Inhalt

VGH München, Urteil v. 22.10.2020 – 22 A 16.40009
Titel:

Nachbarklage gegen Elektrifizierung einer Eisenbahnstrecke

Normenketten:
UmwRG § 4 Abs. 1a
UVPG 2010 § 9 Abs. 1b S. 1 Nr. 2
UVPG § 5 Abs. 3 S. 2, § 7 Abs. 6, Abs.7
VwVfG § 46, § 73, § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2
AEG § 18 Abs. 1 S. 2, § 18a
BImSchG § 41, § 42
VwGO § 173 S. 1
ZPO § 265 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Auslegung muss nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (Anstoßwirkung). (Rn. 106) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein rechtlich schutzwürdiges Bedürfnis, die UVP-Vorprüfung auf mögliche formelle und materielle Fehler hin zu überprüfen, besteht nur dann, wenn es nicht zu einer UVP-Prüfung gekommen ist. Wird diese durchgeführt, wird sie selbst Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und überholt die zunächst stattgefundene oder auch unterbliebene Vorprüfung, auf deren Rechtmäßigkeit es dann nicht mehr ankommt. (Rn. 110) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist ein Grundstück unbebaut, aber grundsätzlich bebaubar, ist die Untersuchung als Immissionsort jedenfalls nur dann geboten, soweit in Betracht kommende künftige Bauvorhaben hinreichend konkret sind und die Bauausführung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist. (Rn. 146) (redaktioneller Leitsatz)
4. Beim Ausbau von Schienenwegen entstehen Ansprüche auf Erschütterungsschutzmaßnahmen ab einer Erhöhung der plangegebenen Vorbelastung um 25 Prozent. (Rn. 155) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eisenbahnrechtliche Planfeststellung, Zulässigkeit einer Nachbarklage nach Grundstücksteilung und -übereignung, Auslegung von Planunterlagen, insbesondere von Verkehrsprognosen, Anstoßfunktion, Fehlen eines Hinweises auf die UVP-Pflicht in der Bekanntmachung zur Auslegung der Planunterlagen, Erheblichkeit von eventuellen Mängeln der UVP-Vorprüfung bei durchgeführter UVP, Ansprüche auf Lärm- und Erschütterungsschutz, Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit einer Verkehrsprognose, Immissionsschutz, Geschwindigkeit, Ausbau, Planfeststellungsverfahren, schalltechnische Untersuchung, Unfall, Vorhaben, Nachbarklage, Grundstücksteilung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 32721

Tenor

I.    Die Klagen werden abgewiesen.
II.    Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen zu 4/5 der Kläger zu 1 und zu 1/5 der Kläger zu 2. 
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klage wurde ursprünglich von der Mutter der Kläger erhoben, die damals Eigentümerin der Grundstücke FlNrn. … … und … der Gemarkung N* … war (im Folgenden: Frühere Klägerin). Mit Schreiben vom 5. Mai 2020 teilte der Bevollmächtigte der früheren Klägerin mit, dass diese die streitbefangenen Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihre Söhne übertragen habe, wobei das Grundstück FlNr. … in zwei Grundstücke mit den FlNrn. … und … geteilt worden sei, und erklärte für die Söhne die Übernahme des Rechtsstreits als Rechtsnachfolger der früheren Klägerin. Nunmehr ist der Kläger zu 1 Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … … und …; der Kläger zu 2 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Die Grundstücke liegen zwischen der Bahnstrecke 4530 (Friedrichshafen - L* …*) und dem Bodensee, wobei die Grundstücke FlNrn. … … und … unmittelbar an das Bahngelände angrenzen. Auf dem Grundstück FlNr. … befindet sich ein von der Familie betriebenes Gästehaus.
2
Die Kläger wenden sich gegen einen am 28. Oktober 2015 erlassenen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes, Außenstelle München (im Folgenden: Eisenbahn-Bundesamt), der den Planfeststellungsabschnitt 5 des Vorhabens „Elektrifizierung der Strecke Ulm - Friedrichshafen - L* …“ zum Gegenstand hat. Dieser Planfeststellungsabschnitt umfasst den von Bahnkm 15,046 bis Bahnkm 22,512 reichenden, durch die Stadt L* … … … und die Gemeinden Wasserburg a. Bodensee, N* … und Bodolz verlaufenden Teil der Strecke 4530, die ihrerseits Teil der sogenannten Bodensee-Gürtelbahn ist. Die Planfeststellungsabschnitte 1 bis 4 liegen in Baden-Württemberg und umfassen die Strecke von Ulm bis Friedrichshafen (Strecke 4500) sowie den Teil der Strecke 4530 zwischen Friedrichshafen und der Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern.
3
1. Das Vorhaben „Ausbaustrecke Ulm - Friedrichshafen - L* … (1. Baustufe)“ war in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) - Bedarfsplan für die Bundesschienenwege - in der bei Erlass des verfahrensgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses geltenden Fassung des Gesetzes vom 15. September 2004 (BGBl I S. 2322) als laufendes und fest disponiertes Vorhaben des vordringlichen Bedarfs (s. Abschnitt 1.a) lfd. Nr. 24) sowie - insoweit bezogen auf die zweite Baustufe - als internationales Projekt aufgeführt (s. Abschnitt 3. lfd. Nr. 7). Ebenfalls aufgeführt war das Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan 2003 (s. BT-Drs. 15/2050, Tabelle 12 lfd. Nr. 23 sowie für das internationale Projekt Tabelle 15, lfd. Nr. 7). Die aktuell geltende Fassung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3221) sieht demgegenüber in der Anlage zu § 1 in Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 lfd. Nr. 1 als neues Vorhaben des vordringlichen Bedarfs die „ABS Ulm - Friedrichshafen - L* … (Südbahn)“ ohne Ausbau bis zur Grenze vor. Dies entspricht der Darstellung im aktuell geltenden Bundesverkehrswegeplan 2030, wonach das Vorhaben in der Elektrifizierung der Strecke Ulm - Friedrichshafen - L* … sowie der Elektrifizierung von Anschlussstrecken nach Laupheim Stadt und der abschnittsweisen Geschwindigkeitserhöhung auf Vmax. 160 km/h bestehen soll (abrufbar unter https://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html, dort Anlage 2, Nr. 2-001-V02).
4
2. Mit Schreiben vom 23. September 2010 teilte die ... ProjektBau GmbH dem Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Stuttgart, mit, dass beabsichtigt sei, ein Planfeststellungsverfahren zur Elektrifizierung der Südbahn mit fünf Planfeststellungsabschnitten durchzuführen. Im Vorfeld werde um Durchführung eines Scoping-Verfahrens gebeten; dazu würden Unterlagen übersandt. Mit Schreiben vom 21. April 2011 unterrichtete das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Stuttgart, die ... ProjektBau GmbH gemäß § 5 UVPG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.2.2010 (BGBl I S. 94, im Folgenden: UVPG 2010) über Inhalt und Umfang der voraussichtlich nach § 6 UVPG 2010 beizubringenden Unterlagen und machte Ausführungen zu den Anforderungen an eine durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung, ohne jedoch ausdrücklich die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens festzustellen.
5
3. Der Antrag auf Erlass einer planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung für den Planfeststellungsabschnitt 5 ging dem Eisenbahn-Bundesamt in einer ersten Fassung am 4. Juni 2012 zu, die auf seine Bitte mit E-Mail vom 13. November 2013 sowie Schreiben vom 17. Dezember 2013 und vom 21. Januar 2014 angepasst wurde.
6
Die verkehrliche Bedeutung der Strecken 4500 (Abschnitt Ulm - Friedrichshafen) und 4530 (Abschnitt Friedrichshafen - L* …*) soll nach dem Erläuterungsbericht zu dem Planfeststellungsantrag darin bestehen, von Ulm aus eine Verbindung zwischen der europäischen Eisenbahnmagistrale Paris - Stuttgart - München - Wien - Bratislava über L* … zum österreichischen und schweizerischen Eisenbahnnetz herzustellen und so auch die Wirtschaftsräume Stuttgart/Ulm mit dem oberschwäbischen Wirtschaftsraum, dem Wirtschaftsraum Vorarlberg und dem Wirtschaftsraum der Kantone St. Gallen und Graubünden zu verknüpfen. Neben der Anpassung an den Stand der Technik führe die Elektrifizierung zu einer verbesserten Einbindung der Strecke in den übergeordneten Zuglauf, da die Durchbindung von Linien erleichtert werde. Durch den Entfall des Traktionswechsels in L* …-Reutin sei auch ein durchgehender elektrischer Güterverkehr nach Österreich und in die Schweiz möglich. Zur weiteren Planrechtfertigung verweist der Erläuterungsbericht außerdem auf das Projekt „Knoten L* …“.
7
Die im Planfeststellungsabschnitt 5 vorgesehenen Maßnahmen, soweit sie im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits von Bedeutung sind, umschreibt der Erläuterungsbericht dahingehend, dass jeweils außerhalb der Gleise Masten in einem zwischen 3,5 m und 3,7 m von der Gleisachse liegenden Abstand aufgestellt würden. Der Abstand der Masten zueinander liege (bei einer durchschnittlichen Distanz von 55 m) zwischen 25 m und 76 m. Die Höchstgeschwindigkeit zwischen dem Bahnkilometer 15,046 (Landesgrenze Baden-Württemberg/Bayern) und L* …-Aeschach liege bei 100 km/h für konventionelle Züge und 120 km/h für Züge mit aktiver Neigetechnik; letztere würden derzeit allerdings nicht eingesetzt (Kap. 5.1 des Erläuterungsberichts). Entsprechend „der maximal geplanten Streckengeschwindigkeit bis 140 km/h“ sei für das durchgehende Hauptgleis der Strecke 4530 eine Oberleitungsanlage der Regelbauart Re 200/100 K vorgesehen; sie sei für höhere Geschwindigkeiten als Oberleitungen der Regelbauart Re 100/100 K ausgelegt, mit denen die Bahnhofsnebengleise ausgerüstet würden (Kap. 6.1 des Erläuterungsberichts).
8
Da die Elektrifizierung der Strecke einen erheblichen baulichen Eingriff im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV darstelle, sei eine Prüfung erforderlich gewesen, ob eine „wesentliche Änderung“ im Sinne dieser Verordnung inmitten stehe. Dies sei auszuschließen, da weder eine Änderung der Gleislage noch eine Erhöhung der Streckengeschwindigkeit vorgesehen sei. Aus den gleichen Gründen sei auch nicht mit einer wesentlichen Zunahme der Erschütterungsimmissionen zu rechnen. Es sei deshalb nicht erforderlich gewesen, aktive bzw. passive Schallschutzvorkehrungen oder Maßnahmen des Erschütterungsschutzes zu planen. Die Planunterlagen enthalten in Anlage 12 eine schall- und eine erschütterungstechnische Untersuchung, die darüber hinaus darauf verweisen, dass sich das Betriebsprogramm auf der Strecke durch die Umsetzung des Vorhabens nicht ändern werde. Den Planunterlagen ist weiter die Anlage 16 beigefügt, die eine Zugzahlenprognose für den Fall der Dieseltraktion und für den Fall der elektrischen Traktion in Bezug auf das Jahr 2025 enthält.
9
Die Erdung und Rückstromführung werde nach der RL 997.02 ff vorgenommen. Zur Rückstromführung dienten sowohl die Fahrschienen als auch das an den Oberleitungsmasten mitgeführte Rückleitungsseil.
10
Im vorliegenden Fall verlaufe eine Vielzahl von Leitungen sowohl parallel als auch quer zur Bahnstrecke. Der Vorhabenträger habe sowohl die insoweit vorhandenen eigenen Unterlagen ausgewertet als auch diesbezüglich bei den Leitungsträgern nachgefragt. Die so erlangten Informationen seien in der Anlage 8 der Planunterlagen tabellarisch aufgeführt. Eine auf den Grundstücken der Kläger liegende Leitung wird dort nicht erwähnt.
11
Die Oberleitungsmasten würden so gegründet, dass die Inanspruchnahme von Grundstücken Dritter so gering wie möglich gehalten werde. In den Fällen, in denen Masten außerhalb der bisherigen Bahngrenze gesetzt werden müssten, sei das in den als Anlage 4 der Planunterlagen eingereichten Plänen sowie im Grunderwerbsverzeichnis und in den Grunderwerbsplänen (Anlage 9 der Planunterlagen) dargestellt. Die Grundstücke der Kläger werden in dieser Unterlage nicht erwähnt.
12
Der Erläuterungsbericht zu dem Vorhaben geht weiter davon aus, dass dieses der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt. Eine Umweltverträglichkeitsstudie ist Bestandteil der Planunterlagen (Anlage 11).
13
4. Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 bat das Eisenbahn-Bundesamt die Regierung von Schwaben, für das Vorhaben das Anhörungsverfahren durchzuführen.
14
Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 an die Regierung von Schwaben erhob die frühere Klägerin Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie machte u.a. geltend, die Angaben zu den Schallimmissionen auf ihren Grundstücken seien unzureichend. Die Behauptung, dass es keine Pegeländerung geben werde, sei mangels konkreter Zahlen nicht nachvollziehbar. Die bisherige Lärmbelastung werde durch erhöhtes Zugaufkommen und durch längere Güterzüge überschritten werden; auch rechne sie mit einer Erhöhung der Streckengeschwindigkeit. Die Planunterlagen beruhten auf veralteten Zugzahlen, da der Bundesverkehrswegeplan 2025 zwischenzeitlich fortgeschrieben worden sei. Sie könne aktive bzw. passive Lärmschutzmaßnahmen beanspruchen.
15
Nach Bekanntmachung in den Zeitungen „L* …er Zeitung“ und „Der Westallgäuer“ sowie im Amtsblatt der Regierung von Schwaben hielt diese am 16. Dezember 2014 einen Erörterungstermin ab.
16
5. In der Begründung des am 28. Oktober 2015 erlassenen Planfeststellungsbeschlusses machte das Eisenbahn-Bundesamt Ausführungen zu der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung.
17
Zur Planrechtfertigung verweist der Planfeststellungsbeschluss auf den Bundesverkehrswegeplan 2003 sowie die Anlage zu § 1 BSWAG. Die weiteren Ausführungen zur Planrechtfertigung stimmen im Wesentlichen mit den Ausführungen zur verkehrlichen Bedeutung aus dem Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsantrag überein; darüber hinaus werde das Verkehrsangebot im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr attraktiver gestaltet.
18
Zur Frage betriebsbedingter Immissionen führte das Eisenbahn-Bundesamt aus, da die Elektrifizierung der Strecke weder mit einer Anhebung der Geschwindigkeit noch mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen verbunden sei und daher keine Erhöhung der Schallpegel verursache, bedürfe es keiner Prüfung, ob eine „wesentliche Änderung“ im Sinn der 16. BImSchV vorliege.
19
Die Verkehrsprognose des Bundesverkehrswegeplans sei methodisch korrekt erstellt worden und inhaltlich schlüssig. Hinsichtlich des Schienengüter- und des Schienenpersonenfernverkehrs seien die Zugzahlen aus dem Bedarfsplan 2010 zugrunde gelegt worden, der auf Verkehrsprognosen bis zum Jahr 2025 basiere. Hinsichtlich des Schienenpersonennahverkehrs habe der Vorhabensträger bei den zuständigen Aufgabenträgern bis zum Jahr 2025 reichende Konzepte und Mengengerüste nachgefragt. Der von den Einwendern befürchtete Verkehrszuwachs sei nicht zu erwarten, da die Strecke wegen des Richtungswechsels in Friedrichshafen und wegen der Eingleisigkeit der Bodensee-Gürtelbahn für den Güterverkehr nicht besonders attraktiv erscheine. Die Kurzfassung einer im Jahr 2006 mit Blick auf den Zulauf zur Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (im Folgenden: NEAT) erstellten Studie treffe ausschließlich eine Aussage zum Gesamtpotenzial der Relation München/Augsburg - L* …, nicht aber zur Südbahn. Auch sei das Vorhaben nicht mit einer Steigerung der Geschwindigkeit verbunden; die Planunterlagen wiesen diesbezüglich einen redaktionellen Fehler auf. Mangels wesentlicher Änderung des Schienenlärms sei keine detaillierte schalltechnische Untersuchung erforderlich.
20
„Lästigkeitsrelevante“ Erschütterungen könnten in der Regel in Gebäuden auftreten, die näher als 40 m zur Bahnlinie lägen. Die in Anlage 12.2 der Planunterlagen enthaltene erschütterungstechnische Untersuchung vom 30. Mai 2012 zeige auf, dass aufgrund der unveränderten baulichen Situation des Schienenwegs - speziell des Oberbaus und der Trassenführung - sowie aufgrund einer fehlenden Geschwindigkeitsänderung eine Zunahme der Erschütterungsimmissionen nicht zu erwarten sei.
21
Zu dem Vorbringen von Einwendern, in der Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht auf das eventuelle Auftreten vagabundierenden Bahnrückstroms eingegangen worden, der über Wasser-, Gas- oder sonstige metallische Ver- und Entsorgungsleitungen in bahnnahe Gebäude gelangen könne, merkt der Planfeststellungsbeschluss an, der Rückstromanteil in der Erde werde u. a. dadurch erheblich reduziert, dass Bauwerke im unmittelbaren Bahnbereich seit vielen Jahrzehnten gezielt (durch Verbindung mit der Schiene) in die Rückstromführung einbezogen würden. Auch bahneigene Rohrleitungen würden teilweise direkt mit den Gleisen verbunden. Eine weitere Verringerung des Rückstromanteils im Erdreich ergebe sich dadurch, dass bei Wechselstrombahnen durch wiederholtes Verbinden der Schienen untereinander möglichst viele Schienen für die Rückstromführung zur Verfügung stünden. Von Gesundheitsgefahren sei aus diesem Grund nicht auszugehen.
22
Alle vom Vorhaben betroffenen bzw. im Umfeld liegenden Leitungen seien in der Anlage 8 der Planunterlagen dargestellt. Sofern wegen der Elektrifizierung der Strecke eine dauerhafte Anpassung bzw. eine bauzeitliche Sicherung erforderlich werde, sei dies im Bauwerksverzeichnis (Anlage 3 der Planunterlagen) dokumentiert.
23
6. Die frühere Klägerin erhob am 29. Februar 2016 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2020 haben die Kläger beantragt,
24
1. den Planfeststellungsbeschluss gemäß § 18 AEG vom 28. Oktober 2015 des Eisenbahnbundesamts für das Vorhaben „Elektrifizierung der Strecke Ulm - Friedrichshafen - L* …, Planfeststellungsabschnitt 5 im Landkreis L* … mit Neubau des Schaltpostens L* … bei Bahnkm 22,4 sowie Anpassungsmaßnahmen an den bestehenden Bahnübergängen“ in der Stadt L* … … … und in den Gemeinden Wasserburg, N* … und Bodolz - Bahnkm 15,046 bis 22,512 der Strecke Friedrichshafen - L* … (Bodensee-Gürtelbahn) - aufzuheben,
25
2. hilfsweise die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen,
26
3. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um die nachfolgenden Auflagen zugunsten der Kläger zu ergänzen:
27
a) Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, nachts in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr keine Güterzüge über die streitgegenständliche Strecke fahren zu lassen.
28
b) Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, jedenfalls die täglichen Zuggattungen, Zugzahlen und Höchstgeschwindigkeiten nach Elektrifizierung, wie sie in der Anlage 16 der Planunterlagen niedergelegt sind, mithin die nachfolgenden Zuggattungen und Zugzahlen und Höchstgeschwindigkeiten, also
29
maximal 2 IC (BR 101 + 7 Wagen; Zuglänge max. 200 m, Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%), maximal 14 IRE (2x BR 611; Zuglänge max. 100 m, Höchstgeschwindigkeit 140 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%), maximal 34 IRE (BR 146 + 5 Dosto; Zuglänge max. 150 m, Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%), maximal 30 RB (BR 425; Zuglänge max. 70 m, Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%) und maximal 2 Güterzüge (BR 151; Zuglänge max. 600 m, Höchstgeschwindigkeit 90 km/h, Scheibenbremsenanteil 20%) in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr,
30
sowie
31
maximal 2 IRE (BR 146 + 5 Dost; Zuglänge max. 150 m, Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%) maximal 4RB (BR 425; Zuglänge max. 70 m, Höchstgeschwindigkeit 110 km/h, Scheibenbremsenanteil 100%) und maximal 2 Güterzüge (BR 151; Zuglänge max. 600 m, Höchstgeschwindigkeit 90 km/h, Scheibenbremsenanteil 20%) in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, und im Übrigen keine Züge
32
im Planfeststellungsabschnitt 5 entlang der streitgegenständlichen Strecke nicht zu überschreiten.
33
c) Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, die Kläger durch aktive Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzwände oder die Maßnahme „besonders überwachtes Gleis“, hilfsweise passive Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzfenster, vor unzumutbaren Schallimmissionen zu schützen.
34
d) Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, die Kläger durch aktive Erschütterungsschutzmaßnahmen wie besohlte Schwellen, hilfsweise passive Erschütterungsschutzmaßnahmen, vor unzumutbaren Erschütterungen zu schützen.
35
e) Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, dinglich nicht abgesicherte Entwässerungsleitungen des Bahndammes auf den Grundstücken des Klägers zu 1 auf eigene Kosten zu beseitigen, hilfsweise für diesen die Übernahme der Unterhaltslast und einer verschuldensunabhängigen Garantie für den Ersatz von Schäden, die sich aus dem Halten und dem Betrieb der Entwässerungsleitungen ergeben, gegenüber dem Kläger zu 1 und seinen Rechtsnachfolgern zu erklären,
36
4. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um eine Festsetzung einer angemessenen Entschädigung in Geld, zumindest dem Grunde nach, für nicht durch Auflagen wie unter Ziff. 3 abwendbare Beeinträchtigungen der Kläger zu ergänzen,
37
5. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Anspruch der Kläger auf Schutzmaßnahmen wie unter Ziff. 3 beantragt zu entscheiden.
38
Zur Begründung machte die frühere Klägerin mit am 11. April 2016 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 1. April 2016 sowie weiterem Schriftsatz vom 25. Juli 2016 im Wesentlichen geltend, entgegen § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG hätten die Planunterlagen nur in der Stadt L* … … …, nicht aber in allen betroffenen Gemeinden zur Einsicht ausgelegen. Ferner sei die öffentliche Bekanntmachung des Erörterungstermins auf die „L* …er Zeitung“ und die Zeitung „Der Westallgäuer“ beschränkt gewesen; eine ortsübliche Bekanntmachung in der Gemeinde N* … sei unterblieben. Wesentliche Fakten wie die Ermittlung der Zugzahlen seien im Rahmen der Anhörung nicht offengelegt worden, so dass die Einwender nicht hätten ersehen können, ob und wie diese Zahlen erhoben worden seien und wie sich die Belastungen für die Anwohner entwickeln würden. Damit sei die notwendige Anstoßwirkung nicht erfüllt worden.
39
Der Planfeststellungsbeschluss leide an Abwägungsfehlern. Wesentlich für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Anwohner sei die Frage, ob die geplante Elektrifizierung eine Erhöhung der Zugzahlen bewirke. Eine Erläuterung oder Herleitung der in der Anlage 16 genannten Zugzahlen habe nicht stattgefunden; im Planfeststellungsbeschluss werde nur ein Ergebnis der Verkehrsprognose präsentiert. Die Zahlen seien nicht überprüfbar, auch nicht auf Plausibilität. Der Rechen- und Prognoseweg sei weder in den Planunterlagen enthalten noch sonst offengelegt worden. Aus dem Abschlussbericht über die Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen vom 29. November 2010 gehe hervor, dass die Prognose der Zugzahlen von vielen Daten wie der gewählten Zone, dem Analysejahr, dem Versandaufkommen in dieser Zone, dem Personenbeförderungsaufkommen, von Schätzparametern und zahlreichen anderen Faktoren bestimmt werde. Hinsichtlich der Zugzahlen für den Personennahverkehr habe die Beigeladene nur Daten der Aufgabenträger des Nahverkehrs abgefragt, die ebenfalls nicht Bestandteil der Planunterlagen geworden seien. Es sei nicht erkennbar, ob die Daten der Aufgabenträger vollständig, umfassend und richtig erfasst worden seien. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlange aber, dass die Berechnung nachvollziehbar sein müsse.
40
Die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses zeige, dass auch das Eisenbahn-Bundesamt die Zugzahlen letztlich nicht überprüft habe. Diese seien deutlich zu niedrig angesetzt. Wenn der Erläuterungsbericht die Vorteile der durchgehenden Elektrifizierung damit begründe, dass das aufwändige Wechseln zwischen Diesel- und Elektrolokomotiven entfalle und hierdurch die Durchgängigkeit der Verbindungen verbessert werde, eröffne dies die Möglichkeit für zusätzliche Zugfahrten. Ein Potenzial dafür ergebe sich auch aus der Ermöglichung eines durchgängigen grenzüberschreitenden Güterverkehrs nach Österreich und in die Schweiz. Die Abwägungsgrundlage - nämlich die Zugzahlen - wirke sich auf die nachfolgenden Problemkreise im Bereich des Schall- und des Erschütterungsschutzes erheblich aus. Das von der früheren Klägerin im Verwaltungsverfahren in Bezug genommene Gutachten des Büros S* … vom 27. August 2012 belege schon jetzt erhöhte Zugzahlen.
41
Bei der Beurteilung der Zugzahlen sei außerdem der NEAT-Zulauf gänzlich unberücksichtigt geblieben. Unklar sei auch, wie das Eisenbahn-Bundesamt zu dem Ergebnis gelangt sei, sogar geänderte Zugzahlen seien unbeachtlich, weil sie zu keiner Schallpegelerhöhung führen könnten.
42
Vor diesem Hintergrund hätten die Kläger einen Schutzanspruch gegenüber planbedingten Lärmimmissionen gemäß §§ 41, 42 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV bzw. der 24. BImSchV. Es liege eine wesentliche Änderung des Schienenweges im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV vor. Insoweit bestehe auch ein Ermittlungsdefizit der Planfeststellungsbehörde, weil nicht aufgeklärt worden sei, ob es zu einer entsprechenden Erhöhung der Schallpegel komme.
43
Darüber hinaus liege ein Abwägungsmangel darin, dass die Planfeststellungsbehörde nicht ermittelt habe, ob die Schallbelastung die Kläger unabhängig vom Erfordernis einer „wesentlichen Änderung“ im Sinn der 16. BImSchV in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletze.
44
Das sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV ergebende Erfordernis einer „wesentlichen Änderung“ gehe für die Kläger im Übrigen mit einer systemwidrigen Benachteiligung einher. Da für die Bodensee-Gürtelbahn bisher noch kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden sei, finde auf diesen „altrechtlichen“ Schienenweg § 75 Abs. 2 VwVfG keine Anwendung. Ohne Planfeststellung errichtete Verkehrswege würden dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnen, gegenüber der Beklagten Schallschutzmaßnahmen im Weg der allgemeinen Leistungsklage einzufordern. Diese Möglichkeit werde den Klägern durch die Planfeststellung genommen, da § 75 Abs. 2 VwVfG das als Anlage 16 der Planunterlagen vorgelegte Betriebsprogramm zum nicht mehr angreifbaren Grundlagenmaterial der Planfeststellung mache. Auch die nicht durch die Elektrifizierung bewirkte Erhöhung der Lärmpegel werde mithin von den Wirkungen der Planfeststellung erfasst und legitimiert. Dies sei jedenfalls dann nicht möglich, wenn - wie hier - die Schallbeeinträchtigungen der Anwohner im Planfeststellungsverfahren überhaupt nicht beachtet worden seien. Während auf der Strecke 4530 gegenwärtig nachts keine Güterzüge verkehrten, sollten nach der Betriebsprognose der Beigeladenen während der Nachtzeit 2 Güterzüge diesen Schienenweg frequentieren. Insoweit komme es zu einer Änderung des zukünftigen Betriebs gegenüber dem Ist-Zustand. § 41 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV müsse deshalb entsprechend auf den Fall angewendet werden, dass eine „altrechtliche Situation“ erstmalig in einen Planfeststellungsbeschluss überführt und somit die wesentliche Änderung des Betriebs von der Legitimationswirkung des § 75 VwVfG erfasst werde.
45
Unberücksichtigt geblieben sei ferner die Belastung durch Infraschall, der gemäß dem vorgelegten „Leitfaden Nichtionisierende Strahlung - Infraschall“ des Fachverbandes für Strahlenschutz e.V. vom 25. Februar 2005 sowie den Mess- und Grenzwerten der DIN 45680 zu beurteilen sei.
46
Abwägungsfehlerhaft sei der angefochtene Planfeststellungsbeschluss auch deshalb, weil die Verordnung der Gemeinde N* … über den Immissionsschutz im Gemeindegebiet vom 10. April 2013 unberücksichtigt geblieben sei.
47
Auch unter dem Blickwinkel des Erschütterungsschutzes komme der Frage, ob sich die Zugzahlen erhöhen oder sich die Zuggattungen bzw. die Geschwindigkeiten verändern würden, wesentliche Bedeutung zu. Die LAI-Richtlinie zur Beurteilung von Erschütterungsimmissionen vom 10. Mai 2000, die die Wirkung eines antizipierten Sachverständigengutachtens habe, habe für die Zumutbarkeit und Vermeidbarkeit solcher Immissionen die DIN 4150 und die VDI-RL 2057 ausgewertet. Es sei zu klären, ob die Erschütterungen mit den Vorgaben der LAI-Richtlinie in Einklang zu bringen seien. Im Übrigen setze sich der Fehler fort, dass gleichbleibende Zugzahlen unterstellt würden. Unbeachtet geblieben sei ferner die Tatsache, dass durch Erschütterungen sekundärer Luftschall entstehe.
48
Nicht überprüft worden seien ferner die Einwendungen der früheren Klägerin zum vagabundierenden Bahnrückstrom. Es fehlten Ermittlungen dazu, welche Auswirkungen der vagabundierende Rückstrom im Einzelfall zeige, ob die behaupteten Maßnahmen der Beigeladenen entlang der Bahnstrecke tatsächlich ausgeführt würden und ob die verbleibenden Beeinträchtigungen ein Gefährdungs- oder Schädigungspotenzial beinhalteten.
49
Die Kläger rügen ferner, dass sich der Planfeststellungsbeschluss nicht zu den Standorten der geplanten Oberleitungsmasten äußere. Maßgeblich sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ob die Frage der Standorte der Masten von einigem Gewicht sei, insbesondere Rechte Dritter berührt werden könnten, so dass der Grundsatz der Problembewältigung gebiete, diesen Gesichtspunkt bereits im Planfeststellungsbeschluss zu behandeln. Dies sei vorliegend der Fall. Da sich den Planunterlagen nicht entnehmen lasse, ob die Masten nördlich oder südlich der Bahnstrecke ausgeführt werden sollten, sei nicht vorhersehbar, ob und welche Grundstücke durch sie in Anspruch genommen würden, ggf. auch das (frühere) Grundstück 413 der früheren Klägerin.
50
Nicht ausreichend auseinandergesetzt habe sich das Eisenbahn-Bundesamt auch mit dem Einwand, eine Erhöhung des Zugaufkommens sei bereits deshalb zu befürchten, weil die zu elektrifizierende Strecke nach der planerischen Zielsetzung eine Schlüsselstellung bei der Anbindung der Südbahn an die Strecken in der Schweiz und in Italien einnehmen solle, was zwangsläufig mit einem nachfolgenden Ausbau der Strecke einhergehen müsse. Die Planfeststellungsbehörde hätte deshalb auch beurteilen müssen, ob die Elektrifizierung nicht auch eine zwangsläufige Vorabentscheidung über einen weitergehenden zweigleisigen Ausbau umfasse, etwa weil die Elektrifizierung möglicherweise für die Beigeladene wirtschaftlich nur sinnvoll sei, wenn sie in absehbarer Zeit auch den zweigleisigen Ausbau der Gleise betreiben könne.
51
Schließlich sei die Forderung der früheren Klägerin nicht beachtet worden, eine über das (frühere) Grundstück FlNr. … verlaufende und dinglich nicht gesicherte Entwässerungsleitung des Bahndamms zu beseitigen, sie zumindest aber in rechtlich gesicherte Verhältnisse (z.B. in Gestalt einer Grunddienstbarkeit mit der Regelung der Unterhaltslast und der Schadenersatzpflicht) zu überführen. Da die Entwässerungsleitung als Bestandteil der Bahnanlage von § 75 Abs. 2 VwVfG erfasst werde, müssten die Kläger eine öffentlich-rechtliche Schutzauflage verlangen können, um nicht später mit zivilrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen zu sein.
52
Ferner könne die geplante Elektrifizierung mit einer Beeinträchtigung des Trinkwasserspeichers „Bodensee“ einhergehen, weil Giftstoffe in dieses Gewässer gelangen könnten, wenn es bei Gefahrguttransporten zu einem Unfall komme. Dies sei von der Planfeststellungsbehörde nicht ausreichend abgeklärt worden.
53
Mit ergänzendem Schriftsatz vom 22. September 2017 wurde weiter gerügt, dass der zwischenzeitlich in Kraft getretene Bundesverkehrswegeplan 2030 im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt worden sei; die Zugzahlenprognosen müssten daran angepasst werden.
54
7. Die Beklagte beantragte,
55
die Klage abzuweisen.
56
Entgegen der Darstellung in der Klagebegründung seien die Planunterlagen auch in der Gemeinde N* … ordnungsgemäß ausgelegt worden. Da 131 wirksame Einwendungen eingegangen seien, hätten die Einwender von dem Erörterungstermin durch öffentliche Bekanntmachung unterrichtet werden dürfen, die u.a. in der L* …er Zeitung und in der Zeitung „Der Westallgäuer“ vorgenommen worden sei. Da die frühere Klägerin im Anhörungsverfahren Einwendungen erhoben habe, sei davon auszugehen, dass den ausgelegten Unterlagen die erforderliche Anstoßfunktion zugekommen sei.
57
Die Verkehrsprognose sei nicht zu beanstanden; die Ausrichtung an der Bundesverkehrswegeplanung entspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es sei sachgerecht, die den Schienenpersonennahverkehr bis zum Jahr 2025 betreffenden Konzepte und Mengengerüste bei den insoweit zuständigen Aufgabenträgern (Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, im Folgenden: NVBW; Bayerische Eisenbahngesellschaft, im Folgenden: BEG) abzufragen. Demgegenüber sei die Herkunft der von der früheren Klägerin angegebenen Zugzahlen unklar.
58
Da sich durch die Elektrifizierung die Lärmimmissionen nicht erhöhen würden, könne auch der Infraschall nicht zunehmen.
59
Die Immissionsschutzverordnung der Gemeinde N* … gelte nicht für Eisenbahnbetriebsanlagen.
60
Anhaltspunkte für eine mit Grundrechtsverletzungen einhergehende Lärmbelastung der früheren Klägerin lägen angesichts der vergleichsweise moderaten Zugzahlen nicht vor. Zwar müsse eine mehr als nur geringfügig zunehmende Lärmbetroffenheit der Anwohner einer planfeststellungsbedürftigen Baumaßnahme auch dann in die Abwägung eingestellt werden, wenn keine Schutzansprüche nach der 16. oder der 24. BImSchV ausgelöst würden. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Vorhaben und der Lärmbelastung bestehe jedoch nur, wenn letztere vorhabensbedingt ansteige, was hier nicht der Fall sei.
61
Eine Bahnstrecke könne auch dann bestandsgeschützt sein, wenn kein ihre Errichtung betreffender Planfeststellungsbeschluss ersichtlich sei; es genüge bei „altrechtlichen“ Schienenwegen, dass sie - was bei der Bodensee-Gürtelbahn selbstverständlich sei - für den Verkehr gewidmet seien.
62
Angesichts fehlender Geschwindigkeitsänderungen und fehlender Änderungen der Gleislage sei eine Zunahme von Erschütterungsimmissionen nicht zu erwarten. Der Beherbergungsbetrieb der früheren Klägerin liege zudem mehr als 40 m von der Bahntrasse entfernt.
63
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem die Standorte von Oberleitungsmasten bereits im Planfeststellungsbeschluss geregelt werden müssten, habe die frühere Klägerin weder vorgetragen noch seien sie ersichtlich. Ihr Eigentum werde nach dem derzeitigen Stand der Planungen durch die Maststandorte nicht in Anspruch genommen.
64
Die Elektrifizierung einer Bestandsstrecke stelle nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BSWAG ein eigenständiges Planungsziel dar. Eine Vorentscheidung für einen späteren zweigleisigen Ausbau sei damit nicht verbunden. Da die Verlegung eines zweiten Gleises zwingend ein weiteres Planfeststellungsverfahren erfordere, wären in diesem Fall Schutzansprüche der Kläger erneut zu prüfen und zu bewerten.
65
Die auf dem (früheren) Grundstück FlNr. … verlaufende Entwässerungsleitung werde durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht berührt; sie sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
66
Die Funktion des Bodensees als Trinkwasserspeicher stelle einen gemeinwohlbezogenen Belang dar, hinsichtlich dessen die Kläger keine Rügen erheben könnten.
67
8. Die Beigeladene beantragte ebenfalls,
68
die Klage abzuweisen.
69
Über den Vortrag der Beklagten hinaus führte die Beigeladene aus, ein Vergleich zwischen der Frequentierung der Strecke 4530 nach dem Sommerfahrplan 2010 und nach dem Fahrplan 2016 zeige, dass hinsichtlich der Zugzahlen bereits ohne Elektrifizierung eine erhebliche Schwankungsbreite bestehe (Gesamtsumme nach dem Sommerfahrplan 2010: 102 Züge; Gesamtsumme nach dem Fahrplan 2016: 85 Züge). Insbesondere zeige sich, dass auf dieser Strecke der Güterverkehr traktionsunabhängig nicht konstant sei. Die in den Planunterlagen enthaltenen Zahlen über das prognostizierte Verkehrsaufkommen lägen innerhalb der Schwankungsbreite der Streckenbelastung im nicht elektrifizierten Zustand. Vor diesem Hintergrund komme es vorhabenbedingt zu keiner Steigerung der Verkehrszahlen. Die Belegung der Strecke hänge vielmehr von der allgemeinen Verkehrsentwicklung, d. h. insbesondere von den Entscheidungen der Aufgabenträger des Regionalverkehrs und der Eisenbahnunternehmen ab. Die Elektrifizierung diene allein betrieblichen Verbesserungen.
70
Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Zusammenhang mit der NEAT/Gotthard-Achse. Als NEAT-Zulauf seien in Deutschland nur die „Gäubahn“ zwischen Stuttgart und Zürich sowie die Strecke München - L* … vorgesehen. Ein NEAT-Zulauf über die Südbahn und die Bodensee-Gürtelbahn lasse sich mit dem heutigen Ausbauzustand dieser Strecken nicht sinnvoll bewerkstelligen.
71
Die Verkehrslärmbelastung am Anwesen der Kläger liege weit unter der gesundheitskritischen Schwelle von 70 dB (A) tagsüber bzw. 60 dB (A) nachts. Damit es zu einem Anstieg der Geräuschbelastung um lediglich 3 dB (A) komme, müsse sich die Verkehrsmenge in etwa verdoppeln; hierfür sei nichts ersichtlich.
72
Bei Abständen der Wohngebäude der Kläger zur Bahnanlage von 60 m bis 90 m sei für eine erhebliche belästigende Erschütterungswirkung im Sinn der DIN 4050 Teil 2 nichts ersichtlich. Anderes ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Infraschalls.
73
Obwohl für die Bodensee-Gürtelbahn keine Planfeststellung im Sinne der §§ 72 ff. VwVfG bestehe, unterlägen die Kläger hinsichtlich der Ausnutzbarkeit der Strecke einer Duldungspflicht. Deshalb komme es auf die Planfeststellung als Rechtsgrundlage des Streckenbetriebs nicht an. Denn in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg habe es nach dem preußischen Recht für den Staat „keiner besonderen rechtlichen Maßnahme bedurft, um ihn in den Besitz des Eisenbahnunternehmungsrechts zu setzen“, mit der Folge, dass Betroffene vom Bahnbetrieb ausgehende Immissionen grundsätzlich hätten dulden müssen. Die Duldungspflicht der Kläger entspreche derjenigen nach § 75 Abs. 2 VwVfG; sie richte sich nicht nach der tatsächlichen Frequentierung der Strecke, sondern nach dem Maß der rechtlich zulässigen Nutzbarkeit vor der Verwirklichung des Vorhabens.
74
Zum Vorbringen der Klagepartei zu der auf dem (früheren) Grundstück FlNr. … verlaufenden Entwässerungsleitung merkte die Beigeladene an, ihre Nachforschungen hätten keinen Hinweis darauf ergeben, dass es sich hierbei überhaupt um eine Leitung der Bahn handele; sie diene auch nicht der Entwässerung der Bahnlinie.
75
9. In einer ersten mündlichen Verhandlung am 5. März 2018 richtete das Gericht u.a. Fragen zur weiteren Sachaufklärung hinsichtlich der Verkehrsprognose an die Beigeladene.
76
10. Mit Schriftsatz vom 25. April 2018 führte die Beigeladene aus die Plausibilisierung der Zahlen für den Fern- und Güterverkehr sei der als Anlage Beigel. 6 vorgelegten Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege - Abschlussbericht November 2010 zu entnehmen. Die Elektrifizierung des streitgegenständlichen Streckenabschnitts sei dort bereits im Bezugsfall als realisiert unterstellt worden, so dass in dem Gutachten für diese Strecke keine Bewertungen vorgenommen worden seien. Es ließen sich jedoch Schlüsse auf die prognostisch unterstellten Mengengerüste ziehen. Auf S. 7-7 sei ein Bedienungsangebot für den Schienenpersonenfernverkehr im Zielnetz 2025 dargestellt.
77
Eine explizite Darstellung des Güterverkehrs auf der Südbahn und der Bodenseegürtelbahn sei in dem herangezogenen Gutachten nicht enthalten. Allerdings lasse sich aus den Darstellungen auf den S. 7-29 bis 7-32 ablesen, dass bei Umsetzung der Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans eine Entlastung auf dem Zulauf über L* … zu erwarten sei. In einem Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2006 zum Zulauf zur NEAT werde u. a. der Planfall Südbahn geprüft, unter dem zum damaligen Zeitpunkt aber die gesamte Umsetzung des Vorhabens „ABS Ulm - L* … - Grenze D/A“ einschließlich der Zweigleisigkeit zwischen Friedrichshafen und L* … sowie des Baus der Verbindungskurve in Friedrichshafen verstanden worden sei.
78
Mit Blick auf den Schienenpersonennahverkehr seien die Vorstellungen der Länder Bayern und Baden-Württemberg zur künftigen Verkehrskonzeption auf der Strecke Friedrichshafen - Ulm im Vorfeld der Planfeststellung abgefragt worden. Von der NVBW als Besteller der Nahverkehrsleistungen für das Land Baden-Württemberg seien die Angebotskonzeptionen für den Zeithorizont bis 2025 zur Verfügung gestellt worden.
79
Insgesamt führe dies für den Planfall für das Jahr 2025 zu der Prognose, dass auf der streitgegenständlichen Strecke zwei IC-Züge tagsüber, 78 Züge im Schienenpersonennahverkehr (IRE/RB) tagsüber, sechs Züge im Schienenpersonennahverkehr nachts, zwei Güterzüge tagsüber und zwei Güterzüge nachts, mithin insgesamt 82 Züge tagsüber und 8 Züge nachts fahren würden. Da der Zugverkehr im gleichen Umfang wie bisher auch mit Dieseltraktion durchgeführt werden könne und sich der Gewinn aus der Elektrifizierung ausschließlich in einem Fahrzeitgewinn niederschlage, könnten für den Prognose-Nullfall - also bei Nicht-Umsetzung des Vorhabens - die gleichen Zugzahlen angesetzt werden.
80
Das Verzeichnis der zulässigen Geschwindigkeiten lege für die Strecke 4530 eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fest. Fahrzeuge mit aktiver Neigetechnik dürften die Strecke mit 120 km/h befahren; eine solche Technik stehe zur Zeit jedoch nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung, so dass die Berücksichtigung der erhöhten Geschwindigkeit nicht erforderlich sei. Im Zuge der Elektrifizierung sei eine Erhöhung der Streckengeschwindigkeit nicht geplant. Diese sei ohne bauliche Maßnahmen auf der Strecke auch nicht möglich. Auch eine Erhöhung der Achslast sei ohne bauliche Maßnahmen nicht möglich.
81
Da sich durch die Elektrifizierung das verkehrliche Mengengerüst und die Geschwindigkeiten auf der Strecke nicht änderten, könne eine relevante Erhöhung der Erschütterungsbelastung ausgeschlossen werden. Zwar könne ein Wechsel der Traktion zu schwereren Loks oder Triebzügen führen. Insoweit komme es jedoch auf die Radsatzmasse an.
82
11. Die Beklagte schloss sich diesen Äußerungen mit Schriftsatz vom 4. Juni 2018 im Wesentlichen an.
83
12. Die Klägerseite trug mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018 vor, die Zugzahlenermittlung sei nach wie vor nicht plausibel. Die von der Beigeladenen ins Verfahren eingebrachte Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege - Abschlussbericht November 2010 - erhebe gar nicht den Anspruch, konkrete Zugzahlen zu ermitteln, sondern beschreibe nur eine bestimmte Methodik unter Rückgriff auf zahlreiche Formeln. Es sei nicht erkennbar, woraus sich die Zugzahlen für den Schienenpersonennahverkehr oder den Güterverkehr auf der streitgegenständlichen Strecke ergäben. Es werde lediglich behauptet, dass die Strecke auch im Fall der Elektrifizierung nicht attraktiv und deshalb kein höheres Zugangebot zu erwarten sei. Es sei nicht erkennbar, dass die S. 7-29 bis 7-32 des Abschlussberichts eine Entlastung des Güterverkehrs begründen würden. Auch der von der Beigeladenen vorgelegte Schlussbericht zum NEAT-Zulauf mache die Zugzahlen nicht plausibler. Zudem seien die vorgelegten Unterlagen zu Zugzahlen im Schienenpersonennahverkehr unplausibel, weil nur apodiktisch Zugzahlen benannt würden, ohne diese herzuleiten. Die Annahme der Beigeladenen, die Elektrifizierung sei für die Durchführung des angenommenen Mengengerüsts nicht erforderlich, ersetze die Plausibilisierung der Zugzahlen nicht. Schon der zu erwartende Fahrzeitgewinn könne eine Erhöhung der Streckenbelastung mit sich bringen. Pro Tag entstünden bei einer Zeitersparnis von 10 Minuten pro Zug bei 82 Zügen ca. 13,67 h Fahrzeitersparnis. Es könne etwa die Durchleitung anderer Zugstrecken vereinfacht oder die Strecke verstärkt frequentiert werden. Die Darlegungen der Beigeladenen zur Streckengeschwindigkeit überzeugten nicht. In der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2018 sei vorgetragen worden, Züge mit Neigetechnik könnten mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h fahren; nunmehr sei die Rede von max. 120 km/h. Es sei unklar, ob bedingt durch die Elektrifizierung verstärkt Züge mit Neigetechnik eingesetzt würden. Die Aussagen der Beigeladenen zur mangelnden Verstärkung der Erschütterungswirkung könnten nicht zutreffen, weil sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen ergebe, dass die Stärke der Erschütterungsimmissionen von der Geschwindigkeit und der Häufigkeit der Zugfahrten abhänge. Zudem komme es auf die jeweiligen Bodeneigenschaften an, die eine konkrete Einzelfallbetrachtung erforderten, die hier nicht durchgeführt worden sei. Die Aussagen der Beigeladenen zur Radsatzlast seien unverständlich.
84
13. Die Beigeladene entgegnete mit Schriftsatz vom 2. August 2018, es handele sich bei der Prognose von Verkehrszahlen um einen komplexen Vorgang, so dass hoch spezialisierte Gutachterbüros damit beauftragt würden. Die Ergebnisse gingen in die Bundesverkehrswegeplanung ein; in einem weiteren Schritt legten die Gutachter ihre Prognoseergebnisse auf die einzelnen Strecken um. Die Methodik der Gutachter sei in dem Abschlussbericht 2010 erläutert; sie entspreche dem fachlichen Standard. Diese Vorgehensweise zur Ermittlung „streckenscharfer“ Zugzahlen sei vom Bundesverwaltungsgericht noch nie beanstandet worden. Hinsichtlich des Schienenpersonennahverkehrs gebe es keine anderen Erkenntnismittel als eine Abfrage bei den Landeseisenbahngesellschaften, die hier stattgefunden habe.
85
Auch wenn man eine Abwägungserheblichkeit von Verkehrszunahmen unterhalb der Schwelle einer Steigerung des Lärms um 3 dB(A) berücksichtigen wollte, könnten die Kläger weder einen Verzicht auf die Elektrifizierung noch eine Umtrassierung der Bodenseegürtelbahn verlangen. Ansprüche auf Erschütterungsschutz bestünden schon deshalb nicht, weil mit Blick auf die Bestandsstrecke die plangegebene Vorbelastung nicht um 25% erhöht werde.
86
14. Mit Schreiben vom 2. Januar 2019 wies der damalige Berichterstatter die Beteiligten auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung von Verkehrsprognosen und der Anwendung des UVPG und des UmwRG hin, insbesondere vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17.
87
15. Die Beklagte trug hierzu mit Schriftsatz vom 27. März 2019 vor, ein möglicher absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG wegen mangelhafter UVP-Vorprüfung liege nicht vor. Die UVP-Pflicht sei zumindest inzident mit Schreiben der Beigeladenen vom 21. April 2011 festgestellt worden. Mit der Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG sei ein Regelungsdefizit behoben worden, das in der Sanktionslosigkeit des Unterbleibens einer UVP bei fehlerhafter Vorprüfung bestanden habe. Der Fall, dass aufgrund mängelbehafteter Vorprüfung eine UVP durchgeführt worden sei, sei von § 4 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG jedoch nicht erfasst.
88
Nach § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 seien die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen betreffend das Vorhaben auszulegen, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen hätten. Der Beklagten habe zu diesem Zeitpunkt lediglich die Anlage 16 der Planunterlagen vorgelegen, so dass nur diese habe ausgelegt werden können. Die Anstoßfunktion der Auslegung sei hier auch erfüllt worden, weil die frühere Klägerin sich zum Vorhaben und auch ausführlich zu Anlage 16 der Planunterlagen geäußert habe. Der Abschlussbericht der Bedarfsplanüberprüfung habe nicht ausgelegt werden müssen, weil dieser der projektbezogenen Verkehrsuntersuchung im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2018, das zwischen bundesweiten Verflechtungsprognosen und projektbezogenen Verkehrsuntersuchungen für einzelne Vorhaben unterscheide, nicht zuzurechnen sei. Die Bedarfsplanüberprüfung sei der übergeordneten Bundesverkehrswegeplanung zuzuordnen. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass sich der mangelnde Hinweis auf das UVPG in den Bekanntmachungstexten ergebnisrelevant auf die Kläger ausgewirkt habe, nachdem die frühere Klägerin ausführlich Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben habe.
89
16. Die Beigeladene trug mit Schriftsätzen vom 21. Januar 2019 und 28. März 2019 darüber hinaus vor, hinsichtlich der vom Berichterstatter in Bezug genommenen Zahlen in der Anlage Beigel. 9 und der Anlage 16 der Planunterlagen gelte Folgendes: Grundlage für die Anlage 16 der Planunterlagen sei der Abstimmungsstand 2011 gewesen. Eine erneute Nachfrage im Zuge des Anhörungsverfahrens habe sich nicht aufgedrängt, zumal die beiden zusätzlichen Züge (Erhöhung nachts von 8 auf 10 Züge) auch ohne Elektrifizierung abgefahren werden könnten.
90
Aus dem Abschlussbericht vom November 2010 zur Bedarfsplanüberprüfung lasse sich kein unmittelbarer Schluss auf die konkrete Prognose der Güterzugzahlen auf der Bodensee-Gürtelbahn ziehen; deswegen sei es auch fernliegend, diese Untersuchung zum Gegenstand der Auslegung zu machen. Mit dem Abschlussbericht habe die Beigeladene vielmehr aufgezeigt, dass trotz unterstellter Elektrifizierung der Strecke weder ein zusätzlicher Fernverkehrsanteil noch ein zusätzlicher Güterverkehrsanteil über die Strecke zu erwarten sei.
91
17. Die frühere Klägerin erklärte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2019, aus ihrer Sicht lägen die vom Berichterstatter in Betracht gezogenen Mängel vor. Ihre Rüge der Unvollständigkeit der ausgelegten Unterlagen mit Blick auf die Verkehrsprognose sei unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt erhoben. Über die im Schreiben vom 2. Januar 2019 angesprochenen Unterlagen hinaus hätten auch die Rohdaten der Beigeladenen aus der „Zugzahlendatenbank“ ausgelegt werden müssen. Die Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflicht sei nicht irrelevant, wenn die UVP-Pflicht bejaht worden sei, da beide Prüfungen voneinander getrennte Verfahrensschritte darstellten. Die Vorprüfung solle erreichen, dass eine Entscheidung über die UVP auf Basis einer ausreichenden und zunächst ressourcenschonenderen Abschätzung getroffen werde. Die vom Berichterstatter angesprochenen möglichen Verfahrensverstöße hätten offensichtlich Auswirkungen auf das Ergebnis der Planfeststellungsentscheidung gehabt, weil sich die Öffentlichkeit bei Kenntnis von der UVP-Pflicht stärker mit den Umweltauswirkungen des Vorhabens befasst hätte und dadurch zusätzliche Einwendungen angestoßen worden wären.
92
18. Die Baumaßnahme wurde inzwischen abgeschlossen. Am 16. Oktober 2020 wurde nochmals vor dem Verwaltungsgerichtshof mündlich verhandelt.
93
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
94
Die Klagen sind zulässig.
95
I. Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgenommene Übertragung des Eigentums an den Grundstücken auf die Söhne der früheren Klägerin hat für sich betrachtet keinen Einfluss auf das Verfahren. Zwar leitete die frühere Klägerin ihre Klagebefugnis aus ihrer Eigentümerstellung hinsichtlich ihrer Grundstücke ab. Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Veräußerung einer streitbefangenen Sache jedoch keinen Einfluss auf den Prozess. Da die frühere Klägerin ein nachbarliches Abwehrrecht geltend machte, das sich aus ihrer dinglichen Berechtigung an ihren Grundstücken ergab, handelt es sich bei diesen um im Sinne von § 265 Abs. 1 ZPO streitbefangene Grundstücke (BayVGH, B.v. 23.5.2019 - 22 CS 18.2247 - juris Rn. 34; U.v. 30.10.2007 - 22 B 06.3236 - juris Rn. 23). Gegen eine entsprechende Anwendung der Regelungen im Verwaltungsprozess bestehen keine Bedenken (BayVGH, U.v. 30.10.2007 - 22 B 06.3236 - juris Rn. 23; BVerwG, U.v. 7.9.1984 - 4 C 19.83 - juris Rn. 8; B.v. 12.12.2000 - 7 B 68.00 - juris Rn. 5).
96
Mit Erklärung vom 5. Mai 2020 haben die nunmehrigen Eigentümer der Grundstücke die Übernahme des Rechtsstreits im eigenen Namen als Hauptpartei anstelle der früheren Klägerin erklärt. Dieses Recht steht ihnen gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 266 Abs. 1 ZPO zu. Danach ist der Rechtsnachfolger berechtigt, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen, weil über das Bestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird (hier: Abwehransprüche gegen den Planfeststellungsbeschluss), zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist. Die Zustimmung der anderen Prozessparteien ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Der Rechtsnachfolger tritt im laufenden Prozess an die Stelle seiner Rechtsvorgängerin, ohne dass es einer gerichtlichen Entscheidung, etwa durch gesonderten Beschluss, bedarf (BayVGH, B.v. 23.5.2019 - 22 CS 18.2247 - juris Rn. 35; Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 266 Rn. 16, 18, 19). Seit der Übernahmeerklärung sind die Grundstückserwerber alleinige Kläger im vorliegenden Verfahren.
97
Die Zulässigkeit der nunmehr zwei Klagen ist allerdings mit Blick auf die jeweiligen veräußerten streitbefangenen Sachen zu beurteilen, auf die sich die Regelung in § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO bezieht. Nachdem die frühere Klägerin eines ihrer drei Grundstücke geteilt und von den nach Teilung existierenden vier Grundstücken drei an den Kläger zu 1 und eines an den Kläger zu 2 jeweils zu alleinigem Eigentum übertragen hat, können entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klägerbevollmächtigten die nunmehrigen Kläger nicht beide jeweils die gesamten Rechte der ursprünglichen Klägerin geltend machen, sondern nur diejenigen Rechte, die aus dem Eigentum an den ihnen jeweils übertragenen Grundstücken folgen (Kläger zu 1: Grundstücke FlNrn. … … und …; Kläger zu 2: Grundstück FlNr. …*). Es ist also nicht die (in § 173 Satz 1 VwGO, § 266 Abs. 1 ZPO behandelte) Rechtsnachfolge einer Prozesspartei, sondern die vorherige Aufteilung des streitgegenständlichen Eigentums und der Umstand, dass den - nunmehr zwei statt einem - Klägern jeweils nur ein Teil des Streitgegenstands zu Eigentum übertragen wurde, der den zu verteidigenden Rechtskreis der Kläger gegenüber der Position ihrer Mutter kleiner gemacht hat.
98
II. Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sind beide Klagen zulässig, auch die Klage des Klägers zu 2. Obwohl dessen Grundstück unbebaut ist und es deshalb von vornherein fraglich ist, ob er Ansprüche auf Lärmschutz nach der 16. und der 24. BImSchV geltend machen kann (s. dazu unten B.II.1.2), kann er sich jedenfalls auf das aus dem fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebot (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) folgende Recht auf gerechte Abwägung berufen, das die Berücksichtigung privater Rechte und sonstiger abwägungserheblicher privater Belange verlangt. Für die Bejahung der Klagebefugnis reicht es insoweit aus, dass der Kläger zu 2 Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung zumindest als möglich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 - 7 A 7.09 - juris Rn. 18; B.v. 19.5.2005 - 4 VR 2000.05 - juris Rn. 28; zur Klagebefugnis einer Gemeinde BVerwG, U.v. 27.4.2017 - 9 A 30.15 - juris Rn. 12). Ob die geltend gemachten Belange tatsächlich abwägungserheblich sind und ob sie fehlerfrei berücksichtigt wurden, betrifft in aller Regel - und auch hier - nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Klage (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2017 - 9 A 30.15 - juris Rn. 12).
B.
99
Die Klagen sind unbegründet.
100
Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss leidet weder in formeller (I.) noch in materieller Hinsicht (II.) an Mängeln, die den Klagen zum Erfolg verhelfen könnten. Dies gilt sowohl für den auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag als auch für die Hilfsanträge auf Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit sowie auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um näher bezeichnete Auflagen.
101
I. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss ist formell im Wesentlichen ordnungsgemäß zustande gekommen. Soweit ein Verfahrensfehler vorliegt, ist offensichtlich, dass die betreffende Verletzung von Verfahrensvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Insoweit erübrigen sich auch eine Entscheidungsergänzung bzw. ein ergänzendes Verfahren.
102
1. Hinsichtlich der Rüge, die Planunterlagen seien nicht in allen betroffenen Gemeinden ausgelegt worden, kann ein Verfahrensfehler nicht festgestellt werden. In der Wohnsitzgemeinde der früheren Klägerin, der Gemeinde N* …, lagen die Planunterlagen nach einer Mitteilung der Gemeinde an die Regierung von Schwaben vom 28. Mai 2014 in der Zeit vom 17. April 2014 bis zum 19. Mai 2014 zur allgemeinen Einsicht aus. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, der gemäß § 18a AEG sowie gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG in der nach § 74 Abs. 1 UVPG anwendbaren Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl I S. 94, im Folgenden: UVPG 2010) auf das Anhörungsverfahren Anwendung fand.
103
2. Soweit die Kläger meinen, der Erörterungstermin sei mit Blick auf § 73 Abs. 6 VwVfG nicht hinreichend bekannt gemacht worden, liegt ebenfalls kein Verfahrensmangel vor. Da ca. 130 Einwendungen Privater erhoben wurden, konnte die nach § 18a AEG i.V.m. § 73 Abs. 6 Satz 3 VwVfG sowie gleichermaßen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG 2010 i.V.m. § 73 Abs. 6 Satz 3 VwVfG vorgesehene Benachrichtigung der Einwendungsführer vom Erörterungstermin hier gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 VwVfG durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 VwVfG dadurch bewirkt, dass der Erörterungstermin im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Anhörungsbehörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht wird, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird. Dem wurde hier dadurch entsprochen, dass der Erörterungstermin im Amtsblatt der Regierung von Schwaben bekannt gemacht wurde, die gemäß § 23 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) in der Fassung vom 21. September 2005 (GVBl S. 482) i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (BEVVG) in der Fassung vom 7. August 2013 (BGBl I S. 3154) zuständige Anhörungsbehörde war, weil die Pläne nicht nur den Bereich der Eisenbahnen des Bundes berührten. Darüber hinaus wurde der Erörterungstermin nach Aktenlage in der „L* …er Zeitung“ und der Zeitung „Der Westallgäuer“ bekannt gemacht. Die ortsübliche Bekanntmachung des Erörterungstermins nach § 73 Abs. 6 Satz 2 VwVfG konnte infolge der öffentlichen Bekanntmachung unterbleiben (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 5 VwVfG).
104
3. Der Vortrag der Kläger, wonach die Auslegung der Planunterlagen mangelhaft gewesen sei, weil wesentliche Fakten wie die Ermittlung der Zugzahlen nicht offengelegt worden seien, stützt sich zum einen auf § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010, zum anderen auf § 73 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Ein Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor, so dass es auf die Frage der Auswirkung eines Fehlers auf das Ergebnis der Entscheidung nicht ankommt.
105
3.1 § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 sieht die Auslegung der entscheidungserheblichen Berichte betreffend das Vorhaben vor, die der zuständigen Behörde zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorgelegen haben. Nach einer neueren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Verkehrsuntersuchung für ein Straßenbauvorhaben jedenfalls dann als entscheidungserheblich anzusehen und daher auszulegen, wenn die Ermittlung der Verkehrszahlen im ausgelegten Erläuterungsbericht nicht hinreichend nachvollziehbar dargestellt ist (BVerwG, U.v. 15.2.2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 31). Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch Fachgutachten zu den Unterlagen über die zu erwartenden Umweltauswirkungen des Vorhabens gehören könnten und danach im UVP-Bericht im Hinblick auf die Einzelheiten auf das betreffende Gutachten zu verweisen sei, das ebenfalls auszulegen sei (so zum heutigen § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG BT-Drs. 18/11499 S. 88). Ungeachtet der Frage, ob vorliegend die Verkehrszahlen in den ausgelegten Planunterlagen (Anlage 16 der Planunterlagen) hinreichend nachvollziehbar dargestellt waren, zeichnet sich der zu entscheidende Fall allerdings dadurch aus, dass der Regierung von Schwaben als der für das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung zuständigen Anhörungsbehörde (s.o. B.I.2.) zum Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens keine (weiteren) Unterlagen hinsichtlich der Zugzahlen vorlagen, die sie zum Gegenstand der Auslegung hätte machen können. Gleiches gilt mit Blick auf die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BEVVG zuständige Planfeststellungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt. Aussagen zur Betriebsprognose waren nur in der bei beiden genannten Behörden vorhandenen Anlage 16 der Planunterlagen enthalten, die Bestandteil der Auslegung war. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das auf die der zuständigen Behörde vorliegenden Unterlagen abstellt, kommt es insoweit nicht darauf an, ob der Vorhabenträger über weitere Unterlagen etwa zur Unterfütterung der ausgelegten Unterlagen verfügte. Die Auslegung soll die Betroffenen auf den gleichen Kenntnisstand bringen wie die zuständige Behörde (vgl. Dippel in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG 2018, § 19 Rn. 23 in Bezug auf den wortgleichen § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG). Ob die ausgelegten Unterlagen den Anforderungen an eine nachvollziehbare Prognose genügten, ist eine Frage des materiellen Rechts. Den verfahrensmäßigen Anforderungen des § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UVPG 2010 wurde mit der durchgeführten Auslegung Rechnung getragen.
106
3.2 Auf die Auslegung der Unterlagen fand zudem § 18a AEG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 VwVfG Anwendung. Danach ist „der Plan“ auszulegen, der „aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen“, besteht. Ein Gebot, andere, über diese Funktion hinausgehende noch nicht bei der Behörde vorhandene Unterlagen auszulegen, ergibt sich auch aus dieser Vorschrift nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Auslegung nicht alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind. Sie kann sich vielmehr auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um als Laie den Grad seiner Beeinträchtigung abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können (Anstoßwirkung, vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 18; U.v. 28.4.2016 - 9 A 9.15 - juris Rn. 19). Ob dazu auch Gutachten gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Sie sind grundsätzlich dann auszulegen, wenn sich erst aus ihnen abwägungserhebliche Auswirkungen auf die Belange potenziell Betroffener oder anerkannter Vereinigungen ergeben und damit ohne deren Kenntnis der mit der Auslegung bezweckte Anstoß verfehlt würde (BVerwG, U.v. 15.2.2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 32; U.v. 2.7.2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 18); ergänzt ein Gutachten dagegen nur ausgelegte Planunterlagen, muss es nicht mit ausgelegt werden (BVerwG, U.v. 2.7.2020 - 9 A 19.19 - juris Rn. 18; U.v. 3.4.2019 - 4 A 1.18 - juris Rn. 16).
107
Im vorliegenden Fall wurde mit der Auslegung der Anlage 16 der Planunterlagen auch unter Berücksichtigung des von den Klägern in Bezug genommenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - juris die erforderliche Anstoßwirkung erzielt, so dass keine weiteren Unterlagen ausgelegt werden mussten. Zwar ging aus der Anlage 16 der Planunterlagen hervor, dass die Vorhabenträgerin für den Fall der Verwirklichung des Vorhabens der Elektrifizierung im Prognosehorizont 2025 mit den gleichen Zugzahlen rechnete, wie sie auch ohne Umsetzung des Vorhabens im gleichen Zeitraum zu erwarten seien. Jedoch gab der ebenfalls ausgelegte Erläuterungsbericht zu dem Vorhaben mit der Darstellung des mit dem Vorhaben bezweckten Nutzens (Verbindung mit europäischer Eisenbahnmagistralen und Wirtschaftsräume, Vorteile der Elektrifizierung) hinreichenden Anlass dazu, die auf ein Prognoseergebnis beschränkte Zugzahlenprognose zu hinterfragen und ggf. Lärm- und Erschütterungsschutz wegen möglicherweise zunehmenden Verkehrs zu reklamieren. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15.2.2018 - 9 C 1.17 - juris entschiedenen Fall war zur Erfüllung der Anstoßfunktion die Auslegung weiterer Unterlagen nicht erforderlich. Im Fall des BVerwG war nur einem nicht ausgelegten Verkehrsgutachten der Anstoß zu entnehmen, eine angenommene Verkehrsbelastung in Bezug auf den von einem anderen Straßenausbauprojekt ausgehenden Entlastungseffekt zu hinterfragen (BVerwG, U.v. 15.2.2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 32). Die vorliegende Konstellation ist damit aber nicht vergleichbar. Das zeigt sich auch daran, dass die frühere Klägerin in ihrem Schreiben vom 21. Mai 2014 die entsprechenden Einwendungen erhoben hat. Im Übrigen steht angesichts der umfassenden erhobenen Einwendungen zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass ein Verfahrensfehler, sollte er entgegen den vorstehenden Ausführungen unterlaufen sein, die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte (§ 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG; vgl. zum Maßstab für die Prüfung der Offensichtlichkeit, bei der dem Rechtsbehelfsführer in keiner Form die Beweislast für die Frage auferlegt werden darf, ob die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre, BVerwG, U.v. 15.2.2018 - 9 C 1.17 - juris Rn. 35; U.v. 16.6.2016 - 9 A 4.15 - juris Rn. 19).
108
4. Die Kläger rügen zudem einen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG, der in Verstößen gegen § 7 Abs. 6 und 7 UVPG dergestalt liegen soll, dass im Rahmen der UVP-Vorprüfung die UVP-Pflicht nicht hinreichend zügig festgestellt und die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung nicht hinreichend dokumentiert worden seien. Verfahrensfehler liegen insoweit jedoch nicht vor.
109
4.1 § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG auf den vorliegenden Fall anwendbar. Danach steht eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG gleich. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG ist die Feststellung der UVP-Pflicht, wenn sie auf einer Vorprüfung beruht, in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Zulassungsentscheidung nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Anders als die Vorgängervorschrift (§ 3a Satz 4 UVPG 2010) enthält § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nach seinem Wortlaut keine Beschränkung auf Fälle, in denen nach dem Ergebnis der Vorprüfung die UVP unterbleiben soll. Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift anders als nach bisherigem Recht auch für Rechtsbehelfe von Vorhabenträgern gelten, deren Genehmigungsantrag unter Verweis auf die bestehende UVP-Pflicht und eine mangelnde Vorlage von UVP-Unterlagen, insbesondere des UVP-Berichts nach § 16 UVPG, abgelehnt worden ist (BR-Drs. 164/17 S. 87). Dass § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG bei bejahter UVP-Pflicht nur in dieser Konstellation anwendbar sein soll, kommt im Wortlaut der Norm allerdings nicht zum Ausdruck.
110
4.2 Dennoch kann § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nach dem Sinn und Zweck der Regelungen im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. § 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UmwRG bezweckt, eine Regelungslücke zu schließen, die ohne die Vorschrift bei Nicht-Durchführung der UVP aufgrund mangelhafter Vorprüfung bestünde, weil dann weder ein Fehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) noch nach Buchst. a) UmwRG vorläge, so dass die Nicht-Durchführung der UVP auch bei schweren Anwendungsfehlern sanktionslos bliebe (Kment in Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, UmwRG, 5. Aufl. 2018, § 4 UmwRG Rn. 22). Nach zutreffender Auffassung des OVG Rheinland-Pfalz besteht ein rechtlich schutzwürdiges Bedürfnis, die Vorprüfung auf mögliche formelle und materielle Fehler hin zu überprüfen, auch vor diesem Hintergrund nur dann, wenn es gerade nicht zu einer UVP-Prüfung gekommen ist. Wird diese aber tatsächlich durchgeführt, wird sie selbst Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Das OVG Rheinland-Pfalz führt dazu aus, die Durchführung einer UVP überhole gewissermaßen die zunächst stattgefundene oder auch unterbliebene Vorprüfung, auf deren Rechtmäßigkeit es dann nicht mehr ankomme. Denn die Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens durch die behördliche UVP sei in diesem Fall einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen, weshalb die betroffene Öffentlichkeit hinsichtlich etwaiger Fehler bei der Beurteilung, ob eine Vorprüfung hätte erfolgen müssen, die sich im Ergebnis nicht ausgewirkt haben, nicht schutzwürdig sei (OVG RhPf, B.v. 2.3.2018 - 1 B 11809.17 - juris Rn. 13; vgl. auch Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2020, § 4 UmwRG Rn. 30). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.
111
4.3 Eventuelle Verstöße gegen § 7 Abs. 6 und 7 UVPG im Rahmen der UVP-Vorprüfung können damit von den Klägern nicht gerügt werden. Auf die Frage, ob sie ggf. geheilt wurden und ob sie von den Klägern zu einem früheren Zeitpunkt hätten gerügt werden müssen, kommt es mithin nicht an.
112
5. Außerdem rügen die Kläger Verfahrensfehler bei der Bekanntmachung der Auslegung der Unterlagen. Entgegen § 9 Abs. 1a Nr. 2 und Nr. 5 UVPG 2010 habe die Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens nicht über die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens unterrichtet und nicht angegeben, welche Unterlagen nach § 6 UVPG 2010 vom Vorhabenträger vorgelegt worden seien.
113
Es trifft zu, dass die Bekanntmachung zur Auslegung des Plans in der Gemeinde N* … (Bekanntmachung des ersten Bürgermeisters der Gemeinde N* … vom 9.4.2014) keinen Hinweis auf die Feststellung der UVP-Pflicht und zu den vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 UVPG 2010) enthielt. Insoweit wurde gegen § 9 Abs. 1a Nr. 2 und 5 UVPG 2010 verstoßen. Aufgrund dessen kann jedoch nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses begehrt werden. Denn die bezeichneten Fehler fallen nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG, insbesondere nicht unter § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG, weil sie nach ihrer Art und Schwere nicht mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen, dem Unterbleiben einer erforderlichen UVP oder dem Ausfall einer erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung, vergleichbar sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b) UmwRG). Vielmehr kommt § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG zur Anwendung. Nach Heranziehung aller verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten ist es nach der Überzeugung des Senats im Sinne der Vorschriften offensichtlich, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (vgl. zum Maßstab für die Prüfung der Offensichtlichkeit schon oben B.I.3.2). Trotz des unzureichenden Hinweises sind fristgerecht ca. 130 Einwendungen von Privaten eingegangen. Diese betreffen mit der Geltendmachung u.a. von Lärm und Erschütterungen sowie einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auch Belange des Umweltschutzes. Darüber hinaus hat der Bund Naturschutz in Bayern e.V. sich mit Schreiben vom 24. April 2014 zu dem Vorhaben geäußert. Er hat keine Einwendungen erhoben; er teilte insbesondere mit, dass er naturschutzfachlich keine Veranlassung zu einer Ergänzung sehe. Die Bekanntmachung hat damit ersichtlich die Öffentlichkeit einschließlich der Umweltverbände erreicht (s. hierzu auch BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 4 A 5.17 - juris Rn. 24).
114
II. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses berufen.
115
Die Kläger haben als nicht enteignungsbetroffene Dritte (§ 22 AEG) keinen Anspruch auf eine umfassende objektiv-rechtliche Planüberprüfung. Sie sind darauf beschränkt, sich auf die Verletzung drittschützender Rechte zu berufen, insbesondere auf einen Verstoß gegen sie in ihren Rechten schützendes zwingendes Recht (VGH BW, U.v. 12.12.2017 - 5 S 2449.14 - juris Rn. 26) oder auf eine Verletzung des Abwägungsgebots (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) im Hinblick auf ihre eigenen Belange (BVerwG, B.v. 23.1.2009 - 9 VR 1.09 - juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 20.5.2014 - 22 A 12.40062 - juris Rn. 25). Der Planfeststellungsbeschluss verstößt jedoch nicht gegen §§ 41, 42 BImSchG und die Vorschriften der 16. und 24. BImSchV (1.). Auch liegen keine Abwägungsmängel in Bezug auf Belange der Kläger vor (2.).
116
1. Der Planfeststellungsbeschluss genügt den Anforderungen der §§ 41, 42 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV und der 24. BImSchV. Insoweit besteht weder ein Anspruch auf Aufhebung noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses noch auf dessen Ergänzung um mit Lärmschutz in Zusammenhang stehende Auflagen, auch zum Betriebsprogramm, wie sie von den Klägern hilfsweise beantragt wurden.
117
1.1 Beim Neubau oder einer wesentlichen Änderung von Schienenwegen der Eisenbahnen im Sinne der 16. BImSchV sind die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV einzuhalten. Werden diese durch eine wesentliche Änderung von Schienenwegen der Eisenbahnen überschritten, kommen Ansprüche nach der 24. BImSchV in Betracht. Vorliegend mangelt es jedoch an einer wesentlichen Änderung eines Schienenwegs.
118
Eine Änderung eines Schienenwegs ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 der 16. BImSchV wesentlich, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird oder wenn der Beurteilungspegel von mindestens 70 dB(A) tags oder 60 dB(A) nachts durch einen erheblichen baulichen Eingriff erhöht wird. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das planfestgestellte Vorhaben einen erheblichen baulichen Eingriff bedingt. Eine im vorgenannten Sinne qualifizierte Lärmerhöhung, die die Änderung wesentlich machen würde, ist nach der Prognose der Beigeladenen, die sich die Planfeststellungsbehörde zu eigen gemacht hat, nicht zu erwarten. Diese Prognose ist nicht zu beanstanden.
119
1.1.1 Nach der von der Beigeladenen erstellten, auf das Jahr 2025 bezogenen Verkehrsprognose (Anlage 16 der Planunterlagen) ist die Beklagte im Ergebnis rechtsfehlerfrei zu der Annahme gekommen, dass eine Zunahme des Verkehrs durch die Elektrifizierung nicht zu erwarten ist.
120
Der auf das Jahr 2025 abstellende Prognosehorizont ist nicht zu beanstanden. Für die Prognose der Verkehrsentwicklung gibt der Gesetzgeber keinen festen Zeitrahmen vor. Mit Blick auf die von der Planfeststellung ausgehende Duldungswirkung (§ 75 Abs. 2 VwVfG), mit der die Prognoseentscheidung einen engen Zusammenhang aufweist, ist derjenige überschaubare Zeitraum zu wählen, in dem sich ein voraussichtlich dauerhaftes Verkehrsgeschehen eingestellt haben wird. Denn die Verkehrsprognose soll die Grundlage zu einer möglichst lange Bestand behaltenden Bewältigung jener Probleme schaffen, die durch den Betrieb der geplanten Strecke aufgeworfen werden. Ein Zeitraum von zehn Jahren ab Planfeststellung bewegt sich im Rahmen des für Verkehrsprognosen Üblichen (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 87; s. hierzu auch die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss S. 40).
121
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Verkehrsprognosen gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob sie mit den zu jener Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden sind. Zu beanstanden ist eine Prognose demnach nicht, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (stRspr, BVerwG, U.v. 8.9.2016 - 3 A 5.15 - juris Rn. 48; U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 88; U.v. 13.12.2018 - 3 A 17.15 - juris Rn. 22). Der Rechtsprechung ist weiter zu entnehmen, dass Betriebsprognosen für eisenbahnrechtliche Planfeststellungen Verkehrszahlen aus der Bundesverkehrswegeplanung zugrunde gelegt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 89; U.v. 8.9.2016 - 3 A 5.15 - juris Rn. 46; U.v. 13.12.2018 - 3 A 17.15 - juris Rn. 22).
122
Diesen Maßstäben genügt die Prognose unter Berücksichtigung derjenigen Gesichtspunkte und Unterlagen, die der Prognose zwar zugrunde lagen, aber zunächst nicht aktenkundig waren, jedoch im Lauf des gerichtlichen Verfahrens seitens der Beklagten und der Beigeladenen dem Verwaltungsgerichtshof erläutert wurden, so dass er die Prognose nachvollziehen konnte.
123
1.1.1.1 Der mit Abstand größte Anteil des Verkehrs auf der streitgegenständlichen Strecke entfällt nach der dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Prognose auf den Personennahverkehr. Nach der Anlage 16 der Planunterlagen ist im Prognosehorizont 2025 bei Umsetzung der Elektrifizierung mit insgesamt 90 Zügen pro Tag, davon 84 Nahverkehrszügen, zu rechnen, von denen sechs im Nachtzeitraum (zwischen 22.00 und 6.00 Uhr) verkehren sollen. Die 84 Nahverkehrszüge pro Tag setzen sich aus 50 Zügen IRE und 34 Zügen RB zusammen. Für den Fall, dass die Elektrifizierung nicht umgesetzt wird, werden dieselben Zugzahlen prognostiziert. Die Angaben unterscheiden sich lediglich leicht in Bezug auf die jeweilige Zuglänge. Die Anlage 16 weist den Stand 15. April 2011 aus.
124
1.1.1.1.1 Für die Erstellung der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Prognose hat die Beigeladene hinsichtlich des Nahverkehrs zu Recht auf eine Abfrage bei den Nahverkehrsbestellern zurückgegriffen. Die Beklagte und die Beigeladene haben erläutert, dass in der auf den Prognosehorizont 2025 abstellenden Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege vom November 2010, die auf den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Fassung vom 15. September 2004 (Anlage 1 zum BSWAG in der Fassung vom 15.9.2004, BGBl I S. 2322) Bezug nimmt und diesen fortschreibt, eine umfassende Prognose für Zugzahlen des Schienenpersonennahverkehrs nicht enthalten sei (s. u.a. PFB S. 39). Nach § 1 und § 4 Satz 2 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG) sind im Übrigen für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr die nach Landesrecht bestimmten Stellen zuständig (vgl. für den Schienenpersonennahverkehr in Bayern: Art. 15 Abs. 1, Art. 16 BayÖPNVG; für den Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg: § 6 Abs. 2 Satz 1 ÖPNVG BW). Auf einen Abgleich mit den Bestellungen der zuständigen Länder hat auch das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung von Betriebsprognosen im Schienenpersonenverkehr abgestellt (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 89; U.v. 8.9.2016 - 3 A 5.15 - juris Rn. 46).
125
1.1.1.1.2 Nach ihrem Vortrag hat die Beigeladene im März 2011 eine Abstimmung der Zugzahlen für den Bereich Friedrichshafen-L* … mit der NVBW, unter Berücksichtigung der Planungen der BEG, durchgeführt. Die von der Beigeladenen in diesem Zusammenhang vorgelegten Tabellen mit Stand 30. März 2011 entsprechen der Anlage 16 der Planunterlagen. Diese Abstimmung wurde zunächst lediglich durch eine E-Mail eines eigenen Mitarbeiters der Beigeladenen belegt. Auf Nachfrage des Senats hat die Beigeladene im weiteren Verlauf des Verfahrens ein Schreiben der NVBW an die Beigeladene vom 18. April 2018 vorgelegt (Anlage Beigel. 10), in dem die NVBW bestätigt, dass es im Vorfeld der Planfeststellung intensive Abstimmungen zwischen der Beigeladenen und der NVBW unter Einbeziehung der BEG über das künftig auf der Strecke angestrebte Angebot zum Prognosehorizont 2025 gegeben habe. Insoweit wird auf ein weiteres Schreiben mit Stand April 2013 (Anlage Beigel. 9) verwiesen. Dieses enthält eine Prognose über zukünftige Zugzahlen im Prognosehorizont 2025 der Angebotslinien in/aus Richtung Friedrichshafen sowie Anliegen von Baden-Württemberg zur Einbindung dieser Linien. Danach sind pro Tag im Abschnitt Friedrichshafen-L* … 24 Zugpaare IRE, mithin 48 Züge IRE, von denen 4 nachts fahren sollen, und 17 Zugpaare RB, mithin 34 Züge RB, von denen ebenfalls 4 nachts fahren sollen, vorgesehen. Die Anlage Beigel. 9 unterscheidet sich mithin von der Anlage 16 der Planunterlagen dadurch, dass man im April 2013 insgesamt im Nahverkehr von 2 Zügen weniger pro Tag als im April 2011 ausging, von diesen aber 8 statt 6 nachts fahren sollten.
126
1.1.1.1.3 Die Nachvollziehbarkeit der Prognose wird zwar dadurch erschwert, dass die mit der NVBW erfolgte Abstimmung im Zeitpunkt ihrer Durchführung (März 2011) offenbar nicht vollständig dokumentiert wurde. Die Anlage Beigel. 9 belegt aber jedenfalls die Planungen der NVBW mit Stand April 2013 für den Prognosehorizont 2025, die sich bezüglich des bayerischen Streckenteils mit der BEG abgestimmt hat. Die Abweichung der Anlage Beigel. 9 von der Anlage 16 der Planunterlagen lässt sich dadurch erklären, dass es sich um einen zwei Jahre jüngeren Planungsstand handelt. Dieser ist offenbar nicht mehr in die Planunterlagen eingeflossen. Aufgrund der Geringfügigkeit der Abweichung wird die Nachvollziehbarkeit der Prognose dadurch jedoch letztlich nicht erschüttert, zumal die Beigeladene vorgetragen hat, dass im Fahrplan auf der streitgegenständlichen Strecke bereits im Bestand eine gewisse Schwankungsbreite besteht.
127
Nach Auffassung des Senats ist die Prognose bezüglich des Nahverkehrs entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der Anlage Beigel. 9 keine der Prognose der NVBW zugrunde liegenden Parameter wie etwa die Bevölkerungsentwicklung, Altersstruktur, Erwerbstätigkeit, Reisetätigkeit etc. zu entnehmen sind. Soweit die Kläger meinen, die Beigeladene müsse wissen, wie die ihr von der NVBW übermittelten Zugzahlen zustande gekommen seien, und insoweit ein „Blackbox-Prinzip“ rügen, überspannen sie die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit einer Betriebsprognose. Im Bereich des Nahverkehrs liegt die Zuständigkeit für die Sicherstellung eines ausreichenden Verkehrsangebots bei den Ländern (s.o. B.I.1.1.1.1.1). Die Beigeladene durfte insoweit bei der Erstellung der Verkehrsprognose für das entsprechende Vorhaben auf die ihr von dort übermittelten Zahlen zurückgreifen, ohne diese im Einzelnen selbst zu überprüfen. Im Übrigen haben die Nahverkehrsbesteller über den Umfang der künftigen Verkehrsleistungen im Personennahverkehr zu entscheiden; entsprechend ist allein ihre Prognose zum künftigen, von ihnen zu finanzierenden Nahverkehrsangebot belastbar.
128
1.1.1.2 Hinsichtlich des Personenfernverkehrs enthält die Anlage 16 der Planunterlagen die Angabe, es sei bei Realisierung des Vorhabens - und ebenso ohne diese -täglich mit zwei IC-Zügen auf dem streitgegenständlichen Streckenabschnitt zu rechnen.
129
1.1.1.2.1 Die Beigeladene hat im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zur Plausibilisierung dieser Angabe im Grundsatz zu Recht Bezug auf Zahlen genommen, die sich aus der Bundesverkehrswegeplanung ergeben (vgl. zu dieser Vorgehensweise BVerwG, U.v. 13.12.2018 - 3 A 17.15 - juris Rn. 22; U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 89; U.v. 8.9.2016 - 3 A 5.15 - juris Rn. 46). Die Beigeladene hat insoweit auf die Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege (Abschlussbericht November 2010, Anlage Beigel. 6) verwiesen. Entgegen dem Vortrag der Kläger war es nicht erforderlich, bei der Erstellung der Prognose bereits auf den Bundesverkehrswegeplan 2030 und den dem BSWAG als Anlage 1 beigefügten Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3221) abzustellen. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28. Oktober 2015 waren diese Regelungen noch nicht in Kraft getreten. Auch wenn die Verkehrsprognose 2030 bereits seit 2014 über die Webseite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Verfügung stand, ist doch nicht dargetan und nicht ersichtlich, dass diese im Zeitpunkt der Planfeststellung so aufbereitet gewesen wäre, dass sich aus ihr belastbare Aussagen über lokale Verkehrsströme hätten ableiten lassen (vgl. in diesem Sinne zu einem Planfeststellungsbeschluss vom 13.11.2015 BVerwG, U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 89).
130
1.1.1.2.2 Die Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege (Abschlussbericht November 2010) enthält auf S. 7-7 (Abb. 7.2-1) eine Übersicht über Bedienungsangebote des Schienenpersonenfernverkehrs im Zielnetz, wonach auf der streitgegenständlichen Strecke mit einem Zug je Tag und Richtung zu rechnen sei (ebenso Abb. 9.4-1 auf S. 9-40). Der Untersuchung lässt sich zwar im Einzelnen nicht entnehmen, wie die prognostizierte Zugzahl für den Personenfernverkehr auf der streitgegenständlichen Strecke hergeleitet wurde. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Dokument, das zwischen einem Prognose-Nullfall (Bezugsfall B0) und einem Prognose-Planfall unterscheidet, das im Bundesverkehrswegeplan 2003 enthaltene internationale Projekt „ABS Ulm-Friedrichshafen-L* …-Grenze D/A“ in den Bezugsfall B0 aufgenommen und daher als bereits realisiert unterstellt hat (s. S. 5-5). Der Bericht enthält dementsprechend keine nähere Untersuchung des streitgegenständlichen Vorhabens, sondern beschränkt sich auf die Mitteilung einer vorgesehenen Zugzahl. Auch die Beklagte und die Beigeladene haben den Bericht in ihren Schriftsätzen vom 27. März 2019 (Beklagte) und 28. März 2019 (Beigeladene) nicht als projektbezogene Verkehrsuntersuchung angesehen, die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung als entscheidungserhebliche Unterlage hätte ausgelegt werden müssen, sondern als deutschlandweite Verflechtungsprognose für die großräumige Netzbeeinflussung.
131
1.1.1.2.3 Der Senat erachtet die Prognose in Bezug auf den Personenfernverkehr dennoch für noch hinreichend nachvollziehbar, weil die Beigeladene diese durch zusätzliche Angaben plausibilisiert hat. Die Beigeladene hat insbesondere im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mitgeteilt, dass die Elektrifizierung der Strecke allein betrieblichen Verbesserungen durch das Vermeiden des Umspannens der Loks diene. Die Elektrifizierung führe nicht kausal zu einem höheren Zugangebot, da die Strecke eingleisig bleibe, die Geschwindigkeit gleich bleibe und sonstige Streckenparameter nicht verändert würden. Die Strecke sei deshalb als Fernverkehrsstrecke nicht attraktiv. Es bestehe in der fraglichen Relation auch kein weiterer Fernverkehrsbedarf.
132
Soweit die Kläger ungeachtet dessen eine Mehrung des Verkehrs befürchten (solche Befürchtungen konnten durch die Angaben zur verkehrlichen Bedeutung der Strecke im Erläuterungsbericht genährt werden), ist dem letztlich entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Verkehrsprognosen nicht der auf einer Strecke technisch machbare Verkehr (die Kapazität) als Prognoseparameter heranzuziehen ist, sondern der tatsächlich zu erwartende Verkehr (der Bedarf). Die Erhöhung der Kapazität einer Strecke bedeutet nicht schon, dass diese auch genutzt wird, sondern dies hängt vielmehr davon ab, welcher Verkehr im Prognosehorizont nach den vorliegenden Erkenntnissen zu erwarten ist (BVerwG, U.v. 13.12.2018 - 3 A 17.15 - juris Rn. 22; U.v. 8.9.2016 - 3 A 5.15 - juris Rn. 46). Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der schlüssigen Angaben der Beigeladenen mit einem höheren Bedarf zu rechnen wäre, sind nicht ersichtlich.
133
Schließlich teilt der Senat nicht die Auffassung der Kläger, wonach die Beklagte bzw. die Beigeladene die Verkehrsprognose durch weitere Angaben etwa zur Bevölkerungsentwicklung, Altersstruktur, Erwerbstätigkeit, Reisetätigkeit etc. oder durch Offenlegung von von den Klägern so bezeichneten „Rohdaten“ aus einer „Zugzahlendatenbank“ weiter hätte unterfüttern müssen, um sie im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachvollziehbar zu machen. Damit würde nicht nur über die bisherigen Anforderungen der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hinausgegangen, die die Zugrundelegung von Zahlen der Bundesverkehrswegeplanung grundsätzlich für ausreichend erachtet. In der Sache würde damit von der Beigeladenen möglicherweise eine auf relativ kleine geographische Räume bezogene und damit sehr aufwendige Datenerhebung und -auswertung verlangt, die über die in der Bundesverkehrswegeplanung enthaltene bundesweite Verflechtungsprognose hinausginge. Die damit möglicherweise verbundene Forderung nach einer gerichtlichen Überprüfung einzelner Daten und Annahmen wäre mit dem eingeschränkten Prüfungsumfang bei der Überprüfung von Verkehrsprognosen kaum vereinbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Datenerhebung und -auswertung fehlerhaft sein könnten.
134
1.1.1.3 Für den Güterverkehr sieht die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Prognose in Anlage 16 der Planunterlagen bei Durchführung des Vorhabens insgesamt vier Züge pro Tag vor, davon zwei tagsüber und zwei nachts. Gleiches gilt für den Fall, dass die Elektrifizierung nicht umgesetzt würde.
135
1.1.1.3.1 Wie beim Personenfernverkehr hat die Beigeladene im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zur Plausibilisierung dieser Angabe Bezug auf Zahlen genommen, die sich aus der Bundesverkehrswegeplanung ergeben, nämlich auf die Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege (Abschlussbericht November 2010, Anlage Beigel. 6). Auch hier war eine Einbeziehung des Bundesverkehrswegeplans 2030 nicht erforderlich (s.o. B.II.1.1.1.2.1). Dem Bericht von 2010 ist allerdings lediglich zu entnehmen, dass auf der streitgegenständlichen Strecke 4530 täglich weniger als 20 Güterzüge verkehren sollen (Abb. 7.5-1, S. 7-29). Die Angabe in Anlage 16 der Planunterlagen (4 Güterzüge täglich) liegt zwar innerhalb dieses Spektrums, lässt sich allein damit aber schwer begründen. Auch insoweit mangelt es der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege von 2010 an einer konkreten Untersuchung der streitgegenständlichen Strecke, weil die Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens bereits für den Prognose-Nullfall unterstellt wird (s.o. B.II.1.1.1.2.2). Auch die Beigeladene hat ausgeführt (Schriftsatz vom 28.3.2019), aus dem Bericht lasse sich kein unmittelbarer Schluss auf die konkrete Prognose der Güterzugzahlen auf der Bodensee-Gürtelbahn ziehen; es handele sich nicht um eine projektbezogene Verkehrsuntersuchung, die der Auslegungspflicht im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliege.
136
1.1.1.3.2 Ungeachtet dessen erscheint die Prognose der Güterzugzahlen im Ergebnis nachvollziehbar. Der Planfeststellungsbeschluss gibt an (S. 41), Mehrverkehre seien nicht zu erwarten, weil die Strecke wegen des Richtungswechsels in Friedrichshafen und wegen der Eingleisigkeit für den Güterverkehr nicht attraktiv erscheine. Die Beigeladene hat dementsprechend ausgeführt, die Strecke sei insgesamt betrachtet auch nach der Elektrifizierung für den Güterverkehr nur wenig attraktiv, weil sie eingleisig bleibe und die Streckengeschwindigkeit nicht erhöht werde. Zudem fehle es am Bau der zu einem früheren Zeitpunkt geplanten Verbindungskurve bei Friedrichshafen. Die Elektrifizierung diene allein betrieblichen Verbesserungen.
137
Die Beklagte und die Beigeladene haben zudem im Einzelnen erläutert, dass entgegen der Befürchtungen der Kläger mit Blick auf den Zulauf zur NEAT auf der streitgegenständlichen Strecke keine Zunahme des Güterverkehrs zu erwarten ist (s. PFB S. 42 und Schriftsätze der Beklagten vom 5.7.2016 und 4.6.2018; Schriftsätze der Beigeladenen vom 5.7.2016 und 25.4.2018). Die Beigeladene hat hierzu eine „Kurzfassung des Schlussberichts“ der „Bewertung von Investitionen zum Ausbau deutscher Eisenbahnstrecken im Zulauf zur NEAT“ der BVU Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH vom Juli 2006 vorgelegt (Anlage Beigel. 8), in der ausgehend von dem Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Fassung vom 15. September 2004 drei verschiedene Zulaufstrecken zur NEAT gesamtwirtschaftlich untersucht werden. Der in der Untersuchung enthaltene die streitgegenständliche Strecke betreffende Planfall Südbahn (Kapitel 5) umfasst in Bezug auf die Strecke zwischen Ulm und L* … die Elektrifizierung, eine Geschwindigkeitserhöhung auf maximal 160 km/h sowie die Komplettierung der Zweigleisigkeit. Die Ausbaumaßnahme würde nach den Angaben in Kapitel 5.3 zu einer deutlichen Mehrung des Schienengüterverkehrs zwischen Ulm und L* … um bis zu zehn Zugpaare pro Tag führen. Zwischen Friedrichshafen und L* … nähme die SGV-Belastung um 8 Züge in die eine Richtung und 9 Züge in die andere Richtung pro Tag zu. Werde zusätzlich zu den genannten Ausbaumaßnahmen auch die Verbindungskurve in Friedrichshafen gebaut, käme es zu weiteren Mehrverkehren im Güterverkehr zwischen Ulm und L* … von bis zu fünf Zügen in südlicher und bis zu vier Zügen in nördlicher Richtung pro Tag.
138
Die Beklagte und die Beigeladene haben hierzu vorgetragen, dass die Überlegungen aus der Studie bezüglich der Südbahn, soweit sie über die Elektrifizierung hinausgehen, derzeit nicht weiterverfolgt werden. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist lediglich die Elektrifizierung der Strecke. Die Verwirklichung der weiteren Ausbaumaßnahmen ist derzeit nicht beabsichtigt. Dem entspricht es, dass nach der Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesschienenwege der Güterverkehr auf der Strecke in Zukunft aufgrund der Nutzung anderer Zulaufstrecken zur NEAT eher abnehmen wird (Anlage Beigel. 6 S. 7-32). Weiter wird die Aussage der Beklagten und der Beigeladenen dadurch untermauert, dass im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3221) die streitgegenständliche Strecke unter den neuen Vorhaben des vordringlichen Bedarfs nur noch in der Ausdehnung bis L* …, nicht mehr bis zur Grenze, genannt ist. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 wird die entsprechende Maßnahme (Anlage 2, Nr. 2-001-V02) beschrieben als „Elektrifizierung Ulm-Friedrichshafen-L* …; Elektrifizierung Anschlussstrecken nach Laupheim Stadt; abschnittsweise Geschwindigkeitserhöhung auf Vmax 160 km/h“. Ein weiterer Ausbau der Strecke ist in den Vorhaben des vordringlichen Bedarfs nicht (mehr) enthalten. Vor diesem Hintergrund leuchtet es im Ergebnis ein, dass eine Mehrung des Güterzugverkehrs durch die bloße Elektrifizierung der Strecke nicht zu erwarten ist.
139
Die Aussagen im Erläuterungsbericht und im Planfeststellungsbeschluss zu der Möglichkeit eines grenzüberschreitenden elektrischen Güterverkehrs nach Österreich und in die Schweiz erschüttern die Nachvollziehbarkeit der Prognose unter Einbeziehung der vorgenannten Umstände nicht. Denn ein Bedarf für weiteren Güterverkehr, der durch das planfestgestellte Vorhaben der Streckenelektrifizierung zu erwarten wäre, besteht nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Beigeladenen nicht. Die bloße Steigerung der Kapazität der Strecke führt nicht dazu, dass der Verkehrsprognose deren Maximalauslastung zugrunde gelegt werden müsste (BVerwG, U.v. 13.12.2018 - 3 A 17.15 - juris Rn. 22; U.v. 29.6.2017 - 3 A 1.16 - juris Rn. 89).
140
Soweit die Kläger schließlich monieren, dass die Verkehrsprognose für den Güterverkehr mehr Züge vorsehe, als es dem Bestandszustand entspreche, würde es sich - sofern die Annahme überhaupt zutrifft - um eine nicht elektrifizierungsbedingte Zunahme handeln, die innerhalb der schon im Bestand zulässigen Schwankungsbreite des Verkehrsaufkommens läge.
141
1.1.1.4 Der weitere, unabhängig von der Verkehrsart erhobene Einwand der Kläger, wonach es durch die Elektrifizierung zu einer Fahrzeitersparnis komme, die ein Mehr an Verkehr ermögliche, geht ins Leere; denn nicht auf die durch die Zeitersparnis möglicherweise erreichte Kapazitätssteigerung kommt es an, sondern auf den Bedarf (s.o. B.II.1.1.1.3.2).
142
1.1.1.5 Dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr von der Verwirklichung von über die Elektrifizierung der Strecke hinausgehenden Ausbaumaßnahmen ausgegangen wurde, ergibt sich aus der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses selbst (S. 41, 42). Es ist deshalb nachvollziehbar, dass im Rahmen der Verkehrsprognose nicht angenommen wurde, dass diese Maßnahmen in absehbarer Zeit verwirklicht und möglicherweise in Kombination mit der streitgegenständlichen Maßnahme eine verkehrssteigernde Wirkung entfalten würden. Aus dem von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2018 - 9 C 1.17 - (juris Rn. 21) lassen sich im Übrigen keine Rückschlüsse für den vorliegenden Sachverhalt ziehen. Im dortigen Verfahren ging es um die Frage, ob im Rahmen der Verkehrsprognose für das dort streitgegenständliche Straßenbauprojekt die Verwirklichung eines anderen Straßenbauprojekts innerhalb des Prognosezeitraums angenommen werden durfte.
143
1.1.2 Eine durch das Vorhaben bedingte Zunahme des Eisenbahnbetriebslärms ist auch nicht aufgrund einer Erhöhung der Streckengeschwindigkeit zu erwarten, die im Lauf des Verfahrens von den Beteiligten diskutiert wurde. Nach den Angaben der Beigeladenen legt das Verzeichnis der zulässigen Geschwindigkeiten (VzG) für die Strecke 4530 eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fest. Fahrzeuge mit aktiver Neigetechnik dürften die Strecke mit 120 km/h befahren. Eine solche Technik stehe zurzeit jedoch nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
144
Die Planunterlagen sind bezüglich einer Geschwindigkeitserhöhung zwar in sich nicht vollständig schlüssig (s. widersprüchliche Aussagen in Abschnitt 6.1.1 und Abschnitt 6.3 des Erläuterungsberichts). Im Planfeststellungsbeschluss (S. 42) wurde jedoch klargestellt, dass das Vorhaben nicht mit einer Steigerung der Geschwindigkeit verbunden sei und die Planunterlagen diesbezüglich an einer Stelle einen redaktionellen Fehler aufwiesen. Dies entspricht den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2018 und der Beigeladenen in verschiedenen Schriftsätzen, etwa vom 25. April 2018. Die Beigeladene hat im Übrigen plausibel gemacht, dass eine Erhöhung der Streckengeschwindigkeit ohne weitere bauliche Maßnahmen gar nicht möglich wäre.
145
Soweit die Kläger die Frage aufwerfen, ob sich die Elektrifizierung dahin auswirken werde, dass die schneller fahrenden Züge mit Neigetechnik verstärkt eingesetzt würden, und wie die Entwicklung der Neigetechnikzüge auf der Strecke insgesamt überhaupt zu erwarten sei, ist nicht erkennbar, dass zwischen der Elektrifizierung und dem Einsatz von Zügen mit Neigetechnik ein Zusammenhang besteht. Nach den Darlegungen der Beigeladenen ist der Einsatz von Zügen mit Neigetechnik vielmehr unabhängig von der Elektrifizierung, so dass das streitgegenständliche Vorhaben insoweit keine Ansprüche auf Lärmschutz bedingt.
146
1.2 Unabhängig davon, dass es nach den vorstehenden Ausführungen an einer wesentlichen Änderung des betreffenden Schienenweges im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 der 16. BImSchV fehlt, hat die Klage des Klägers zu 2 auch deshalb keinen Erfolg, weil sein Grundstück unbebaut ist und hinreichend konkrete Bauabsichten nicht erkennbar sind. Die Einhaltung von Immissionsgrenzwerten kann nach der hier gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV anwendbaren Fassung der Anlage 2 zur 16. BImSchV, nämlich der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung, nur an einem bestimmten Immissionsort verlangt werden. Als schutzwürdige Immissionsorte, für die ein Anspruch auf aktiven oder passiven Lärmschutz bestehen kann, kommen grundsätzlich nur Gebäude oder Außenwohnbereiche in Betracht (Anlage 2 zur 16. BImSchV in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung; s. ebenso Anlage 2 zur 16. BImSchV in der derzeit geltenden Fassung, Ziffer 2.2.10.). Ist ein Grundstück unbebaut, aber grundsätzlich bebaubar, ist die Untersuchung als Immissionsort jedenfalls nur dann geboten, soweit in Betracht kommende künftige Bauvorhaben hinreichend konkret sind und die Bauausführung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist (vgl. in diesem Sinne zum maßgeblichen Immissionsort nach der TA Lärm OVG NW, B.v. 8.9.2020 - 2 B 691.20 - juris Rn. 24; Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Feb. 2020, TA Lärm Nr. 2.2 Rn. 17; Feldhaus/Tegeder in Feldhaus, BImSchR, Stand: Juni 2016, TA Lärm Nr. 2.2 Rn. 32a; s. auch BayVGH, B.v. 2.11.2016 - 22 CS 16.2048 u.a. - juris Rn. 36). Für ein möglicherweise noch engeres Verständnis spricht § 2 Abs. 4 Nr. 2 der 24. BImSchV, wonach Schallschutzmaßnahmen im Sinne der Verordnung nicht erforderlich sind, wenn eine bauliche Anlage bei der Auslegung der Pläne im Planfeststellungsverfahren noch nicht genehmigt war oder sonst nach den baurechtlichen Vorschriften mit dem Bau noch nicht begonnen werden durfte. Unabhängig von der Frage, ob ein Bauvorhaben bereits genehmigt sein müsste, um schutzbedürftig zu sein, hat der Kläger zu 2 hinreichend konkrete Bauabsichten nicht dargelegt.
147
1.3 Die Kläger meinen, sie würden infolge des Erfordernisses der wesentlichen Änderung nach der 16. BImSchV deshalb systemwidrig benachteiligt, weil für die Bestandsstrecke kein Planfeststellungsbeschluss bestehe und ihnen daher bei Schallerhöhungen im Rahmen des bestehenden Betriebs Lärmschutzansprüche zustehen könnten, die jedoch infolge der streitgegenständlichen Planfeststellung durch § 75 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen würden, auch wenn sie nicht elektrifizierungsbedingt seien. Dieser Einwand greift nicht durch.
148
Unabhängig davon, ob den Klägern bei Schallerhöhungen, die nicht elektrifizierungsbedingt sind, überhaupt Lärmschutzansprüche zustehen könnten, würden sie solche Ansprüche jedenfalls durch den Planfeststellungsbeschluss, dessen Regelungsgegenstand auf die Elektrifizierung beschränkt ist, nicht verlieren. Denn die Duldungswirkung nach § 75 Abs. 2 VwVfG erstreckt sich nicht auf Maßnahmen, die der Vorhabenträger „außerhalb“ des Planfeststellungsbeschlusses vornimmt (vgl. Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 75 Rn. 62). Auf die von den Beteiligten in diesem Zusammenhang diskutierte Entscheidung des SächsOVG vom 5. März 2014 - 1 C 28.11 - juris kommt es insoweit nicht an.
149
2. Ein Verstoß gegen das planerische Abwägungsgebot in Bezug auf Belange der Kläger, der zur Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses führen oder die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf Planergänzung um die von ihnen beantragten Schutzauflagen, auch zum Betriebsprogramm, begründen würde, liegt nicht vor. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Zu den in der Abwägung beachtlichen privaten Interessen gehören nicht nur subjektiv-öffentliche Rechte; einzustellen sind vielmehr alle mehr als geringfügigen schutzwürdigen Interessen, die von der Planung betroffen werden. Ein Abwägungsmangel liegt nach diesen Grundsätzen nicht vor.
150
2.1 Entgegen dem Vortrag der Kläger leidet der Planfeststellungsbeschluss nicht an einem Abwägungsmangel, soweit er die Verordnung der Gemeinde N* … über den Immissionsschutz im Gemeindegebiet vom 10. April 2013 (Gemeinde-ImmissionsschutzVO, abrufbar über https://www. …*) nicht in die Abwägung einbezogen hat. Die Verordnung erfasst schon tatbestandlich den von dem Betrieb einer Eisenbahn ausgehenden Lärm nicht.
151
2.2 Soweit die Kläger meinen, die Planfeststellungsbehörde hätte vor dem Hintergrund möglicher Grundrechtsverletzungen die betriebsbedingte Lärmbelastung nicht hinreichend ermittelt, und insoweit einen Abwägungsmangel rügen, ist dies nicht hinreichend dargelegt.
152
Auf dem unbebauten Grundstück des Klägers zu 2 kommt ein Anspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, der eine Gesundheitsgefährdung durch Lärm voraussetzen würde, von vornherein nicht in Betracht. Auch der Kläger zu 1 hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass es infolge der Elektrifizierung der Bahnstrecke zu einer Überschreitung der Beurteilungspegel von 70 dB(A) tagsüber oder 60 dB(A) nachts an relevanten Immissionsorten auf dem bebauten Grundstück FlNr. … käme, die das Bundesverwaltungsgericht zur Voraussetzung für einen unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Anspruch macht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 10.10.2012 - 9 A 20.11 - juris Rn. 28). Da es angesichts der Verkehrsprognose an jeglichen Anhaltspunkten für derartige Auswirkungen gerade der Elektrifizierung fehlt, genügt der bloße Hinweis, die Planfeststellungsbehörde hätte dies ermitteln müssen, nicht.
153
Eine eventuelle Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch einen Abwägungsmangel aufgrund nicht hinreichender Sachverhaltsermittlung kann der Kläger zu 2 mangels Bebauung seines Grundstückes ebenfalls nicht geltend machen. Dass der Planfeststellungsbeschluss das Recht des Klägers zu 1 nach Art. 13 Abs. 1 GG oder eigentumsrechtlich geschützte Belange (vgl. hierzu BVerfG (Kammer), B.v. 20.2.2008 - 1 BvR 2722.06 - juris Rn. 66 ff., 69 ff.) nicht in einer dem Abwägungsgebot genügenden Weise behandelt hätte, ist angesichts der im Ergebnis nachvollziehbaren Verkehrsprognose ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich.
154
2.3 Der Planfeststellungsbeschluss leidet darüber hinaus nicht an Abwägungsmängeln in Bezug auf die Kläger betreffende Erschütterungen.
155
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Ansprüche auf Schutzvorkehrungen gegen Erschütterungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG zu beurteilen. Schutzvorkehrungen sind gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anzuordnen, wenn dies zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich ist. Beim Ausbau von Schienenwegen entstehen Ansprüche auf Erschütterungsschutzmaßnahmen ab einer Erhöhung der plangegebenen Vorbelastung um 25% (vgl. BVerwG, U.v. 21.12.2010 - 7 A 14.09 - juris Rn. 30).
156
Ob es zu einer Erhöhung der plangegebenen Vorbelastung um 25% kommt, ist anhand des nach der Verkehrsprognose infolge der Umsetzung des Vorhabens zu erwartenden Betriebsprogramms einschließlich der eingesetzten Zuggattungen zu beurteilen.
157
Nach der im Ergebnis nachvollziehbaren Verkehrsprognose der Beigeladenen (s.o. B.II.1.1.1), die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt, kommt es durch die Realisierung des Vorhabens nicht zu einer Zunahme des Zugverkehrs auf der streitgegenständlichen Strecke. Unter diesem Aspekt ist daher keine elektrifizierungsbedingte Zunahme der Erschütterungen zu erwarten.
158
Es ist auch nicht anzunehmen, dass allein durch den Einsatz von - dem Gesamtgewicht nach schwereren - Elektroloks anstelle von Dieselloks die Erschütterungsimmissionen auf den Grundstücken der Kläger zunehmen könnten.
159
Die Beigeladene hat hierzu mit Schriftsatz vom 25. April 2018 vorgetragen, dass die Erschütterungen von der auf die Achsen verteilten Achslast (Radsatzlast) abhingen und nicht von der absoluten Masse der Fahrzeuge. Die Radsatzlast müsse bei Loks mit größerer Masse nicht höher sein als bei Loks mit kleinerer Masse. Die fragliche Strecke sei für eine Radsatzlast von 22,5 t ausgerichtet und als Klasse D4 eingestuft, was im Streckennetz der DB die höchste Klasse darstelle. Nach einer von der Beigeladenen vorgelegten Untersuchung der International Union of Railways lägen die stärksten Einflüsse für Erschütterungen in der ungefederten Achslast und seien insbesondere durch Radunrundheiten, Unwuchten oder Flachstellen verursacht. Dies hänge nicht vom Fahrzeugtyp ab.
160
Den schlüssigen Ausführungen zur vom Gesamtgewicht des Fahrzeugs unabhängigen Radsatzlast sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Die frühere Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28. September 2018 lediglich ausgeführt, dass es nach der von der Beigeladenen vorgelegten Studie auf die Streckengeschwindigkeit und die Häufigkeit der Zugfahrten ankomme. Legte man diese Kriterien zugrunde, so käme es indes nach den vorangegangenen Ausführungen mangels Erhöhung der Streckengeschwindigkeit und mangels einer Zunahme der Zugzahlen gleichfalls nicht zu einer Erhöhung der Erschütterungswirkungen. Für eine abwägungserhebliche (25%, s.o.) Erhöhung der Erschütterungen durch die bloße Verwendung von Elektrostatt Dieselloks bestehen damit keine hinreichenden Anhaltspunkte.
161
2.4 Die Kläger behaupten weiter einen Abwägungsmangel im Hinblick auf eine mögliche - im Verwaltungsverfahren aus ihrer Sicht nicht ausreichend geprüfte - Zunahme von Infraschall, die durch eine Erhöhung der Zugzahlen verursacht werden könnte. Soweit Infraschall überhaupt durch den Betrieb von Eisenbahnen entstehen können sollte - von der Rechtsprechung wurde die Thematik, soweit ersichtlich, bisher nur im Zusammenhang mit Windkraftanlagen behandelt - führt dieser Einwand schon deshalb nicht zum Erfolg, weil nach der im Ergebnis nicht zu beanstandenden Verkehrsprognose (s.o. B.II.1.1.1) nicht mit einer Zunahme des Verkehrs zu rechnen ist.
162
2.5 Ein Abwägungsmangel kann zudem nicht festgestellt werden, soweit die Kläger fehlende Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde zum vagabundierenden Bahnrückstrom rügen. Der Planfeststellungsbeschluss führt hierzu aus, der Rückstromanteil in der Erde werde dadurch erheblich reduziert, dass Bauwerke im unmittelbaren Bahnbereich gezielt durch Verbindung mit der Schiene in die Rückstromführung einbezogen würden. Auch würden bahneigene Rohrleitungen teilweise direkt mit den Gleisen verbunden. Eine weitere Verringerung des Rückstromanteils im Erdreich ergebe sich dadurch, dass bei Wechselstrombahnen durch wiederholtes Verbinden der Schienen untereinander möglichst viele Schienen für die Rückstromführung zur Verfügung stünden (PFB S. 46). In der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2018 hat die Beigeladene zudem ausgeführt, dass bei Wechselstromsystemen wie hier stets die Erde als Rückleiter (neben den Schienen, die auch geerdet seien) genutzt werde. Es könnten zwar kleine Ströme im Umfeld dieser Erde entstehen, doch seien bei Wechselstromsystemen - anders als bei Gleichstromsystemen wegen der dort auftretenden Korrosionsmöglichkeit an Leitungen - damit verbundene Gefahren nicht bekannt. Diesen Ausführungen haben die Kläger nichts entgegengehalten.
163
2.6 Die Kläger sind der Auffassung, die Standorte der Oberleitungsmasten hätten im Planfeststellungsbeschluss festgelegt werden müssen, um erkennbar zu machen, ob das frühere Grundstück der früheren Klägerin FlNr. … bzw. die jetzigen Grundstücke FlNr. … und … dafür in Anspruch genommen würden. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass der Planfeststellungsbeschluss die Standorte nicht ausweist, soweit diese nicht auf Privatgrundstücken vorgesehen sind.
164
Der Planfeststellungsbeschluss sieht die Inanspruchnahme von Flächen, die im Eigentum der Kläger stehen, nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in den Grunderwerbsunterlagen (Anlage 9 der Planunterlagen) die Grundstücke der (jetzigen) Kläger keine Erwähnung finden. Dem entspricht auch die inzwischen abgeschlossene tatsächliche Bauausführung. Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2020 vorgetragen haben, ein Mast stehe nunmehr außerhalb des Grundstücks FlNr. … auf Bahngrund, aber neben diesem Grundstück etwa 10 m von dessen Grenze zum Grundstück FlNr. … entfernt, folgt daraus kein Anspruch auf Regelung im Planfeststellungsbeschluss. Die Festlegung der Standorte von Oberleitungsmasten bei der Elektrifizierung von Bahnstrecken kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel der Ausführungsplanung vorbehalten bleiben. Anders verhält es sich nur dann, wenn der Grundsatz der Problembewältigung eine Regelung bereits im Planfeststellungsbeschluss gebietet, was voraussetzt, dass es sich um eine Frage von einigem Gewicht handelt, die insbesondere Interessen Dritter berührt (BVerwG, B.v. 25.7.2007 - 9 VR 19.07 - juris Rn. 17). Dass eine solche Fallgestaltung hier vorliegt, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt.
165
2.7 Soweit die Kläger rügen, mit dem Planfeststellungsbeschluss sei eine Vorabentscheidung über einen weitergehenden zweigleisigen Ausbau verbunden und dies hätte mit abgewogen werden müssen, greift ihr Einwand nicht durch. Das Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG bezieht sich allein auf den Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses, der sich auf die Elektrifizierung beschränkt. Sollte die Beigeladene zu einem späteren Zeitpunkt die Durchführung weiterer Ausbaumaßnahmen beabsichtigen, so bedürften diese einer eigenen Planfeststellung, in deren Rahmen die Kläger ihre Interessen einbringen könnten, die dann auch dem Abwägungsgebot unterlägen.
166
2.8 Der Kläger zu 1 beantragt weiter die Beseitigung dinglich nicht abgesicherter Entwässerungsleitungen auf seinen Grundstücken, die nach seinem Vortrag der Entwässerung des Bahndamms dienen sollen; hilfsweise begehrt er die Übernahme der Unterhaltungslast und einer verschuldensunabhängigen Garantie für den Ersatz von Schäden. Nach einem von der früheren Klägerin vorgelegten Lageplan (VGH-Akte Bl. 199) befindet sich eine Leitung auf dem (neuen) Grundstück FlNr. … und dem Grundstück FlNr. …
167
Der geltend gemachte Planergänzungsanspruch besteht nicht. Die fragliche Leitung ist nicht Bestandteil oder Regelungsgegenstand der streitgegenständlichen Planfeststellung. Zwischen der Elektrifizierung und dem weiteren Umgang mit der Leitung besteht auch kein innerer Zusammenhang, der Anlass für eine Regelung im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss geben würde. Entgegen der klägerischen Auffassung wird die Leitung auch nicht infolge der Planfeststellung von der Wirkung des § 75 Abs. 2 VwVfG erfasst. Zudem hat die Beigeladene bestritten, dass es sich überhaupt um eine Leitung der Bahn handele und diese der Entwässerung der Bahnlinie diene. Dass die Entwässerungsleitung tatsächlich in den Verantwortungsbereich der Beigeladenen fällt, hat der Kläger zu 1 nicht substantiiert dargelegt. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Vortrag der früheren Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2018, wonach das Grundstück FlNr. … bis in die 50er Jahre der Bahn gehört habe, es im Zuge der Flurbereinigung einen Tausch gegeben habe und es am Bahndamm entlang einen Entwässerungsgraben gebe, von dem ab Leitungen zur Entwässerung in Richtung Bodensee führten. Eigentums-, Besitz- oder Nutzungsrechte und entsprechende Pflichten in Bezug auf die genannte Leitung, aus denen der Kläger zu 1 Rechte gegen die Beklagte oder die Beigeladene ableiten könnte, müssten dokumentiert sein und vom Kläger belegt werden können; hieran fehlt es.
168
2.9 Mit der Rüge, es bestehe infolge des Planfeststellungsbeschlusses die Gefahr der Beeinträchtigung des Trinkwasserspeichers Bodensee, können die Kläger nicht gehört werden, da es sich insoweit nicht um einen aus ihrer Sicht rügefähigen privaten Belang, sondern um ein Allgemeinwohlinteresse handelt.
169
2.10 Der weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Festsetzung einer Entschädigung in Geld für nicht durch Auflagen abwendbare Beeinträchtigungen besteht nach den vorstehenden Erläuterungen gleichfalls nicht, ebenso wenig wie ein Anspruch auf Neuentscheidung über Schutzmaßnahmen zugunsten der Kläger.
170
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO. Mit Blick auf die Verschiedenheit der Beteiligung der beiden Kläger am Rechtsstreit - der Kläger zu 1 ist Eigentümer u.a. des Grundstücks FlNr. …, das mit einem Gästehaus bebaut ist, der Kläger zu 2 dagegen ist (nur) Eigentümer des unbebauten Grundstücks FlNr. … - werden die Kosten nicht nach Kopfteilen (§ 100 Abs. 1 ZPO) verteilt, sondern unter Orientierung an den Maßgaben für den Streitwert gequotelt. Es entspricht der Billigkeit im Sinn des § 162 Abs. 3 VwGO, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den unterlegenen Klägern aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
171
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
172
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.