Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 09.11.2020 – AN 10 K 19.02531
Titel:

Ermessensausfall bei verkehrsrechtlicher Anordung - eingeschränkte Halteverbotszone

Normenketten:
StVO § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 9
VwGO § 114
BayVwVfG Art. 35 S. 2, Art. 39 Abs. 1 S. 3, Art. 40
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 45 Abs. 9 S. 1 StVO und die gleichlautende Vorschrift des § 39 Abs. 1 StVO zielen darauf ab, die allgemeinen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer aufzuwerten und die "Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung" zu verdeutlichen. "Zwingend geboten" ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschriften nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche oder allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist zB nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten (Anschluss an VGH München BeckRS 2011, 34058 Rn. 25). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die seitens des Gerichts nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßgeblich sind hierbei die in der verkehrsrechtlichen Anordnung selbst dargestellten Ermessenserwägungen. Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Darlegungslast, wenn sie sich für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheidet (Anschluss an VG Würzburg BeckRS 2020, 6663 Rn. 55; s. auch VGH München BeckRS 2021, 1658 Rn. 24). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der von der verkehrsrechtlichen Anordnung einer eingeschränkten Halteverbotszone betroffene Grundstückseigentümer kann sich nicht auf eine Einschränkung seines Anliegergebrauchs berufen, da dieser lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks zur Straße schützt, soweit eine angemessene Nutzung des Grundstückseigentums die Benutzung der Straße erfordert. Nicht hingegen schützt der Anliegergebrauch vor Einschränkungen und Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeit für ein innerörtliches Grundstück; ebenso vermittelt der Anliegergebrauch kein Recht auf einen eigenen Parkplatz vor bzw. in unmittelbarer Nähe eines Grundstücks (Anschluss an VGH München BeckRS 2006, 23189). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
verkehrsrechtliche Anordnung (eingeschränktes Halteverbot), Ermessensausfall, Nachschieben von Ermessenserwägungen, Allgemeinverfügung, Verkehrszeichen, Anliegergebrauch, Rechtsschutzinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2020, 33440

Tenor

1. Die in der …Straße durch verkehrsrechtliche Anordnung des Beklagten vom 18. November 2019 in der Fassung vom 28. September 2020 verfügte eingeschränkte Halteverbotszone (Zeichen 290.1 und 290.2) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die eingeschränkte Halteverbotszone in der …Straße.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks …Straße … Mit E-Mail vom 25. August 2019 wandte sich ein Anwohner der …Straße aufgrund der Parksituation an den Beklagten und bat, den Wendeplatz entsprechend zu markieren.
3
Daraufhin schrieb der Beklagte die Anwohner der …Straße, …, … und … an und teilte u.a. mit, dass Parken in der Wendeanlage grundsätzlich zulässig sei. Es dürften jedoch Zufahrten zu Grundstücken, Stellplätzen und Garagen nicht durch parkende Fahrzeuge verstellt werden und es müsse immer eine ausreichende Mindestdurchfahrtsbreite verbleiben. Dabei sei den Verkehrsteilnehmern ein mäßiges Rangieren zumutbar. Es werde jedoch darum gebeten, eigene Fahrzeuge auf eigenen Flächen abzustellen. Auf eine Beschilderung von Parkverboten an/in Wendeanlagen werde verzichtet.
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Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom 6. September 2019, dass es sich vor seinem Grundstück nicht um eine Wendeanlage, sondern um zwei nebeneinanderliegende Einfahrten handele.
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Mit E-Mail vom 14. September 2019 meldete sich wiederum ein Anwohner und teilte unter Vorlage von Fotos mit, dass das Schreiben des Beklagten die Parksituation verschlechtert habe. Es sei nicht zumutbar, nachts den Berg hinunter rückwärts rangieren zu müssen. Auch das Ein- und Ausfahren zum Grundstück sei mit einem größeren Auto nicht möglich. Auch das Ausfahren eines PKWs mit Anhänger sei nicht mehr möglich. Es werde die Zufahrt mit Rettungsfahrzeugen nicht mehr garantiert. Mit weiterer E-Mail vom 6. Oktober 2019 forderte der Anwohner den Beklagten nachdrücklich auf, sich der Parkplatzsituation anzunehmen.
6
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 stellte der Kläger dar, dass es sich bei der Zufahrt zu dem Grundstück …Straße … und … nicht um eine Wendeanlage, sondern um eine reine Zufahrts straße handele. Dies habe der Ortstermin am 17. Mai 2017 ergeben. Deshalb sei das Abstellen von Fahrzeugen, insbesondere der angrenzenden Nachbarschaft, nicht erlaubt, da dies die Zufahrt behindere. Da die Zufahrt teilweise immer wieder durch Fahrzeuge blockiert werde, werde um Klarstellung gegenüber den Anwohnern gebeten. Hilfsweise sei anzuregen, dies entsprechend durch Beschilderung kenntlich zu machen. Es biete sich an, die Zufahrt mit einem Hinweisschild „Sackgasse“ zu versehen. Für den Fall, dass es sich um eine Wendeanlage handeln sollte, sei das Parken innerhalb der Wendeanlage zu untersagen, um die Funktion der Wendeanlage zu gewährleisten.
7
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 machte der Kläger den Beklagten auf Missstände durch die Nachbarschaft aufmerksam und wiederholte, dass es sich um eine Zufahrt zu seinem Grundstück handeln würde, nicht um eine Wendeanlage. Eine Begutachtung und Bewertung auf Korrektheit und Ordnungsmäßigkeit seiner Fahrzeuge im Verkehrsraum obliege einzig der Polizei. Die Anfahrt sei entsprechend des Grundstücksplans zweifach breit. Mit dem Schreiben vom 5. September 2019 habe der Beklagte einen massiven Nachbarschaftskrieg initiiert. Die Polizei habe bereits mehrfach bestätigt, dass seine Fahrzeuge und die seiner Familie korrekt entsprechend der StVO abgestellt worden seien. Dies wiederholte der Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2019.
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Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 18. November 2019 wurde im Bereich …Straße * bis … im Marktgebiet des Beklagten die Anbringung eines Verkehrszeichens „Zone eingeschränktes Halteverbot“ (Ziffer 290.1) und „Ende eines eingeschränkten Halteverbotes für eine Zone“ (Ziffer 290.2) verfügt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Verkehrszeichenanbringung aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu vollziehen sei.
9
Die Anordnung wurde am 19. November 2019 vollzogen.
10
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2019, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, erhob der Kläger Klage gegen die durch den Beklagten erlassene Anordnung durch das Verkehrszeichen Halteverbot für eine Zone (Zeichen 290.1). Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Zufahrt-/Einfahrtsbereich des Klägers betroffen sei. Der Kläger habe bisher im Rahmen des § 12 Abs. 3 StVO die Zufahrt zu seinem Grundstück zum Parken nutzen können. Den Bereich der öffentlichen Straße habe er nur im Bereich seiner eigenen Grundstückszufahrt genutzt.
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Weiter wurde vorgetragen, dass die Anordnung vom 18. November 2019 keine Begründung enthalte, aus der entnommen werden könne, dass bestimmte Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs die Verkehrszeichenanbringung erforderlich gemacht habe. Der Kläger sei in die Nachbarstreitigkeiten einbezogen worden, ohne dass er hierfür eine Ursache gesetzt habe. Nachbarrechtliche Streitigkeiten würden keine Begründung für eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung geben. Eine etwaige Befriedung eines Nachbarstreits sei nicht erreichbar, da dies auch nicht der Zweck der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften sei.
12
Die letzten beiden Polizeieinsätze seien nach Erlass der streitgegenständlichen Anordnung erfolgt. Folglich habe dies nicht zu einer Änderung der Situation geführt. Nach dem 24. September 2019 sei es zu keinen Einsätzen der Polizei wegen tatsächlich vorliegender Verkehrsverstöße gekommen. Gegen den Kläger sei von der Polizei kein Verwarnungsgeld oder sonstige Maßnahmen wegen verkehrsordnungswidrigem Verhalten verhängt worden. Vielmehr sei festgestellt worden, dass die Fahrzeuge des Klägers korrekt abgestellt gewesen seien. Folglich habe keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestanden. Die am 23. und 24. September 2019 gegenüber einem Nachbarn ausgesprochenen Verwarnungsgelder hätten die erforderliche Wirkung erzielt. Es sei danach nicht zu erneuten Verstößen gekommen. Die vor der Grundstückszufahrt des Klägers abgestellten Fahrzeuge hätten nicht zu einer Behinderung des Verkehrsflusses geführt. Es bestehe auch keine besondere Enge in der Zufahrtssituation für den Eigentümer Nr. …, die die Anordnung erforderlich mache. Die Anordnung sei nicht geeignet, nachbarrechtliche Streitigkeiten zu verhindern.
13
Zudem wurde ausgeführt, dass der Beklagte für identische Nebenstraßen keine Anordnung erlassen habe. Die Beschwerden der Nachbarn seien haltlos, der Beschwerde des Klägers sei abgeholfen worden. Der Beklagte habe die …Straße in der vorgegebenen Breite geplant, ohne dass der Einsatz von Verkehrszeichen für erforderlich gehalten worden sei. Wenn der Straßenverkehr durch parkende Autos gefährdet werde, müssten sämtliche Straßen im Baugebiet mit den gleichen Verkehrszeichen versehen werden. Die Breite der Fahrbahn werde gemäß Luftbild (Blatt 14 der Behördenakte) mit 4,64 m angegeben. Im Jahr 2017 habe der Beklagte keine Veranlassung gesehen, eine verkehrsrechtliche Anordnung zu erlassen. Abgesetzt von der …Straße befinde sich ein Fußweg, der innerhalb der Grünfläche verlaufe. Die Straße sei mit Ausnahme eines von der Polizei ermittelten Verkehrsunfalls seit Jahren unfallfrei von allen Verkehrsteilnehmern genutzt worden. Ein Verkehrsunfall bilde keinen Unfallschwerpunkt, der die Anordnung der Maßnahme erforderlich mache. Die Polizei habe bei einem Termin bestätigt, dass die Maße der vermeintlichen Wendefläche viel zu klein seien, um die Funktion eines Wendehammers zu erfüllen. Es handele sich bei der Maßnahme um eine nicht durch den Gesetzeszweck gedeckte Bestrafung der Anwohner.
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Der Beklagte erwiderte, dass es sich beim Bereich …Straße * bis … verkehrstechnisch um eine Sackgasse handele, die seit August 2019 durch massive Nachbarstreitigkeiten geprägt sei. Der Kläger habe sich mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 selbst beschwert, dass die Zufahrt zu den Anwesen Nr. … und … immer wieder durch parkende Fahrzeuge blockiert werde. Aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs sei daher mit Anordnung vom 18. November 2019 in diesem Bereich ein eingeschränktes Halteverbot festgesetzt worden.
15
Die …Straße sei nur über die …Straße mit dem sonstigen Verkehrsnetz verbunden und die Fahrbahnbreite betrage in dem betreffenden Abschnitt lediglich 4,20 m. Die Zufahrt zu den Grundstücken …Straße … und … sei in der Vergangenheit regelmäßig durch parkende Pkws behindert worden. Seit Januar 2019 sei die Polizeiinspektion unzählige Male wegen Beleidigungen, Streitigkeiten sowie zur Herstellung der Sicherheit des Straßenverkehrs vor Ort gewesen. Es seien sechs Einsätze über gemeldete Verkehrsverstöße und -behinderungen aktenkundig, die jedoch nicht immer zu einem Ergebnis geführt hätten. Verwarnungen seien ausgesprochen worden. Wegen eines Unfalls sei es drei Mal zu einem polizeilichen Einsatz gekommen. Seit Aufstellung des Verkehrszeichens sei ein signifikanter Rückgang der Polizeieinsätze zu verzeichnen.
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Die Anordnung der Verkehrszeichen sei formell und materiell rechtmäßig. Die verkehrsrechtliche Anordnung sei zwingend geboten gewesen, um die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs als bedeutendes Rechtsgut der Allgemeinheit zu gewährleisten. Die Sicherheit des Straßenverkehrs sei durch parkende Autos, die Hindernisse bereiten, die den fließenden Verkehr erheblich beeinträchtigen, konkret gefährdet gewesen. Zudem werde die …Straße durch die parkenden Pkws sehr unübersichtlich für die Fahrzeugführer. Zwischen den Autos auf die Straße tretende Fußgänger könnten leicht übersehen werden. Ebenso bestehe eine konkrete Gefährdung für die parkenden Autos selbst und damit für erhebliche Sachwerte. Die Fahrbahnbreite sei erheblich reduziert, so dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass es zu weiteren Blechschäden durch das Touchieren vorbeifahrender Autos kommen werde. Zudem diene die …Straße in dem betreffenden Abschnitt als Wendehammer. Das Wenden sei jedoch nur möglich, wenn die Straße nicht zugeparkt sei. Andernfalls müssten die Verkehrsteilnehmer die …Straße rückwärts befahren, wobei die dargelegte Gefahr steige, da das Sichtfeld des Fahrzeugführers noch weiter eingeschränkt sei. Deshalb sei ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer erforderlich gewesen. Das Ermessen sei insoweit zu einer Rechtspflicht verdichtet gewesen. Eine andere Möglichkeit, die Gefahrenlage zu beseitigen, liege nicht vor. Insbesondere würden die Geschehnisse in der Vergangenheit zeigen, dass verkehrsrechtliche Maßnahmen im Einzelfall nicht ausreichend gewesen seien, um das Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs effektiv zu erreichen.
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Darüber hinaus teilte der Beklagte mit (Schriftsatz vom 29.9.2020), dass die Klage bereits unzulässig sei, da es sich bei der verkehrsrechtlichen Anordnung zur Verkehrszeichenanbringung vom 18. November 2019 um ein reines Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung handele. Der Kläger sei damit weder Adressat der Anordnung noch durch die Anordnung in seinen Rechten betroffen. Eine Begründung der Anordnung zur Verkehrszeichenanbringung sei deshalb mangels Verwaltungsaktsqualität nicht erforderlich gewesen. Dagegen sei das Halteverbot ein Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung, das jedoch mangels Anfechtung des Klägers bestandskräftig sei. Eine Begründung sei nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG entbehrlich. Zudem fehle es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis, da er mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Oktober 2019 selbst eine entsprechende Beschilderung gefordert habe und die Klage deshalb treuwidrig sei. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Die Begründung genüge Art. 39 BayVwVfG und könne jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 BayVwVfG nachgeholt werden, was mit Schriftsatz vom 4. August 2020 erfolgt sei. Zudem sei die Verkehrsschildanbringung materiell rechtmäßig. Das Ermessen sei vorliegend aufgrund der Gefahrenlage zu einer Rechtspflicht verdichtet gewesen. Ein Ermessensausfall könne daher nicht vorliegen. Jedenfalls habe der Beklagte die Ermessenserwägungen in zulässiger Weise ergänzen können. Der Kläger sei durch die verkehrsrechtliche Anordnung nicht in seinen eigenen Rechten verletzt. Er sei nicht von ihr betroffen. Die Parkmöglichkeit habe der Allgemeinheit und nicht auch den Interessen des Klägers gedient. Ein drittschützendes Parkrecht auf öffentlichen Straßen sei gesetzlich nicht vorgesehen. Im Übrigen bestehe kein Erfordernis für den Kläger, auf öffentlichem Grund zu parken, da er über ausreichende Stellplätze auf seinem Anwesen verfüge. Rein vorsorglich habe der Beklagte die streitgegenständliche verkehrsrechtliche Anordnung in ihrer Begründung durch eine insoweit ergänzende Anordnung geändert.
18
Dem Schriftsatz vom 29. September 2020 war die am 28. September 2020 getroffene „Anordnung zur Ergänzung“ der Anordnung vom 18. November 2019 beigefügt. Darin wird ausgeführt, dass eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs durch parkende Fahrzeuge bestehe, die in der …Straße Hindernisse bereiten, die den fließenden Verkehr erheblich beeinträchtigen. Zudem werde die Straße durch die parkenden Fahrzeuge sehr unübersichtlich für Fahrzeugführer und zwischen den Fahrzeugen auf die Straße tretende Fußgänger könnten leicht übersehen werden. Ebenso bestehe eine konkrete Gefährdung für die parkenden Fahrzeuge selbst und damit für erhebliche Sachwerte. Im Süden ende die …Straße ohne Fortsetzung an den nebeneinander liegenden Zufahrten der Grundstücke …Straße … und … Quellverkehr müsse zum Teil rückwärts auf die öffentliche Verkehrsfläche ausfahren und zur Weiterfahrt wenden, Zielverkehr müsse stets wenden. Das Wenden sei jedoch nur möglich, wenn die Straße nicht zugeparkt sei. Andernfalls müsse die Straße rückwärts befahren werden, wobei die Gefahr steige, da das Sichtfeld des Fahrzeugführers noch weiter eingeschränkt sei. Das Interesse einzelner Betroffener am Parken müsse hinter der Verkehrssicherheit zurückstehen.
19
Hierzu führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass Erwägungen, die ein Ermessen erkennen lassen, in der Begründung nicht ansatzweise angelegt seien. Eine Gefahrenlage sei in der Anordnung vom 18. November 2019 nicht geschildert. In der Begründung fehle jeglicher Bezug zu etwaigen Vorgängen in der …Straße. Der Anwendungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO sei nicht eröffnet, da überhaupt kein Ermessen ausgeübt worden sei. Der Kläger werde bei der Ausübung der Nutzung der Straße, insbesondere in seinem Einfahrtsbereich, im Anliegergebrauch beschränkt. Es spiele keine Rolle, ob und inwieweit der Kläger über Stellplätze auf seinem Anwesen verfüge. Die Anordnung vom 28. September 2020 stelle eine eigenständige Anordnung dar, die einem gesonderten Rechtsbehelf unterliege.
20
Der Kläger beantragt,
Die Anordnung des Beklagten vom 18. November 2019 wird aufgehoben.
21
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
22
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet, da die mit Aufstellung der Verkehrszeichen 290.1 und 290.2 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, lfd. Nr. 64 und 65) verlautbarte eingeschränkte Halteverbotszone in der …Straße mit der verkehrsrechtlichen Anordnung des Beklagten vom 18. November 2019 in der Fassung vom 28. September 2020 nicht rechtmäßig angeordnet wurde.
24
1. Die Klage ist als gegen die verkehrsrechtliche Anordnung des Beklagten vom 18. November 2019 in der Fassung vom 28. September 2020 zur Aufstellung des Verkehrszeichens „Beginn eines eingeschränkten Halteverbotes für eine Zone“ (Zeichen 290.1) und „Ende eines eingeschränkten Halteverbotes für eine Zone“ (Zeichen 290.2) gerichtete Anfechtungsklage zulässig, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Die verkehrsrechtliche Anordnung des Beklagten wurde durch die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen bekanntgemacht.
25
Die durch Verkehrszeichen verlautbarte verkehrsrechtliche Anordnung einer eingeschränkten Halteverbotszone in der …Straße stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des Art. 35 Satz 2 BayVwVfG dar (BVerwG, U.v. 27.1.1993 - 11 C 35/92 - BVerwGE 93, 32). Verkehrszeichen bedürfen einer (vorangehenden) verkehrsrechtlichen Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, die üblicherweise - wenn auch nicht zwingend - schriftlich ergeht und aus der sich die tragenden Gründe für die Anordnung ergeben (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auf. 2018, § 39 Rn. 31, § 45 Rn. 41). Erst die von den aufgestellten Verkehrszeichen ausgehenden Verbote sind dann als Verwaltungsakte verbindlich. Aufgrund der Rechtsnatur als Allgemeinverfügung mit Dauerwirkung beansprucht das Verkehrszeichen Geltung und entfaltet als Handlungsgebot oder - verbot Rechtswirkung gegenüber demjenigen, von dem es wahrgenommen werden kann bzw. der sich der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.1998 - 11 CS 98.2123 - juris).
26
Hiergegen kann gemäß § 42 Abs. 1 VwGO Anfechtungsklage erhoben werden, deren Anfechtungsfrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) für einen Verkehrsteilnehmer erst dann zu laufen beginnt, wenn sich der Betroffene als Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht (BVerwG, U.v. 13.12.1979 - 7 C 46.78 - juris Rn. 19; bestätigend BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 15 f.; s. auch VG Stuttgart, U.v. 18.12.2019 - 17 K 99/17 - juris Rn. 40). Die gemäß § 58 Abs. 2 VwGO wegen fehlender Rechtsmittelbelehrunggeltende einjährige Rechtsbehelfsfrist ist nicht abgelaufen, da das Verkehrszeichen erst am 19. November 2019 aufgestellt worden ist und der Kläger frühestens mit Aufstellung dem Verkehrszeichen erstmals von der Regelung betroffen war. Die Klage wurde vorliegend am 17. Dezember 2019 und damit unproblematisch innerhalb eines Jahres erhoben.
27
Der Kläger ist im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er kann geltend machen, durch die mit verkehrsrechtlicher Anordnung des Beklagten vom 18. November 2019 in der Fassung vom 28. September 2020 verfügte eingeschränkte Halteverbotszone in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ein Verkehrsteilnehmer kann als Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn betreffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben (BVerwG, U.v. 27.1.1993 - 11 C 35/92 - BVerwGE 92, 32). In diesem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) ist auch der Kläger selbst von der eingeschränkten Halteverbotszone als Verkehrsteilnehmer betroffen.
28
Dagegen kann sich der Kläger nicht auf eine Einschränkung seines Anliegergebrauchs berufen, da dieser lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks zur Straße schützt, soweit eine angemessene Nutzung des Grundstückseigentums die Benutzung der Straße erfordert. Nicht geschützt wird jedoch vor Einschränkungen und Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeit für ein innerörtliches Grundstück; ebenso vermittelt der Anliegergebrauch kein Recht auf einen eigenen Parkplatz vor bzw. in unmittelbarer Nähe eines Grundstücks (BayVGH, U.v. 15.3.2006 - 8 B 05.1356 - juris). Solche abwägungserheblichen qualifizierten (Anlieger-)Interessen des Klägers waren vorliegend nicht gegeben, da die Zugänglichkeit des klägerischen Grundstücks zur Straße durch die verkehrsrechtliche Anordnung selbst nicht tangiert war (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - W 6 K 19.1174 - juris Rn. 28).
29
Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass dem Kläger kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung zustehen könnte. Ein Rechtsschutzinteresse fehlt nur dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil bringt, es einfachere oder effektivere Möglichkeiten des Rechtsschutzes gibt oder sich die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes als rechtsmissbräuchlich erweist (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Vor § 40 Rn. 37). Hiervon ist entgegen der Auffassung der Beklagtenbevollmächtigten nicht auszugehen. Zwar mag mit der nun durch den Beklagten getroffenen Regelung dem Anliegen des Klägers, die Zufahrt zu seinem Grundstück zu gewährleisten, nachgekommen worden sein. Dem Schreiben des Klägers vom 9. Oktober 2020 ist aber nicht zu entnehmen, dass eine Beschilderung der …Straße als „eingeschränkte Halteverbotszone“ gefordert wurde. Dass sich die Klage vor diesem Hintergrund als rechtsmissbräuchlich erweist, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist für die Frage des Rechtsschutzinteresses der von dem Beklagten aufgeworfene Umstand, der Kläger verfüge über eigenen Parkplätze auf seinem Grundstück, unerheblich.
30
2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die von dem Beklagten in der …Straße vorgenommene Anordnung einer eingeschränkten Halteverbotszone, verlautbart durch Verkehrszeichen 290.1 und 290.2 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, lfd. Nr. 64 und 65), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da ihr keine rechtmäßige verkehrsrechtliche Anordnung zugrunde liegt. Es fehlt jedenfalls an der materiellen Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen verkehrsrechtlichen Anordnung.
31
Rechtsgrundlage für die verkehrsrechtliche Anordnung vom 18. November 2019 in der Fassung vom 28. September 2020 sind die § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 StVO. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Verkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Vorliegend stellt das eingeschränkte Halteverbot für eine Zone eine Beschränkung der Benutzung der Straße dar.
32
Allerdings ist hierbei § 45 Abs. 9 StVO zu beachten, der die Ermächtigungsgrundlagen konkretisiert und modifiziert. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Die Vorschrift des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO und die gleichlautende Vorschrift des § 39 Abs. 1 StVO zielen darauf ab, die allgemeinen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer aufzuwerten und die „Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung“ zu verdeutlichen (vgl. die Begründung des Bundesrates, VkBl. 1997, 687, 689 Nr. 9 und 690 Nr. 22). „Zwingend geboten“ ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschriften daher nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche oder allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2011 - 11 B 11.910 - juris).
33
Das Aufstellen von Verkehrszeichen hat damit Ausnahmecharakter. Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Darlegungslast, wenn sie sich für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheidet. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde ist vor Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung zu einer Prüfung der objektiven Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verpflichtet (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - W 6 K 19.1174 - juris Rn. 35 m.w.N.).
34
Maßgeblich ist aufgrund des Charakters der Verkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. wenn eine solche nicht durchgeführt wird, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 - 3 C 32/09 - juris Rn. 17). So können gemäß § 114 Satz 2 VwGO noch im Klageverfahren Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes ergänzt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Fälle, in welchen unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen jene, in denen es an Ermessenserwägungen bisher fehlte oder wesentliche Teile der Ermessenerwägungen nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114 Rn. 50; VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - W 6 K 19.1174 - juris Rn. 36).
35
Ob diese strengen Tatbestandsvoraussetzungen für eine verkehrsrechtliche Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO, d.h. eine objektive Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, vorliegend erfüllt sind, kann im Ergebnis dahinstehen. Insofern weist das Gericht lediglich darauf hin, dass für die Beurteilung, ob eine entsprechende objektive Gefahrenlage tatsächlich besteht, zunächst die Feststellung der Verkehrsverhältnisse vor Ort erforderlich ist, etwa durch eine Verkehrsschau mit der örtlich zuständigen Polizeidienststelle. Dem Beklagten kommt als zuständige örtliche Verkehrsbehörde jedoch insofern eine Einschätzungsprärogative zu.
36
Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Ermessensausübung des Beklagten. Denn bei einer verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die seitens des Gerichts nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Maßgeblich sind hierbei die in der verkehrsrechtlichen Anordnung selbst dargestellten Ermessenserwägungen (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Darlegungslast, wenn sie sich für die Anbringung eines Verkehrszeichens entscheidet (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - W 6 K 19.1174 - juris Rn. 57).
37
Aus der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 18. November 2019 und der beigezogenen Verwaltungsakte ist aber nicht ersichtlich, dass der Beklagte seiner nach Art. 40 BayVwVfG obliegenden Pflicht nachgekommen ist, das ihm eingeräumte Ermessen auszuüben. In der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 18. November 2019 heißt es insoweit nur, dass die verkehrsrechtliche Anordnung aus Gründen der Sicherheit und Ordnung zu vollziehen ist. Aus dieser Formulierung ist nicht erkennbar, ob sich der Beklagte bewusst war, dass die Anordnung im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde steht. Irgendwelche Erwägungen, ob eine solche Regelung zweckmäßig ist und warum sie gewollt wurde, lässt sich auch der Akte nicht recht entnehmen. Der Akte lässt sich insoweit nur entnehmen, dass der Beklagte aufgrund eines Nachbarschaftsstreits, der Polizei, Rathaus und Landratsamt beschäftigt, gehandelt hat. Erwägungen, aus denen sich z.B. entnehme ließe, ob der Beklagte die Belange von Personen, deren Interessen durch die getroffene Maßnahme u.U. nachteilig berührt werden, in dem gebotenen Umfang erfasst hat, und ob diese Aspekte in rechtsfehlerfreier Weise mit den Gesichtspunkten abgewogen wurden, die ggf. für die Einrichtung einer eingeschränkten Halteverbotszone sprechen, enthält weder die verkehrsrechtliche Anordnung selbst noch die beigezogene Behördenakte. Soweit die Beklagtenbevollmächtigte vorträgt, man habe sich ausführliche Gedanken gemacht, ist entgegenzuhalten, dass sich solche Erwägungen in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 18. November 2019 jedenfalls nicht widerspiegeln.
38
Die verkehrsrechtliche Anordnung ist deshalb ermessensfehlerhaft, da der Beklagte keinerlei Ermessen ausgeübt hat und nicht erkannte, dass ihm bezüglich der Anordnung Ermessen zusteht (sog. Ermessensausfall).
39
Eine Heilung des hier vorliegenden Ermessensausfalls ist auch über die Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO durch Nachschieben von Ermessenserwägungen nicht möglich. Danach kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut „ergänzen“ in § 114 Satz 2 VwGO ergibt, handelt es sich um Fälle, in denen bei einem Ermessensverwaltungsakt unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt werden. Die Anwendung der Vorschrift scheidet aus, wenn es an Ermessenserwägungen bisher fehlte, das Ermessen also gänzlich nicht ausgeübt wurde. Damit kann ein (völliges) Auswechseln der Ermessenserwägungen ebenso wie eine erstmalige Begründung einer Ermessensentscheidung, z.B., weil erst im Prozess erkannt wird, dass der Behörde ein Ermessensspielraum eröffnet ist, nicht unter § 114 Satz 2 VwGO subsumiert werden.
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So liegt der Fall hier, weil die streitgegenständliche verkehrsrechtliche Anordnung überhaupt keine Ermessensausübung erkennen lässt. Das Nachschieben von Ermessenserwägungen durch die Beklagtenbevollmächtigte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bewirkt deshalb nicht die Heilung der vorher ermessensfehlerhaften verkehrsrechtlichen Anordnung. Der Beklagte konnte auch durch die erlassene ergänzende Anordnung vom 28. September 2020 keine Ermessenserwägungen nachschieben. Das Gericht geht davon aus, dass in der Anordnung vom 28. September 2020 keine neue verkehrsrechtliche Anordnung zu sehen ist mit einer ggf. (ausdrücklichen oder konkludenten) Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 18. November 2019, da dies dem ausdrücklichen Wortlaut der „Anordnung zur Ergänzung der Anordnung vom 18. November 2019“ widersprechen würde. Auch die Beklagtenbevollmächtigte selbst geht insoweit von einer Änderung der ursprünglichen verkehrsrechtlichen Anordnung aus. Die ergänzende Anordnung vom 28. September 2020 ist insgesamt ersichtlich auf die Ergänzung von Ermessenserwägungen gerichtet, was sich jedoch im konkreten Fall nach oben Gesagtem als unzulässig darstellt und nicht zur Rechtmäßigkeit der verkehrsrechtlichen Anordnung führt.
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Soweit die Beklagtenbevollmächtigte vorträgt, das der Behörde eingeräumte Ermessen sei zu einer Rechtspflicht verdichtet gewesen, kann sie nicht durchdringen. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die angeordnete Maßnahme der eingeschränkten Halteverbotszone alternativlos ist. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Beklagte vorträgt, man habe auch andere Anordnungen, beispielsweise die Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereichs, geprüft. Diese Erwägungen verdeutlichen, dass der Beklagte selbst nicht von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen ist. Im Übrigen ist vorliegend nicht ersichtlich, ob anstelle der eingeschränkten Halteverbotszone nicht auch andere Maßnahmen, beispielsweise Grenzmarkierungen, dieselbe Wirkung erzielen könnten.
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Der Kläger ist als Verkehrsteilnehmer durch die rechtswidrige Anordnung der eingeschränkten Halteverbotszone in seinen Rechten verletzt.
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Die verkehrsrechtliche Anordnung zur Aufstellung der Verkehrszeichen einer eingeschränkten Halteverbotszone war daher aufzuheben. Dem Beklagten ist aufzugeben, die aufgestellten Verkehrszeichen zu beseitigen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Ludwigstraße 23, 80539 München (auswärtige Senate in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, d.h. insbesondere bereits für die Einlegung des Rechtsmittels beim Verwaltungsgericht. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.