Titel:
Kein Anspruch auf Schadensersatz bei Leasing eines vom Diesel-Abgasskandal erfassten Fahrzeugs (hier: Porsche Cayenne S Diesel 4.2 l V8)
Normenketten:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
StGB § 263
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Bei einem Leasingvertrag über ein vom Diesel-Abgasskandal erfasstes Fahrzeug, dessen vereinbarte Laufzeit vollständig abgelaufen ist, fehlt es an einem Schaden des Leasingnehmers, wenn er während der Vertragslaufzeit keinen Nutzungsbeschränkungen unterworfen war und das versprochene Nutzungsrecht trotz einer behaupteten "Bemakelung" des Fahrzeugs uneingeschränkt ausüben konnte. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Nutzungsvorteil des Leasingnehmers an dem geleasten Fahrzeug lehnt sich spiegelbildlich an den marktüblichen Leasinggebühren für das Fahrzeug an. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Leasingvertrag, Software, Nutzungsvorteil, Nutzungsbeschränkungen, marktübliche Leasinggebühren
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg, Endurteil vom 08.08.2019 – 15 O 544/18
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 19.10.2020 – 3 U 321/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 32652
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 08.08.2019, Az. 15 O 544/18, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen
2. Die Klagepartei erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 12.08.2020 Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe
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1. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gem. § 540 ZPO auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Lediglich ergänzend bzw. erläuternd ist auszuführen:
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Die Klagepartei schloss mit der Fa. („Leasinggeberin“) am 06.04.2017 einen Leasingvertrag über einen Porsche Cayenne S Diesel 4.2 l V8. Hiernach hatte die Klagepartei auf der Basis einer jährlichen Fahrleistung von 25.000 km eine monatliche Leasingrate in Höhe von € zu zahlen. Hinzu kam eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von €. Ein Restwert wurde nicht garantiert. Sämtliche ihr zustehenden Mängelansprüche gegenüber dem Verkäufer trat die Leasinggeberin an die Klagepartei ab (Ziff. 2 der AGB). Am 12.06.2017 betrug der Kilometerstand 62.173 km.
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In dem von der Beklagten zu 2) hergestellten Fahrzeug befindet sich ein von der Beklagten zu 1) entwickelter und gebauter Motor ...
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Die Klagepartei sieht hierin eine Manipulationssoftware wie in dem von ... gebauten und verwendeten Motor EA 189. Sie hat erstinstanzlich behauptet, dass die Vorstände der Beklagten zu 1) hiervon Kenntnis gehabt hätten. Die Beklagte zu 2) habe sich mit der Bestätigung der Beklagten zu1) begnügt, dass die Motoren in Ordnung seien. Sie hätte zumindest von der Manipulationssoftware wissen müssen. Auch dies verwirkliche den Tatbestand des § 826 BGB.
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Sie hätte zumindest von der Manipulationssoftware wissen müssen. Auch dies verwirkliche den Tatbestand des § 826 BGB.
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Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt beantragt: ...
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Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,
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Die Beklagte zu 1) hat erstinstanzlich die Ausrüstung des Fahrzeugs mit einer „Umschaltlogik“ wie beim ...-Motor EA 189 bestritten. Die Behauptung einer „Schummelsoftware“ erfolge „ins Blaue hinein“. Dass die Klagepartei bei Kenntnis der behaupteten Täuschung den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, sei angesichts der Wahl des Fahrzeugtyps unwahrscheinlich. Es fehle also an einer sittenwidrigen Handlung und dem erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang.
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In Bezug auf die Beklagte zu 2) habe die Klagepartei bereits keine Täuschungshandlung dargelegt. Die Beklagte zu 2) kaufe die Motoren hinzu. Eine Sittenwidrigkeit stehe auch nicht inmitten.
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Jedenfalls sei der Klagepartei kein Schaden entstanden. Das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug stehe der Leasinggeberin zu. Mit den Leasingraten zahle die Klagepartei für die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs. Diese sei nicht beeinträchtigt. Die Klagepartei trage auch kein Restwertrisiko.
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2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen das Verbot einer Abschaltvorrichtung nicht abgeleitet werden könne. Insbesondere schütze die VO (EG) 715/2007 nicht das Vermögen von Fahrzeugkäufern. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iV.m. § 263 StGB scheide wegen einer fehlenden Täuschungshandlung aus.
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3. Hiergegen wendet sich die Klagepartei mit ihrer Berufung.
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Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet sind (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis richtig. Hierzu ergänzend ist auszuführen:
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1. Zunächst weist der Senat darauf hin, dass die Klagepartei in der Berufungsinstanz bislang in der Hauptsache lediglich die Zahlung von € beantragt hat. Die Klagepartei wird aufgegeben klarzustellen, ob es sich insoweit um eine teilweise Klagerücknahme oder um ein Schreibversehen handelt, das auf das nicht gegengelesene Einkopieren des ursprünglichen erstinstanzlichen Antrags zurückzuführen ist.
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2. Der Klagepartei ist zuzugeben, dass das Landgericht mit der von ihm gegebenen Be gründung für die Klageabweisung den Sachvortrag nicht ausgeschöpft hat. Das Landgericht stützt sich darauf, dass allein aus dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung kein Anspruch auf Schadensersatz aus der Vorschrift des § 826 BGB und den weiteren im Urteil aufgeführten Vorschriften hergeleitet werden kann. Hierauf beschränkt sich das Vorbringen der Klagepartei jedoch nicht, sondern knüpft den Anspruch an die Ausrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer Manipulationssoftware vergleichbar der im -Motor EA 189 verbauten Software an.
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3. Es kann jedoch dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer solchen Software ausgerüstet ist. Die Klagepartei hat auch in diesem Fall keinen Anspruch auf die verlangte Rückzahlung der Leasingraten im Wege des Schadensersatzes, insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 826 BGB.
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a) Entsprechend der Pilotentscheidung des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) kann durch das unterstellte sittenwidrige Verhalten der Beklagten die Klagepartei dazu verleitet worden sein, den Leasingvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug abzuschließen. In der Eingehung dieser Verbindlichkeit kann grundsätzlich auch ein Schaden sehen werden, da das Fahrzeug durch die drohende Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung für die Zwecke der Klagepartei nicht voll brauchbar sein könnte (BGH a.a.O. Rn. 46ff.). Damit würde der Klagepartei im Grundsatz ein Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Vertrag zustehen, mithin die Erstattung der gezahlten und die Freistellung von den noch zu zahlenden Leasingraten (ebenso Harriehausen, Die aktuellen Entwicklungen im Leasingrecht, NJW 2020, 1482).
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b) Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass der zwischen der Klagepartei und der Leasinggeberin abgeschlossene Leasingvertrag entsprechend seiner Rechtsnatur darauf gerichtet war, dass sich die Klagepartei als Leasingnehmerin die Nutzung des Fahrzeugs über eine bestimmte Zeit durch die Zahlung der entsprechenden Leasingraten erkauft. Ein vertragstreues Verhalten der Parteien des Leasingvertrags unterstellt, ist dieser mit Ablauf des April 2020 abgewickelt und ist das streitgegenständliche Fahrzeug zurückgegeben worden. Dass die Klagepartei während der Laufzeit des Leasingvertrags aufgrund der angeblichen „Manipulationssoftware“ Nutzungsbeschränkungen unterworfen war, hat sie nicht vorgetragen und ist auch nicht erkennbar. Das ihr im Vertrag versprochene Nutzungsrecht hat die Klagepartei also trotz der unterstellten „Bemakelung“ des Fahrzeugs uneingeschränkt ausüben können.
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Das Schadensrecht dient dazu, dem Geschädigten aus Gründen der „korrigierenden Gerechtigkeit“ (Staudinger/Schiemann (2017) Vorbemerkungen zu §§ 249- 254 Rn. 3) einen Ausgleich für seinen Verlust zu gewähren. Dieses das Schadensersatzrecht beherrschende Prinzip der Naturalrestitution zielt also auf die Herstellung eines gedachten schadensfreien Zustands ab. Wenn in diesem Zusammenhang die Zahlung eines Geldbetrages gefordert wird, dient auch dieser der Restitution (Staudinger/Schiemann (2017) Vorbemerkungen zu §§ 249 -254 Rn. 2; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 54. Ed. 1.5.2020, BGB § 249 Rn. 2). Hiermit wäre es jedoch unvereinbar, der Klagepartei im Wege des Schadensersatzes einen Geldbetrag zuzusprechen, weil trotz der „Bemakelung“ des Fahrzeugs über die Laufzeit des Leasingvertrags hinweg keine Einschränkung in der Gebrauchstauglichkeit und damit keine Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Klagepartei gegeben war. Die Zubilligung eines Schadensersatzes würde damit real zu einem Gewinn der Klagepartei führen, der dem Schadensersatzrecht fremd ist.
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c) Jedenfalls aber führt die Anrechnung der Nutzungsvorteile vorliegend dazu, dass der Klagepartei kein Anspruch zuzubilligen ist.
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Die Klagepartei muss sich im Rahmen des Vorteilsausgleichs die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (BGH a.a.O. Rn. 64ff.). Dies stellt sie auch nicht in Abrede. Als Basis hierfür ist jedoch eine von der Klagepartei hergenommene lineare Wertminderung nicht tauglich, weil sie der Tatsache nicht gerecht wird, dass die Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug nicht zu Eigentum erworben hat, sondern ihr das Fahrzeug lediglich für 36 Monate im Wege des Kilometerleasings ohne Restwertgarantie überlassen wurde.
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Bei Finanzierungsleasing wie dem streitgegenständlichen Vertrag finden auf die Regeln des Mietrechts Anwendung (BGH 2009, 575 BGH NJW 1990, 1113 BeckOGK/Ziemßen, 1.4.2020, BGB § 535 Rn. 862, 864). Der Gebrauchsvorteil einer gemieteten bzw. zur Nutzung überlassenen Sache bestimmt sich jedoch in anderer Weise als bei einem Kaufvertrag. Bei einem Kaufvertrag hat sich der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises die Nutzbarkeit bis zur Gebrauchsuntauglichkeit der Sache erkauft. Interessensgerecht ist es deshalb, den Wert einer zeitanteiligen Benutzung durch den dem Verhältnis von tatsächlicher zu möglicher Benutzungszeit entsprechenden Teil des Kaufpreises zu bestimmen (BGH NJW 1991, 2484 Ziff. II.3.b) bb)). Hieraus wird deutlich, dass die von der Klagepartei entsprechend vorgenommene Berechnung der Wertminderung kein tauglicher Maßstab bei einer von Anfang vereinbarten zeitlichen Begrenzung des Gebrauchs bietet. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass die Leasingrate, mit der der Leasingnehmer das Recht auf die zeitweilige Nutzung des Vertragsgegenstandes erwirbt, daran ausgerichtet ist, dass hierdurch und durch die im Risikobereich liegende Verwertung des Gegenstandes nach Ablauf der Nutzungszeit der Leasinggeber eine Vollamortisation einschließlich eines Gewinns erreicht wird (BGH, NJW 2013, 2420 mwN). Der Nutzungsvorteil der Klagepartei an dem geleasten Fahrzeug muss sich daher spiegelbildlich an den marktüblichen Leasinggebühren für das Fahrzeug anlehnen (vgl. hierzu BeckOGK/Mössner, 1.4.2020, BGB § 100 Rn. 11.4.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.01.2020 - 17 U 2/19). Dass sich diese auf einem niedrigeren Niveau bewegen als die von der Klagepartei entrichteten Leasingraten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere wird der Leasinggeber im Regelfall aufgrund der umfassenden Abtretung der kaufrechtlichen Ansprüche an den Leasingnehmer diesen ausreichend gesichert ansehen und keine Veranlassung haben, die Leasinggebühren zu reduzieren.
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4. Der Anspruch auf Freistellung scheitert bereits daran, dass der Leasingvertrag Ende April 2020 ausgelaufen ist. Es ist daher, wie bereits erwähnt, davon auszugehen, dass die Klagepartei vertragsgemäß die bis dahin angefallenen Leasingraten bezahlt und das Fahrzeug zurückgegeben hat. Dass und gegebenenfalls welche Ansprüche aus dem Leasingvertrag gegen die Klagepartei noch bestehen, vermag der Senat bei dieser Sachlage nicht zu erkennen.
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Die Berufung der Klagepartei erscheint daher als aussichtslos und wird nach vorläufiger Würdigung ohne Erfolg bleiben müssen.
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1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Se nat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
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Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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2. Abschließend und pflichtgemäß weist der Senat auf die im Falle einer Berufungsrück nahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV GKG Nr. 1220, 1222) hin.
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3. Der Senat beabsichtigt derzeit, entsprechend dem Antrag der Klagepartei ind er Berufungsinstanz (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG) den Streitwert des Berufungsverfahrens auf EURfestzusetzen.