Inhalt

OLG München, Beschluss v. 11.03.2020 – 31 Wx 74/20
Titel:

Ausschlagung des Zweitnachlasses

Normenkette:
BGB § 1931 Abs. 3, § 1944 Abs. 1, § 1952 Abs. 1
Leitsatz:
Die Ausschlagung des Zweitnachlasses führt zum Wegfall der Erbenstellung in Bezug auf den Erstnachlass. Insofern ist für eine Annahme der Erbschaft in Bezug auf den Erstnachlass kein Raum. (Rn. 4)
Schlagworte:
Ausschlagung, Ausschlagungsfrist, Beschwerde, Erbe, Erbenstellung, Erbfolge, Erblasser, Zweitnachlass, Erstnachlass, Erbschaft
Vorinstanz:
AG Freyung, Beschluss vom 30.01.2020 – 550 VI 153/17
Fundstellen:
BWNotZ 2020, 166
ErbR 2020, 488
FamRZ 2020, 1221
BeckRS 2020, 3492
DNotZ 2021, 374
MittBayNot 2021, 143
LSK 2020, 3492
ZEV 2020, 351

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Freyung - Nachlassgericht - vom 30.01.2020 wird aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Freyung - Nachlassgericht - wird angewiesen, der Beteiligten zu 1 den beantragten Erbschein, der bezeugt, dass sie den Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge allein beerbt hat, zu erteilen.

Gründe

I.
1
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beschwerdeführerin beantragten Erbscheins liegen vor.
2
Die Beschwerdeführerin ist als Ehefrau des Erblassers gemäß § 1931 Abs. 3 BGB dessen Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge, da weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind. Alle insoweit in Frage kommenden gesetzliche Erben haben das Erbe in Bezug auf den Erblasser form- und fristgerecht ausgeschlagen. Dies ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts auch in Bezug des Beteiligten zu 2 der Fall.
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1. Dessen Erbenstellung ergab sich ursprünglich daraus, dass an sich die Schwester des Erblassers gesetzliche Erbin war, die aber während des Laufs der Ausschlagungsfrist im Sinne des § 1944 Abs. 1 BGB verstorben ist. Deren Ausschlagungsfrist ist nach § 1952 Abs. 1 BGB vererblich. Im Hinblick darauf, dass ihr Abkömmling, der Vater des Beteiligten zu 2, seinerseits am 17.08.2013 vorverstorben war, trat an dessen Stelle der Beteiligte zu 2 als sein Abkömmling.
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2. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts führt die von dem Beteiligten zu 2 form- und fristgemäß erklärte Ausschlagung des Erbes in Bezug auf seine Großmutter auch zum Wegfall seiner Erbenstellung in Bezug auf den Erblasser. Denn den Erstnachlass erhält er als Erbeserbe nur als Bestandteil des Zweitnachlasses, so dass er mit der Ausschlagung des Zweitnachlasses auch das Annahme- und Ausschlagungsrecht hinsichtlich des Erstnachlasses verliert, welches sodann auf den Nächstberufenen übergeht (NK-BGB/Ivo Erbrecht 5. Auflage <2018> § 1952 Rn. 2; MüKo BGB/Leipold 8. Auflage § 1952 Rn 5; 11; Staudinger/Otte BGB <2017> § 1952 Rn. 1; vgl. dazu auch Motive V S. 502 zitiert in: Horn MatK ErbR § 1952 Rn. 3). Insoweit bewirkt allein die Ausschlagung der Erbschaft in Bezug auf seine Großmutter den Verlust beider Erbschaften (Brox/Walker Erbrecht 28. Auflage <2018> § 22 Rn. 2).
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3. Der Verweis des Nachlassgerichts auf die Kommentarstelle „NK-BGB/Ivo Erbrecht a.a.O. § 1952 Rn. 16 und 5“ in Bezug auf die von ihm vertretene Auffassung, dass der Beteiligte zu 2 trotz Ausschlagung des Nachlasses seiner Großmutter nunmehr aufgrund eigenem Erbrecht als Erbe des Erblassers berufen ist, trägt nicht. Denn diese betrifft die andere Fallkonstellation, nämlich, dass einer von mehreren Erbeserben den Erstnachlass ausschlägt. Vorliegend hat aber der Beteiligte zu 2 als Erbeserbe den Zweitnachlass ausgeschlagen. Infolge dessen ist für eine Erbenstellung des Beteiligten zu 2 als Rechtsnachfolger des Erblassers kein Raum.
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4. Im Hinblick darauf, dass alle übrigen in Betracht kommende Erbeserben den Erstnachlass nach dem Erblasser ausgeschlagen haben, stellt sich auch nicht die Frage, ob im Hinblick auf die Erbteile der ausschlagenden Erbeserben jeweils der Nächstberufene an deren Stelle tritt oder eine Anwachsung unter den annehmenden übrigen Erbeserben erfolgt (vgl. zur Problematik NK-BGB/Ivo Erbrecht a.a.O. § 1952 Rn. 14). Solche den Erstnachlass annehmende Ersatzerben sind nicht vorhanden.
II.
7
Da die Beschwerde erfolgreich ist, fallen keine Gerichtskosten an (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Einer Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es daher nicht.
III.
8
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.,