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VG München, Gerichtsbescheid v. 06.10.2020 – M 24 K 20.3475
Titel:

Erfolglose Klage eines Asylantragstellers auf Umverteilung in ein anderes Bundesland

Normenkette:
AsylG § 51 Abs. 1
Leitsatz:
Das Vorliegen eines sonstigen humanitären Grunds von vergleichbarem Gewicht iSv § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG, dem durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen ist, muss ein Asylantragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO) selbst vortragen und belegen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Länderübergreifende Umverteilung, Asylbewerber, Kein Vorliegen einer Ehe, Keine gemeinsamen Kinder, Umverteilung zur Lebensgefährtin und deren Kindern, Asylantragsteller, länderübergreifende Umverteilung, humanitärer Grund, Mitwirkungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2020, 32658

Tenor

I.  Die Klage wird abgewiesen.
II.  Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
III.  Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.    

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt seine Umverteilung nach … im Land Niedersachsen.
2
Der 1991 geborene Kläger reiste am 10. August 2015 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau und seinem Sohn in das Bundesgebiet ein. Über den am 12. Juli 2016 gestellten Asylantrag ist noch nicht bestandskräftig entschieden, da die erhobene Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach Aktenlage noch anhängig ist. Seit dem 9. Februar 2017 lebt der Kläger in der Gemeinschaftsunterkunft …, … …, Landkreis E. …
3
Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 beantragte der Kläger seine Umverteilung von …, Landkreis E. …, nach …, und die Gestattung der privaten Wohnsitznahme.
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Mit Bescheid vom 14. Juli 2020 lehnte die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen den Antrag auf Umverteilung nach … ab.
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Hiergegen erhob der Kläger am 26. Juli 2020 Klage; er beantragt,
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den Bescheid vom 14. Juli 2020 aufzuheben und ihm die Erlaubnis zum Umzug nach … zu geben.
7
Den darüber hinaus gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Gericht mit Beschluss vom 11. September 2020 ab (M 24 E 20.3946).
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Zur Begründung führt er aus, er habe in Lüneburg eine Frau kennengelernt, die zwei Kinder habe. Mit dieser wolle er eine Beziehung führen und zusammenleben; ihren Kindern wolle er ein Vater sein. Außerdem wolle er in … eine Beschäftigung als Verkäufer aufnehmen. Seine Ehefrau habe sich von ihm getrennt und ihm den Kontakt zu seinem Sohn verboten. In der Gemeinschaftsunterkunft in …
9
Müsse er sich ein Zimmer mit zwei anderen Männern teilen.
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Die Beklagtenpartei beantragt unter Vorlage der Behördenakten,
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die Klage abzuweisen.
12
Die Verwaltungsstreitsache wurde durch Beschluss der Kammer auf den Einzelrichter übertragen. Der Kläger wurde zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört; die Beklagtenpartei hat auf mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten - auch des Eilverfahrens M 24 E 20.3946 - sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Kläger wurde hierzu gehört und die Beklagtenpartei hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
14
Die zulässige Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auf Umverteilung des Klägers nach Niedersachsen hat in der Sache keinen Erfolg.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Umverteilung nach … ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat weder einen Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung nach Niedersachsen (Stadt …*) nach § 51 AsylG noch auf Neuverbescheidung seines Antrags (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16
Grundsätzlich hat ein Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Gemäß § 51 Abs. 1 AsylG ist jedoch, wenn der Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylG (Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern) oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen.
17
Wie die Beklagtenpartei im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylG nach den Umständen des vorliegenden Sachverhalts nicht vor. Der Kläger ist nicht Elternteil der Kinder seiner Lebensgefährtin. Er ist mit seiner Lebensgefährtin nicht verheiratet. Die Heiratsabsichten sind auch nicht in einem Stadium, in dem von der Herstellung einer ehelichen Haushaltsgemeinschaft in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Eheschließung (bei feststehendem Heiratstermin nach amtlich geprüftem Vorliegen aller Eheschließungsvoraussetzungen) ausgegangen werden könnte.
18
Weder gehört das Verhältnis des Klägers zu den minderjährigen Kindern seiner Lebensgefährtin zu dem in § 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG genannten Personenkreis, noch hat der Kläger einen sonstigen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht i.S.v. § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG dargetan, dem durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen ist. Insoweit hat der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) solche vorzutragen und zu belegen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Lebensgefährtin des Klägers über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt und daher keiner Wohnsitzauflage unterliegt. Die beabsichtigte Lebensgemeinschaft kann daher auch am Wohnort des Klägers hergestellt werden.
19
Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger lieber bei seiner Lebensgefährtin samt deren Familie leben und sich gemeinsam mit ihr um die Kinder kümmern würde. Da ihre Beziehung aber nicht zu dem in § 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG genannten Personenkreis gehört und sich auch kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht i.S.v. § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG ergibt, hat die Beklagtenpartei die Umverteilung nach Niedersachsen zu Recht abgelehnt.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da über den Asylantrag des Klägers zum für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung und Antragstellung noch nicht bestandskräftig entschieden worden war, handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (vgl. BayVGH, B.v.19.10.2016 - 21 CS 16.30179 - juris Rn. 8ff. und BayVGH, B.v.17.10.2016 - 21 CS 16.30053 - juris Rn. 10ff.). Gerichtskosten werden daher nicht erhoben (§ 83b AsylG).
21
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff ZPO.