere Konstellation: In der dort streitgegenständlichen Satzung war entgegen Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG nicht danach differenziert worden, ob die Garage selbständig ist oder nicht. Nicht das Fehlen des von Thimet vorgeschlagenen Satzes, sondern die fehlende Differenzierung führte zur Teilnichtigkeit. Denn die Gemeinde wollte offenbar auch selbständige Garagen ebenfalls der Beitragspflicht unterwerfen, was in der Tat einen Verstoß gegen das Vorteilsprinzip darstellen dürfte, wenn die Garage selbst keines Anschlusses bedarf.
42
Weitere Nichtigkeitsgründe formeller oder materieller Art, was die o.g. Satzung angeht, wurden von den Beteiligten weder vorgetragen, noch sind sie für das Gericht ersichtlich.
43
2. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2019, soweit er hier streitgegenständlich ist, erweist sich als rechtmäßig. Insbesondere der von der Klägerin erhobene Einwand, dass es sich bei den Kellern und der Tiefgarage um selbständige Gebäude bzw. Gebäudeteile handele, greift nicht durch.
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Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS des Beklagten berechnet sich der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude. Dabei handelt es sich um einen nach der Rechtsprechung zulässigen Beitragsmaßstab, der im Übrigen von der Klage nicht in Zweifel gezogen worden ist. Maßgeblich ist vorliegend allein, dass es sich bei den Kellerräumen und der Tiefgarage nicht um „Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Schmutzwasserableitung auslösen“, handelt (§ 5 Abs. 2 Satz 5 BGS/EWS). Diese Regelung in der Satzung der Beklagten entspricht der gesetzlichen Vorgabe in Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG. Diese war durch Änderungsgesetz vom 24. Dezember 1993 (damals Satz 3) eingefügt worden.
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2.1 Soweit der Beitrag hinsichtlich der Kellerräume angefochten worden ist, erweist sich die Klage als unbegründet. So bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 2 BGS/EWS, dass Keller mit der vollen Fläche herangezogen werden. Dabei handelt es sich um eine gängige und nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der das hier erkennende Gericht folgt, zulässige Regelung und zwar ungeachtet dessen, „ob sie einen Anschluss an die leitungsgebundene Einrichtung aufweisen, ob sie als Aufenthaltsräume geeignet sind oder welchen Verwendungszweck die einzelnen Räume aufweisen. Das rechtfertigt sich aus der im Abgabenrecht zulässigen typisierenden Betrachtungsweise, wonach für Keller grundsätzlich ein Anschlussbedarf vermutet werden kann“ (BayVGH, U.v. 20.5.2019, 20 B 18.1431 - juris).
46
Dass es sich bei den streitgegenständlichen Kellerräumen nicht um selbständige Gebäudeteile handeln kann, lässt sich bereits den vorgelegten Grundrissplänen der Entwurfsverfasser Brunner Architekten (6.12. STPL. Kellern) entnehmen. Auch der am 6. Oktober 2020 durchgeführte gerichtliche Augenschein hat eindeutig ergeben, dass es sich bei den Kellern um unselbständige Gebäudeteile handelt, welche den Wohneinheiten durch Sondernutzungsrechte zugeordnet sind. So sind sämtliche Kellerräume, unabhängig von der Tatsache, ob sie vor oder hinter der sog. Sicherheitsschleuse errichtet worden sind, mit den beiden Tiefgaragen (im Folgenden 2.2), mit den die verschiedenen Wohneinheiten erschließenden Treppenhäusern sowie mit den Aufzügen erreichbar. Auf diese Weise kann theoretisch jeder einzelne Kellerraum von jeder Wohneinheit trockenen Fußes erreicht werden. Augenscheinlich werden die Kellerräume zudem als typische, der jeweiligen Wohnnutzung dienende Abstell- und Lagerräume genutzt. Hinzu kommen weitere, in Gemeinschaftsräumen untergebrachte Nutzungen, wie z.B. der Fahrradkeller, ein oder mehrere Müllräume oder auch ein Raum, in dem die Stromzählerkästen der verschiedenen Wohneinheiten untergebracht sind. Die von der Klägerseite ins Feld geführte sog.
47
Sicherheitsschleuse stellt nach Auffassung des Gerichts keinen, die Selbständigkeit der Kellerräume indizierenden Gesichtspunkt dar. Vielmehr handelt es sich dabei um eine brandschutzrechtliche Notwendigkeit, welche jedoch nicht zu einer Selbständigkeit der dahinterliegenden Räumlichkeiten führt.
48
2.2 Das gleiche gilt für die beiden Tiefgaragen, bei denen es sich ebenfalls nicht um selbständige Gebäude oder Gebäudeteile handelt. Vielmehr hat auch insoweit der gerichtliche Augenschein erwiesen, dass die Tiefgaragen mit den Kellern und mit den darüber liegenden Wohneinheiten derart verbunden sind, dass nicht mehr von einer Selbständigkeit der Tiefgaragenräume ausgegangen werden kann.
49
Der Klage ist insoweit Recht zu geben, als sich aus der in Bezug genommenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine allgemeine Regel anhand fester Kriterien ableiten lässt, wann eine Tiefgarage als selbständiger bzw. unselbständiger Gebäudeteil angesehen werden kann. Vielmehr handelt es sich stets um Einzelfälle, deren Beurteilung immer einer Einzelfallprüfung der baulichen und funktionellen Umstände bedarf. Eine solche ist vorliegend erfolgt, denn das erkennende Gericht hat sich im Rahmen eines Augenscheines ein Bild von den örtlichen Gegebenheiten und Besonderheiten gemacht. Insoweit kann jedoch auf die unter 2.1 ergangenen Ausführungen zu den Kellerräumen verwiesen werden.
50
An dieser Stelle sei jedoch besonders darauf hingewiesen, dass einige Kellerräume sogar nur über die Tiefgarage zu erreichen sind. Die Kellerräume Nr. 10-19 und Nr. 28-33 gehen von den Stellplätzen A-R, P2-Q2, L1-U1 und J2 ab und sind ausschließlich über diese zu erreichen.
51
Dadurch ist die Wohnnutzung mit der Nutzung auf der Ebene der Tiefgaragen, sei es durch die Kellerräume, sei es durch die Stellplatznutzung, in besonderer Weise miteinander verwoben.
52
Der durch die Klage in Bezug genommene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2005 (23 ZB 05.2520 - beck-online) hilft für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht weiter. So wird darin zwar festgestellt, dass durch den Stellplatznachweis kein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Kaufhaus und dem - außerhalb des Grundrisses des Kaufhauses befindlichen - Parkdeckgebäude hergestellt werden kann. Außerdem stellte der BayVGH folgendes fest: „Der bloße Zugang allein bedingt noch nicht die erforderliche bauliche und funktionelle Zuordnung zu dem Gebäude, dem die Parkdecks als Nachweis für die gesetzlich gebotenen Stellplätze dienen (vgl. BayVGH vom 28.11.2000 a.a.O.). Bauliche Verbindungen von Gebäudeteilen oder Gebäuden, die funktionell nicht notwendig sind, nehmen dem Gebäudeteil die Selbstständigkeit nicht.“
53
Die abgabenrechtliche Zuordnung zur Hauptnutzung folgt vorliegend hingegen nicht aus der Tatsache, dass sich in der Tiefgarage für die Wohneinheiten nachgewiesene Stellplätze befinden, oder allein aus dem Umstand, dass die beiden Tiefgaragen - auch - über gemeinsame Treppenhäuser und Aufzüge erreicht werden können. Vielmehr entspricht diese Einordnung dem Gesamtbild, das sich aus den vorgelegten Grundrissplänen und vor allem aus der Beweisaufnahme ergibt: Die Tiefgarage (sowie die Kellerräume) und die Wohneinheiten sind
- baulich und funktionell - derart miteinander verwoben, dass nicht nur die Kellerräume, sondern auch die Tiefgaragen das „Anlageschicksal“ der Wohneinheiten teilen. So können die Wohneinheiten von jedem Stellplatz aus (und umgekehrt) trockenen Fußes erreicht werden. Der Umweg über die begehbare Zu- und Abfahrt ist zwar möglich, aber nicht naheliegend, da hier die für einen Fußgänger (zumal einen beladenen) deutlich unbequemere Rampe benutzt werden müsste, welche aufgrund ihrer Hauptfunktion als Zufahrtsweg für Fahrzeuge aber ins Freie führt.
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Hinzu kommt, dass mit den Kellerräumen, welche regelmäßig der Beitragspflicht unterliegen, so auch hier (s.o.), ein weiterer baulicher und funktioneller Zusammenhang hergestellt wird.
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Abschließend wird auf die Entscheidung des 20. Senats des BayVGH vom 10. März 2015 (20 ZB 14.2287 - juris) Bezug genommen: „Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass durch die Verbindung der Tiefgarage und der Kellerräume mit den Wohnungen durch eine Treppe und einen Aufzug im Haus kein gegenüber dem Wohnbereich selbstständiger Gebäudeteil vorliegt. Denn durch die gewählte Konstruktion werden die Stellplätze in das Gebäude integriert, indem der Weg dorthin möglichst kurz gehalten und ohne größere Schwierigkeiten überwindbar gemacht werden soll.“
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So stellt sich der Sachverhalt auch im vorliegenden Verfahren dar, weshalb sich das hier erkennende Gericht den Ausführungen des BayVGH anschließt.
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Der Auffassung des Klägervertreters, das Vorhandensein der Sicherheitsschleusen bedinge die Selbständigkeit der Tiefgaragen, kann hingegen nicht gefolgt werden. Dabei handelt es sich um eine aus brandschutztechnischen Gründen bestehende Notwendigkeit, aus der sich jedoch keine trennende Wirkung zwischen Wohn- und Tiefgaragennutzung ableiten lässt. Denn die Sicherheitsschleusen lassen sich selbstverständlich öffnen, wenngleich sie mit Brandschutztüren versehen sind. Ein Durchgang ist ohne Weiteres möglich und in funktioneller Hinsicht auch naheliegend und gewünscht (s.o.).
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Abschließend sei darauf hingewiesen, dass aufgrund des Handwaschbeckens, welches sich im Blockheizkraftwerkraum befindet, wohl sogar von einem Anschluss, zumindest dieses Raumes, an die Schmutzwasserentsorgung ausgegangen werden muss. Aus diesem Grunde verbietet sich - zumindest für diesen Raum - die Annahme einer Beitragsfreiheit ohnehin, weil diese nur im Falle einer Anschlussfreiheit angenommen werden kann. Auf die Frage, ob und inwieweit sich der vorliegende Anschluss an die Schmutzwasserentsorgung auf die übrigen Räume, wie Keller und Tiefgarage, auswirkt, muss jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit nicht eingegangen werden. Insoweit ergibt sich die Beitragspflicht bereits aus der Unselbständigkeit der streitgegenständlichen Geschossflächen, so dass diese am „Anlageschicksal“ der Wohneinheiten ohne Weiteres teilnehmen.
III.
59
Nach alledem war die vorliegende Klage vollumfänglich mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Somit ist kein Raum für eine den Kläger begünstigende Entscheidung nach § 162 VwGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im behördlichen Vorverfahren.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.