Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.11.2020 – 20 NE 20.2469
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren wegen Kontaktbeschränkungen und Schließung der Gastronomie und Hotellerie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
8. BayIfSMV § 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 2
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Kontaktbeschränkung nach § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV genügt voraussichtlich den rechtsstaatlichen Anforderungen der Bestimmtheit. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen der Antragstellerin, sich mit Personen aus mehr als zwei Hausständen gemeinsam zu treffen und Betriebe der Gastronomie und des Hotelgewerbes aufzusuchen (Art. 2 Abs. 1 GG), überwiegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren, Kontaktbeschränkungen, Schließung der Gastronomie und Hotellerie, Folgenabwägung, Corona, Pandemie, einstweiliger Rechtsschutz, Normenkontrollverfahren, Schließung, Gastronomie, Hotel, Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 32234

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin lebt in Bayern und wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31. Oktober 2020 gegen §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 Abs. 1 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung vom 30. Oktober 2020 (BayMBl. 2020 Nr.616) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 12. November 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 639) - im Folgenden: 8. BayIfSMV. Sie macht geltend, sie sei im Hinblick auf die Kontaktbeschränkungen im besonderen Maß betroffen, weil ihre Kernfamilie (geschiedene Eltern und Bruder) jeweils in verschiedenen Haushalten wohnten, so dass ein Treffen bereits über die erlaubte Grenze hinausgehen würde.
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Die angegriffenen Regelungen könnten nicht (mehr) auf §§ 32, 28 IfSG gestützt werden. Nach der Wesentlichkeitstheorie bedürften jedenfalls gravierende Grundrechtseinschränkungen - wie die Schließung von Betrieben und Kontaktbeschränkungen - einer gesonderten gesetzlichen Grundlage. Der Verordnungsgeber sei seiner Evaluierungspflicht nicht in hinreichendem Maß nachgekommen. Obwohl man bereits seit geraumer Zeit in „Phase 2“ der Pandemie eingetreten sei, lägen noch immer praktisch keine weitergehenden Erkenntnisse zur Wirksamkeit einzelner Maßnahmen vor. Die Kopplung von Maßnahmen an einen Inzidenzwert - das Strategiepapier der Telefonkonferenz vom 28. Oktober 2020 stelle maßgeblich auf einen anzustrebenden Wert von unter 50 ab - sei kein taugliches Kriterium für die Erforderlichkeit von Maßnahmen. Die Kopplung an bloße Infektionszahlen sei auch deshalb untauglich, weil damit keinerlei Aussage über den Grad der tatsächlichen Gefährdung der Volksgesundheit abgeleitet werden könne, weil dies nichts für die Frage der Anzahl der schweren Verläufe oder der Mortalität hergebe. Der Aspekt eines verstärkten eigenverantwortlichen Schutzes von Risikopersonen sei nicht ausreichend einbezogen worden.
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Die Kontaktbeschränkung nach § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV genüge nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Wort „mit“ sei mehrdeutig. Unklar sei, ob Personen untereinander einen gewissen Abstand unterschreiten oder sich für eine gewisse Dauer (und wenn ja wie lange) oder für ein gemeinsames Ziel verbunden haben müssten. Im öffentlichen Raum verliere diese Definition vollends an Kontur (z.B. Sprechen mit Zufallsbekanntschaften). Des Weiteren sei die Regelung unschlüssig, weil nach ihr unter Angehörigen (allein) eines Hausstands die Personenzahl von 10 überschritten werden könne. Es werde nicht ausreichend differenziert zwischen dem Aufenthalt im öffentlichen und privaten Bereich sowie in geschlossenen Räumen und im Freien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Regelung ausnahmslos erforderlich wäre. Ausnahmen wären insbesondere bei Kindern angebracht, weil sie weniger infektiös seien. Das Betriebsverbot von Hotels und der Gastronomie sei unverhältnismäßig, weil Hygienemaßnahmen mit demselben Erfolg als milderes Mittel getroffen werden könnten, wie zum Beispiel die Vorlage eines negativen Testergebnisses vor Aufnahme in einen Beherbergungsbetrieb oder das Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass in diesen Betrieben eine erhöhte Infektionsgefahr bestehe.
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Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz oder den Parlamentsvorbehalt liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe die Ermächtigungsgrundlage in § 28 IfSG im gesamten, mittlerweile acht Monate umfassenden Verlauf der Pandemie nur einmal verändert und deren weiten Anwendungsbereich nicht beschränkt. Damit habe er klargestellt, dass er die entsprechenden Maßnahmen auf jeden Fall als von der Ermächtigungsgrundlage umfasst verstanden wissen wolle. Im Übrigen bestehe für den Antragsgegner das Problem, dass er schlechterdings nicht abwarten könne, bis sich der Bundestag zum Handeln entschließe. Ziel der Maßnahmen der 8. BayIfSMV sei es, die von den zuständigen Gesundheitsbehörden ermittelte exponentielle Steigerung der Infektionszahlen so zu verringern, dass die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aufrecht erhalten bleibe. Das Infektionsgeschehen habe sich aktuell wieder Besorgnis erregend verschärft. Die deutliche Zuspitzung der Infektionslage lasse sich nunmehr auch an der massiv gestiegenen Anzahl der belegten Intensivbetten ablesen. Eine zeitlich befristete, merkliche Einschränkung der Kontakte sei nach den Erfahrungen aus der ersten Welle der Pandemie geeignet, die bei weiter steigenden Infektionszahlen bestehende konkrete Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen. Um ein noch weiterreichendes Herunterfahren des öffentlichen Lebens vermeiden zu können, seien die Maßnahmen im Wesentlichen auf Einschränkungen der privaten Freizeitgestaltung begrenzt worden. Bei der Festlegung, welche Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche geschlossen werden oder geöffnet bleiben, stehe dem Normgeber ein Einschätzungsspielraum zu, den der Antragsgegner nicht überschritten habe.
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Soweit die Antragstellerin sich gegen §§ 13 Abs. 1 Satz 2 und 14 8. BayIfSMV wende, sei der Antrag bereits unzulässig. Mit der Aussage, zu touristischen Zwecken verreisen zu wollen, sei ein „schwerwiegender“ Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO schon nicht dargelegt. Außerdem habe die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass Gaststätten und Hotels geöffnet seien. Bedenken an der Bestimmtheit des § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV bestünden nicht.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
8
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags in der Hauptsache gegen §§ 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Satz 2 8. BayIfSMV sind unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei der nur möglichen summarischen Prüfung als offen anzusehen (2.). Eine Folgenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (3.).
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die in der Hauptsache angegriffenen Normen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthalten oder begründen, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.
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Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
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2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 14) offen sind.
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a) Der Senat hat bereits zur 7. BayIfSMV erhebliche Zweifel geäußert, ob erhebliche Grundrechtseingriffe noch mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts bzw. des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar sind und diese Bedenken zu den mit der 8. BayIfSMV erneut verfügten Betriebsschließungen für die hier verfahrensgegenständlichen Bereiche der Gastronomie und Hotelbetriebe wiederholt (BayVGH, B.v. 5.11.2020 - 20 NE 20.2468 - BeckRS 2020, 29302). Dabei hat er darauf abgestellt, dass mit zunehmender Dauer der Maßnahmen und Intensität der mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffe die Frage an Gewicht gewinnt, ob die Verordnungsermächtigung zugunsten der Ländern in den §§ 28, 32 IfSG noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG genügt. Im Hinblick auf künftige Verordnungen hat er es als fraglich bewertet, ob die bundesweit gegebene infektionsrechtliche Gefährdungslage weiterhin allein auf der Grundlage landesrechtlicher Verordnungen ohne vorheriges Tätigwerden des hierzu berufenen Bundesgesetzgebers behandelt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2020 - 20 NE 20.2360 - Rn. 28 ff., abrufbar unter https://www.vgh. bayern.de/media/bayvgh/presse/20a02360b.pdf; vgl. auch bereits B.v. 27.4.2020 - 20 NE 20.793 - GewArch 2020, 234 - juris Rn. 45).
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Die endgültige Klärung dieser Frage bedarf aber einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, so dass der Senat von offenen Erfolgsaussichten ausgeht.
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b) Die speziell gegen die § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV gerichteten Einwendungen der Antragstellerin greifen bei summarischer Prüfung nicht durch.
15
Die Kontaktbeschränkung nach § 3 Abs. 1 8. BayIfSMV genügt voraussichtlich den rechtsstaatlichen Anforderungen der Bestimmtheit (vgl. zu § 2 Abs. 1 4. BayIfSMV auch bereits BayVGH, B.v. 26.5.2020 - 20 NE 20.1065 - juris Rn. 28 ff.). Hiernach müssen die Bürger in zumutbarer Weise selbst feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen; die Gerichte müssen in der Lage sein, die normative Entscheidung zu konkretisieren (BayVerfGH, E.v. 29.4.1983 - Vf. 16-VII-80 - VerfGHE 36, 56/68). Sieht eine Rechtsverordnung - wie hier § 27 Nr. 1 8. BayIfSMV - die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, muss die Bußgeldvorschrift hinreichend bestimmt sein (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG). Der grammatikalischen Auslegung bzw. Wortlautgrenze kommt in einem solchen Fall herausgehobene Bedeutung zu (vgl. BVerwG, U.v. 29.2.2012 - 9 C 8.11 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 8 ZB 19.2200 - juris Rn. 14).
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Die Beschränkung des gemeinsamen Aufenthalts „mit“ den Angehörigen des eigenen Hausstands sowie zusätzlich den Angehörigen eines weiteren Hausstands, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt höchstens zehn Personen nicht überschritten wird, ist nach vorläufiger Einschätzung des Senats noch hinreichend bestimmt. Die Regelung zielt erkennbar darauf ab, „Ansammlungen“ (vgl. auch § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG) wegen des von dort ausgehenden hohen Infektionsrisikos weitgehend zu vermeiden (vgl. auch OVG NW, B.v.19.5.2020 - 13 B 557/20.NE - juris Rn. 53 ff.; NdsOVG, B.v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 - juris Rn. 34 ff.; BT-Drs. 19/18111, S. 10 und 24). Ausgehend davon wird deutlich, dass für einen „gemeinsamen“ Aufenthalt jedenfalls nicht jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Personen genügt (vgl. auch Kießling, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 28 Rn. 38). Aus dem Verordnungstext lässt sich - trotz eines gewissen Auslegungsspielraums - jedenfalls hinreichend ableiten, welche Verhaltensweisen nicht gestattet sind.
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Auch der von der Antragstellerin infrage gestellte Geltungsbereich der Personenobergrenze in § 3 Abs. 1 Nr. 2 8. BayIfSMV (vgl. dazu auch Bericht aus der Kabinettsitzung vom 29.10.2020, S. 3, https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2020/10/201029-ministerrat.pdf; Beschluss der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28.10.2020, Nr. 3, https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/videokonferenz-der-bundeskanz-lerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-am-28-oktober-2020-1805248) erweist sich bei summarischer Prüfung nicht als unschlüssig. Dass die Kontaktbeschränkung zusätzlicher Ausnahmen bedürfte, ist im Hinblick auf die Zielsetzung des Verordnungsgebers, das Pandemiegeschehen in der Bevölkerung insgesamt zu verlangsamen und die Kontrolle über die Infektionswege wieder zu erlangen, ebenfalls nicht erkennbar; dies gilt auch für das Vorbringen der Antragstellerin, dass ein Zusammenkommen der gesamten Kernfamilie der Antragstellerin nicht möglich sei; der Antragstellerin bleibt es trotz der Kontaktbeschränkungen unbenommen, ihre Familienmitglieder zu treffen.
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c) Die bundesweite Schließung von Hotel- und Gastronomieeinrichtungen war bereits Gegenstand einer Entscheidung des Senats, auf welche verwiesen wird (BayVGH, B.v. 5.11.2020 - 20 ME 20.2468 - BeckRS 2020, 29302).
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3. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen der Antragstellerin, sich mit Personen aus mehr als zwei Hausständen gemeinsam zu treffen und Betriebe der Gastronomie und des Hotelgewerbes aufzusuchen (Art. 2 Abs. 1 GG), überwiegen.
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Das pandemische Geschehen hat sich erheblich verstärkt. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 15. November 2020 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-15-de.pdf? blob=publicationFile) ist eine weitere Zunahme der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Der Anteil der COVID-19-Fälle in der älteren Bevölkerung nimmt weiter zu. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle ist seit Mitte Oktober von 655 auf 3385 am 15. November 2020 angestiegen.
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In dieser Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen - im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten - schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Handlungsfreiheit der Antragstellerin. Gegenüber den somit bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der von den Kontaktbeschränkungen und Schließung von Gastronomie und Hotels Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 - juris Rn. 25; BayVerfGH, E.v. 12.8.2020 - Vf.-34-VII-20 - juris Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.11.2020 - 20 NE 20.2468 - BeckRS 2020, 29302; BVerfG, B.v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20-, abrufbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/20 20/11/rk20...20.html).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 30. November 2020 außer Kraft tritt (§ 28 Satz 1 8. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.