Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 30.09.2020 – AN 1 K 20.00134
Titel:

Anerkennung als Dienstunfall, hier: Ursachenzusammenhang verneint

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 83 S. 1, § 113 Abs. 1, Abs. 5, § 124a Abs. 1, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1
BeamtVG § 31
Leitsätze:
1. Für die beamtenrechtliche Dienstunfallfürsorge ist zwischen Ereignis und eingetretenem Schaden ein Ursachenzusammenhang in dem Rechtssinn erforderlich, dass das Ereignis nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben muss; Gelegenheitsursachen‚ dh Ursachen‚ bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht - quasi in der Form, dass das Ereignis gleichsam „der letzte Tropfen“ war, „der das Maß zum Überlaufen brachte - reichen nicht aus. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Dienstunfallfürsorge zielt darauf ab, dass der Dienstherr nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden soll; die sich aus anderen als dienstlichen Gründen ergebenden Risiken, insbesondere die sich aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen  ergebenden Risiken, sollen beim Beamten verbleiben(stRspr BVerwG BeckRS 2002, 22528). (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Dienstunfallrecht gelten grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze, dh für das Vorliegen eines Dienstunfalls sowie die dadurch verursachten Körperschäden trägt der Beamte die volle Beweilast; lässt sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, geht dies zulasten des Beamten (stRspr BVerwG BeckRS 1997, 31225793). (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei den vorliegend streitgegenständlichen Vorfällen ist ein ausreichender Ursachenzusammenhang auch nicht im Sinn einer wesentlich mitwirkenden Teilursache gegeben; vielmehr ist davon auszugehen, dass die geltend gemachten Körperschäden auf ein davon unabhängiges, eigenständiges Krankheitsbild (Vorschäden im Bereich der Halswirbelsäule, degenerativ bedingte Bandscheibenbeschwerden) zurückzuführen sind. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anerkennung eines Dienstunfalls (verneint), Erfordernis eines weiteren Sachverständigengutachtens (verneint), Transport von Gefangenen, Justizvollzugsanstalt, Zerrung, Prellung, Bandscheibenvorfall, Dienstunfall, Sachverständigengutachten, Kopfbeweglichkeit, Schleuderbewegung, Vorschäden, Ursachenzusammenhang
Fundstelle:
BeckRS 2020, 32212

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 14. April 2018 als Dienstunfall.
2
Der …1967 geborene Kläger steht im Dienst des Beklagten. Er ist als Hauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8) im Justizvollzugdienst in der Justizvollzugsanstalt … tätig.
3
Der Kläger ließ über seinen Dienstvorgesetzten einen Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles anlässlich eines Ereignisses vom 13. April 2018 stellen.
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Gemäß einer schriftlichen Anlage hierzu habe der Kläger mit einem Kollegen einen Gefangenen bei einem Transport in das Klinikum … begleitet. Auf dem Transport habe sich der erkrankte Gefangene (HIVpositiv und Hepatitis C positiv) übergeben, wobei der Kläger mit dem Erbrochenen in Berührung gekommen sei. Als Blut bei dem Gefangenen abgenommen werden sollte, sei dieser vollkommen durchgedreht und habe versucht sich durch Treten, Schlagen, Beißen und Spucken der Untersuchung zu widersetzen. Erst durch die Anwendung von unmittelbarem Zwang und anschließender Fixierung habe eine Blutentnahme durchgeführt werden können.
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Bei dieser Aktion habe der Kläger folgende Verletzungen davongetragen:
- Prellung/Zerrung kleiner Finger linke Hand,
- Prellung/Zerrung Daumen rechte Hand,
- Prellung/Zerrung Schulter rechts und
- ca. 2 cm Schürfwunde Daumenwurzel linke Hand, aufgenommen durch Orthopäde Dr. …, Frakturausschluss durch Radiologe Dr. …
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Am Sonntag (16. April 2018) habe sich der Kläger zudem durch die Krankenabteilung der JVA … Blut abnehmen lassen. Die nach „Regeluntersuchungsprogramm nach Stich und Schnittverletzungen (II)“ erfolgten Bluttests seien bisher alle negativ gewesen.
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Zudem ließ der Kläger über seinen Dienstvorgesetzten einen weiteren Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalles anlässlich eines Ereignisses vom 14. April 2018 stellen.
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Der Kläger gab diesbezüglich an, dass man zwei Gefangene aufgrund aggressiven Verhaltens in besonders gesicherte Hafträume habe verlegen müssen. Ein Gefangener habe sich der Anordnung widersetzt, sodass unmittelbarer Zwang zur Durchführung dieser Maßnahme habe angewendet werden müssen. Der Kläger habe am rechten Arm des Gefangenen eine Abführtechnik in Form eines Armbeugehebels mit Kreuzfesselgriff angewendet. Ein weiterer Kollege habe den linken Arm gesichert. Beim nicht ganz widerstandslosem Abtransport des Gefangenen durch die enge Haftraumtür sei der Kläger heftig mit der rechten Schulter gegen den Türrahmen gestoßen. Dabei sei sein Kopf durch eine abrupte Drehbewegung plötzlich massiv von links bis weit über die rechte Schulter geschleudert worden. Seit dieser Zeit leide er unter folgenden Beschwerden:
9
Eingeschränkte massiv schmerzhafte Kopfbeweglichkeit,
Nervendehnungsschmerz, Schwindelgefühl mit geringen Gleichgewichtsstörungen, Schmerzen zwischen den Schulterblättern und oberen Rückenbereich, schmerzhaftes Ziehen vom Kopf bis in die linke Schulter und Taubheitsgefühl im linken Arm bis hin zu den Fingerspitzen.
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Eine Vorschädigung der Bandscheibe im HWS-Bereich sei bisher nicht bekannt.
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Der Kläger hat anlässlich der beiden Vorkommnisse mehrere Arztbriefe zur Behördenakte gegeben. Die Behördenakte zu dem Vorfall am 13. April 2018 umfasst folgende Unterlagen (2. Dienstunfallakte):
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Mit Fax vom 18. April 2018 schloss Herr Dr. … (Facharzt für diagn. Radiologie), … …, … … eine knöcherne Fraktur durch eine Röntgenuntersuchung aus. Festgestellt wurden eine Osteochondrose zwischen C5/6 mit Randosteophyten sowie Ligamentum nuchae-Verkalkungen.
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Mit weiterem Schreiben vom 9. Mai 2018 stellte Herr Dr. … fest:
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Man sieht eine linksbetonte aktivierte Osteochondrose in Höhe C5/6 mit deutlicher intraforaminaler Diskusprotrusion links mit Bedrängung der Nervenwurzel. Rechts nur geringe Diskusprotrusion. Ansonsten ist der Bandscheibenstatus altersentsprechend unauffällig. Keine spinale Stenose, keine Myelopathie.
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Zusammenfassend stellte Herr Dr. … (Neurologie und Psychiatrie), …, … …, in einem Schreiben vom 6. Juli 2018 fest, dass es sich um ein Wurzelreizsyndrom C 6 links handle. Sensible oder motorische Ausfälle seien klinisch nicht feststellbar gewesen. Es bestünde leichte Reflexabschwächung als Hinweis auf einen leichtgradigen Leitungsblock. Ein Anhalt für eine akute oder chronische Wurzelschädigung habe sich elektromyografisch nicht gefunden. Der neurologische Befund spreche für eine Fortführung der konservativen Therapie.
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Weiterhin liege seit einer Woche ein Wurzelreizsyndrom L5 beidseits vor. Auch hier seien keine sensomotorischen Ausfälle feststellbar. Eine chronische Lumbalgie vorbestehend werde angegeben. Es sei am ehesten von einer medialen Bandscheibenprotrusion LWK 5/Sacrum auszugehen.
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Gemäß zweier Schreiben des … Praxisklinik Dr. …, …, … … vom 20. November 2018 sei bei dem Kläger eine Operation durchgeführt worden (Minimal invasive perkutane selektive Thermokoagulation der Facettengelenke L2/L3 bis L5/S1 beidseits sowie des linken ISG).
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Gemäß weiterem Befundbericht vom 13. Dezember 2018 finden sich bei dem Kläger eine chronisch rezidivierende Zervikocephalgie, verursacht durch die osteochondrotische Degeneration C5/C6 und dem neu aufgetretenen Bandscheibenvorfall C4/C5. Zur kausalen Therapie sei die ventrale Diskektomie beider Höhen mit Peek-Cage und Titanplattenosteosynthese vorgesehen. Der Kläger sei über die operativen Möglichkeiten informiert worden und wolle sie bedenken.
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Darüber hinaus umfasst die Behördenakte bezüglich des Ereignisses vom 14. April 2018 folgende weitere medizinische Unterlagen (3. Dienstunfallakte):
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Nach einem Schreiben des … Dr. … und Kollegen, …, … … vom 18. Januar 2017 wurde folgende Beurteilung bezüglich des Klägers abgegeben:
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Steilhaltung der HWS, mäßige rechtskonvexe Skoliose der HWS sowie, soweit bildlich miterfasst, deutliche linkskonvexe Ausprägung der kranialen BWS. Neu aufgetretene mediale Diskusprotrusion HWK 4/5 mit Pelottierung des Myelons und spinaler Enge. Weitgehend unveränderte Osteochondrose HWK 5/6 mit linksbetonten Aktivierungszeichen und bilateral betonter Retrospondylose unter Mitnahme der Bandscheibe, resultierend in einer spinalen Enge. Höhergradige Neuroforamenstenose C6 beidseits, zumindest mäßiggradig C5 beidseits und geringgradig C4 links. Keine Myelopathie.
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Herr … (Facharzt für Orthopädie), …, … … stellte in einem Schreiben vom 31. Juli 2018 folgende Diagnosen:
- Handprellung beidseits,
- HWS-Distorsion und
- Schulterprellung rechts.
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Im Bereich der Halswirbelsäule bestünden degenerative Vorveränderungen. Eine unfallbedingte Schädigung mit Dauerfolgen habe nicht verifiziert werden können.
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Das … Radiologie und Diagnosticum …, …, … … stellte in einem Schreiben vom 29. November 2018 zusammenfassend fest:
- Polysegmentale Osteochondrosen, p. m. HWK5/6. Hier beginnende kombinierte spinale Enge rechts foraminal und recessal betont bei BSV, Facetten- und Uncarthrose.
- Keine Myelopathie.
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Auf Nachfrage durch den Beklagten teilte Herr … mit, dass der Kläger sich am 18. April 2018 in der Praxis vorgestellt habe und über Schmerzen im Bereich beider Hände, der HWS sowie der rechten Schulter geklagt habe. Der Kläger habe am 13. und 14. April Schutzkleidung getragen, eine genaue Differenzierung, welcher Schaden durch welches Schadensereignis hervorgerufen worden sei, sei dem Patienten zum damaligen Zeitpunkt leider nicht möglich gewesen.
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Mit Schreiben vom 4. Januar 2019 forderte der Beklagte Herrn Dr. … (Arzt für Orthopädie- und Unfallchirurgie - Rheumatologie, Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation), …, … … bezüglich der Vorkommnisse vom 13. und 14. April 2018 auf, zu nachfolgenden Fragen gutachterliche Stellung zu nehmen:
„1. Welche Körperschäden und Erkrankungen lagen jeweils an beiden Unfalltagen (13.04.2018 und 14.04.2018) vor, welche entwickelten sich im Laufe der Zeit und welche wurden am Untersuchungstag festgestellt (bitte auf jedes Ereignis gesondert eingehen)?
2. Welche der von Ihnen zu Ziffer 1 zu nennenden Körperschäden wurden im Sinne der Entstehung (bitte soweit möglich zwischen beiden Unfällen differenzieren!)
a) allein oder wesentlich durch den jeweiligen Unfall verursacht oder
b) annähernd gleichwertig durch den jeweiligen Unfall und unfallunabhängige Faktoren (Vorschädigung, degenerative, anlagebedingte Veränderungen, Krankheitsdispositionen u.a.) verursacht oder
c) allein oder wesentlich durch unfallunabhängige Faktoren (Vorschädigung, degenerative, anlagebedingte Veränderungen, Krankheitsdispositionen u.a.) verursacht?
3. Welche der von Ihnen zu Ziffer 1 zu nennenden Körperschäden sind nicht wesentlich durch den jeweiligen Unfall verursacht, da sie bereits vor dem Unfall (evtl. latent) bestanden, wurden jedoch allein oder wesentlich durch den Unfall verschlimmert, ggf. in welcher Weise (vorübergehend - Dauer der Verschlimmerung ist anzugeben, dauernd und zwar sachlich abgrenzbar oder richtungsgebend)?
4. Besteht aufgrund der unter Ziffer 2 a), 2 b) und 3) festgestellten Unfallfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (nicht bei der konkreten beruflichen Tätigkeit) und wie hoch ist sie ab dem jeweiligen Unfalltag (ggf. gestaffelt)?
5. Steht die am 14.11.2018 von Dr. … durchgeführte OP-Maßnahme an der Wirbelsäule (vgl. ABI. 22 - 23) in kausalem Zusammenhang mit den beiden Ereignissen vom 13.04.2018 und 14.04.2018?
6. Sind wegen der ggf. anzuerkennenden Unfallfolgen weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich und ggf. welche? Für welchen Zeitraum? Sollten aufgrund der ggf. anzuerkennenden Unfallfolgen keine weiteren Behandlungsmaßnahmen mehr erforderlich sein, bitte ich soweit möglich anzugeben, bis zu welchem Zeitraum die jeweiligen Unfallfolgen ausgeheilt waren.
7. Wann ist ggf. eine Nachuntersuchung angezeigt?“
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In einem fachorthopädischen Gutachten vom 3. Februar 2019 nahm Herr Dr. … zu den aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung:
„1. Am 13.04.2018 lagen folgende Körperschäden bzw. Erkrankungen vor:
- Prellung/Zerrung fünfter Finger Hand links
- Prellung/Zerrung erster Finger Hand rechts
- Schürfwunde Daumenwurzel links
- Prellung/Zerrung Schulter rechts
- Degenerative untere Halswirbelsäulenveränderungen mit phasenweise auftretenden Cervikobrachialgien beidseits bei Osteochondrose C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen C 5/6 und C 4/5.
Unter dem 14.04.2018 fanden sich folgende Körperschäden und Erkrankungen:
- Degenerative Veränderungen des unteren Halswirbelsäulenabschnittes mit phasenweise auftretender Cervikobrachialgie beidseits bei Osteochondrose C 5/6 und Bandscheibenprotrusionen C 5/6 und C 4/5.
Im Laufe der Zeit konnte im Rahmen einer kernspintomographischen Untersuchung am 09.05.2018 der Nachweis einer aktivierten Osteochondrose der Etage C 5/6 geführt werden, wobei diese aktivierte Osteochondrose bereits mit kernspintomographischer Untersuchung vom 18.01.2018 vorlag.
Retrospektiv kann gutachterlich nicht mehr suffizient bewertet werden, ob diese aktivierte Osteochondrose der Etage C 5/6 im gesamten Zeitraum bestanden hat bzw. zwischenzeitlich abgeklungen war und erneut aufgetreten ist.
Am Untersuchungstag (11.01.2019) lagen folgende Köperschäden bzw. Erkrankungen vor:
- Cervikobrachialgie beidseits bei degenerativem unteren HWS-Syndrom im Rahmen einer polysegmentalen Osteochondrose, Punktum maximum C 5/6 mit beginnender spinaler Enge
- Medianer Bandscheibenvorfall mit initialen Myelonkontakt Etage C 4/5
- Rezidivierende Lumbalgie/Lumboischialgie
- Rezidivierendes pseudoradikuläres Schmerzsyndrom LWS
- Degeneratives LWS-Syndrom
- ISG-Arthrose beidseits
- Zustand nach perkutaner Thermokoagulation Facetten L 2/3 bis L 5/S. 1 beidseits und ISG links 11/18
- Impingementsyndrom Schulter rechts.
2a) Allein bzw. wesentlich durch den Unfall vom 13.04.2018 verursacht wurde eine Prellung/Zerrung Finger 5 Hand links, Finger 1 Hand rechts sowie der rechten Schulter, darüber der Schürfwunde im Bereich der linken Daumenwurzel.
2b) Entfällt.
2c) Allein bzw. wesentlich durch unfallunabhängige Faktoren verursacht wurde die wechselweise auftretende Cervikobrachialgie beidseits bei degenerativem unteren Halswirbelsäulensyndrom im Sinne einer polysegmentalen Osteochondrose sowie der mediane Bandscheibenvorfall C 4/5, darüber hinaus die rezidivierend auftretenden Lumbalgien bzw. Lumboischialgien, das rezidivierend auftretende pseudoradikuläre Schmerzsyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule, das degenerative LWS-Syndroms, die ISG-Arthrose beidseits sowie das Impingementsyndrom der rechten Schulter.
3. Aufgrund der Befunddokumentation kann nicht begründet davon ausgegangen werden, dass allein oder wesentlich durch den Unfall eine Verschlimmerung des bereits vor dem Unfall bestehenden degenerativen HWS-Syndroms erfolgte. Es wurde bereits ausgeführt, dass aufgrund der Befundlage nicht einmal begründet davon ausgegangen werden kann, dass durch das Ereignis vom 14.04.2018 eine Distorsionsverletzung der Halswirbelsäule stattgefunden hat.
Darüber kann insbesondere nicht begründet davon ausgegangen werden, dass durch das Dienstunfallereignis eine strukturelle Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule erfolgte.
4. Aufgrund der unter Ziffer 2a festgestellten Unfallfolgen besteht keine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
5. Die am 14.11.2018 von Dr. … durchgeführte Operationsmaßname an der Wirbelsäule (Ablichtung 22 bis 23) steht in keinem kausalen Zusammenhang mit den beiden Ereignissen vom 13.04. und 14.04.2018.
Zur Begründung ist auszuführen, dass im Rahmen der Behandlung am 14.11.2018 ausschließlich degenerative Veränderungen des Lendenwirbelsäulenabschnittes bzw. des Beckens behandelt wurden, wobei eine LWS- bzw. Beckenverletzung nach den Ereignissen vom 13.04 bzw. 14.04.2018 zu keiner Zeit dokumentiert sind.
6. Es sind keine weiteren Unfallfolgen gutachterlich festzustellen, so dass auch keine weiteren unfallbedingten Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind.
7. Eine Nachuntersuchung ist nicht angezeigt.“
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Mit Bescheid vom 25. Februar 2019 (* …*) wurde der Unfall vom 13. April 2018 als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG anerkannt (Ziffer 1).
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In Ziffer 2 des Bescheides wurden als Dienstunfallfolgen festgestellt:
- Prellung/Zerrung fünfter Finger Hand links,
- Prellung/Zerrung erster Finger Hand rechts,
- Schürfwunde Daumenwurzel links und
- Prellung/Zerrung Schulter rechts.
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Ferner wurde in Ziffer 3 des Bescheides festgestellt, dass durch das Unfallereignis vom 13. April 2018 neben den o. g. Unfallfolgen keine weiteren Körperschäden wesentlich kausal verursacht worden seien. Das weitere mitgeteilte und derzeit noch bestehende Impingementsyndrom Schulter rechts sei nicht wesentlich kausal auf das Schadensereignis vom 13. April 2018 zurückzuführen, sondern sei durch unfallunabhängige Faktoren verursacht.
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Gemäß Ziffer 4 des Bescheides wurde weiterhin festgestellt, dass der unfallbedingte Heilbehandlungszeitraum spätestens mit Ablauf des 11. Januar 2019 (=Tag der gutachterlichen Untersuchung) geendet habe. Darüber hinaus gehende Beschwerden und Einschränkungen seien nicht mehr wesentlich auf das Schadensereignis vom 13. April 2018 zurückzuführen. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen würden nach diesem Zeitraum nicht mehr gewährt.
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Gemäß der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:konnte entweder Widerspruch bei dem Beklagten oder unmittelbar Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben werden.
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Mit weiteren Bescheid vom 25. Februar 2019 (* …*) wurde das Ereignis vom 14. April 2018 nicht als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG anerkannt. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen könnten nicht gewährt werden.
34
Gemäß der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:konnte auch gegen diesen Bescheid entweder Widerspruch bei dem Beklagten oder unmittelbar Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben werden.
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Der Kläger ließ mit einem Schreiben seiner anwaltlichen Bevollmächtigten vom 19. März 2019, am 20. März 2019 mittels besonderen elektronischen Anwaltspostfach bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen, Klage erheben und beantragen,
1. Der Bescheid des Landesamtes …, Dienststelle …, Bezügestelle Dienstunfall vom 25. Februar 2019 wird aufgehoben und das Ereignis vom 14. April 2018 wird als Dienstunfall im Sinn des Art. 46 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) anerkannt.
Es werden für die Folgen des Ereignisses beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen an den Kläger gewährt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nach dem Vorkommnis am 14. April 2016 zunächst keine Beschwerden in Bezug auf die Halswirbelsäule bzw. Nackenregion gehabt habe.
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Nach dem 15. April 2018 habe dann langsam schleichend eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule, insbesondere beim Vorneigen, begonnen. Darüber hinaus habe sich ein Einschlafgefühl im Bereich der Finger 2, 3 und 4 der linken Hand eingestellt. Auch das Kopf-nach-hinten-nehmen habe Beschwerden verursacht.
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Am 18. April 2018 habe der Kläger wegen dieser Beschwerden den Orthopäden … konsultiert und ihm seine Beschwerden im Hinblick auf die Halswirbelsäule mitgeteilt. Zu einer radiologischen Abklärung sei der Kläger an die Praxis Dr. … verwiesen worden, wo eine Röntgenuntersuchung des rechten Daumens, des linken kleinen Fingers, der rechten Schulter sowie der Halswirbelsäule durchgeführt worden sei. Der Radiologe habe dem Kläger mitgeteilt, dass nichts gebrochen sei. Herr … habe den Kläger krankgeschrieben und ihm Physiotherapie verordnet. Eine relevante Besserung der Beschwerden im Nackenbereich sei nicht eingetreten. Daher sei am 9. Mai 2018 eine Kernspintomografie erfolgt. Da die Behandlung bei Herrn … nicht zu einer Schmerzfreiheit geführt habe, habe sich der Kläger zu einer Behandlung bei Herrn Dr. … (* …*) begeben. Ein neuer Befund habe sich nicht ergeben, jedoch habe Herr Dr. … zu einer Versteifung im Bereich der Halswirbelsäule geraten.
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Seit dem 18. April 2018 sei der Kläger dienstunfähig erkrankt. Er leide seither unter schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule beim Drehen nach beiden Seiten sowie bei Inklination und Reklination. Die früher bestehenden Beschwerden mit Ausstrahlung in die linke Schulter hätten sich weitgehend zurückgebildet. Es bestünden jedoch nach wie vor Sensibilitätsstörungen in den Fingern 2, 3 und 4 der linken Hand. Ein Brennen zwischen den Schulterblättern habe sich zwar nahezu vollständig zurückgebildet, es sei jedoch noch vorhanden. Zudem betreibe der Kläger zwei- bis dreimal wöchentlich eine Physiotherapie.
40
Die abgelehnte Anerkennung des Ereignisses vom 14. April 2018 als Dienstunfall sei juristisch nicht haltbar. Das Gutachten von Herrn Dr. … weise Mängel auf. Der Beklagte habe die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 1.3.2007 - 2 A 9/ 04) verkannt. Der Beklagte habe nicht gesehen, dass der Kläger zwar vorgeschädigt gewesen sei, die Vorschädigungen jedoch zu keinerlei Beeinträchtigungen hinsichtlich seiner körperlichen Leistungsfähigkeit geführt hätten. Bis zu dem schädigenden Unfallereignis vom 14. April 2018 habe der Kläger ordnungsgemäß seinen Dienst leisten können. Erst danach sei er krankgeschrieben worden und leide fortan unter den oben beschriebenen Folgen.
41
Bereits hieraus sei zu ersehen, dass das Ereignis vom 14. April 2018 als Ursache für die Beeinträchtigung des Klägers anzusetzen sei. Damit liege in dem Vorfall ein äußeres Ereignis vor, dass ein anlagebedingtes Leiden des Klägers ausgelöst und beschleunigt habe. Dem Ereignis komme auch nicht eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zu.
42
Es handle sich nämlich um eine aus dem Dienst des Klägers resultierende und aufgrund seines Einsatzes erforderliche Tätigkeit, die durch einen dienstlichen Anlass (Widerstandshandlung eines Gefangenen) ausgelöst und gefördert worden sei. Hätte der Kläger nicht beherzt eingegriffen, wäre der Widerstand des Gefangenen nicht gebrochen worden. Dass der Kläger bei der Widerstandshandlung zufällig mit der rechten Schulter gegen den Türrahmen geprallt sei, wodurch sein Kopf einer Schleuderbewegung ausgesetzt gewesen sei, sei selbstverständlich dem Dienst und der Gefahrenabwehr zuzurechnen und könne nicht vom dienstlichen Anlass losgelöst betrachtet werden.
43
Zudem befasse sich das Gutachten nicht mit der wesentlichen Frage, warum die degenerativen Veränderungen bislang offenbar zu keiner Beeinträchtigung des Klägers geführt hätten, aber seit dem Vorfall der Kläger erheblich leide. Dies lasse der Gutachter offen.
44
Der Sachverständige schließe seine Ausführungen mit der Behauptung, dass aufgrund der Befunddokumentation nicht begründet davon ausgegangen werden könne, dass allein oder wesentlich durch den Unfall eine Verschlimmerung des degenerativen HWS-Syndroms erfolgt sei. Damit greife das Gutachten jedoch zu kurz. Es wäre Aufgabe des Sachverständigen gewesen zu klären, inwiefern das Unfallereignis zu einer Verschlimmerung beigetragen haben könne. Hierzu hätte der Sachverständige den genauen Verlauf des Unfalles in Verbindung zu den hierdurch beeinträchtigten Körperteilen des Klägers bringen müssen und abklären müssen, ob durch die äußeren Einwirkungen eine Verschlimmerung der klägerischen Leiden entstehen habe können.
45
Der Beklagte trat dem mit Schreiben vom 2. Mai 2019 entgegen und beantragte,
die Klage abzuweisen.
46
Für eine Anerkennung als Dienstunfall müsse das Unfallereignis mindestens wesentlich mitwirkende Teilursache der festgestellten Körperschäden sein, wobei die Kausalität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müsse, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Es würde sich bei den festgestellten Körperschäden vielmehr um solche einer dienstunfallfremden, im Wesentlichen degenerativen Ursache handeln. Dies würde sich durch das nachvollziehbar und überzeugend begründete Gutachten des Sachverständigen Dr. … ergeben. Der Sachverständige habe sich auch mit bildgebenden Befunden und Arztberichten auseinandergesetzt. Nachgewiesenermaßen würden an der Wirbelsäule des Klägers erhebliche Vorschäden vorliegen und es stünde noch nicht einmal fest, ob der Unfallmechanismus überhaupt geeignet gewesen sei, die behaupteten Schäden zu verursachen.
47
Die streitgegenständliche Entscheidung stünde auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, ein bloßer zeitlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und körperlicher Beschwerden würde für einen Nachweis des Ursachenzusammenhanges zwischen Ereignis und Körperschaden nicht genügen. Weiter sei nicht maßgeblich, ob der Kläger vorher beschwerdefrei gewesen sei, wobei der Kläger nachweislich seit mindestens 2012 an Beschwerden an der Wirbelsäule gelitten habe. Aufgrund der nachgewiesenen Vorschäden stünde der eingetretene Körperschaden nur in zufälliger Beziehung zum Dienst, weshalb das Unfallereignis lediglich eine rechtlich unbeachtliche Gelegenheitsursache sei.
48
Der Kläger habe zwar unstrittig nach dem Ereignis vom 14. April 2018 unter Beschwerden gelitten, es sei aber unzulässig alleine deshalb auf einen unfallbedingten Körperschaden zu schließen. Aufgrund der Vorschäden komme dem Ereignis vom 14. April 2018 keine maßgeblich ursächliche Wirkung zu.
49
Hierauf erwiderte die anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22. Mai 2019 und führte aus, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit im Rahmen seines Dienstes in der Justizvollzugsanstalt … spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit ausgesetzt gewesen sei, als er heftig mit der rechten Schulter gegen einen Türrahmen gestoßen sei. Sein Kopf sei durch eine abrupte Drehbewegung plötzlich massiv von links nach rechts bis weit über die Schulter geschleudert bzw. verrissen worden. Damit liege ein Ereignis vor, dem eine erhebliche Bedeutung für die Schadensfolge zukomme.
50
Es handle sich auch nicht um eine Gelegenheitsursache. Die beim Kläger vorliegende degenerative Erkrankung sei nicht so leicht ansprechbar gewesen, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurft hätte. Ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte nicht zum selben Erfolg geführt. Es sei gerade nicht die Regel, sich im Alltag mit dem Abtransport von unkooperativen, sich wehrenden Gefangenen auseinandersetzen zu müssen.
51
Zudem verkenne der Beklagte das Alter des Klägers, weshalb dessen Vorschäden nicht über den gewöhnlichen altersbedingten Verschleiß hinausgingen. Das Unfallereignis werde daher in seiner Bedeutung als Schadensursache nicht durch die altersphysiologische Schädigung des Klägers überragt und damit als wesentliche Mitursache im Rechtssinne ausgeschlossen. Es fehle an Anhaltspunkten, wonach der Vorschädigung bei natürlicher Betrachtungsweise ein solches Gewicht beizumessen wäre.
52
Mit Schreiben vom 9. Januar 2020 teilte das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg den Beteiligten mit, dass das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach örtlich zuständig sei, da der Kläger seinen dienstlichen Wohnsitz in … habe. Daraufhin wurde der Rechtsstreit mit Zustimmung der Beteiligten mit Beschluss vom 21. Januar 2020 an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen.
53
In der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2020 ließ der Kläger den Antrag aus der Klageschrift vom 19. März 2019 mit der Ergänzung stellen,
dass folgende Körperschäden als Folge des Unfallereignisses vom 14. April 2018 anerkennt werden sollen:
54
Medialer Bandscheibenvorfall mit initialem Myelonkontakt Etage C4/C5 und die Aktivierung der bestehenden Osteochondrose in der Etage C5/C6.
55
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

56
Die zulässige Klage ist unbegründet.
57
Die Klage ist zulässig, da sie insbesondere fristgemäß erhoben wurde.
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Zwar wurde die Klage entgegen der dem Bescheid vom 25. Februar 2019 (* …*) beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:beim örtlich unzuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg eingelegt. Jedoch erhält die mit gerichtlichem Beschluss vom 21. Januar 2020 erfolgte Verweisung, auch wenn sie erst nach Ablauf der Klagefrist erfolgte, gem. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG die Rechtshängigkeit der Verwaltungsstreitsache. Damit bleibt insbesondere die eingehaltene Klagefrist auch nach der Verweisung gewahrt. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:über die Zuständigkeit belehrt worden ist (Aulehner in Sodan/Ziekow, VwGO, § 83 Rn. 8 f.).
59
Der Bescheid des Landesamtes …, Dienststelle …, vom 25. Februar 2019 (* …*) ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
60
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch, dass der Beklagte das Unfallereignis vom 14. April 2018 als Dienstunfall mit den Unfallfolgen medialer Bandscheibenvorfall mit initialem Myelonkontakt Etage C4/C5 und Aktivierung der bestehenden Osteochondrose in der Etage C5/C6 anerkennt.
61
Gemäß Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
62
Zwar handelt es sich bei dem Vorfall vom 14. April 2018 um ein Unfallereignis im Sinne der genannten Rechtsnorm. Das Tatbestandsmerkmal des äußeren Ereignisses dient in erster Linie zur Abgrenzung von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers (BVerwG, U.v. 24.10.1963 - II C 10.62 - juris Rn. 20; Ziffer 46.1.3 BayVV-Versorgung).
63
Ein Stoß gegen einen Türrahmen, verbunden mit einer auf den Kopf einwirkenden abrupten Drehbewegung, stellt ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis dar.
64
Eine Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall kommt jedoch nicht in Betracht, da dieses nicht zumindest wesentlich mitwirkende Teilursache für die eingetretenen Gesundheitsstörungen war.
65
Als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann demnach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind.
66
Keine Ursache im Rechtssinne sind sog. Gelegenheitsursachen‚ d.h. Ursachen‚ bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht‚ wenn also etwa die krankhafte Veranlagung oder die durch Abnutzung degenerativ bereits vorgeschädigte Körperstelle zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen‚ in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkung bedurfte‚ sondern auch ein anderes‚ alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Eine solche untergeordnete Bedeutung ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn das Ereignis gleichsam „der letzte Tropfen“ war, „der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Krankheit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“ (BayVGH, B.v. 21.3.2014 - 14 ZB 12.1024 - juris Rn. 10; BVerwG‚ U.v. 30.6.1988 - 2 C 77/86 - juris Rn. 17; U.v. 15.9.1994 - 2 C 24/92 - juris Rn. 17).
67
Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, U.v. 18.4.2002 - 2 C 22/01 - juris Rn. 11; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Rn. 1 zu § 31 BeamtVG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der öffentlich-rechtliche Dienstherr ohnehin zur Fortzahlung der Bezüge und sonstigen Leistungen, z. B. Beihilfen, verpflichtet ist. Die Dienstunfallvorschriften stellen also eine Sonder-(Ausnahme-)regelung dar und sind deshalb eng auszulegen (Schütz/Maiwald, a.a.O., BayVGH, U.v. 12.10.1983 - 3 B 83 A.474, veröffentlicht bei Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 7).
68
Im Dienstunfallrecht gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls sowie die dadurch verursachten Körperschäden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“). Der Beamte trägt insoweit die (volle) materielle Beweislast. Lässt sich der Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden trotz Ausschöpfung aller Mittel nicht klären, geht dies zulasten des Beamten (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1997 - 2 B 127/96 - juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 30.1.2012 - 3 B 10.1015 - juris Rn. 28).
69
Dies zugrunde gelegt, ist das Ereignis vom 14. April 2018 nicht als Dienstunfall anzuerkennen. Denn der streitgegenständliche Vorfall hat die bei dem Kläger geltend gemachten Körperschäden nicht hervorgerufen, auch nicht im Sinn einer wesentlich mitwirkenden Teilursache. Auch eine wesentliche Verschlimmerung möglicherweise bereits vorbestehender Leiden ist nicht kausal auf dieses Geschehen zurückzuführen. Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass die von dem Kläger geltend gemachten Körperschäden auf ein davon unabhängiges, eigenständiges Krankheitsbild zurückzuführen sind.
70
Dies steht aufgrund des fachorthopädischen Gutachtens vom 3. Februar 2019 von Herrn Dr. … fest. Dieses setzt sich ausführlich mit der medizinischen Vorgeschichte des Klägers sowie ärztlichen Schreiben und Befundberichten auseinander. Das Gutachten ist in sich stimmig, widerspruchsfrei, überzeugend und wirft keine Zweifelsfragen auf, die durch die Einschaltung eines weiteren Gutachters geklärt werden müssten. Das Gutachten wurde von der Klägerseite auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
71
Gemäß dem fachorthopädischen Gutachten bestand bei dem Kläger bereits eine einschlägige Vorschädigung.
72
Der Kläger gab bei der Begutachtung an, dass er bereits seit dem Jahr 2012 Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule gehabt habe (Bl. 57 der 3. Dienstunfallakte). Gemäß einem Schreiben des medizinischen Versorgungszentrums Dr. … und Kollegen vom 18. Januar 2017 (Bl. 13 der 3. Dienstunfallakte) erfolgte sogar bereits am 29. April 2008 eine Voruntersuchung, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass bereits vor diesem Zeitraum Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule vorlagen. Auf Nachfragen hin gab der Kläger weiter an, dass er sich seit 2012 immer wieder phasenweise in physikalischer Behandlung befunden habe, zuletzt vor einer Kernspintomographie der Halswirbelsäule vom Januar 2017 ca. zwei- bis dreimal pro Jahr mit einer entsprechenden Behandlungsfrequenz. Im Oktober 2017 habe der Kläger eine vierwöchige ambulante Rehabilitationsmaßnahme diesbezüglich am … … gemacht. Hierdurch sei entgegen der benannten Vorbehandlungen eine wesentliche Besserung der Beschwerden eingetreten. Bis zu dem Ereignis vom 14. April 2018 sei der Kläger in Bezug auf die vorbestehenden Nackenbeschwerden nahezu beschwerdefrei gewesen (Bl. 57 der 3. Dienstunfallakte).
73
Die Vorschäden des Klägers wurden zudem in einer kernspintomografischen Untersuchung der Halswirbelsäule vom 18. Januar 2017 dokumentiert. Dort wurden degenerative Schäden im Bereich der Halswirbelsäule nachgewiesen (Bl. 13 f. der 3. Dienstunfallakte).
74
Das fachorthopädische Gutachten gelangte daher zu der Einschätzung, dass sich unter Berücksichtigung der von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Befundunterlagen, insbesondere durch einen Vergleich der kernspintomografischen Untersuchung vom 18. Januar 2017 und 9. Mai 2018, feststellen lassen habe, dass bereits im Januar 2017 eine linksbetonte Aktivierung im Segment HWK 5/6 vorgelegen habe, so dass im Grunde genommen bereits im Januar 2017 ein identischer Befund in Bezug auf diese Aktivierung wie zum 9. Mai 2018 vorgelegen habe (Bl. 78 der 3. Dienstunfallakte). Das Gericht schließt sich daher der Einschätzung des Gutachters an, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden müsse, dass diese Aktivierung unfallunabhängig aufgrund der bestehenden Degeneration dieser Etage bewirkt wurde (Bl. 78 der 3. Dienstunfallakte), zumal frische knöcherne Verletzungen ausgeschlossen wurden (Bl. 11 der 2. Dienstunfallakte).
75
Weiter wird in dem Gutachten ausgeführt, dass auch der Bandscheibenvorfall im Segment HWK 4/HWK 5 nicht kausal auf dem Vorfall vom 14. April 2018 beruhe.
76
Dem stehe bereits entgegen, wie der Gutachter nachvollziehbar ausführt, dass die typische klinische Symptomatik unmittelbar nach einem spekulativ angenommenen unfallbedingten Bandscheibenschaden nicht gegeben sei (Bl. 78 der 3. Dienstunfallakte), da typische bandscheibenbedingte Beschwerden sofort eingesetzt haben müssten (Bl. 75 der 3. Dienstunfallakte). Dies war jedoch nicht der Fall, da der Kläger weder bei einer Untersuchung in der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt … am 16. April 2018 noch bei der Erstuntersuchung am 17. April 2018 bei der Allgemeinmedizinerin …, dort wurde lediglich eine HWS-Kontusion festgestellt (Bl. 24 der 3. Dienstunfallakte), über entsprechende Beschwerden klagte. Erst bei einem Routinetermin am 18. April 2018 machte der Kläger gegenüber seinem Orthopäden Schmerzen in beiden Händen, der Halswirbelsäule und der rechten Schulter geltend (Bl. 6 der 3. Dienstunfallakte).
77
Zudem wurde bereits bei der Untersuchung im Januar 2017 in der Etage HWK 4/HWK 5 eine neu aufgetretene mediale Diskusprotrusion befundet. Dieser Befund habe nahezu identisch mit erneuter kernspintomographischen Untersuchung vom 9. Mai 2018 dargestellt werden können. Im Rahmen der letzten kernspintomographischen Untersuchung vom 29. November 2018 habe sich bei Einsicht durch den Gutachter in das gesamte Bildmaterial eine allenfalls leichte Zunahme dieser Protrusion bis zum subligamentären Sequester gefunden. Wäre dieser Bandscheibenvorfall der Etage HWK 4/HWK 5 durch das Ereignis im April 2018 verursacht worden, so hätte sich dieser Bandscheibenvorfall bereits mit Untersuchung vom 9. Mai 2018 entsprechend darstellen müssen. Ein solcher Bandscheibenvorfall sei im Befundbericht des Dr. … vom 9. Mai 2018 (Bl. 8 und 19 der 3. Dienstunfallakte) nicht dargestellt worden. Eine schleichende Entwicklung eines zunehmenden Bandscheibenvorfalls spreche aus gutachterlicher Sicht in erster Linie für einen degenerativen Vorgang. In der Zusammenschau der Befundkonstellationen mit Auftreten von halswirbelsäulenbedingten Beschwerden erst zwei Tage nach dem Ereignis und aufgrund der zeitlichen Abfolge der Befundlage in den einzelnen kernspintomographischen Untersuchungen könne somit nicht begründet davon ausgegangen werden, dass sich der zum Zeitpunkt der Dienstunfallereignisse vom April 2018 bestehende Schaden der Etage HWK 4/HWK 5 unfallbedingt verschlechtert habe. Mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um einen degenerativ ablaufenden Prozess handelte (Bl. 78 f. der 3. Dienstunfallakte). Dieser nachvollziehbaren Einschätzung schließt sich die Kammer ebenfalls an.
78
Die zusammenfassende Beurteilung des Gutachters, wonach das Ereignis vom 14. April 2018 nicht geeignet war, die von dem Kläger geltend gemachten Körperschäden zu verursachen ist aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und widerspruchsfrei begründet worden, so dass sich die Kammer dieser Einschätzung anschließt.
79
Die Einholung eines weiteren (biomechanischen) Sachverständigengutachtens war daher nicht erforderlich, zumal auch der den Kläger behandelnde Orthopäde feststellte, dass bei dem Kläger im Bereich der Halswirbelsäule degenerative Vorveränderungen bestünden und eine unfallbedingte Schädigung mit Dauerfolgen nicht verifiziert habe werden können (Bl. 12 der 3. Dienstunfallakte).
80
Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem Beweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 3 ZB 18.81 - juris Rn. 28).
81
Seitens des Klägers wurden keine durchgreifenden Einwände gegen das Gutachten von Herrn Dr. … vorgebracht. Insbesondere ist die medizinische Bewertung durch Herrn Dr. … nicht substantiiert durch Vorlage abweichender ärztlicher Einschätzungen, die sich mit den medizinischen Bewertungen des Sachverständigen auseinandersetzen, in Frage gestellt worden.
82
Auch kann nicht von einer fehlenden Unparteilichkeit des Gutachters ausgegangen werden.
83
Der Kläger merkte hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2020 an, dass er sich bei der Begutachtung durch Herrn Dr. … unwohl gefühlt und schon zum damaligen Zeitpunkt Bedenken hinsichtlich der Begutachtung gehabt habe. Zudem habe er der Bewertung widersprochen, dass man zur Verursachung von Schäden in der Art, wie sie bei dem Kläger diagnostiziert worden seien, mit einem Rennwagen mit 200 km/h gegen eine Mauer fahren müsse.
84
Dies begründet aus Sicht der Kammer keine Voreingenommenheit des Gutachters, zumal in dem Gutachten selbst keinerlei Hinweise darauf enthalten sind, dass der Gutachter sachfremde Erwägungen einfließen ließ.
85
Die Klage war daher abzuweisen.
86
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
87
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.