Titel:
Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb
Normenketten:
BayBesG Art. 31 Abs. 2 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Förderlich iSv Art. 31 Abs. 2 S. 1 BayBesG sind solche Zeiten, die für die Wahrnehmung der künftigen Dienstaufgaben von konkretem besonderen Interesse sind. Abzustellen ist auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen der Kontrolle einer auf Art. 31 Abs. 2 S. 1 BayBesG gestützten behördlichen Ermessensentscheidung sind die Gerichte auf die Prüfung beschränkt, ob die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und ob sie die ihr vorgegebenen Ermessensschranken nicht überschritten und ihr Ermessen sachgemäß und nicht fehlerhaft ausgeübt hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegt auf der Hand, dass die Umwälzungen, der sich (auch) die Landwirtschaft u.a. aufgrund der sich ständig wandelnden ökologischen, klimatologischen, betriebs- und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt sieht, den Leitern landwirtschaftlicher Betriebe eine ständige und erhebliche Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft abverlangt. Das gilt in besonderem Maße für solche landwirtschaftlichen Betriebsleiter, die sich in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung engagieren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten, Landwirtschaftsverwaltung, Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, Ermessensdefizit, Anerkennung, hauptberufliche Beschäftigungszeiten, Landwirtschaft, Tätigkeit, Betriebsleiter, förderlich, Beamtentätigkeit, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 33042
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 14. Oktober 2017 auf Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten für seine Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb vom 1. März 1994 bis zum 4. April 1994 sowie vom 5. Oktober 1994 bis zum 30. September 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2018 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten in Bezug auf seine Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb.
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1. Der Kläger steht seit dem 1. Oktober 2016 als Beamter im Dienst des Beklagten und ist seit dem 1. Januar 2018 beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in … im Amt eines Landwirtschaftsobersekretärs tätig. Zuvor hatte er nach dem Erwerb der Mittleren Reife (1990) und einer Ausbildung zum Elektroniker (1990 - 1994) zunächst die Landwirtschaftsschule (1996 - 1998) und sodann die Staatliche Höhere Landbauschule (1998 - 1999), letztere mit dem Abschluss als staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt absolviert. Seit dem 1. April 1994 führt er als Betriebsleiter einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Unter dem 22. Februar 2000 berief ihn das Amt für Landwirtschaft und Ernährung in den Prüfungsausschuss für die Abschlussprüfung zum Landwirt und unter dem 3. Juni 2004 die Staatliche Höhere Landbauschule als Stellvertreter in den Prüfungsausschuss für die staatliche Schulschlussprüfung. Vom 22. September 2004 bis zum 11. September 2016 war der Kläger auf der Basis befristeter Arbeitsverhältnisse an der Staatlichen Berufsschule in … als Lehrkraft beschäftigt und unterrichtete dort an einem Tag pro Woche in dem Bereich „Fachpraxis Lernort Betrieb“.
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Am 14. Oktober 2017 teilte der Kläger dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) mit, dass neben seinen landwirtschaftlichen Tätigkeiten folgende Schwerpunkte zu seinen Aufgaben als Betriebsleiter gezählt hätten: Buchführung und allgemeine Büroarbeiten, Ein- und Verkauf von Betriebsmitteln, Betriebsentwicklungsplanung, Personalmanagement, Förderprogrammabwicklung und Behördengänge.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 gab das StMELF dem Antrag des Klägers auf Anerkennung sonstiger für die Beamtentätigkeit förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten gem. Art. 31 Abs. 2 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) im Hinblick auf die Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb für die Zeit vom 1. März 1994 bis zum 28. Februar 2002 in vollem Umfang und für die Zeit vom 1. März 2002 bis zum 28. Februar 2004 in hälftigem Umfang statt (Nr. 1 des Bescheids); im Übrigen lehnte es den Antrag ab (Nr. 2).
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Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hatte (Schreiben vom 10.11.2017), wandte sich das StMELF an das StMF (Schreiben vom 6.12.2017) und bat darum, die Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Betriebsleiter und als Lehrkraft bei der Staatlichen Berufsschule in vollem Umfang berücksichtigen zu dürfen. Unter dem 4. Januar 2018 erteilte das StMF sein Einvernehmen zur Anerkennung von förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeiten nur für einen Zeitraum von zehn Jahren und drei Monaten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2018 erkannte das StMELF im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb die Zeit vom 1. März 1994 bis zum 4. April 1994, sowie vom 5. Oktober 1994 bis zum 28. Februar 2004 mit jeweils 75 v.H. sowie die Zeit vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 in Höhe von 20 v.H. als berücksichtigungsfähige Zeit an (Nr. 1 des Widerspruchsbescheids); im Übrigen wies es den Widerspruch zurück (Nr. 2). Den Gründen ist zu entnehmen, dass das StMF das Einvernehmen zur Berücksichtigung der Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb für die Zeit vom 1. März 1994 bis zum 28. Februar 2004 mit Ausnahme der Unterbrechung aufgrund der Ableistung des Zivildienstes in einem Umfang von (nur) 75 v.H. erteilt habe, weil der Kläger in den ersten zehn Berufsjahren eine größtenteils gleichbleibende Tätigkeit ausgeübt und dabei eine gewisse Routine entwickelt habe. Für die Zeit vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 habe das StMF in einem Umfang von 20 v.H. sein Einvernehmen erteilt und berücksichtigt, dass der Kläger sich und seinen Betrieb weiterentwickelt habe, ohne den Kern der Tätigkeit seit 1994 zu verändern. Der Zivildienst (5.4. - 4.10.1994) werde durch das Landesamt für Finanzen berücksichtigt werden. Die Zeiten als Lehrkraft an der Staatlichen Berufsschule habe man nicht berücksichtigt, weil das Merkmal der Hauptberuflichkeit nicht erfüllt sei.
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2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Februar 2018, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht in München am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,
1. Den Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2018 insoweit aufzuheben, als die Anerkennung der Tätigkeit des Klägers als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb in der Zeit vom 1. März 1994 bis zum 4. April 1994 in Höhe von 25 v.H. sowie vom 5. Oktober 1994 bis zum 28. Februar 2004 in Höhe von 25 v.H. und vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 in Höhe von 80 v.H. als förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeit (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG) versagt worden ist.
2. Den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 14. Oktober 2017 auf Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten wegen dessen Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb in der Zeit vom 1. März 1994 bis zum 4. April 1994 sowie vom 5. Oktober 1994 bis zum 28. Februar 2004 und vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 zur fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts des Klägers (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG) im Umfang von 100 v.H. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Nach Anhörung der Beteiligten erklärte sich das Verwaltungsgericht München für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Bayreuth (Beschluss vom 9.5.2018).
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Mit Schriftsatz vom 21. September 2018 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Klagebegründung vor, dass der Begriff der Erforderlichkeit weit auszulegen sei und sich nicht nur auf das dem Kläger konkret übertragene Amt, sondern auch künftig von ihm auszuübende Dienstgeschäfte beziehe. Der Kläger habe einen Anspruch auf eine ermessens- und beurteilungsgerechte Berücksichtigung und Würdigung seiner Belange. Dazu gehöre eine umfassende Sachverhaltsermittlung. Diese sei nicht erfolgt, soweit das StMF ohne weitere Begründung darauf abstelle, der Kläger habe in den ersten zehn Berufsjahren eine größtenteils gleichbleibende Tätigkeit ausgeübt und dabei eine gewisse Routine entwickelt. Diese Feststellung sei nicht nachvollziehbar. Gegenüber anderen Landwirten zeichne sich der Kläger dadurch aus, dass er sich über sein ganzes bisheriges Berufsleben in weit überdurchschnittlichem Maß fortgebildet und eine Vielzahl von berufsrelevanten Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnissen erworben habe. Im Einzelnen sei auf den beruflichen Werdegang des Klägers, seinen Einsatz im Prüfungsausschuss der höheren Landbauschule (2003 - 2009) sowie in der Prüfungskommission zur Abnahme der Abschlussprüfungen für angehende Landwirte (seit 2000), sein Engagement im Vorstand des „… e.V.“ (1998 - 2010), im Beirat (seit 1998) bzw. im Vorstand (seit 2011) des „Maschinen- und Betriebshilferings … e.V.“ und seinen Einsatz in der Ausbildung junger Landwirte, denen er seit 2004 an einem Tag pro Woche den fachpraktischen Ausbildungsteil in seinem Betrieb vermittele, zu verweisen. Zudem habe der Kläger in seinem Betrieb seit dem 1. Juli 2005 eine sog. Betriebszweigauswertung durchführen lassen und in den Rankings überdurchschnittlich abgeschnitten; seit den Jahren 2010/2011 gehöre sein Betrieb zu den DLG-Spitzenbetrieben. Schließlich beteilige er sich seit dem Jahr 2013 an dem Programm „Erlebnisbauernhof“ des StMELF. Zusammengefasst habe sich der Kläger über die bloße Tätigkeit als Landwirt hinaus zielgerichtet und ständig um eine berufliche Fortentwicklung bemüht. Er verfüge über Erfahrung, Kenntnisse und Fähigkeiten, welche die eines durchschnittlichen Landwirts bei weitem überträfen. Der Kläger habe diese Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die für seine dienstliche Tätigkeit unmittelbar förderlich seien, zum großen Teil erst in den Jahren nach 2004 erworben. Er berate zu Förderprogrammen und wickle einzelbetriebliche Investitionsfördermaßnahmen ab. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hätte der Beklagte auch den Hinweis des StMELF (Schreiben vom 6.12.2017) berücksichtigen müssen, dass die als selbstständiger Betriebsleiter wahrgenommenen Aufgaben des Klägers für seine Tätigkeit im Geschäftsbereich des StMELF „außerordentlich dienlich“ gewesen seien und dass der geplante Einsatz des Klägers als Ausbildungsberater ohne seine Lehrerfahrung keinesfalls möglich gewesen wäre.
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Nachdem das StMF unter dem 20. Februar 2019 auf Anfrage des StMELF (Schreiben vom 14.2.2019) mitgeteilt hatte, dass nach Prüfung der aktuell vorgelegten Informationen eine weitergehende Einvernehmenserteilung nicht in Betracht komme, beantragte das StMELF für den Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Februar 2019,
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Zur Begründung wird vorgetragen, die Entscheidung, im Einzelfall sonstige Zeiten bei der Zuordnung in die Stufen der Grundgehaltstabelle zu berücksichtigen, stehe im Ermessen des Dienstherrn. Man habe man alle vom Kläger vorgelegten Unterlagen gewürdigt. Die Einschätzung, dass die Berufstätigkeit bei der Bewirtschaftung des eigenen Betriebs nur anteilig berücksichtigt werden könne, sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Klagebegründung enthalte keine neuen Informationen, die eine Erteilung des Einvernehmens über das bisher vorliegende Maß hinaus rechtfertigen könnten. Die Tätigkeiten für den Prüfungsausschuss bzw. in der Prüfungskommission ließen nicht den Rückschluss zu, inwieweit sich die Tätigkeit als Betriebsleiter weiterentwickelt habe. Die Mitgliedschaften in den Vorständen des Vereins „… e.V.“ und des Maschinenrings seien irrelevant für die Bewertung der Tätigkeit als Betriebsleiter und stünden in keinem Zusammenhang hiermit. Die Tätigkeit als Lehrkraft an der Staatlichen Berufsschule sei nicht berücksichtigt worden, weil das Merkmal der Hauptberuflichkeit nicht erfüllt sei. Durch die Durchführung einer sog. Betriebszweigauswertung habe sich der Kern der Tätigkeit als Betriebsleiter nicht verändert. Die Beteiligung am Programm „Erlebnisbauernhof“ stehe in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Betriebsleiter.
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Mit Schriftsätzen vom 30. April 2020 und vom 8. Mai 2020 führte der Kläger ergänzend aus, dass das StMELF in seinem an das StMF gerichteten Schreiben vom 14. Februar 2019 abschließend festgestellt habe, dass es insgesamt gerechtfertigt sei, die Tätigkeit als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb in der Zeit vom 1. März 1994 bis einschließlich 30. September 2016 voll zu berücksichtigen. Jedenfalls in der Gesamtschau habe sich der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum erheblich fortentwickelt. Unter dem 11. Mai 2020 teilte der Beklagte mit, dass ein weiterer Vortrag nicht für erforderlich gehalten werde.
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Mit Schriftsätzen vom 28. April 2020 und vom 30. April 2020 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
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2. Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2018 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb vom 1. März 1994 bis 4. April 1994 sowie vom 5. Oktober 1994 bis 30. September 2016 als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Die Regelung des Art. 31 Abs. 2 BayBesG sieht vor, dass der Zeitpunkt des Dienstantritts auf Antrag um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden kann. Förderlich sind solche Zeiten, die für die Wahrnehmung der künftigen Dienstaufgaben von konkretem besonderen Interesse sind. Abzustellen ist auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. Dementsprechend kommen vor allem solche Tätigkeiten in Betracht, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind. Die Förderlichkeit von Vortätigkeiten muss nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen. Der Begriff der Förderlichkeit ist dabei - unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) a.F. - weit auszulegen und nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (vgl. zum Ganzen: VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 - B 5 K 13.712 - juris Rn. 24; VG München, U.v. 8.2.2017 - M 5 K 15.3979 - juris Rn. 25 und U.v. 2.7.2014 - M 5 K 13.4946 - juris Rn. 24; VG Augsburg, U.v. 12.7.2012 - Au 2 K 11.1646 - juris Rn. 25; vgl. auch Nrn. 31.2.3 und 31.2.5 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes); LT-Drs. 16/3200 S. 382; Kuhlmey in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht, Stand Februar 2020, Art. 31 BayBesG Rn. 45; Wonka, Recht im Amt 2014, S. 62/67; zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG a.F. vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2002 - 2 C 4.01 - Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 14 - juris; VGH BW, U.v. 18.3.2014 - 4 S 2129/13 - juris Rn. 22).
18
Bei der Regelung des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG - die (gebundene) Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBesG greift bei Fachlaufbahnen mit einem fachlichen Schwerpunkt mit technischer Ausrichtung wie im vorliegenden Fall nicht - handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, die eine Schärfung durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erfahren hat (so: BayVGH, B.v. 11.6.2019 - 3 ZB 17.976 - juris Rn. 14). Im Rahmen der Kontrolle einer auf die vorgenannte Regelung gestützten behördlichen Ermessensentscheidung sind die Gerichte auf die Prüfung beschränkt, ob die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und ob sie die ihr vorgegebenen Ermessenschranken nicht überschritten und ihr Ermessen sachgemäß und nicht fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. nur: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 40 Rn. 85 ff. m.w.N.). Ein Ermessensfehlgebrauch im vorgenannten Sinn ist vor allem dann anzunehmen, wenn die Behörde sachfremde Erwägungen, d.h. solche Erwägungen anstellt, die von der Norm nicht gedeckt sind, oder wenn sie entscheidungserhebliche Gesichtspunkte missachtet. Von einem solchen Ermessensdefizit ist auszugehen, wenn die Behörde den Sachverhalt nicht komplett oder nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat und es infolgedessen an den entscheidungserheblichen Tatsachen mindestens partiell fehlt.
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Gemessen daran erweist sich die Entscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2018, die Tätigkeit des Klägers als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb für die Zeit vom 1. März 1994 bis zum 4. April 1994 sowie vom 5. Oktober 1994 bis zum 28. Februar 2004 mit jeweils 75 v.H. sowie für die Zeit vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 in Höhe von 20 v.H. als berücksichtigungsfähige Zeit anzuerkennen als ermessensfehlerhaft.
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Dabei hat der Beklagte zwar angesichts der Tatsache, dass der Kläger die Anerkennung der Förderlichkeit seiner Betriebsleitertätigkeit - mit Ausnahme der Zeit der Ableistung seines Zivildienstes (5.4.1994 - 4.10.1994) - für den Gesamtzeitraum (1.3.1994 - 30.9.2016), d.h. für eine Zeitspanne von 22 Jahren und sieben Monaten begehrt, ermessensfehlerfrei einen Abschlag vorgenommen. Denn es stellt zur Überzeugung des Gerichts insbesondere keine Fehlgewichtung der Belange des Klägers dar, wenn der Beklagte angesichts des sehr langen Zeitraums, für den der Kläger die Anerkennung der Förderlichkeit seiner Beschäftigungszeiten begehrt, einen gewissen Abschlag im Hinblick auf die vom Kläger über die Jahre seiner Berufstätigkeit unstreitig erworbene Berufserfahrung bzw. Arbeitsroutine vorgenommen hat. Insofern unterliegt die Anerkennung der Betriebsleitertätigkeit für den vom Zivildienst (5.4.1994 - 4.10.1994) unterbrochenen Zeitraum vom 1. März 1994 bis zum 28. Februar 2004 in einem Umfang von 75 v.H. als für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten keinen durchgreifenden Zweifeln.
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Dagegen hat der Beklagte aber im Rahmen seiner Ermessensausübung zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger - insbesondere in der Zeit ab dem Jahr 2004 - unstreitig eine nicht nur geringfügige Lehrtätigkeit an der Staatlichen Berufsschule … ausgeübt hat, die sich im Hinblick auf die (weitere) Anerkennung seiner Betriebsleitertätigkeit als für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten auswirken kann.
22
Zwar ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit, die - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht das Merkmal der Hauptberuflichkeit erfüllt, nicht „isoliert“, d.h. unabhängig von der Betriebsleitertätigkeit als förderliche Zeit anerkannt werden kann.
23
Ermessensfehlerhaft hat der Beklagte diese Zeit aber - im Rahmen der Prüfung der Förderlichkeit der Betriebsleitertätigkeit - gänzlich unberücksichtigt gelassen. Bei dieser Einschätzung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger diese Lehrtätigkeit sowohl über einen langen Zeitraum (22.9.2004 - 11.9.2016) als auch in einem erheblichen Zeitumfang ausgeübt hat. Denn nach unbestritten gebliebenem Sachvortrag des Klägers umfasste der Umfang des Unterrichts einen kompletten Schultag pro Woche (Schreiben des Klägers vom 14.10.2017). Darüber hinaus ist die vom Kläger ausgeübte Lehrtätigkeit („Fachpraxis Lernort Betrieb“) in engem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsleiter zu sehen. Diese Tätigkeit impliziert für den Kläger die Notwendigkeit, neben der Verschaffung der für die Ausübung der Lehrtätigkeit erforderlichen und auch für die Tätigkeit in der Landwirtschaftsverwaltung nützlichen - der Kläger ist mittelfristig für einen Einsatz als Ausbildungsberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgesehen (Schreiben des StMELF vom 6.12.2017) - pädagogischen und didaktischen Kenntnisse auch das eigene Fachwissen kontinuierlich auf dem aktuellen Stand zu halten. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass, worauf das StMELF zutreffend hinweist (Schreiben vom 14.2.2019), auch die Landwirtschaft seit Jahren einem erheblichen Änderungs- und Anpassungsdruck ausgesetzt ist. Denn es liegt auf der Hand, dass die Umwälzungen, der sich (auch) die Landwirtschaft u.a. aufgrund der sich ständig wandelnden ökologischen, klimatologischen, betriebs- und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt sieht, den Leitern landwirtschaftlicher Betriebe eine ständige und erhebliche Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft abverlangt. Das gilt in besonderem Maße für solche landwirtschaftlichen Betriebsleiter, die sich - wie der Kläger - in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung engagieren und den angehenden Landwirten das Rüstzeug für eine erfolgreiche Betriebsführung zu vermitteln haben. Dass der Kläger diesen Anforderungen weit über das durchschnittliche Maß hinaus gerecht geworden ist, wird u.a. durch seine von der Beklagten nicht bestrittenen Ergebnisse bei der Betriebszweigauswertung, die er seit dem 1. Juli 2005 hatte durchführen lassen, dokumentiert. Das erhellt in einer Gesamtbetrachtung, dass der Kläger - wie das bis in das Jahr 2016 währende Engagement des Klägers im Rahmen seiner Lehrtätigkeit belegt - über den Gesamtzeitraum seiner Tätigkeit als Betriebsleiter seines landwirtschaftlichen Betriebs nicht in Routine verfallen ist, sondern seine Fachkenntnisse und seinen Betrieb auf dem aktuellen Stand gehalten hat. Der Umstand, dass der Beklagte diese in Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit stehenden Tatsachen in Bezug auf die Entscheidung über die Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Betriebsleiter im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb vom 1. März 1994 bis 4. April 1994 sowie vom 5. Oktober 1994 bis 30. September 2016 als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten gänzlich unberücksichtigt gelassen hat, begründet die Annahme eines Ermessensdefizits. Letzteres gilt vor allem im Hinblick darauf, dass der Beklagte die Zeit vom 1. März 2004 bis zum 30. September 2016 nur in Höhe von 20 v.H. als berücksichtigungsfähig anerkannt hat.
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3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.