Titel:
Grenzen der Urlaubsabgeltung bei Beamten
Normenketten:
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1, Abs. 2
UrlMV § 9 Abs. 1 S. 1
BayBG Art. 66
Leitsatz:
Der Anspruch eines Beamten auf Urlaubsabgeltung ist auf den europarechtlichen Mindesturlaub begrenzt, vermindert um Urlaubstage, die der Beamte tatsächlich eingebracht hat. Unerheblich ist, ob es sich bei dem eingebrachten Urlaub um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Begrenzung des Umfangs des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf 20 Arbeitstage pro Kalenderjahr (bei 5-Tage-Woche) rechtmäßig, Beamter, Erholungsurlaub, Beendigung des Beamtenverhältnisses, Eintritt in den Ruhestand, Dienstunfähigkeit, Urlaubsabgeltung, Mindesturlaub, eingebrachter Urlaub, Europarecht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 33044
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids und begehrt die Abgeltung von insgesamt 60 Urlaubstagen für die Jahre 2017 und 2018, die er vor Ruhestandseintritt aufgrund inzwischen eingetretener Dienstunfähigkeit nicht hat in Anspruch nehmen können.
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1. Der Kläger stand vom 01.03.1980 bis zum 31.12.2018, zuletzt im Amt eines Polizeihauptkommissars (Bes-Gr. A11), im Dienst des Beklagten und hatte bei der Verkehrspolizeiinspektion Bamberg Dienst getan. Seit dem 21.04.2017 war er durchgängig erkrankt und wurde daher mit Ablauf des 31.12.2018 gemäß § 21 Nr. 4 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 66 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) in den Ruhestand versetzt. Zuvor hatte sich der Kläger im Jahr 2017 vom 01.01. bis 08.01. und vom 13.03. bis 31.03. (= 19 Arbeitstage) in Urlaub befunden.
3
Mit Schreiben vom 05.12.2018 wandte sich der Kläger an den Beklagten und teilte mit, dass er aus den Urlaubsjahren 2017 und 2018 noch insgesamt 60 Tage Anspruch auf Urlaub habe, die er aus krankheitsbedingten Gründen nicht habe in Anspruch nehmen können. Er beantrage daher für diese Tage entsprechende Urlaubsabgeltung.
4
Mit Schreiben vom 17.01.2019 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass rechtliche Grundlage für seinen Anspruch § 9 der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV) sei. Hierzu hätten der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht in Anlehnung an Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG entschieden, dass ein Anspruch auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub bestehe und die Voraussetzungen sowie die Höhe des Abgeltungsanspruchs näher ausgeführt. Danach seien im Falle des Klägers, der bei Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt keinen Erholungsurlaub mehr habe einbringen können, jeweils nur ein Anspruch von 20 Tagen pro Urlaubsjahr abzugelten. Darauf seien aus dem Jahr 2017 eine in Anspruch genommene Freistellung von insgesamt 19 Tagen (Urlaub vom 01.01. bis 08.01.2017 und vom 13.03. bis 31.03.2017) anzurechnen. Der Umfang des Abgeltungsanspruchs betrage daher insgesamt 21 Tage.
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Mit Schreiben vom 29.01.2019 erhob der Kläger Widerspruch gegen dieses Schreiben des Beklagten. Gemäß der geltenden Bayerischen Urlaubsverordnung stünde einem Beschäftigten ab dem 40. Lebensjahr ein tarifrechtlicher Mindesturlaub von 30 Tagen zu. Dieses Lebensjahr habe er im Dezember 2002 erreicht. Mit seiner Vorgehensweise würde der Beklagte den Jahresurlaub aus 2016, den der Kläger gemäß den geltenden Vorschriften teilweise (= 19 Tage) in 2017 eingebracht habe, zu 100% auf den Jahresurlaub 2017 anrechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Rundung des § 3 Abs. 3 Satz 4 UrlMV treffe nicht zu. Der Kläger habe sich während des gesamten Zeitraums im Beamtenverhältnis befunden, so dass keine Rundung zulässig sei. Die Berechnungsweise, wie sie der Beklagte vorgenommen habe, stelle eine klare Benachteiligung eines langfristig Erkrankten gegenüber einem kurzfristig Erkrankten oder einem nicht Erkrankten (in Elternzeit Befindlichen) dar. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei vom EuGH bereits 2013 mit dem Urteil C-335/11 und C-337/11 klargestellt worden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV sei, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub aufgrund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich gewesen sei, der Urlaub der einzelnen Kalenderjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibe. Die Vorschrift entspreche einfachgesetzlich den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG. Der darüber hinausgehende Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen nach § 3 Abs. 1 UrlMV sei nicht abzugelten, da sich der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränke. Zudem sei der Jahresurlaub aus 2016, welchen der Kläger gemäß den geltenden Vorschriften in Höhe von 19 Tagen in 2017 eingebracht habe, auf den Urlaubsabgeltungsanspruch für das Kalenderjahr 2017 anzurechnen. Es sei die Zahl an Urlaubstagen abzugelten, die nötig gewesen wäre, um den Mindesturlaubszeitraum von vier Wochen zu erreichen. Eine Rundung nach § 3 Abs. 3 Satz 4 UrlMV habe nicht stattgefunden. Eine vermeintlich Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) widersprechende Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.
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Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am 28.02.2019 zugestellt.
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2. Mit Schriftsatz vom 14.03.2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 27.03.2019, erhob der Kläger Klage mit den Anträgen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Widerspruchsbescheid vom 20.02.2019, … aufzuheben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, die Urlaubsabgeltung von 60 Tagen abzüglich der bereits gewährten 21 Tage anzuerkennen.
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Das Vorgehen des Beklagten berücksichtige in keiner Weise die andauernde Erkrankung des Klägers seit 2014. Er übersehe auch, dass die RL 2003/88/EG sich auf die RL 89/391/EWG vom 12.06.1989 stütze, die eine Verschlechterung bereits vereinbarter arbeitsrechtlicher Vorschriften untersage. Der Beklagte verkenne, dass bei einer vorliegenden längerfristigen chronischen Erkrankung gemäß Terminologie des Unionsrechts von einer Behinderung auszugehen sei und der Erkrankte einen besonderen Schutz vor Diskriminierung zu erhalten habe. In einer Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2013 werde unter Bezugnahme auf die RL 2000/78/EG und § 3 i.V.m. § 1 AGG festgehalten, dass eine Benachteiligung aufgrund einer chronischen Erkrankung vorliege, wenn eine Person aufgrund ihrer chronischen Krankheit im Vergleich zu Personen, die die entsprechende Krankheit nicht aufwiesen, ein Nachteil zugefügt werde. Auf S. 74 werde festgestellt, dass eine chronische Krankheit unter den Begriff der Behinderung in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 1 AGG zu subsumieren sei, sofern diese unmittelbar oder mittelbar zu einer Teilhabebeeinträchtigung führe. Durch die Anrechnung des eingebrachten Jahresurlaubs aus 2016 in den Monaten Januar und März 2017 entstehe dem Kläger eine Benachteiligung, welche weder in der UrlMV noch in den anderen hier angeführten Gesetzesnormen erwähnt oder berücksichtigt werde. Sollte der Dienstherr die Einbringung eines Jahresurlaubs im Kalenderjahr für erforderlich halten, so könne er dies jederzeit regeln. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 05.04.2019 beantragte der Beklagte:
11
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wiederholte er seine im Verwaltungsverfahren dargelegten Argumente.
13
Mit Schriftsatz vom 19.05.2019 ergänzte der Kläger, dass nach Art. 23 RL 2003/88/EG die Richtlinie keine wirksame Rechtfertigung für eine Zurücknahme des allgemeinen Arbeitsschutzes darstelle. Er widerspreche auch den Ausführungen, dass die eingebrachten Urlaubstage unabhängig vom Entstehungszeitraum im jeweiligen Kalenderjahr zu berechnen seien. Dies stelle einen Ermessensmissbrauch dar. Dem Kläger sei eine Ansparung von 15 Tagen für den Jahresurlaub 2017 gemäß § 8 UrlMV bis Ende 2020 genehmigt worden, sowie eine Einbringungsfrist bis Ende 2018 für die restlichen 15 Tage des Jahresurlaubs von 2017 gewährt worden, ohne dass der Kläger dies habe in besonderem Umfang beantragen müssen. Dies zeige, dass der Beklagte von seinem Recht auf Ermessen grundsätzlich sehr großzügig Gebrauch mache. Die Reduzierung auf das laufende Kalenderjahr und die Verkürzung auf 20 Tage verstoße ganz klar gegen die vom Beklagten selbst vereinbarten Auslegungen. Damit stelle die jetzige Vorgehensweise eine unzulässige Verschlechterung dar. Auch den Ausführungen des Beklagten zur Gleichstellung eines chronisch Erkrankten mit Behinderten widerspreche der Kläger.
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Mit Schriftsatz vom 28.05.2019 erwiderte der Beklagte, dass der Kläger durchgehend den Unterschied zwischen einem Urlaubsanspruch und entsprechender Verlängerungsmöglichkeiten der Einbringung einerseits, sowie dem Abgeltungsanspruch in Geld gemäß § 9 Abs. 1 UrlMV andererseits verkenne.
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Mit Schreiben vom 03.07.2019 ergänzte der Kläger abschließend, dass die Erkrankung, die zu seiner vorzeitigen Pensionierung geführt habe, ausschließlich auf dienstlichen Ursachen beruhe. Im Übrigen wiederholte seine bisherige Argumentation.
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Mit Schriftsatz vom 03.06.2020 erklärte der Beklagte sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Der Kläger erklärte sich mit Schreiben vom 05.06.2020 ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
17
Im Übrigen wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Aufgrund der mit Schriftsätzen vom 03.06.2020 bzw. 05.06.2020 erklärten Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
19
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 17.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
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1. Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung der nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt sich vorliegend weder aus § 9 UrlMV noch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG.
21
Nach früherer Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, B.v. 31.7.1997 - 2 B 138/96 - juris) wurde ein Urlaubsabgeltungsanspruch eines Beamten mangels nationaler Regelung abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist aber mittlerweile geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind und damit einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben (EuGH, B.v. 14.7.2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111, Rn. 57ff.; U.v. 3.5.2012 - Rs. C-337/10, Neidel - Abl. EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688, Rn. 22).
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Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG hat zwar unmittelbar nur den Inhalt, dass der in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG geregelte bezahlte Mindesturlaub von vier Wochen (bei einer Fünf-Tage-Woche somit 20 Tage) „außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden“ darf. Durch die Regelung wird aber ein Urlaubsabgeltungsanspruch für diesen Mindesturlaub begründet, da die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand nach § 21 Nr. 4 BeamtStG eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - NVwZ 2013, 1295).
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Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 1.12.2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253, Rn. 53) bleibt zwar nach Art. 15 RL 2003/88/EG u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG hat der EuGH auch entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse. Dies führe zur Verpflichtung, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten.
24
Aus diesem Grund weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt ist. Der EuGH hat im Urteil vom 03.05.2012 (Rs. C-337/10 - NVwZ 2012, 688 Rn. 35ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - NVwZ 2013, 1295 Rn. 12).
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Entsprechendes sieht nunmehr auch § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV vor. Demnach ist, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich war, der Urlaub der einzelnen Kalenderjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibt. Mithin beschränkt sich auch die nunmehr geschaffene nationale Abgeltungsregelung auf den Mindesturlaub.
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Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 2 C 10/12 - NVwZ 2013, 1295 Rn. 24). Von der Regel, dass es nicht auf den Rechtsgrund für die genommenen Urlaubstage ankommt, gibt es nur insoweit eine Ausnahme, als Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind. Ohne dass es einer genauen Zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen Urlaubsjahr bedarf, können Urlaubstage noch dem Vorjahr zugeordnet werden, wenn der Mindesturlaub des Vorjahres noch nicht eingebracht wurde (vgl. VG Regensburg, U.v. 10.10.2014 - RN 1 K 13.1973 - juris Rn. 52).
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Gemessen an diesen Maßstäben steht dem Kläger eine finanzielle Abgeltung der nicht eingebrachten Urlaubstage nicht zu.
28
a) Rechnerisch richtig hat der Beklagte dem Kläger einen abgeltungsfähigen Erholungsurlaub in Höhe von insgesamt 21 Tagen verbeschieden. Entgegen der klägerischen Rechenweise, wonach in Anlehnung an den ihm grundsätzlich zustehenden Umfang von Erholungsurlaub in Höhe von 30 Tagen je Kalenderjahr nach § 3 Abs. 1 UrlMV auszugehen und dabei zu berücksichtigen sei, dass der im Jahr 2017 in Anspruch genommene Urlaub sämtlich einen noch aus dem Jahr 2016 übrigen Anspruch auf Erholungsurlaub betreffe, ist der Beklagte von einem grundsätzlich abgeltungsfähigen Urlaubsanspruch von maximal 20 Tagen je Kalenderjahr in Anlehnung an die für den Kläger geltende Fünf-Tage-Woche ausgegangen. Hiervon hat er - in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung - ungeachtet des Entstehungszeitpunkts des betreffenden Urlaubsanspruchs den im Jahr 2017 eingebrachten Erholungsurlaub in Höhe von 19 Arbeitstagen abgezogen und hat dadurch einen Abgeltungsanspruch in Höhe von einem Arbeitstag für das Kalenderjahr 2017 errechnet. Für das Jahr 2018 hat er den vollen Abgeltungsanspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV in Höhe von 20 Tagen für den Kläger als abgeltungsfähig anerkannt und kam damit in den angefochtenen Bescheiden zutreffend zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch von insgesamt 21 Tagen anstelle der vom Kläger errechneten 60 Tage.
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b) Die Einwände des Klägers gegen die nach Auffassung des erkennenden Gerichts vom Beklagten zutreffend vorgenommene Berechnung vermögen nicht zu überzeugen.
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Zunächst verfängt der Einwand, dass es sich bei dem in 2017 in Anspruch genommenen Urlaub um übertragene Urlaubstage aus dem Jahr 2016 handle, sodass der volle Anspruch aus dem Jahr 2017 noch abzugelten sei, nicht. Dagegen steht die eindeutige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2003/88/EG nach dem Zweck dieser Norm nur darauf ankommt, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, Az.: 2 C 10/12, NVwZ 2013, 1295 Rn. 23, beck-online).
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Auch der weitere Einwand des Klägers, dass man ihn als chronisch Erkrankten einem Behinderten hätte gleichstellen müssen, greift nicht durch. Es sind keine rechtlichen Grundlagen erkennbar, die für diese Rechtsauffassung des Klägers sprechen. Vielmehr verhält es sich so, dass die Vorschriften des Art. 7 RL 2003/88/EG und § 9 UrlMV gerade den Zweck haben, Benachteiligungen von Arbeitnehmern und Beamten zu vermeiden, die aufgrund einer längerfristigen Erkrankung bis zum Ruhestandseintritt an der Einbringung von Erholungsurlaub gehindert waren. Dass diese Vorschriften keine unbegrenzte Abgeltungsmöglichkeit eröffnen, steht diesem Zweck nicht entgegen.
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Des Weiteren kann das Gericht auch der Argumentation des Klägers, er würde im Vergleich zu in Elternzeit befindlichen Beamten mit den Vorschriften, die auf seinen Fall angewandt würden, grundgesetzwidrig schlechter gestellt, nicht folgen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet anerkanntermaßen lediglich die Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte und Fallgestaltungen. Von den in Elternzeit befindlichen Beamten unterscheidet den Kläger aber bereits wesentlich im grundrechtlich relevanten Sinn, dass Erstere nach einem zeitlich fest vorgegebenen und auch im Vorhinein absehbaren Zeitraum wieder in den Dienst zurückkehren, was auf den Kläger gerade nicht zutrifft.
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Entgegen dem klägerischen Vorwurf ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagtenseite zu Unrecht von der hier nicht anzuwendenden Rundungsregelung des § 3 Abs. 3 Satz 4 UrlMV Gebrauch gemacht hätte. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift steht dem Betroffenen für jeden vollen Kalendermonat ein Zwölftel des Erholungsurlaubs zu, wenn das Beamtenverhältnis im Lauf des Kalenderjahres beginnt oder endet. Nach Absatz 3 Satz 4 sind rechnerische Bruchteile von Urlaubstagen kaufmännisch zu runden. Der Beklagte hat erkennbar von dieser Regelung im Fall des Klägers keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger erhebt Anspruch auf Abgeltung von jeweils 30 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und 2018. Der Beklagte legt als Basis für den Abgeltungsanspruch - wie oben ausgeführt - eine Summe von 20 Urlaubstagen je Kalenderjahr zugrunde und zieht hiervon für das Jahr 2017 die 19 unstreitig durch den Kläger in Anspruch genommenen Urlaubstage ab. Damit errechnet er einen verbleibenden Anspruch von insgesamt 21 Tagen, den er dem Kläger in dem streitgegenständlichen Bescheid zugebilligt hat. Eine Rundung hat erkennbar nicht stattgefunden. Ergänzend ist anzumerken, dass der Beklagte selbst in seinen Ausführungen klargestellt hat, dass eine Grundlage für die Anwendung der Rundungsregelung ohnehin nicht vorhanden wäre, weil der Kläger mit dem Jahreswechsel 2018 auf 2019 in den vorzeitigen, dienstunfähigkeitsbedingten Ruhestand eingetreten ist, sodass der Berechnung jeweils volle Kalenderjahre zugrunde zu legen waren, die keinen Raum für die Anwendung der angefochtenen Rundungsregelung lassen.
34
Der Kläger wendet zuletzt ein, dass das Vorgehen des Beklagten gegen europarechtliche Grundsätze verstoße, nach denen eine Verschlechterung bereits vereinbarter arbeitsrechtlicher Vorschriften nicht zulässig wäre. Auch diesem Einwand steht keine rechtliche Grundlage zur Seite. Vielmehr zeigt ein Blick auf die rechtliche Entwicklung in diesem Bereich, dass - wie eingangs ausgeführt - die Existenz eines Urlaubsabgeltungsanspruchs für Beamte überhaupt mangels entsprechender nationalstaatlicher Regelungen in früheren Zeiten vollständig verneint wurde. Der EuGH stellte hierzu lediglich klar, dass die RL 2003/88/EG Bestimmungen des nationalen Rechts nicht entgegensteht, die einen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von mehr als vier Wochen vorsehen, der unter den in diesen nationalen Bestimmungen niedergelegten Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung eingeräumt wird. Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. a, Art. 7 Abs. 1 und Art. 15 RL 2003/88/EG geht nämlich ausdrücklich hervor, dass die Richtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung beschränkt und die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt lässt, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden. Da es somit den Mitgliedstaaten freisteht, je nach der Ursache für die Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers einen bezahlten Jahresurlaub vorzusehen, der länger als die durch die RL 2003/88/EG gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist, ist es zum einen ihre Sache, zu entscheiden, ob sie den Beamten zusätzlich zum Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren und ob sie dabei einen Anspruch des in den Ruhestand tretenden Beamten auf eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass ihm diese zusätzlichen Ansprüche nicht haben zugutekommen können, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat, und zum anderen, die Voraussetzungen für eine solche Gewährung festzulegen (EuGH, Urt. v. 3. 5. 2012 - C-337/10, NVwZ 2012, 688 Rn. 33-37, beck-online). Eine entsprechende Verpflichtung der Mitgliedstaaten wird damit jedoch gerade nicht aufgestellt. Somit stellt die vom Kläger angeprangerte Vorgehensweise des Beklagten entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV keine Verschlechterung bisheriger Arbeitsschutzstandards zu seinen Lasten dar.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
36
2. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
37
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
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4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.