Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Verweigerung der Durchführung einer Haaranalyse zur Klärung von Drogenkonsum
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 5, Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1
Leitsatz:
Der Betroffene ist seiner Mitwirkungspflicht nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV nicht vollumfänglich nachgekommen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Als Weigerung im Sinne dieser Norm ist auch der Fall zu behandeln, dass der Betroffene sich teilweise einer Untersuchung verweigert oder diese teilweise unmöglich macht. Eine solche teilweise Weigerung liegt dann vor, wenn der Betroffene die Durchführung einer Haaranalyse zur Beantwortung des zurückliegenden Drogenkonsums ablehnt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verweigerung der Abgabe einer Haaranalyse, Teilweise Verweigerung der Mitwirkung an der Erstellung eines Gutachtens, Nachträgliche Ermittlungshandlung der Behörde, Verwertbarkeit von telefonischen Auskünften, Fahrerlaubnis, Entziehung, Eignungszweifel, Drogenkonsum, Gutachtenanordnung, fehlende Mitwirkung, Haaranalyse, Verweigerung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 33032
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der am … 1998 geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen AM, B und L.
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Der Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 24. Oktober 2019 (Az.: …) wegen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Über den Einspruch, der auf die Tagessatzhöhe beschränkt war, wurde mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 entschieden. Dem Antragsteller wurde vorgeworfen, dass er am 4. Juli 2018 und 31. Oktober 2018 0,5 Gramm bzw. 0,35 Gramm eines Kokaingemischs erworben habe.
3
Mit Schreiben vom 28. November 2019 forderte das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller - unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV - bis zum 3. Februar 2020 zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung auf. Aufgrund des Strafbefehls wegen des Erwerbs von Betäubungsmitteln bestünde der Verdacht, dass der Antragsteller auch Betäubungsmittel konsumiert habe. Mit dem Gutachten solle daher folgende Frage beantwortet werden:
„Nimmt bzw. nahm Herr … Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen?“
Unter dem 5. Dezember 2019 bat der Antragsteller um eine Fristverlängerung bis zum 31. März 2020. Das Landratsamt setzte daraufhin eine neue Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum 25. Februar 2020 fest.
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Der Antragsteller legte dem Landratsamt am 20. Februar 2020 das Gutachten des TÜV … GmbH & Co. KG (im Folgenden: TÜV) vom 14. Februar 2020 vor. Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Antragsteller über Gegenstand und Zweck der Untersuchung sowie über den Untersuchungsablauf zu Beginn der Untersuchung informiert worden sei. Gefragt nach seinem Drogenkonsum habe der Antragsteller angegeben, dass er nie Drogen konsumiert habe und dies auch nie tun wolle. Das gekaufte Kokaingemisch sei für einen Freund bestimmt gewesen. Er habe bisher noch keine Belege zum angegebenen Drogenverzicht anfertigen lassen. Die Gutachterin habe dem Antragsteller daraufhin vorgeschlagen, zur Beantwortung der behördlichen Fragestellung nach einem früheren Drogenkonsum eine Haaranalyse durchführen zu lassen. Hierauf habe der Antragsteller geantwortet, dass ihm seine Haare heilig seien. Er wolle eine Haaranalyse nicht anfertigen lassen. Auf eine entsprechende Nachfrage habe er erwidert, dass im Rahmen der Haaranalyse auf alle Fälle kein Kokain nachgewiesen werden könne. Er habe im letzten halben Jahr aber ein- bis zweimal Cannabis konsumiert. Dieser Konsum habe nur gelegentlich, vielleicht mal alle drei Wochen stattgefunden. Andere Drogen habe er weder probiert noch regelmäßig konsumiert. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass keine akute Drogenwirkung oder Auswirkungen eines chronischen Drogenmissbrauchs beim Antragsteller vorliegen würden. Die Ergebnisse der Urinscreenings (Untersuchungstag 13. Januar 2020; 22. Januar 2020 und 6. Februar 2020) hätten keine Hinweise auf einen Drogenkonsum ergeben und würden daher nicht im Widerspruch zu den Angaben zum Drogenverzicht stehen. Der Antragsteller habe den gelegentlichen Konsum von Cannabis eingeräumt. Der Konsum weiterer Suchtstoffe, auch sogenannter harter Drogen wie Kokain, sei vom Antragsteller verneint worden. Es könnten diesbezüglich keine Befunde erhoben werden, die diese Angaben widerlegt hätten. Zu einer Haaranalyse habe sich der Antragsteller allerdings nicht bereit erklärt. Die behördliche Fragestellung werde dahingehend beantwortet, dass der Antragsteller Betäubungsmittel (Cannabis) einnehme und eingenommen habe. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
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Das Landratsamt hörte den Antragsteller am 26. Februar 2020 schriftlich zu einer Entziehung seiner Fahrerlaubnis aufgrund der Weigerung zur Abgabe einer Haarprobenanalyse an. Mit Schreiben vom 9. März 2020 ließ der Antragsteller vortragen, dass die Gutachterin den Antragsteller vor die Wahl zwischen Urinscreenings samt Bericht über sein Konsumverhalten oder der Abgabe einer Haaranalyse ohne weitere Screenings gestellt habe. Er habe sich für erstere Variante und gegen die Haaranalyse entschieden, die Haaranalyse aber zu keinem Zeitpunkt abgelehnt. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis könne daher nicht mit einer Weigerung der Durchführung der Haaranalyse begründet werden. Es werde um die Gewährung einer angemessenen Nachfrist zur Einreichung eines Ergänzungsgutachtens (mit Durchführung der Haaranalyse) gebeten.
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Mit Bescheid vom 25. März 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen AM, B und L (Ziffer 1). Der Führerschein sei innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Für die Nichtbefolgung der Ziffer 2 werde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). Ziffer 4 enthält die Sofortvollzugsanordnung der Ziffern 1 und 2.
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Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass die Fahrerlaubnisentziehung auf § 3 Abs. 1 und Abs. 2 StVG und § 46 Abs. 1 FeV beruhe. Die Fahrerlaubnis sei aufgrund der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen. Die Behörde habe nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Die Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens sei anlassbezogen gewesen. Der Antragsteller habe die vom TÜV vorgeschlagene Haaranalyse nicht anfertigen lassen. Die Aussage des Antragstellers, dass ihm seine Haare heilig seien, rechtfertige die Verweigerung der Durchführung einer Haaranalyse nicht. In der Gutachtensanordnung sei es zudem nicht erforderlich die Anzahl an Urin- und Haaranalysen aufzuführen, da dies von der Begutachtungsstelle vorgegeben werde. Die Durchführung einer Haaranalyse sei von der Begutachtungsstelle aufgrund der fehlenden Belege einer Drogenabstinenz offensichtlich als zielführend beurteilt worden. Wer die berechtigten Fahreignungszweifel durch seine eigene, ihm obliegende Mitwirkung nicht ausräumen könne, müsse sich deren Unaufklärbarkeit anlasten lassen. Sinn der Gutachtensaufforderung sei die Klärung der gegenwärtigen Fahreignung, sodass strenge Anforderungen an eine fristgerechte Gutachtensvorlage zu stellen seien. Eine Verlängerung der Frist zur Nachreichung eines Ergänzungsgutachtens sei nicht erfolgt, da nicht auf die persönlichen Bedürfnisse des Fahrerlaubnisinhabers eingegangen werden könne. Das Landratsamt könne daher aus der nicht hinreichenden Mitwirkung bei der Erstellung des Gutachtens Rückschlüsse auf die Fahreignung des Antragstellers ziehen. Die Abgabeverpflichtung des Führerscheins erfolge auf Basis des § 47 Abs. 1 FeV. Die Zwangsgeldandrohung beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die sofortige Vollziehung werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Es sei mit den Belangen der Verkehrssicherheit nicht zu vereinbaren, dass fahrungeeignete Personen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen würden. Das private Interesse am Gebrauch der Fahrerlaubnis müsse hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurücktreten.
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Am 2. April 2020 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Polizeiinspektion … ab, die ihn am 3. April 2020 an das Landratsamt weiterleitete.
9
Unter dem 15. April 2020 erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (Az.: B 1 K 20.359) und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 14. April 2020 (gemeint 15. April 2020) gegen den Bescheid des Landratsamts … in den Ziffern 1 und 2 vom 25. März 2020 (zugestellt am 26. März 2020) wird wiederhergestellt.
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In tatsächlicher Hinsicht lässt der Antragsteller vortragen, dass die Feststellung der begutachtenden Ärztin im Gutachten, dass bezüglich weiterer Suchtstoffe keine Befunde hätten erhoben werden können, falsch sei. Der Antragsteller habe eine Haaranalyse nicht verweigert. Vielmehr habe ihn die Gutachterin vor die Wahl gestellt, entweder eine Haaranalyse abzugeben oder weitere Urinproben durchführen zu lassen. Der Antragsteller habe eine eidesstattliche Versicherung am 14. April 2020 (wurde vorgelegt) abgegeben, wonach er die Frage, ob er Haare abgeben würde, verneint habe, da ihm nicht erklärt worden sei, wo und wie viel Haar abgeschnitten werden würde. Zudem sei er immer nur über erforderliche Urin-Screenings belehrt worden. Die Gutachterin habe das Verneinen zur Haarprobe nicht kommentiert, sondern lediglich im Verlauf der Untersuchung darauf hingewiesen, dass die Frage des Drogenkonsums nicht beantwortet werden könne. Daraufhin sei ihm die Wahl zwischen Haarprobe und Urin-Screenings gelassen worden, wobei sich der Antragsteller für letzteres entschieden habe. Der Antragsteller habe keinesfalls die Mitwirkung an der Begutachtung verweigert. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt werden müsse, da die Klage in der Sache Erfolg haben werde, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV und § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV würden nicht vorliegen. Der Antragsteller leide nicht unter einer Erkrankung oder einem Mangel nach Anlage 4 zur FeV. Die Entziehung werde allein auf die nicht hinreichende Mitwirkung an der Erstellung des geforderten Gutachtens gestützt, woraus die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen habe. Es liege jedoch keine unzureichende Mitwirkung vor. Anders als in dem vom Landratsamt zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2019 (Az.: 11 ZB 19.1122) habe der Antragsteller von sich aus angeboten, eine Haaranalyse nachträglich durchführen zu lassen und um eine Nachfristsetzung ersucht. In der Entscheidung des VGH sei die Fahrerlaubnis erst nach einer ausdrücklichen Nachfristsetzung zur Nachreichung einer Haaranalyse entzogen worden. Auch habe die Behörde im zitierten Fall ausdrücklich bei der Gutachtensstelle nachgefragt, warum eine solche Analyse erforderlich sei. Zudem bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller vorwerfbar die Erstellung des Gutachtens vereitelt habe (es erfolgt ein Verweis auf BayVGH, B.v. 10.9.2008 - 11 CS 08.2010). Es liege zudem kein Nichtbeibringen im Sinne des § 11 Abs. 8 FeV vor. Der Antragsteller habe an der Untersuchung teilgenommen und das Gutachten fristgerecht beigebracht. Am Ende der Untersuchung sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass noch Fragen oder Untersuchungen offen seien, die er durchführen müsse. Zudem habe er nach Offenlegung, dass die Abgabe einer Haarprobe erforderlich gewesen wäre, beim Landratsamt um eine Nachfrist gebeten. Aus den Gesamtumständen und dem bisherigen Verhalten des Antragstellers sei keine Verweigerungshaltung erkennbar. Es komme vielmehr zum Ausdruck, dass er an einer Aufklärung habe mitwirken wollen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Bereitschaft zur Nachbesserung des Gutachtens sei unverhältnismäßig. Die Gründe, die für die Ablehnung der Nachfristsetzung genannt worden seien, würden die Verweigerung nicht tragen. Die Ausführungen seien sachfremd, da der Antragsteller die Fristverlängerung mit dem oben dargestellten Wahlrecht (Haaranalyse oder Urin-Screenings) und gerade nicht mit persönlichen Bedürfnissen begründet habe. Die Festlegung der Dauer einer Nachfrist hätte zudem dem Landratsamt oblegen. Diese überhaupt nicht zu gewähren sei ermessensfehlerhaft. Da alle Urinproben negativ gewesen seien, sei eine Ablehnung der Nachfrist aufgrund einer besonderen Eilbedürftigkeit nicht erforderlich gewesen. Zudem sei die Sofortvollzugsanordnung nicht hinreichend begründet worden. Auf die Umstände des konkreten Falles sei nicht Bezug genommen worden. Warum hier ein erhöhtes öffentliches Interesse bestanden habe, sei nicht ausgeführt worden.
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Am 4. Mai 2020 gingen die Behördenakten bei Gericht ein. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 - Eingang bei Gericht am 8. Mai 2020 - beantragte das Landratsamt den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass dem Antragsteller mit der formgerechten Beibringungsanordnung eine angemessene Frist zur Beibringung eines Gutachtens gesetzt worden sei. Die Fragestellung des Gutachtens sei rechtmäßig gewesen, da nicht erforderlich sei, festzulegen, ob und wie viele Urin- oder Haaranalysen durchgeführt werden sollten und auf welche Substanzen untersucht werden müsse. Dies lege nach § 11 Abs. 5 FeV i. V. m. Anlage 4 a zur FeV die Begutachtungsstelle fest. Die Behörde habe zudem angesichts der fehlenden Angaben zum Konsumverhalten des Antragstellers im Strafverfahren nicht wissen können, welche Untersuchungsmethode zielführend sei. Die bei der Gutachterin gemachten Angaben, es könne auf alle Fälle kein Kokain in der Haaranalyse nachgewiesen werden, hätten nur mittels einer Haaranalyse verifiziert werden können. Urinproben könnten keinen Aufschluss über das frühere Konsumverhalten geben. Dass eine Haaranalyse für die Berücksichtigung des früheren Konsumverhaltens notwendig sei, entspreche auch dem Stand der Wissenschaft (wird näher ausgeführt). Das Verlangen einer Haaranalyse sei daher sachgerecht gewesen, da damit der Nachweis hinsichtlich eines nicht stattgefundenen Konsums in den letzten sechs Monaten hätte erbracht werden können. Die Durchführung der Urintests durch den Antragsteller könne keinesfalls als Entscheidung für Urinproben im Rahmen einer Wahlmöglichkeit gewertet werden, da aus dem Gutachten klar hervorgehe, dass für die Verifizierung eine Haaranalyse erforderlich sei. Das Verhalten des Antragstellers könne dahingehend gewertet werden, dass er vorwerfbar die Beibringung eines Beweismittels verwehrt habe und deshalb seine Nichteignung als erwiesen angesehen werden könne. Es könne offen bleiben, ob von der Befugnis des § 11 Abs. 8 FeV Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn der Betroffene vorgetragen habe, dass er ohne Verschulden davon ausgegangen sei, dass eine Haaranalyse nicht erforderlich gewesen sei. Der Antragsteller habe bei der Erstellung des Gutachtens nicht hinreichend - vollends - mitgewirkt. Das Verhalten des Antragstellers sei vielmehr als Versuch zu werten, eine Haaranalyse mit einem möglichen fahreignungsrelevanten Betäubungsmittelnachweis - insbesondere zum Begutachtungszeitpunkt am 13. Januar 2020 - zu vermeiden, um möglichst lange im Besitz der Fahrerlaubnis zu bleiben. Der Antragsteller sei erst mit Schreiben vom 9. März 2020 dazu bereit gewesen, eine Haaranalyse anfertigen zu lassen. Ob in diesem Zeitpunkt ein Ergänzungsgutachten hätte erfolgen sollen, könne dahin stehen. In einem Telefonat am 4. Mai 2020 wurde die Gutachterin zu der erst im Antragsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers befragt. Die Gutachterin habe hierbei angegeben, dass eine Wahlmöglichkeit (Urinproben statt Haaranalyse) explizit nicht bestanden habe und dies gegenüber dem Antragsteller auch nicht kommuniziert worden sei, da mittels Urinscreenings nur der gegenwärtige und nicht der vergangene Konsum bewertet werden könne. Der Antragsteller habe sich jedoch nicht dazu bereit erklärt eine Haaranalyse durchführen zu lassen. Dass dem Antragsteller statt der Abgabe einer Haaranalyse drei Urinscreenings angeboten worden seien, sei nicht zutreffend und hätte keinen Sinn gemacht. Dem Antragsteller müsse daher unterstellt werden, dass er versucht habe eine Haaranalyse zu umgehen und es sich bei der Bitte um ein Ergänzungsgutachten um eine Verzögerungstaktik gehandelt habe, um eine Haaranalyse möglichst lange abzuwenden. Die Möglichkeit eines Ergänzungsgutachtens infolge einer nicht erfolgten vollumfänglichen Mitwirkung würde dem Zweck, Fahreignungszweifel so zeitnah wie möglich auszuräumen, entgegenstehen. Auch spreche das Ergebnis einer Interessenabwägung dafür, es bei der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes zu belassen.
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Unter dem 13. Mai 2020 replizierte die Bevollmächtigte des Antragstellers, dass der Vorwurf des Landratsamtes, der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht im gesamten Verfahren nicht ausreichend nachgekommen, falsch sei. Er habe vielmehr lückenlos mitgewirkt. Er habe umgehend auf Schreiben des Landratsamts reagiert, einen Begutachtungstermin vereinbart und diesen wahrgenommen. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller insgesamt nicht willens gewesen wäre, an der Begutachtung teilzunehmen oder Fragen zu beantworten. Er habe vielmehr alle Fragen sofort beantwortet und an allen Urinscreenings teilgenommen. Bezüglich des Ablaufs der Begutachtung wird ergänzt, dass die Gutachterin dem Antragsteller, nachdem er eine Haaranalyse abgelehnt habe, erläutert habe, dass er trotzdem über den Konsum sprechen müsse. Er habe dann den Cannabis-Konsum eingeräumt. Daraufhin habe die Gutachterin geäußert, dass alle Fragen beantwortet seien. Sie habe damit den Eindruck erweckt, dass keine Haaranalyse mehr notwendig sei und habe nur noch von Urinproben gesprochen. Es sei dadurch beim Antragsteller der Eindruck erweckt worden, dass durch die wahrheitsgemäßen Angaben zum Cannabis-Konsum eine Haaranalyse obsolet sei. Abschließend habe die Gutachterin geäußert, dass alle Fragen beantwortet seien, sodass der Antragsteller davon ausgegangen sei, alles Erforderliche getan zu haben, um am Gutachten mitzuwirken. Zudem werde die Befugnis der Gutachterin, eine telefonische Auskunft an das Landratsamt zu erteilen, in Zweifel gezogen. Die Gutachtensstelle sei an die gesetzliche Schweigepflicht gebunden (ein Schreiben des TÜV vom 14. Februar 2020 wurde diesbezüglich beigebracht). Eine Entbindung von der Schweigepflicht sei vom Antragsteller nicht erteilt worden. Das Beweisangebot (Gutachterin als Zeugin) impliziere auch kein Einverständnis des Antragstellers zu einer eigenmächtigen Kontaktaufnahme des Landratsamts mit der Gutachterin. Die vom Landratsamt wiedergegebene Aussage der Gutachterin sei daher nicht verwertbar. Aus dem Verhalten des Antragstellers im Nachhinein könne ebenfalls nicht geschlossen werden, dass er die Beibringung eines Beweismittels verwehre. Der Antragsteller habe unverzüglich auf das Missverständnis hingewiesen und seine Bereitschaft zur - auch selbstständigen - Durchführung einer Haaranalyse erklärt. Der Schluss auf die Nichteignung aufgrund nicht hinreichender Mitwirkung hätte daher nicht gezogen werden dürfen. Eine Interessenabwägung werde zugunsten des Antragsteller ausgehen. Auf die unzureichende Begründung des Sofortvollzugs werde erneut hingewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch im Verfahren B1 K 20.359 - und der Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
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I. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffern 1 und 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids wird abgelehnt.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen/anordnen bzw. die Vollziehung des Bescheids aussetzen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 10.10.2011 - 11 CS 11.1963; B.v. 24.8.2010 - 11 CS 10.1139; B.v. 25.5.2010 - 11 CS 0.227; VGH BW, B.v. 24.1.2012 - 10 S 3175/11 - juris). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheids gerecht. So stellte das Landratsamt zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und die Sicherheit der Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer als typische Interessenlage ab. Ein wie von der Bevollmächtigten des Antragstellers angenommener Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
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2. Ziffer 1 des in der Hauptsache angegriffenen Bescheids vom 25. März 2020 erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV muss ein Kraftfahrzeugführer die zur Erteilung der Fahrerlaubnis notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Nach Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV kann die Einnahme von Betäubungsmitteln oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe und Arzneimittel die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegebenenfalls ausschließen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV kann die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Fahrerlaubnisbehörde steht dabei kein Ermessen zu (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2011 - 11 CS 11.2349 - juris Rn. 47 m.w.N.). Der Rückschluss auf die fehlende Fahreignung ist nur gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (BayVGH, B.v. 26.7.2019 - 11 CS 19.1093 - juris Rn. 13; B.v. 15.7.2019 - 11 ZB 19.1122 - juris Rn. 15).
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a. Die Beibringungsanordnung vom 28. November 2019 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 Satz 2 FeV, da insbesondere die Gründe für die Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen hinreichend dargelegt wurden, eine angemessene Frist zur Begutachtung gesetzt und auf Antrag verlängert wurde. Auf die Folgen der nichtfristgerechten Einreichung des Gutachtens wurde hingewiesen. Die Fragestellung im Gutachten (vergangener und gegenwärtiger Konsum von Betäubungsmitteln oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe) war rechtmäßig. Wie bereits richtigerweise im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt und von der Bevollmächtigten des Antragstellers nicht in Abrede gestellt wurde, war es nicht erforderlich, bereits in der Gutachtensanordnung festzulegen, ob und wie viele Urin- oder Haaranalysen durchgeführt werden sollen und auf welche Substanzen dabei untersucht werden muss. Nach Ziffer 1 Buchst. a der Anlage 4 a zu § 11 Abs. 5 FeV obliegt es der begutachtenden Stelle, die Untersuchung anlassbezogen und unter Berücksichtigung der Fragestellung durchzuführen. Der Antragsteller als Auftraggeber der Untersuchung (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV) kann dabei selbst darauf hinwirken, dass nur nach den jeweils einschlägigen Substanzen getestet wird, falls er die üblichen Standarduntersuchungen ablehnt. Zudem hätte das Landratsamt angesichts der fehlenden Angaben des Antragstellers zu seinem Konsumverhalten im Rahmen des Strafverfahrens nicht wissen können, welche Untersuchungsmethoden zielführend sein werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.7.2019 - 11 ZB 19.1122 - juris Rn. 16).
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b. Die Beibringungsanordnung erfolgte auch anlassbezogen und verhältnismäßig. Ein Anlass liegt dann vor, wenn hinreichend konkrete Tatsachen, nicht nur ein vager Verdacht, bestehen, die die im Gutachten gestellte Fragestellung rechtfertigen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Der Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 24. Oktober 2019 wegen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Kokain in zwei Fällen verurteilt. Der dagegen erhobene Einspruch war auf die Höhe der Tagessätze beschränkt. Aufgrund der Verurteilung wegen des vorangegangenen Erwerbs von Kokain (der vom Antragsteller zu keiner Zeit in Abrede gestellt wurde), lag eine Tatsache vor, die die Annahme rechtfertigte, dass der Antragsteller das erworbene Kokain auch konsumierte. Beim Konsum sogenannter harter Drogen (hier: Kokain) ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bereits beim einmaligen Konsum - unabhängig davon, ob ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss harter Drogen geführt wurde - nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ausgeschlossen. Es bestanden daher Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers. Ein milderes Mittel als die Beibringung eines Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 2, § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV bestand nicht. Ermessensfehler bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens sind weder ersichtlich noch wurden solche von Seiten der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgetragen.
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c. Der Antragsteller ist seiner Mitwirkungspflicht nicht vollumfänglich nachgekommen. Dies ist nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV der Fall, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Als Weigerung im Sinne dieser Norm ist auch der Fall zu behandeln, dass der Betroffene sich teilweise einer Untersuchung verweigert oder diese teilweise unmöglich macht (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, Stand 18.3.2020, § 11 FeV Rn. 127). Eine solche teilweise Weigerung liegt beispielsweise dann vor, wenn der Betroffene die Durchführung einer Haaranalyse zur Beantwortung des zurückliegenden Drogenkonsums ablehnt oder vereitelt (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 11 CS 19.2518 - juris Rn. 22 (Verweigerung einer Haaranalyse); Hamburgisches OVG, B.v. 27.8.2003 - 3 Bs 185/03 - ZfSch 2004, S. 289 ff. (Kürzung der Haare und dadurch Vereitelung einer Haaranalyse)). Zwar legte der Antragsteller fristgerecht ein Gutachten beim Landratsamt vor. Er hat jedoch die Durchführung einer Haaranalyse abgelehnt, sodass hierin eine teilweise Verweigerung der Untersuchung zu sehen ist, die als fehlende Mitwirkungshandlung im Sinne des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu qualifizieren ist.
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aa. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 14. Februar 2020 geht hervor, dass die Gutachterin den Antragsteller darüber belehrt hat, dass noch keine Belege zum angeblichen Drogenverzicht vorliegen würden und daher zur Beantwortung der behördlichen Fragestellung nach früherem Drogenkonsum eine Haaranalyse vorgeschlagen wurde. Der Antragsteller habe sich hierzu geweigert, da seine ihm Haare „heilig“ seien. Im Rahmen der gutachtlichen Beurteilung (Seite 8 des Gutachtens) wiederholte die Gutachterin nochmals, dass keine Befunde bezüglich des Konsums weiterer Suchtstoffe, insbesondere harter Drogen, erhoben werden konnten, da sich der Antragsteller zu einer Haaranalyse nicht bereit gezeigt habe. Bereits aus den Angaben im Gutachten ergibt sich, dass der Antragsteller die Durchführung einer Haaranalyse abgelehnt hat. Dass dem Antragsteller von Seiten der Gutachterin ein Wahlrecht, wie der Antragsteller es in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 13. April 2020 schilderte (Haaranalyse oder Urinscreenings), eingeräumt worden sei, geht aus dem Gutachten nicht hervor. Die Gutachterin hat zudem im Rahmen eines Telefongesprächs mit dem Landratsamt am 4. Mai 2020 bestätigt, dass eine Haaranalyse nötig gewesen wäre und sich der Antragsteller hierzu nicht bereit erklärt habe. Es sei nicht zutreffend, dass dem Antragsteller anstatt der Abgabe einer Haaranalyse drei Urinscreenings angeboten worden seien. Der Umstand, dass dem Antragsteller kein Optionsrecht zwischen Haaranalyse und Urinscreenings gewährt wurde, ist nachvollziehbar und glaubhaft. Die Frage um einen länger zurückliegenden Betäubungsmittelkonsum kann nicht durch die Abgabe von Urinscreenings beantwortet werden, sodass die dem Antragsteller vorgeschlagene Haaranalyse sachdienlich und notwendig gewesen wäre, um die behördliche Fragestellung vollumfänglich zu beantworten. Dies wurde entsprechend dem Gutachten auch gegenüber dem Antragsteller kommuniziert. Die Angaben des Antragstellers, die Gutachterin habe ihm explizit ein Wahlrecht eingeräumt, erscheinen daher nicht glaubhaft und deuten auf das Vorliegen einer bloßen Schutzbehauptung hin. Für das Vorliegen einer solchen Schutzbehauptung spricht auch das übrige Verhalten des Antragstellers. Der Antragsteller hat zwar noch während des behördlichen Entziehungsverfahrens die Durchführung einer Haaranalyse angeboten, eine solche jedoch nicht durchführen lassen. Die Tatsache, dass der Antragsteller nicht nur zur Durchführung der Haaranalyse bereit gewesen wäre, sondern eine solche in Auftrag gegeben und das Ergebnis vorgelegt hätte, wäre als neue Erkenntnis noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen gewesen. Es dürfte sogar möglich sein, eine Haaranalyse in Auftrag zu geben und deren Ergebnis im laufenden Klage- bzw. Antragsverfahren vorzulegen, wenn dies zeitnah nach der Klage- oder Antragserhebung geschieht und ersichtlich ist, dass der Betroffene die Analyse bereits vor Klage- bzw. Antragserhebung in Auftrag gegeben hat (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, Stand 18.3.2020, § 11 FeV Rn. 130). Der Umstand, dass der Antragsteller lediglich seine Bereitschaft erklärt hat und zunächst um eine Nachfristsetzung gebeten hat, aber nicht aktiv an die Gutachtenstelle herangetreten ist, deutet darauf hin, dass die Abgabe einer Haarprobe zur Analyse zeitlich in die Länge gezogen werden sollte, um hierdurch ein möglicherweise anderes Ergebnis zum zurückliegenden Konsum zu erzielen. Der Antragsteller hätte es als Auftraggeber der Begutachtung (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV) jederzeit in der Hand gehabt, im Rahmen des mit der Begutachtungsstelle geschlossenen Werkvertrags schnellstmöglich eine ergänzende Haarprobe in Auftrag zu geben. Darüber hinaus wäre es dem Antragsteller als Auftraggeber möglich gewesen, ein nach seiner Ansicht nach mangelhaftes Gutachten, welches das ihm angeblich eingeräumte Wahlrecht nicht wiedergibt, nachbessern zu lassen. Versuche des Antragstellers, selbst mit der Begutachtungsstelle Kontakt aufzunehmen, um das angebliche Missverständnis aufzuklären oder eine Lösung herbeizuführen, liegen nicht vor. Außerdem hat der Antragsteller auch nicht von sich aus die Stellungnahme der Gutachterin zum tatsächlichen Geschehensablauf beigebracht. Unter Würdigung all dieser Aspekte ergibt sich für das Gericht die Einschätzung, dass es sich bei dem vom Antragsteller vorgetragenen Missverständnis um eine reine Schutzbehauptung handelt und vielmehr eine Verzögerungstaktik vorliegt. Das Landratsamt ist daher nach Ansicht des Gerichts richtigerweise zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids von einer fehlenden Mitwirkungshandlung des Antragstellers, die die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV rechtfertigt, ausgegangen.
24
Ein ausreichender Grund für die Nichtbeibringung der von der Gutachterin geforderten Haaranalyse bestand nicht (vgl. BayVGH, B.v.19.6.2019 - 11 CS 19.936 - juris Rn. 23 m.w.N.). Die vom Antragsteller geforderte Mitwirkungshandlung - Abgabe einer Haarprobe zur Haaranalyse - war ihm möglich und zumutbar. Insbesondere der Umstand, dass dem Antragsteller die eigenen Haare „heilig“ seien und er keine Kenntnis darüber hatte, wie viele Haare benötigt werden, stellt keine Rechtfertigung für die unterlassene Mitwirkungshandlung dar. Insbesondere wäre es dem Antragsteller im laufenden Begutachtungsgespräch möglich gewesen, nachzufragen, wie viel Haare benötigt würden, anstatt von vorneherein eine Haaranalyse zu verweigern. Auch die Einwände der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass beim Antragsteller zumindest der Eindruck entstanden sei, dass er alles Notwendige für eine positive Begutachtung getan habe, er generell immer die Mitwirkungsbereitschaft gezeigt habe und daher keine vorsätzliche Vereitelungshandlung in seinem Verhalten gesehen werden könne, stellt keinen zureichenden Grund für die Verweigerung der Haaranalyse dar. So ist bereits eine fahrlässige Beweisvereitelung des Antragstellers dazu geeignet eine fehlende Mitwirkungshandlung zu bejahen (vgl. zur Mitwirkungspflicht im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung: BayVGH, B.v. 8.11.2019 - 11 CS 19.1565 - juris Rn. 24). Eine solche fahrlässige Beweisvereitelung ist mindestens anzunehmen. So wurde dem Antragsteller ausdrücklich von der Gutachterin eröffnet, dass eine Haaranalyse notwendig sei, um den zurückliegenden Betäubungsmittelkonsum zu eruieren. Diese verweigerte Haaranalyse stand daher bis zum Ende der Begutachtung im Raum, sodass es sich für den Antragsteller hätte aufdrängen müssen, zumindest selbst nachzufragen, ob die nicht durchgeführte Haaranalyse noch Nachwirkungen hat. Für die Gutachterin war durch die anfängliche Verweigerungshaltung des Antragstellers offensichtlich, dass keine Bereitschaft zur Abgabe einer Haaranalyse bestand und daher für sie keine weiteren Fragen zum Ende der Begutachtung offen waren. Zudem liegt es im Verantwortungs- und Risikobereich des Antragstellers ein geeignetes Gutachten beizubringen. Das bei ihm angeblich entstandene Missverständnis bzw. der Eindruck alles Notwendige getan zu haben, ist daher seiner Risikosphäre zuzurechnen. Ihm wäre es zudem unbenommen gewesen, im Nachhinein aktiv die Initiative zu ergreifen und selbstständig und schnellstmöglich eine Haaranalyse in Auftrag zu geben (vgl. oben). Auch dieses Nachverhalten deutet auf eine fahrlässige Beweisvereitelung hin, die einen ausreichenden Grund für die Nichtbeibringung der Haaranalyse ausschließt.
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bb. Es ist durchaus kritisch zu sehen, dass das Landratsamt die Fahrerlaubnis des Antragstellers entzogen hat und erst im Nachhinein telefonisch die Sachverhaltsungereimtheiten mit der Gutachterin abgeklärt hat, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass das Landratsamt zur Ermittlung der Fahreignungszweifel verpflichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2019 - 11 CS 19.1093 - juris Rn. 13 m.w.N.). Jedoch können die nachträgliche Ermittlungshandlung und das dadurch erzielte Ergebnis (Auskunft der Gutachterin) im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Bei der nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erforderlichen Verweigerung der Untersuchung durch den Fahrerlaubnisinhaber handelt es sich um eine Tatbestandsvoraussetzung. Bereits im streitgegenständlichen Bescheid ging die Behörde von einer Verletzung gegen die Mitwirkungspflicht aufgrund der Angaben im Gutachten aus. Dies wurde durch das Telefonat mit der Gutachterin vom 4. Mai 2020 bestätigt (vgl. obige Ausführungen). Diese Tatsache durfte von der Behörde als nachträgliche und zusätzliche Begründung der Verletzung der Mitwirkungspflicht nachgeschoben werden. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Wertung, wonach nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG eine komplette Begründung des Bescheids nachträglich erfolgen kann, sodass die Verbesserung und Konkretisierung einzelner Teilaspekte der Begründung des Bescheids erst Recht möglich sein muss. Auch aus den Gedanken der Art. 45 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5 BayVwVfG geht hervor, dass erforderliche Verfahrenshandlungen im Nachhinein nachgeholt werden und zu einer Heilung eines Verfahrensfehlers führen können. Es muss daher dem Landratsamt auch möglich sein, eine von ihm nicht getätigte Ermittlungshandlung noch nach Erlass des Bescheids durchführen zu können und entsprechend zu würdigen. Hinzu kommt der Aspekt, dass die eidesstaatliche Versicherung des Antragstellers über den detaillierten - angeblichen - Ablauf der Begutachtung erst nach Erlass des Bescheids und im gerichtlichen Verfahren vorgelegt wurde. Eine Konfrontation der Gutachterin wäre zwar bereits aufgrund der Angaben des Antragstellers im Rahmen des Entziehungsverfahrens möglich gewesen, der detaillierte Ablauf der Begutachtung wurde hingegen erst mit der eidesstattlichen Versicherung geschildert.
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Die nachträglich von der Gutachterin eingeholten Informationen sind zudem entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten des Antragstellers verwertbar. Es kann dahinstehen, ob die Gutachterin durch die telefonische Auskunft an das Landratsamt vom 4. Mai 2020 tatsächlich gegen ihre Schweigepflicht aus dem Rechtsverhältnis mit dem Antragsteller (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV) verstoßen hat oder ob ein solcher Verstoß nicht vorliegt, aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller bereits ein Gutachten der Gutachterin vorgelegt hat, dessen Angaben durch den Telefonanruf konkretisiert und bestätigt wurden. Das Verkehrsverwaltungsrecht kennt - wie auch das Verwaltungsrecht insgesamt - kein generelles Beweisverwertungsverbot (vgl. Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, Stand 18.3.2020, § 11 FeV Rn. 37; § 2 StVG Rn. 80 ff.). Aus den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung der Schwere des Eingriffs in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) einerseits sowie dem Interesse an der Straßenverkehrssicherheit und dem Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter andererseits (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2009 - 11 CS 08.3307 - juris Rn. 13) ergibt sich zudem, dass kein Beweisverwertungsverbot besteht. Der Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung ist wenig intensiv, da er bereits ein verwertbares Gutachten der Gutachterin vorgelegt hat (vgl. zur Verwertbarkeit eines vorgelegten Gutachtens bspw. BayVGH, B.v. 3.8.2016 - 11 CS 16.1185 - juris Rn. 25), in dem der Ablauf der Begutachtung geschildert wurde. Die Nachfrage bei der Gutachterin bezog sich auf den bereits im Gutachten dargestellten Geschehensablauf und bestätigte diesen. Wenn überhaupt, ist der Eingriff in die Rechte des Antragstellers deshalb als nur gering zu werten. Dies wird auch unter dem Gesichtspunkt bestätigt, dass der Antragsteller nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG verpflichtet ist, an der Aufklärung eines fahreignungsrelevanten Sachverhalts mitzuwirken und ihm bekannte Tatsachen und Beweismittel anzugeben und vor allem Unterlagen vorzulegen oder behandelnde Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2019 - 11 CS 19.1565 - juris Rn. 24). Eine entsprechende Entbindung der Gutachterin von ihrer Schweigepflicht wäre daher im Rahmen der dem Antragsteller obliegenden Mitwirkungshandlungen zu erwarten gewesen, weswegen dies ebenso dafür spricht, dass kein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Antragstellers vorliegen kann. Wägt man die vorgetragene Rechtsverletzung des Antragstellers gegen die zu schützenden Rechtsgüter der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie den Schutz von Gesundheit und Leben unbeteiligter Dritter ab, so überwiegt der Schutz dieser hochrangigen Rechtsgüter der geringfügigen Beeinträchtigung des Rechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung.
27
cc. Die Ablehnung einer Nachfristsetzung zur Beibringung einer nachträglichen Haaranalyse war rechtens. Da es sich bei der Beibringungsfrist nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV um keine Ausschlussfrist handelt, wäre es dem Landratsamt möglich gewesen, eine entsprechende Nachfrist zur Ergänzung der Haaranalyse zu setzen. Bei dieser Nachfrist handelt es sich um eine behördliche Frist, die im Ermessen des Landratsamts steht (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2019 - 11 CS 19.2069 - juris Rn. 23 m.w.N.). Ein Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) in Form des Ermessensausfalls liegt nicht vor, da das Landratsamt sein Ermessen erkannt hat und im Rahmen des Entziehungsbescheids den Nachfristsetzungsantrag abgelehnt hat. Ein Ermessensfehlgebrauch bzw. ein Ermessensmissbrauch ist nicht anzunehmen, da das Landratsamt zwar pauschal und textbausteinartig unter Nennung persönlicher Gründe des Antragstellers den Nachfristsetzungsantrag abgelehnt hat. Aus den obigen Erwägungen ergibt sich jedoch, dass tatsächlich eine Verweigerungshandlung des Antragstellers bei der Erstellung des angeforderten Gutachtens vorgelegen hat - wovon das Landratsamt auch ausging. Hieraus und aus dem Umstand, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs sowie das Leben und die körperliche Unversehrtheit von deren Teilnehmern nach Art. 2 Abs. 1 GG hochrangige Rechtsgüter sind, war das Ermessen des Landratsamts hier ausnahmsweise auf Null reduziert. Das Landratsamt hat daher sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
28
Die Fahrerlaubnisbehörde durfte nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zur Führung von Kraftfahrzeugen schließen.
29
3. Gegen die in Ziffer 2 des Bescheids angeordnete Ablieferung des Führerscheins bestehen nach summarischer Prüfung keine Rechtmäßigkeitsbedenken. Die Anordnung hat sich nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Abgabe des Führerscheins erledigt, sondern stellt weiterhin einen Rechtsgrund für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 - 11 CS 17.953 - juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 - 11 CS 13.2281 - juris Rn. 22). Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht und sofort vollziehbar entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.
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4. Gründe, die trotz der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des Bescheids die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids erfordern, sind nicht ersichtlich.
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II. Der Antragsteller trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).