Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.11.2020 – M 26a E 20.5999
Titel:

Einhaltung des Mindestabstands in Schulen

Normenketten:
VwGO § 43, § 47, § 123
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 9, Art. 19 Abs. 3
VwGO § 42, § 47 analog
Leitsätze:
1. Die analoge Anwendung des § 47 VwGO auf Klagen und Anträge, die sich gegen normgeberisches Unterlassen richten, kommt nicht in Betracht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch für die Feststellungsklage und die allgemeine Leistungsklage ist es in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich, dass Tatsachen vorgebracht werden, die die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheinen lassen, um die Möglichkeit von - dem Verwaltungsprozess grundsätzlich fremden - Popularklagen auszuschließen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Gewerkschaft kann sich nicht darauf berufen, durch die fehlende Umsetzung der Empfehlung des RKI („Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie“,) zur Verkleinerung von Schulklassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m in ihrem Recht aus Art. 9 GG verletzt zu sein, da der Schutzbereich dieses Rechts nicht betroffen ist. Dies gilt auch dann, wenn es zum Aufgabenbereich der Gewerkschaft zählt, sich für den Gesundheitsschutz ihrer Mitglieder zu engagieren. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Forderung eines Mindestabstands von 1, 5 m an Schulen, Statthafte Klageart, Antragsbefugnis, Einstweilige Anordnung, Gewerkschaft, Mindestabstand von 1,5 m an Schulen, Schule, Infektionsschutz, Beteiligtenfähigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.12.2020 – 20 CE 20.3002
Fundstelle:
BeckRS 2020, 33776

Tenor

I. Die Anträge werden abgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist Gewerkschaft im Sinne des Art. 9 GG. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass der Antragsgegner Regelungen trifft, durch die die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zur Verkleinerung der Klassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m umgesetzt werden.
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Am 20. November 2020 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München:
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Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen verpflichtet, bei Überschreiten der 7 Tages-Inzidenz-Werte „>50/100.000“ in allen Schularten in Bayern die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zur Verkleinerung der Klassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m gemäß Publikation vom 12. Oktober 2020 („Präventionsmaßnahmen in Schulen während der COVID-19-Pandemie“, Tabelle 1, 4. Spalte, 9. Reihe) umzusetzen, bis der Bayerische Landtag, hilfsweise die Bayerische Staatsregierung eine Entscheidung mit Außenwirkung über die vom Robert-Koch-Institut empfohlene Verkleinerung von Schulklassen bei Überschreiten des 7-Tages-Inzidenz-Wertes von „>50/100.000“ getroffen hat.
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Weiter wird beantragt,
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dem Antragsteller aufzuerlegen, Auskunft über die Klassenstärken an bayerischen Schulen zu geben und entsprechende Dokumente vorzulegen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, das Robert-Koch-Institut (RKI) empfehle gemäß Veröffentlichung vom 12. Oktober 2020 („Präventionsmaßnahmen in Schulen während der Covid-19-Pandemie“, S. 10) für einen landkreisbezogenen 7-Tages-Inzidenz-Wert > 50/100.000 die Verkleinerung der Klassen durch Teilung und Wechselunterricht, so dass ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann. Die Empfehlung beziehe sich auf Grundschulen und alle weiterführenden Schulen. Die 7-Tages-Inzidenz habe am 18. November 2020 8:00 Uhr laut Bayerischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bayernweit bei 173,19 gelegen. Aufgrund der Klassenstärken und der Raumgrößen gehe die Antragstellerin davon aus, dass der Mindestabstand von 1,5 m nur in wenigen Klassenzimmern eingehalten werden könne. Nach§ 1 Satz 2 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 (BayMBl. Nr. 616), die durch Verordnung vom 12. November 2020 (BayMBl. Nr. 639) geändert worden ist, sei jeder angehalten, wo immer möglich, einen Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten. § 18 der 8. BayIfSMV beinhalte keine Berechtigung, für den Bereich von Schulen und Unterricht Ausnahmen vom Mindestabstandsgebot zuzulassen. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch zur Sicherung der Rechte ihrer Mitglieder und zur effektiven Wahrnehmung ihrer Tätigkeit im Rahmen des arbeitsplatzbezogenen Infektionsschutzes zugunsten ihrer Mitglieder. Der Antragsgegner komme seiner Fürsorgepflicht zum Schutz vor Gesundheitsgefahren in seiner Eigenschaft als Dienstherr und Arbeitgeber gegenüber den Mitgliedern der Antragstellerin und den sonstigen Lehrerinnen und Lehrern nicht nach. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG erfasse auch Aktivitäten, die nicht auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Zur Tarifautonomie gehörten auch materielle Arbeitsbedingungen wie der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Dazu zähle auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Der Antragsgegner sei jedenfalls mittelbar an die Grundrechte gebunden und habe daher das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu beachten. Durch seine Untätigkeit verletzte er dieses Recht aufgrund der Überschreitung des vom RKI angegebenen 7-Tages-Inzidenz-Wertes für die Einführung des Mindestabstands in Schulen. Die Notwendigkeit staatlichen Handelns im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sei mehrfach gerichtlich bestätigt worden. Den Risikoeinschätzungen des RKI komme laut Bayerischem Verfassungsgerichtshof eine maßgebliche Rolle zu. Der Antragsgegner sei verpflichtet, bei einer Verschlechterung der epidemiologischen Situation Maßnahmen zu ergreifen. Im Bereich der Schulen liege ein Handlungsdefizit vor. Durch die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sei das Ermessen des Antragsgegners reduziert. Ein Anordnungsgrund sei wegen einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit von Lehrern und Schülern durch die Untätigkeit des Antragsgegners gegeben. Die Antragstellerin sei antragsbefugt, da es ihre Aufgabe im Rahmen des Art. 9 GG sei, Rechte ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Die Untätigkeit des Antragsgegners beeinträchtige daher mittelbar auch die Rechte der Antragstellerin. Angesichts der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG müsse es der Antragstellerin möglich sein, Anordnungen zum Schutz ihrer Mitglieder gerichtlich einzuklagen.
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Der Antragsgegner erwiderte mit Schriftsatz vom 24. November 2020, dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zweifelhaft sei. Es sei davon auszugehen, dass der statthafte Rechtsbehelf vorliegend der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO sei. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin könne nur im Wege der Änderung der 8. BayIfSMV erreicht werden.
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Mit Schriftsatz vom 25. November 2020 teilt die Antragstellerin mit, dass der Antrag nicht die Änderung der 8. BayIfSMV zum Ziel habe. Die Auslegung des Antragsgegners sei nicht zutreffend, sie entspreche nicht dem Interesse der Antragstellerin. Die Gültigkeit der Regelung der 8. BayIfSMV würden nicht in Zweifel gezogen, Ziel des Antrags sei vielmehr die Umsetzung der Empfehlungen des RKI im Rahmen einer „Zwischenlösung“, bis entsprechende Normen oder eine Allgemeinverfügung vorliegen. In welcher Weise dies umgesetzt werde, liege im staatlichen Gestaltungsermessen.
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Mit Schreiben vom 27. November 2020 beantragt der Antragsgegner,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsgegner komme seiner Aufgabe, an den Schulen in Bayern für ausreichenden Infektionsschutz zu Sorgen, durch ein Bündel von Maßnahmen nach. Die Regelungen in § 1 und § 18 der 8. BayIfSMV sowie die Maßgaben des Rahmenhygieneplans Schule griffen dazu ineinander. Auch an Schulen sei deshalb nach § 1 Satz 2 der 8. BayIfSMV der Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten, wo immer dies möglich ist. Zwischen Lehrkräften und Schülern sei der Mindestabstand nach dem Rahmenhygieneplan grundsätzlich einzuhalten, sofern nicht zwingende pädagogische oder didaktische Gründe ein Unterschreiten erforderten. Lediglich zwischen Schülerinnen und Schülern könne unter Einhaltung weiterer Schutzmaßnahmen wie der Maskenpflicht auf den Mindestabstand verzichtet werden, um trotz begrenzter Raumkapazitäten einen regulären Unterrichtsbetrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Strengere Regelungen könnten durch die Gesundheitsämter unter Berücksichtigung des örtlichen Infektionsgeschehens angeordnet werden. Den Empfehlungen des RKI werde dadurch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls Rechnung getragen. Der Rahmenhygieneplan werde fortlaufend dem aktuellen Infektionsgeschehen angepasst und sei Grundlage für das Schutz- und Hygienekonzept, das durch jede einzelne Schule zu erstellen sei. Grundpfeiler der Konzepte seien die Einhaltung des Mindestabstandsgebots, Vorgaben zur persönlichen Hygiene, die Maskenpflicht und ein Lüftungskonzept. Ein weiterer Baustein sei der im Rahmenhygieneplan geregelte Einsatz von Trennwänden. Für Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Schwangere gebe es nach Vorlage eines ärztlichen Attests besondere Schutzmaßnahmen, wie die Befreiung vom Präsenzunterricht. Der Antragsgegner habe seinen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der zu treffenden Maßnahmen nicht überschritten. Aus den genannten Maßnahmen sei ersichtlich, dass der Antragsgegner nicht untätig geblieben sei. Trotz der in § 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgelegten Bedeutung des RKI sei der Antragsgegner nicht so weit gebunden, dass ausschließlich eine Entscheidung im Sinne dessen Empfehlung möglich sei. Der Antragsgegner sei gehalten, im Sinne einer Gesamtabwägung die vom RKI dargelegten infektiologischen Aspekte hinreichend zu würdigen. In dieser Abwägung sei aber auch das Recht auf Bildung der Schüler einzubeziehen. Hierbei sei die Bedeutung des Lernens in schulischer Gemeinschaft - insbesondere für jüngere Schülerbesonders zu berücksichtigen. Die von der Antragstellerin vertretenen Lehrkräfte hätten keinen Anspruch auf die Herstellung einer „Null-Risiko-Situation“ in den Schulen. Ein allumfassender Gesundheitsschutz könne in einer pandemischen Lage nicht sichergestellt werden. In einer Gemeinschaftseinrichtung bestünde eine allgemeine Infektionsgefährdung hinsichtlich aller Infektionskrankheiten, die von Lehrkräften angesichts ihrer Dienstpflicht in Kauf genommen werden müsse. Durch die getroffenen Maßnahmen sei das Infektionsrisiko auf ein vertretbares und zumutbares Maß begrenzt worden. Die vorhandenen Maßnahmen würden ständig evaluiert und dem Infektionsgeschehen angepasst.
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Der Antragsteller legte eine Übersicht mit Daten zu den Klassenstärken der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen vor.
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Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO haben keinen Erfolg, sie sind bereits unzulässig.
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1. Die Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO sind statthaft. Insbesondere wird der Antrag auf Umsetzung der Empfehlungen des RKI zur Einhaltung des Mindestabstands nicht durch einen spezielleren Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verdrängt. Ob das von der Antragstellerin begehrte Rechtsschutzziel, nämlich die Umsetzung der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts zur Verkleinerung der Klassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern an allen Schulen ab einer Inzidenz > 50 /100.000 Einwohner, nur im Wege einer Ergänzung der Verordnung erreicht werden kann, kann dahinstehen. Denn selbst wenn der Antrag auf Ergänzung einer Rechtsnorm gerichtet wäre, so wäre dieser im Rahmen des Normenkontrollverfahrens unstatthaft (Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2020, Rn. 73). Die analoge Anwendung des § 47 VwGO auf Klagen und Anträge, die sich gegen normgeberisches Unterlassen richten, kommt nicht in Betracht. Die Zuständigkeitsregelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) weisen keine Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie geschlossen werden müssten (BVerwG, U.v. 7.9.1989 - 7 C 4/89 - juris Rn. 13; Terhechte in Fehling/Kastner/Strömer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, Rn. 17). Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO (so Wysk, a.a.O, Fehling / Kastner/ Stömer a.a.O, Rn. 16, vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1988 - 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355/357) oder eine allgemeine Leistungsklag statthaft wäre, da für Anordnungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Fällen ein Antrag nach 123 Abs. 1 VwGO zu stellen ist.
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2. Ferner kann dahinstehen, ob die Antragstellerin beteiligtenfähig nach § 61 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO ist. Für die Beteiligtenfähigkeit ist erforderlich, dass ein materielles Recht besteht, das die Antragstellerin geltend macht. Insofern dieses Recht nur abstrakt bestehen muss (so BVerwG, U.v. 9.7.1992 - 7 C 32/91 -, BVerwGE 90, 304-309, juris Rn. 7) kann sich die Antragstellerin auf Art. 9 GG berufen.
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3. Der Antragstellerin fehlt es jedoch an der Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog, die der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren entspricht. Auch für die Feststellungsklage und die allgemeine Leistungsklage ist es erforderlich, dass Tatsachen vorgebracht werden, die die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheinen lassen, um die Möglichkeit von - dem Verwaltungsprozess grundsätzlich fremden - Popularklagen auszuschließen. § 42 Abs. 2 VwGO ist daher entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2016 - 1 C 3.15 - BVerwGE 154, 328, juris Rn. 16; BVerwG, B.v. 30.07.1990 - 7 B 71/90 - juris Rn. 4).
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Die Antragsbefugnis fehlt, da die Antragstellerin keine Tatsachen vorträgt, die die Verletzung eigener Rechte möglich erscheinen lässt. Die Antragstellerin kann sich insbesondere nicht darauf berufen, durch die fehlende Umsetzung der Empfehlung des RKI zur Verkleinerung der Klassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m in ihrem Recht aus Art. 9 GG verletzt zu sein, da der Schutzbereich dieses Rechts nicht betroffen ist. Ein Eingriff in Artikel 9 GG liegt dann vor, wenn der Tätigkeitsbereich der Vereinigung beeinträchtigt ist. Hierfür genügt, dass eine Auswirkung auf die Grundrechtsverwirklichung der Antragstellerin möglich ist (BVerwG, U.v. 11.11.2015 - 8 CN 2/14 -, BVerwGE 153, 183-192, juris Rn. 15, BayVGH, U.v. 6.8.2020 - 22 BV 19.530 - juris Rn. 25). Dies kann auch mittelbar der Fall sein, wenn durch Regelungen, die unmittelbar auf die Rechte der Mitglieder der Vereinigung einwirken, auch die Betätigungsmöglichkeit der Vereinigung eingeschränkt wird. Angenommen wird dies bei Gewerkschaften für die Regelung, wonach Sonn- und Feiertagsarbeit zugelassen wird, weil die Mitglieder durch diese Ausweitung der Arbeitszeit auf bislang arbeitsfreie Zeiten davon abgehalten werden, sich in der Gewerkschaft zu engagieren. Die Gewerkschaft kann dadurch ihren verfassungsrechtlich geschützten Tätigkeiten nicht mehr nachkommen, da die Mitglieder für die Ausübung dieser Tätigkeit möglicherweise aufgrund der Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zur Verfügung steht (BVerwG, U.v. 11.11.2015 a.a.O, BayVGH, U.v. 6.8.2020 a.a.O). Eine entsprechende Beeinträchtigung des Tätigkeitsbereichs der Antragstellerin ist durch das in Rede stehende Unterlassen des Antragsgegners nicht gegeben. Zwar mag es zutreffen, dass es zum Aufgabenbereich der Antragstellerin zählt, sich für den Gesundheitsschutz ihrer Mitglieder zu engagieren, die Wahrnehmung dieser Aufgabe wird jedoch durch das vorgebrachte Unterlassen des Antragsgegners nicht eingeschränkt. Die Antragstellerin kann sich weiterhin in jeder zulässigen Art und Weise für die Rechte ihrer Mitglieder einsetzen, sie wird daran nicht dadurch gehindert, dass der Antragsgegner die im Rahmen dieser Aufgabe durch die Antragstellerin geforderten Maßnahmen womöglich unterlässt. Die Betätigung der Antragstellerin im grundrechtlich geschützten Rahmen ist nicht beeinträchtigt, es liegt auch keine mittelbare Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin vor.
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Eine Verletzung des Rechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf Leben und körperliche Unversehrtheit kann von der Antragstellerin nicht geltend gemacht werden, da dieses Grundrecht bereits seinem Wesen nach nicht auf sie anwendbar ist (Art.19 Abs. 3 GG). Die Wahrnehmung der Rechte der Mitglieder aus Art. 2 Abs. 2 GG ist nicht möglich, da § 42 Abs. 2 VwGO gerade die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte fordert, um Popularklagen auszuschließen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BayVGH vom 6. August 2020 (a.a.O). Hier wird gerade nicht davon ausgegangen, dass sich die Gewerkschaft auf das Recht der Mitglieder aus Art. 4 GG berufen kann, vielmehr wird offengelassen, ob die Betätigung eines eingetragenen Vereins innerhalb der Katholischen Arbeiterbewegung, der als weiterer Kläger am Verfahren beteiligt war, dem Schutzbereich des Art. 4 GG unterfällt und damit Art. 4 GG als eigenes Recht geltend machen könnte.
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4. Ob für den Antrag auf Auskunft eine Antragsbefugnis gegeben ist, kann dahinstehen, da es hier bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. 2018, § 123, Rn.39). Eine Befassung des Gerichts mit diesem Antrag war nicht erforderlich, da noch kein streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO vorliegt. Der Antragsgegner war bislang nicht mit dem Auskunftsersuchen befasst. Im Übrigen hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Auskunft im Sinne des Antrags am 27. November 2020 erteilt, so dass ein etwaiger Anspruch erfüllt ist.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint eine Reduzierung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht.