Titel:
Ausweisung
Normenketten:
AufenthG § 11 Abs. 1, § 53 Abs. 1, Abs.2, § 54 Abs. 1 Nr. 1a
VwGO § 113 Abs. 1 S.1
EMRK Art. 8
RDGEG § 3, § 5
Leitsätze:
1. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn im Falle eines Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ausweisung aufgrund von Betäubungsmittel-, Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten hat stets auch eine generalpräventive Funktion. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Syrischer Staatsangehöriger, Ausweisung, Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, Straftäter, Keine Bindungen zum Bundesgebiet, Aufenthaltstitel, Aufenthaltsverbot, Aufenthaltserlaubnis, Einreise, Schutzstatus, Strafhaft, Tateinheit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 334
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung verbunden mit einem 5- bzw. 7 jährigen Einreise- und Aufenthaltsverbot und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2
Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er wuchs in Aleppo bei seinen Eltern und Geschwistern auf. Im Jahr 2000 zog die Familie nach Jordanien, wo sie acht Jahre lang lebte. Danach zog sie wieder nach Aleppo zurück. Der Kläger hat keine Schulbildung. Lesen und Schreiben brachte er sich selbst bei.
3
Im Jahr 2010 zog der Kläger nach Istanbul und arbeitete dort 6 Jahre lang als Schneider.
4
Er reiste erstmals am 19. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. April 2016 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 6. September 2016 wurde der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt. Dem Kläger wurde eine Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit bis zum 2. November 2017 erteilt. Am 29. März 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke eines Aufenthalts aus humanitären Gründen zu verlängern.
5
Mit Bescheid vom 5. April 2019 wurde schließlich der subsidiäre Schutzstatus widerrufen. Der Bescheid ist inzwischen bestandskräftig.
6
Mit Urteil des Landgerichts . I vom 12. Dezember 2017 wurde der Kläger wegen Beihilfe zum bewaffneten unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit besonders schwerem Raub in Tateinheit mit drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe in Höhe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist seit dem 4. Januar 2018 rechtskräftig.
7
Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
8
Al., ein Bekannter des Klägers berichtete dem Kläger von einem Geschäft über 500g Haschisch zu einem Preis von 1.500 EUR, bei dem er den albanischen Käufern zwar das Haschisch übergeben, aber den Kaufpreis dafür nicht erhalten hat.
9
Der Kläger erhielt zufällig über seinen kurdischen Mitbewohner im Wohnheim Kontakt zu diesen albanischen Käufern. Dies berichtete der Kläger seinem Bekannten Al.. Zusammen entwickelten sie den Plan, das Geld aus dem missglückten Haschischgeschäft durch einen Raubüberfall einzutreiben: hierzu sollte der Kläger über den kurdischen Mitbewohner vorgeben, das begehrte Rauschgift besorgen zu können. Ein entsprechendes Telefonat führte der Kläger am 20. Januar 2017 gegen 18:30 Uhr. Als Treffpunkt wurde die . Brücke in München vereinbart.
10
Auf Initiative des Al. kamen der Kläger und mindestens drei weitere Tatbeteiligte überein, dass man, wenn man tatsächlich auf den damaligen albanischen Käufer und seine Freunde treffen sollte, diese durch die Präsenz möglichst vieler Personen einschüchtert und bedroht, um diese zur Zahlung des ausstehenden Betrags von 1.500 EUR zu bewegen. Für den Fall, dass eine Zahlung nicht erfolgen sollte, wurde geplant, auf die Personen einzuschlagen und diese auszurauben, um mit einer möglichen Beute die offene Forderung aus dem Drogengeschäft auszugleichen. Körperliche Gewalt sollte solange angewendet werden, bis sich die Gegenseite zur Zahlung entschlossen hat. Bei Aufbruch handelte es sich schließlich um eine mindestens 15 Personen starke Gruppe, wobei Al. ein noch verpacktes Klappmesser bei sich trug und ein weiterer Mittäter eine Metallkette. An der . Brücke angekommen teilte sich die Gruppe auf und versteckte sich, um der Gegenseite aufzulauern. Als die vermeintlichen Käufer B., Z. und S. erschienen, kam es zunächst zu einem Gespräch mit einem Teil der Gruppe des Klägers. Direkt im Anschluss stürmten weitere Personen der Gruppe des Klägers auf die vermeintlichen Käufer zu und schlugen auf sie ein. Dabei verlangten sie die Herausgabe des Geldes. Es entstand eine Schlägerei. Dabei stach Al. dem B. mit dem ausgeklappten Messer dreimal ins Bein. Auch die mitgeführte Kette wurde für Schläge eingesetzt.
11
S. erlitt durch den Vorfall eine Nasenbeinfraktur sowie eine oberflächliche Verletzung im Bereich des Nasenrückens. B. erlitt durch die Tat drei maximal 0,5-1,0 cm tiefe Stichverletzungen an der Außenseite des linken Unterschenkels. Außerdem erlitt B. Prellmarken durch die Kettenschläge am Unterschenkel rechts sowie Hautabschürfungen. Z. erlitt Prellungen.
12
Die Gruppe des Klägers erbeutete 2 Mobiltelefone der Marke Iphone 7 und ein Iphone 5 sowie ein Samsung Galaxy S6. Zudem entwendete sie einen Stapel von mindestens 3.000 EUR an gefälschten 500 EUR Banknoten sowie 150 EUR Bargeld.
13
Der Kläger befand sich seit 9. Februar 2017 zunächst in Untersuchungs- und im Anschluss in Strafhaft. Auf Grund des Bewährungsbeschlusses des AG . a.d. . vom 12. Juni 2018 wurde der Kläger am 1. August 2018 aus der Haft entlassen. Die Bewährungszeit beträgt 3 Jahre. Für die Dauer von 2 Jahren wurde der Kläger der Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt. Derzeit besucht der Kläger die Berufsschule zur Berufsintegration in der .straße in München.
14
Nach Anhörung des Klägers wies die Beklagte diesen mit Bescheid vom 3. Juli 2018 aus (Ziff. 1) und lehnte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 2). Sie befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle der Straf- und Drogenfreiheit auf fünf Jahre, andernfalls auf sieben Jahre (Ziff. 3). Für den Fall des Widerrufs des subsidiären Schutzstatus drohte die Beklagte dem Kläger die Abschiebung nach erfülltem Strafanspruch des Staates und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aus der Haft nach Syrien an. Sollte der Kläger aus der Haft entlassen werden, bevor die Abschiebung durchgeführt werden kann, hat sie den Kläger verpflichtet, das Bundesgebiet innerhalb von vier Wochen nach Haftentlassung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise und des Widerrufs des subsidiären Schutzstatus wurde die Abschiebung nach Syrien oder einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziff. 4).
15
Rechtsgrundlage für die Ausweisung sei § 53 AufenthG. Der Kläger stelle eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG dar, da von ihm eine Wiederholungsgefahr ausgehe. Es stehe zu befürchten, dass der Kläger erneut straffällig werde. Überdies rechtfertigten generalpräventive Gründe die Ausweisung. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig. Diesem Ergebnis stehe auch die Tatsache nicht entgegen, dass der Kläger zurzeit nicht abgeschoben werden könne, da die Ausweisung einer Aufenthaltsverfestigung entgegenwirke und Aufenthaltsbeschränkungen auslöse.
16
Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen.
17
Mit Schreiben vom 19. Juli 2018, eingegangen am 20. Juli 2018, erhob die damalige Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
18
den Bescheid vom 3. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zur erteilen.
19
Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 legte die Beklagte die Akten vor und beantragte,
21
In der mündlichen Verhandlung am 8. Januar 2020 wiederholten die Beteiligten ihre bereits schriftsätzlich gestellten Anträge.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft München I zum Verfahren 369 Js 108409/17, die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
24
Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung des Klägers und das fünf- bzw. siebenjährige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, § 113 Abs. 5 VwGO.
25
Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12) als rechtmäßig.
26
1. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
27
a.) Der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut erheblich straffällig wird (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris).
28
Der Kläger wurde nur kurze Zeit nach seiner Einreise massiv straffällig. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts . I vom 12. Dezember 2017 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit besonders schweren Raub in Tateinheit mit drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ausweislich der Urteilsgründe hat der Kläger durch seinen Anruf ohne jegliche Not, das "gewaltsame Inkasso" möglich gemacht. Der Kläger war zudem maßgeblich an der Planungs- und Überlegungsphase der Tat beteiligt, spielte den Lockvogel und sollte seine Mittäter vor dem Eintreffen der Polizei warnen. Der Kläger hat durch seine Vermittlung eine massive Straftat ermöglicht, von der er keine persönlichen Vorteile hatte.
29
Auch wenn der Kläger bis zu dieser Tat nicht vorbestraft war und zwischenzeitlich durch Beschluss des AG . a.d. . vom 12. Juni 2018 die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, geht das Gericht weiterhin von einer Wiederholungsgefahr aus. Derzeit ist erst ungefähr die Hälfte der Bewährungszeit abgelaufen und der Kläger ist immer noch der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe unterstellt ist, so dass derzeit noch keine Bewährung in Freiheit stattgefunden hat. Zum anderen ist die weitere Lebensplanung des Klägers ungewiss. Der Kläger besucht zwar derzeit die Berufsschule zur Berufsintegration und plant im Sommer den qualifizierenden Mittelschulabschluss zu erwerben. Selbst falls ihm das gelingt, ist sehr zweifelhaft, ob dem Kläger angesichts seiner Straffälligkeit eine Arbeitserlaubnis erteilt wird, so dass er eine Ausbildung beginnen bzw. eine Arbeitsstelle antreten kann. Eine Erlaubnis zur Aufnahme eines 450 EUR Jobs wurde bereits abgelehnt. Nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung ist dem Kläger sehr an einer Verbesserung seiner finanziellen Situation gelegen, so dass die fehlende Verdienstmöglichkeit eine erneute Straffälligkeit begünstigt. Für eine negative Prognose spricht auch die zwischenzeitliche Anklage des Klägers wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
30
Unter Berücksichtigung dieser Umstände und insbesondere des Ranges der betroffenen Schutzgüter Leib, Leben und Gesundheit geht die Kammer davon aus, dass eine Wiederholungsgefahr seitens des Klägers vorliegt und er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut straffällig werden wird.
31
Unabhängig davon, ob vom Kläger weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Begehung weiterer Straftaten ausgeht, rechtfertigen allein generalpräventive Gründe die Ausweisung des Klägers. Die grundlegende Norm des neuen Ausweisungsrechts, § 53 Abs. 1 AufenthG, verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine Gefahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer "Aufenthalt" eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn im Falle eines Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16/17 - juris).
32
Eine Ausweisung aufgrund von Betäubungsmittel-, Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten hat stets auch eine generalpräventive Funktion. Denn eine solche setzt ein deutliches Signal, dass die körperliche Unversehrtheit und das Eigentumsrecht in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland hohe Rechtsgüter darstellen und diese Delikte nicht nur strafrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch ausländerrechtliche. Das Ausweisungsinteresse ist vorliegend auch aktuell. Die Ausweisung stellt damit eine geeignete Maßnahme dar, um andere Ausländer von solchen Delikten abzuhalten.
33
b.) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen wird aller Voraussicht nach ergeben, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt und die Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist, § 53 Abs. 1 AufenthG.
34
Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse auf Grund der Höhe der strafrechtlichen Verurteilung (2 Jahre und 6 Monate) besonders schwer. Dem stehen keine besonders schwerwiegenden oder schwerwiegenden Bleibeinteressen des Klägers gegenüber. Der Kläger verfügt über keinen Aufenthaltstitel. Sein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG wurde inzwischen bestandskräftig widerrufen.
35
Auch unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten persönlichen Belange des Klägers und unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK überwiegt das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung. Der Kläger befindet sich erst seit kurzer Zeit in der Bundesrepublik Deutschland und ist bereits massiv straffällig geworden. Den überwiegenden Teil seiner Aufenthaltszeit in Deutschland hat der Kläger in Haft verbracht.
36
Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger die Straftaten, die zur Ausweisung führten, als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener beging, ist die Ausweisung nicht unverhältnismäßig (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 23.6.2008 - 1638/03 - Maslov II). In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, dass angesichts des planvollen, gemeinschaftlichen Vorgehens und der massiven Gewaltbereitschaft nicht von einer typischen Jugenddelinquenz ausgegangen werden kann und sich der Kläger bei Tatbegehung erst kurze Zeit in der Bundesrepublik aufgehalten hat.
37
Überdies ist dem Kläger eine soziale und wirtschaftliche Integration in die Bundesrepublik bislang nicht gelungen. Der Kläger arbeitet nicht und verfügt über keine Ausbildung. Er besucht derzeit die Berufsschule zur Berufsintegration, um im Sommer einen qualifizierenden Mittelschulabschluss zu erwerben. Ob er danach eine Arbeitserlaubnis erhält, ist ungewiss. Seine Familie, Eltern und Geschwister, leben weiterhin in Syrien. Zu diesen steht er seinen Angaben gemäß auch in regelmäßigem Kontakt. Der Kläger spricht zudem die Landesprache. Dem Kläger, dessen Schutzstatus im Sinne des § 4 AsylG widerrufen ist, ist es daher möglich und zumutbar in seinen Heimatstaat zurückzukehren.
38
Die ausgesprochene Ausweisung des Klägers ist damit eine verhältnismäßige Maßnahme, die zur Abwehr durch seinen Aufenthalt drohender Gefahren insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen ist.
39
Auch die Ablehnung der am 29. März 2018 beantragten Verlängerung des Aufenthaltstitels (Ziffer 2 des Bescheides) ist rechtmäßig. Nach dem Widerruf des subsidiären Schutzstatus steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen.
40
Das in Ziffer 3 des Bescheides festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot lässt keine Rechtsfehler erkennen. Dass nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. das Einreise- und Aufenthaltsverbot gesondert und im Fall einer Ausweisung ausweislich des klaren Wortlaut des Gesetzes immer angeordnet werden muss, macht den Bescheid vom 3. Juli 2018 nicht fehlerhaft, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage war in einer behördlichen Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F. regelmäßig auch die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer zu sehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2019 - 10 C 18.1821 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 13. Juli 2017 - 1 VR 3. 17 juris Rn 72; BVerwG, U.v. 25.7.2017 - 1 C 13.17 - juris Rn 23).
41
Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG n.F. bedarf es - wie auch nach der alten Rechtslage - der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen - das der auch zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt - das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In diesem Rahmen sind auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 Grundrechtecharta, Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris).
42
Die Beklagte war bei ihrer Entscheidung vorliegend auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung nicht an die Fünfjahresfrist des § 11 Abs. 3 AufenthG n.F. gebunden, § 11 Abs. 5 AufenthG n.F.
43
Bei der mit einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten abgeurteilten Tat handelt es sich um ein massives Gewaltdelikt. Vom Kläger geht zudem nach wie vor eine Wiederholungsgefahr aus (s.o.). Auch unter Berücksichtigung der geringen sozialen Bindungen des Klägers zum Bundesgebiet und insbesondere unter Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen erscheint eine Frist von 5 bzw. 7 Jahren angemessen, aber auch erforderlich, um einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. Die von der Beklagten verfügte Bedingung, bei deren Nichteintritt eine längere Wiedereinreise- und Titelerteilungssperre gelten soll, dient der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
44
Keinen Bedenken begegnet die Abschiebungsandrohung nach §§ 59, 58 AufenthG. Soweit die Abschiebung aus der Haft angekündigt wird (Ziff. 3 des Bescheides) hat sich die Abschiebungsandrohung durch die Haftentlassung erledigt.
45
Die für den Fall einer Abschiebung nach Haftentlassung festgesetzte Ausreisefrist von vier Wochen (Ziff. 4 des Bescheides) liegt an der oberen Grenze der in § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG vorgesehenen Frist von 30 Tagen und ist damit angemessen. Die Bedingung des Widerrufs des subsidiären Schutzstatus i.S.d. § 4 AsylG ist zwischenzeitlich durch den bestandskräftigen Widerruf des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. April 2019 eingetreten.
46
Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
47
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.