Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 16.11.2020 – B 7 E 20.1226
Titel:

Verpflegung von Berufskraftfahrern in den Gaststättenräumen eines Autohofs während der Corona-Pandemie

Normenketten:
8. BayIfSMV § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Der im Gaststättenbereich eines Autohofs erfolgenden Verpflegung von Berufskraftfahrern, die auf Parkplätzen des Autohofs nächtigen, steht § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV nicht entgegen. Anwendbar ist vielmehr § 14 Abs. 1 iVm Abs. 2 der 8. BayIfSMV, der die Verpflegung unter Einhaltung der in § 14 Abs. 2 der 8. BayIfSMV enthaltenen Maßnahmen ermöglicht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Autohof ist von seiner Struktur vergleichbar mit einem Campingplatz, wie er in § 14 Abs. 1 S. 1 der 8. BayIfSMV genannt wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflegung von Berufskraftfahrern in den Gaststättenräumen eines Autohofs, soweit die Lkw-Fahrer auf dem Lkw-Parkplatz des Autohofs nächtigen, Versorgung von Berufskraftfahrern, Gaststättenraum, Parkplatz, Autohof, Infektionsschutz, Corona, Kontaktbeschränkung, Campingplatz
Fundstellen:
DVBl 2021, 399
LSK 2020, 33047
BeckRS 2020, 33047

Tenor

1. Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV in der ab 02.11.2020 geltenden Fassung sowie inhaltsgleiche Nachfolgeregelungen der Verpflegung von Berufskraftfahrern, die auf dem Lkw-Parkplatz des „Autohofs H …“ der Antragstellerin nächtigen, in den Gaststättenräumen des Autohofs nicht entgegenstehen, sofern die Vorgaben der jeweils gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit 8. BayIfSMV) und die Vorgaben zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Gegenstand des Rechtsstreits ist in der Sache die Frage, ob die einschlägigen Normen der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) so auszulegen sind, dass die Antragstellerin als Betreiberin eines Autohofs berechtigt ist, Lkw-Fahrer, die berufsbedingt in ihrem Fahrzeug auf dem Autohof nächtigen, in den Gaststättenräumen des Autohofs zu verpflegen.
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Die Antragstellerin betreibt den „Autohof H …“ an der Autobahn A9 in Oberfranken. Der Autohof ist an 365 Tagen im Jahr durchgehend geöffnet und es nächtigten dort jeden Tag durchschnittlich 60 Lkw-Fahrer. Der Autohof besteht insbesondere aus den Lkw-Stellplätzen, einem Tankstellenshop, einem Restaurant, einer Bar mit Nebenraum und einem Biergarten. Für Lkw-Fahrer fällt eine Übernachtungsgebühr in Höhe von 14,00 EUR inklusive Frühstück an (letzteres in einem Wert von max. 10,00 EUR, wobei die 10,00 EUR auch für ein Abendessen verwendet werden können). Mit der Gebühr wird die Lkw-Stellplatzmiete auf einem Sicherheitsparkplatz mit Videoüberwachung abgedeckt, ebenso kostenloses WLAN und kostenlose WC-Benutzung sowie kostenloses Trink- und Brauchwasser, ferner die kostenlose Nutzung der Räume des Autohofs, insbesondere des Gastronomiebereichs mit Fernsehübertragungen. Im Fall des Tankens an dem Autohof erfolgt die Abgabe von Kaffee kostenlos. Gegen eine geringe Gebühr besteht die Möglichkeit, die Duschen, Waschmaschinen und Trockner zu benutzen.
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Die Antragstellerin wandte sich nach Inkrafttreten der 8. BayIfSMV wegen der Möglichkeit der Bewirtung der bei ihr übernachtenden Lkw-Fahrer im Gastronomiebereich des Autohofs an das Landratsamt K … und erhielt von dort am 06.11.2020 die folgende Nachricht per E-Mail:
„Sehr geehrter Herr …,
bezugnehmend auf Ihre Anfrage hat sich zwischenzeitlich das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zum Betrieb der Autohöfe geäußert und an die unteren Vollzugsbehörden folgende Stellungnahme abgegeben:
Hinsichtlich der Nutzung der Autohofanlage zum Rasten, Tanken, Benutzung sanitärer Einrichtungen und Verzehr von Lebensmitteln kann mitgeteilt werden:
Hinsichtlich der Nutzung der Autohofanlage zum Rasten, Tanken und der Benutzung sanitärer Einrichtungen trifft die 8. BayIfSMV keine Vorgaben. Es gilt die allgemeine Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum (§ 3 Abs. 1), wonach der gemeinsame Aufenthalt mit Angehörigen des eigenen Hausstands sowie denen eines weiteren Hausstands mit einer Höchstzahl von 10 Personen gestattet ist.
Gastronomiebetriebe sind gem. § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV geschlossen. Zulässig ist gem. § 13 Abs. 2 der 8. BayIfSMV die Abgabe mitnahmefähiger Speisen und Getränke. Hierdurch ist die Versorgung gesichert. Die Abgabe von Speisen zum Verzehr in zur Verfügung gestellten Gasträumen steht in klarem Widerspruch hierzu. Ein Verbleib der Kunden an Ort und Stelle zum Verzehr soll nach dem Regelungsgedanken gerade ausgeschlossen werden.
Mit freundlichen Grüßen (…) Landratsamt K …“
4
Am 11.11.2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz ließ die Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt,
dass § 13 Abs. 1 der Achten Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) in der ab 2. November 2020 geltenden Fassung sowie inhaltsgleiche Nachfolgeregelungen der Verpflegung von Lkw-Fahrern, die auf dem Lkw-Parkplatz des „Autohofs H …“ der Antragstellerin beherbergt werden, in den Gaststättenräumen des Autohofs nicht entgegenstehen, sofern die geltenden Vorgaben der jeweils gültigen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (derzeit 8. BayIfSMV), zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz sowie folgende darüberhinausgehende Maßgaben eingehalten werden:
- die Gäste sitzen an Einzeltischen,
- der Abstand beträgt mindestens 3 Meter zueinander,
- die Antragstellerin arbeitet ein Schutz- und Hygienekonzept aus und legt dieses auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vor.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragstellerin gehe es darum, die bei ihr nächtigenden Lkw-Fahrer menschenwürdig und sicher zu verpflegen. Sie wolle - bildlich gesprochen - erreichen, dass der Lkw-Fahrer, der am Tag neun Stunden „auf dem Bock saß“, abends seine Currywurst im Warmen und Trockenen an einem Esstisch in menschenwürdiger Atmosphäre essen könne. Die Antragstellerin wolle die Lkw-Fahrer, die sie auf den Lkw-Stellplätzen des Autohofs beherberge, nicht wortwörtlich „im Regen stehen lassen“ während der Corona-Pandemie. Wie in einem anderen Beherbergungsbetrieb wolle die Antragstellerin ihre Gäste beherbergen und verpflegen.
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Bei dem Autohof der Antragstellerin handele es sich um einen anerkannten Betrieb der Infrastrukturvorsorge, der auch entsprechend an der Autobahn ausgeschildert sei. Er sei tatsächlich und rechtlich als Teil der Versorgungsinfrastruktur für Bundesautobahnen zu qualifizieren. Es gehe der Antragstellerin um die Bestätigung der Öffnung des Gastronomiebetriebs ausschließlich für die Lkw-Fahrer, die bei ihr nächtigen. Der Gastronomiebetrieb sei insoweit Teil des Beherbergungsbetriebs „Autohof“. Die Lkw-Stellplätze seien die Beherbergungsflächen, die Gastronomie im Autohof diene deren Versorgung. Sie müsse daher weiterhin offenhalten. Nur so könne die Antragstellerin den Lkw-Fahrern die Möglichkeit geben, ihr Essen wenigstens im Restaurant in menschenwürdigem Umfeld zu verzehren. Andernfalls müssten die Lkw-Fahrer das Essen in der Kälte in ihrem Führerhaus zu sich nehmen. Es könne nicht gewollt und nicht bezweckt sein durch die neue Corona-Verordnung, dass die Lkw-Fahrer hier gegenüber anderen Übernachtungsgästen im geschäftlichen Bereich derart diskriminiert würden. Selbstverständlich werde die Antragstellerin die üblichen Hygienestandards und die Mindestabstände einhalten bzw. mit dem beantragten Angebot sogar noch darüber hinausgehen zur Sicherheit aller. Eine Bewirtung anderer Gäste erfolge nicht. Die Antragstellerin stelle sicher, dass nur berechtigte Lkw-Fahrer das gastronomische Angebot nutzten.
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In rechtlicher Hinsicht wird weiter insbesondere ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch, da sie glaubhaft machen könne, dass § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV dem beanspruchten Betrieb aller Voraussicht nach nicht entgegenstehe. Hinsichtlich des Beherbergungsangebots gelte § 14 der 8. BayIfSMV, wonach die Gäste auch im Servicebereich versorgt werden dürfen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV dürften Übernachtungsangebote nicht nur von Hotels, sondern auch von „Beherbergungsbetrieben“ und „allen sonstigen gewerblichen Unterkünften“ für glaubhaft notwendige, insbesondere für berufliche und geschäftliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Im Falle der Antragstellerin handle es sich um eine glaubhaft notwendige, insbesondere für berufliche und geschäftliche Zwecke, Beherbergung der Lkw-Fahrer auf den Stellplätzen des Autohofs. Es wurde auf die einschlägigen Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer hingewiesen. Die Übernachtung - und entsprechende Verpflegung - sei damit gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Sie dürfe nicht umgangen werden. Im Rahmen des Beherbergungsbetriebs könne jedoch, wie der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 3 der 8. BayIfSMV zeige, auch eine Verpflegung erfolgen.
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Schon eine Auslegung nach dem Wortlaut ermögliche hier die begehrte Öffnung. Die Lkw-Stellplätze des Autohofs zählten zu den „sonstigen gewerblichen Unterkünften“, die für glaubhaft notwendige, insbesondere für berufliche und geschäftliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden müssten. Der „Restaurantbereich“ des Autohofs dürfe danach unter den Vorgaben des § 14 Abs. 2 der 8. BayIfSMV, deren Einhaltung die Antragstellerin zusichere, geöffnet bleiben. Auch eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck sowie der Systematik der genannten Regelungen lasse nicht darauf schließen, dass der Betrieb in der dargelegten Form unter den Begriff „Gastronomie“ falle (wurde näher erläutert). Es gebe keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei der vorliegenden Betriebsform ein signifikantes Infektionsrisiko gegenüber dem sonstigen Beherbergungsgewerbe bestehen würde.
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Die Antragstellerin wolle allerdings nicht das System als solches in Frage stellen, das der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinen jüngsten Eilverfahren auch noch einmal bestätigt habe. Sie wolle nicht die Verordnung „kippen“. Es gehe ihr nur um die Verpflegung der Lkw-Fahrer, die bei bloßer Auslegung der bestehenden Normen durchaus möglich und zulässig sei. Es gebe keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei der vorliegenden Betriebsform ein signifikantes Infektionsrisiko gegenüber dem sonstigen Beherbergungsgewerbe bestehen würde. Die Antragstellerin hält eine gegenteilige Auffassung für mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Ungleichbehandlungen dürften allenfalls aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt sei. Ferner wurde auf die Regelungen bzw. Handhabungen in anderen Bundesländern verwiesen.
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Die mit der begehrten einstweiligen Anordnung einhergehende partielle Vorwegnahme der Hauptsache sei mit Blick auf die dargelegte Grundrechtsbetroffenheit einerseits und auf die bei etwaig sich verschärfender Sach- und Rechtslage jederzeit gegebene Reversibilität der Regelung andererseits gerechtfertigt (wurde ausgeführt).
11
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
12
Es brauche vorliegend nicht vertieft zu werden, ob der Antrag in dieser Form statthaft sei, zumal das Gericht, wenn es ihm stattgeben würde, ggf. selbst rechteschöpfend tätig werden müsste, indem es neue Normen kreiere (etwa die Vorgabe eines Abstands von drei Metern, der seitens der Legislative oder Exekutive bisher nicht vorgegeben sei). Dies erscheine mit Blick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz zumindest problematisch. Es könne vorliegend auch dahinstehen, ob der Antrag im Übrigen, etwa wegen einer zu erörternden unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig sei. Ebenfalls könne dahinstehen, ob die begehrte Feststellung dem Gericht erst möglich wäre, wenn tatsächlich seitens der Antragstellerin ein den Anforderungen des § 13 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 4 der 8. BayIfSMV - letzteres nachdem die Antragstellerin als Beherbergungsbetrieb gelten wolle - entsprechendes Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet und vorgelegt werde.
13
Es wurde hingewiesen auf ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis für Vorratsbeschlüsse bzw. bei Rechtsmissbrauch. Bisher sei soweit ersichtlich nicht vorgetragen, dass ein solches Konzept überhaupt schon bestehe. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, zumal bereits ein Anordnungsgrund nicht vorliege. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes würde jedenfalls voraussetzen, dass der Betrieb der Antragstellerin als Beherbergungsstätte anzusehen wäre, weil er unter die „sonstigen gewerblichen Unterkünfte“ nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV fallen würde. Dies sei entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht der Fall. Eine Unterkunft im gemeinen Wortsinn setze zumindest ein Mindestmaß eines (vom Beherbergungsbetrieb gestellten) Obdachs voraus. Autohöfe bzw. Rastanlagen böten ein solches Obdach auf den Parkflächen der Autohöfe für Ruhepausen und Schlafzeiten der Lkw-Fahrer gerade nicht. Es handele sich vielmehr üblicherweise um glatte Asphalt-/Betonböden. Als Obdach, das der Fahrer nutze, käme allenfalls seine Fahrerkabine in Betracht. Das mache allerdings aus dem Rastanlagenbetreiber noch keinen Beherbergungsbetrieb. Spönne man den Gedanken der Antragstellerin nach ihrem Wortlautverständnis der Norm zu Ende, würde zuletzt auch jeder beliebige Parkplatz oder sogar jede beliebige Straße, auf dem oder der nachts Lkw zulässigerweise stünden, zum Beherbergungsbetrieb mutieren. Das dies auch nicht dem Telos der Norm entspreche, dürfte sich von selbst verstehen. Es sei ebenso nicht Telos der Norm, über ein möglichst weites Verständnis des § 14 der 8. BayIfSMV das grundsätzliche Verbot der Gastronomie nach § 13 der 8. BayIfSMV aufzuweichen und damit - ohne Not - potentiell verstärkte Infektionsmöglichkeiten zu eröffnen, die sich im Falle des Zusammenkommens von Menschen leider bei jedem noch so ausgeklügelten Schutz- und Hygienekonzept ergäben. Vielmehr ziele das Gesamtkonzept des Verordnungsgebers darauf, Infektionsketten nach Möglichkeit durch die Verringerung von Kontakten zu unterbrechen.
14
Das Normverständnis der Antragstellerin sei auch nicht aufgrund einer etwaigen verfassungskonformen Auslegung zwingend. Insbesondere verstoße die seitens des Antragsgegners beabsichtigte und vertretene Auslegung nicht gegen höherrangiges Recht (wird umfangreich erläutert). Dem Antragsgegner sei bewusst, dass damit Maßnahmen, die aus seiner Sicht „notwendige Schutzmaßnahmen“ i.S.v. § 28 Abs. 1 IfSG seien, keinen rein infektiologischen oder epidemiologischen Hintergrund hätten. Vielmehr spielten neben der unmittelbaren Infektionsgefahr auch weitere Aspekte und Kriterien, wie die Akzeptanz der Anordnungen und die Kontrollierbarkeit ihrer Beachtung, eine Rolle. Nur so könne nach Ansicht des Antragsgegners ein auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechendes Regelungskonvolut hergestellt werden. Soweit die Kriterien der Verhältnismäßigkeit (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit) auch in der wissenschaftlichen Diskussion verschiedenster, durchaus nicht nur medizinischer Disziplinen umstritten seien und auch mit einem zu mehr als 75% „diffusen“ Infektionsgeschehen tatsächliche Ungewissheiten in Bezug auf die infektiologische und epidemiologische Ausgangslage bestünden, sei daran zu erinnern, dass diese Umstände dem Antragsgegner einen Einschätzungsspielraum eröffneten, von dem er Gebrauch gemacht habe. Es sei auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG ersichtlich. Da die Übernachtung auf Autohöfen außerhalb von konkreten Gebäuden und in eigenen Fahrzeugen stattfinde, bestehe nach Auffassung des Antragsgegners keine vergleichbare Lage mit Hotels, in deren Räumlichkeiten sich die Übernachtungsgäste bereits befänden. Die Lkw-Fahrer würden vielmehr den (laut Antragstellerin) „Beherbergungsbetrieb“ nur für das Essen vor und nach der Rast bzw. dem Schlafen aufsuchen. Daher bestehe kein Unterschied zur regulären Gastronomie und es würden gemäß § 14 Abs. 3 der 8. BayIfSMV die Vorschriften des § 13 der 8. BayIfSMV über Gastronomiebetriebe gelten. Dementsprechend seien gemäß § 13 Abs. 2 der 8. Baylf8MV nur die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken zulässig. Das Ansinnen des … gehe vielmehr letztlich dahin, Geschäftsreisende ganz allgemein gastronomisch versorgen zu können (vorgelegt wurde ein Schreiben der … vom 02.11.2020 an die Verkehrsminister der Länder). Dies verlasse die von der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder vereinbarte Linie und würde eine sektorale Teilöffnung der Gastronomie bedeuten, die angesichts der insbesondere im Freistaat Bayern derzeit rasant ansteigenden Zahl der Neuinfizierten mit der aktuellen Rechts- und Infektionslage unvereinbar sei. Auch die seitens der Antragstellerin ins Feld geführte Menschenwürde der Lkw-Fahrer gebiete keine andere Betrachtung. Dabei könne dahinstehen, inwieweit sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren überhaupt auf Grundrechte Dritter stützen könne, denn der Schutzbereich der Menschenwürde nach Art. 1 GG sei vorliegend schon nicht eröffnet. Der Antragsgegner halte die mehrfache antragstellerseitige Beschreibung des „take-away“ als menschenunwürdig für stark überzogen. Dies halte der Antragsgegner vorliegend schlicht für abwegig, zumal die Lkw-Fahrer nicht, wie die Antragstellerin behaupte, „im Regen stehen gelassen“ würden. Sie könnten vielmehr bei schlechter Witterung in der Fahrerkabine essen und täten dies nach Kenntnis des Antragsgegners auch sonst durchaus nicht selten. Ebenso wenig wie die Übernachtung in der Kabine menschenunwürdig sei, sei es die Essensaufnahme darin. Auch ein laienhafter Gebrauch des Wortes „menschenunwürdig“ ergebe nichts anderes. Zudem seien die Fahrerkabinen durchaus regelmäßig auch im Stand zu beheizen. Auch sonstiges übergeordnetes Recht gebiete keine abweichende Auslegung der Norm (wurde weiter ausgeführt).
15
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag ist zulässig und begründet.
17
a) Der Antrag ist zulässig.
18
Insbesondere wurde der Eilantrag in der vorliegenden Konstellation ordnungsgemäß erhoben mit zutreffender Bezeichnung der Vertretungsbehörde des Antragsgegners. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat offensichtlich Vollzugshinweise für die nachgeordneten Behörden herausgegeben, denen das Landratsamt Kulmbach ohne weitere Einzelfallerwägung gefolgt ist und auf die sich die untere Vollzugsbehörde in ihrer E-Mail-Nachricht an den Bevollmächtigten der Antragstellerin bezogen hat. Überdies hat sich das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in der Sache geäußert und dabei keine Bedenken gegen das von der Antragstellerin angenommene Vertretungsverhältnis vorgetragen.
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Der Antrag erweist sich auch nicht deshalb als unzulässig, weil dieser für das Gericht mit einer rechtsschöpfenden Tätigkeit verbunden wäre oder dieses neue Normen kreieren müsste, wie von Seiten des Antragsgegners eingewandt wurde. Inmitten des Verfahrens steht vielmehr die Auslegung des § 14 Abs. 1 der 8. BayIfSMV. Es liegt weder eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor, noch kann von einem Rechtsmissbrauch oder einem „Vorratsbeschluss“ die Rede sein. Insbesondere ist für die Zulässigkeit des Eilantrags nicht erforderlich, dass die Antragsgegnerin bereits über ein fertig ausgearbeitetes Schutz- und Hygienekonzept nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 der 8. BayIfSMV verfügt, denn es geht in der vorliegenden Sache zunächst um die Fragestellung, ob § 14 der 8. BayIfSMV überhaupt einschlägig ist oder ob dem sachlichen Antragsbegehren der Antragstellerin bereits § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV entgegensteht. Es versteht sich, dass eine Verpflegung von nächtigenden Lkw-Fahrern in den Gaststättenräumen der Antragstellerin erst dann erfolgen darf, wenn alle materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, sei es solche, die § 14 Abs. 2 der 8. BayIfSMV statuiert oder etwaige (weitergehende) örtliche Vorgaben zum Infektionsschutz.
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b) Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
21
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
22
aa) Der Anordnungsgrund folgt vorliegend ohne Weiteres aus der Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Feststellung.
23
bb) Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
24
Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kann die Antragstellerin in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Feststellung entsprechend dem Tenor dieses Beschlusses für sich beanspruchen, so dass auch die mit dem vorliegenden Eilantrag einhergehende vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt erscheint (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123, Rn. 25 ff.).
25
Der Verpflegung solcher Lkw-Fahrer, die auf den kostenpflichtigen Lkw-Parkplätzen des „Autohofs H …“ nächtigen, in den Gaststättenräumen des Autohofs, steht nämlich nicht § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV entgegen. Vielmehr kommt für die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts § 14 Abs. 1 Satz 1 i.Vm. Abs. 2 der 8. BayIfSMV zum Zug, der die entsprechende Verpflegung unter Einhaltung der in § 14 Abs. 2 der 8. BayIfSMV enthaltenen Maßgaben ermöglicht. Dass die 8. BayIfSMV von einer Zulässigkeit der Verpflegung von Gästen im Gaststättenbereich ausgeht, soweit ein Übernachtungsangebot im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV in Anspruch genommen wird, also insbesondere die Übernachtung einen glaubhaft notwendigen (z.B. beruflichen) Zweck verfolgt, zeigt bereits der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 3 der 8. BayIfSMV („Restaurantbereich“).
26
§ 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV liegt nach seinem Wortlaut, soweit es um die in Betracht kommenden Übernachtungsangebote geht, ein durchaus weitgefasster Anwendungsbereich zugrunde. Die Norm zählt neben Hotels, Beherbergungsbetrieben u.a. auch „alle sonstigen gewerblichen Unterkünfte“ auf. Um zumindest als „sonstige gewerbliche Unterkunft“ eingestuft zu werden, ist nicht erforderlich, dass das Nächtigen in den Räumlichkeiten des jeweiligen Betriebes, z.B. Hotels, erfolgt. Dieses Verständnis der Norm ergibt sich vor allem daraus, dass auch Campingplätze ausdrücklich in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV einbezogen sind. Charakteristisch für Campingplätze ist jedoch, dass dort ein abgegrenztes (häufig umzäuntes) Gelände vorzufinden ist, auf dem Camping möglich ist, d.h. der Aufenthalt mit Zelten, Wohnwagen oder Wohnmobilen. Dies geschieht meist im Rahmen der Freizeitgestaltung, gelegentlich aber auch mit beruflichem Hintergrund, z.B. bei Monteuren (vgl. Wikipedia, „Campingplatz“). Es kommt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV auch nicht darauf an, ob auf dem Campingplatz in eigenen Behausungen (Wohnwagen, etc.) genächtigt wird oder in solchen, die von Seiten des Betreibers gestellt werden.
27
Eine Einstufung vorliegenden Sachverhalts als Beherbergung/Unterkunft im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV steht auch nicht das allgemeine Verständnis des Wortes „beherbergen“ entgegen. Dieses hat neben der Bedeutung, jemanden als Gast bei sich aufzunehmen bzw. ihm Unterkunft zu bieten die weitere Bedeutung, jemandem den Raum für etwas zu bieten, wobei im „Duden“ das Beispiel, dass ein Zelt nicht alle habe beherbergen können, ausdrücklich genannt wird (https://www...de/rechtschreibung/beherbergen).
28
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass der gebührenpflichtige Autohof der Antragstellerin mit verschiedenen Leistungen zugunsten der Lkw-Fahrer (Überwachung, Waschmaschine, Trockner, kostenloses Trink- und Brauchwasser, etc.) in Bezug auf die hier inmitten stehende Problematik keineswegs wie jeder sonstige Parkplatz oder gar jeder Bereich einer öffentlichen Straße zu würdigen ist, auf dem zulässigerweise Lkw abgestellt werden dürften, so dass die Fahrer in den Kabinen nächtigen können. Ein Autohof wird nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift nur dann angeordnet, wenn eine ganze Reihe von Voraussetzungen kumulativ erfüllt wird, insbesondere muss von 11 bis 22 Uhr ein umfassendes Speisenangebot und außerhalb dieser Zeit Getränke und Imbiss angeboten werden, sanitäre Einrichtungen müssen gerade für die besonderen Bedürfnisse des Fahrpersonals vorhanden sein und es ist eine ganzjährige ganztägige Öffnung des Autohofs vorgesehen (vgl. VwV-StVO, Erläuterungen zu Zeichen 448.1). Damit erscheint ein Autohof von seiner Struktur durchaus vergleichbar mit einem Campingplatz, wie er in § 14 Abs. 1 Satz 1 der 8. BayIfSMV genannt wird, dann auch dort finden sich häufig Infrastruktureinrichtungen und ggf. auch ein „Restaurantbereich“, auf den § 14 Abs. 2 Nr. 3 der 8. BayIfSMV verweist und in dem etwa Frühstück angeboten wird. Darüber hinaus dient ein Autohof in Bezug auf den hier relevanten Aspekt des Nächtigens nahezu ausschließlich der Unterbringung und Verpflegung von Berufskraftfahrern, während insbesondere bei Campingplätzen die Freizeitgestaltung im Vordergrund steht.
29
Abweichend von der beantragten Tenorierung war klarstellend in den Tenor des Beschlusses aufzunehmen, dass die Verpflegung nur solcher Berufskraftfahrer nicht nach § 13 Abs. 1 der 8. BayIfSMV untersagt ist, die auf dem Autohof der Antragstellerin nächtigen. Genau dies entspricht jedoch, wie sich aus der Begründung der Antragsschrift ergibt, dem Begehren der Antragstellerin. Eine allgemeine gastronomische Versorgung von Geschäftsreisenden ist nach § 13 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 der 8. BayIfSMV unter der geltenden Verordnungslage nicht zulässig. Soweit die Antragstellerin nach der beantragten Tenorierung beabsichtigt, gegenüber den derzeit üblichen Regelungen der einschlägigen Schutz- und Hygienekonzepte verschärfte Anforderungen umzusetzen (z.B. Abstand von 3 m), bedarf es einer Tenorierung in diesem Beschluss nicht.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.