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VG München, Urteil v. 20.07.2020 – M 5 K 18.5152
Titel:

Dienstliche Beurteilung einer Polizeihauptmeisterin

Normenketten:
LlbG Art. 54, Art. 62
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1 analog
BayBesG Art. 30, Art. 66
GG Art. 33 Abs. 2
Leitsatz:
Innerhalb des durch die Art. 54 ff. LlbG gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will. Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung (…2014 bis …2017), Polizei, Beurteilungszeitraum, Beurteilung, Gesamturteil, Klage, Leistungsminderung, Verfahren, dienstliche Beurteilung, Polizeihauptmeisterin, Rangfolge, periodische Beurteilung, Neuerstellung, Beförderung, Werturteile, Einzelmerkmal, Ermessen, Begründung, Zeugenaussage
Fundstelle:
BeckRS 2020, 31871

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, die als Polizeibeamtin in Diensten des Beklagten steht, begehrt die Neuerstellung ihrer periodischen dienstlichen Beurteilung 2017.
2
Die 1965 geborene Klägerin hat seit dem … August 2012 das Amt einer Polizeihauptmeisterin mit Amtszulage (A 9 + Amtszulage; 2. Qualifikationsebene) inne. In der periodischen dienstlichen Beurteilung zum Beurteilungsstichtag … … 2014 erhielt die Klägerin im Gesamturteil 9 Punkte. Zum … … 2015 wurde sie mit einem Grad der Behinderung von 30 einem behinderten Menschen gleichgestellt.
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In einem Leistungsbild vom … … 2017 teilte der damalige unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin dem Polizeipräsidium mit, dass aktuell ein Gesamturteil von mehr als 7 Punkten nicht zu vertreten sein würde. Die Klägerin wurde vom Polizeipräsidium daher mit Schreiben vom … … 2017 von einer eigentlich anstehenden möglichen Beförderung zurückgestellt. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 6. November 2019 zurück (M 5 K 17.4346). Über den dagegen eingelegten Antrag auf Zulassung der Berufung ist bislang nicht entschieden (3 ZB 19.2541).
4
Das Kriminaldezernat ... erstellte am … … 2017 einen Beurteilungsbeitrag hinsichtlich einer Abordnung der Klägerin dorthin im Zeitraum … … 2016 bis … … 2017 mit einem Gesamtergebnis von 6 Punkten.
5
Am … … 2017 wurde der Klägerin ihre periodische dienstliche Beurteilung vom … … 2017 über den Beurteilungszeitraum vom … … 2014 bis … … 2017 mit einem Gesamturteil von 6 Punkten eröffnet. Dem Beurteilungsbogen war ein Beiblatt zur Erläuterung der Herabstufung in allen Einzelmerkmalen und im Gesamturteil beigefügt.
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Den dagegen von der Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom … … 2017 eingelegten und mit weiterem Schreiben vom … … 2018 begründeten Widerspruch wies das Polizeipräsidium mit Widerspruchsbescheid vom … … 2018, zugestellt am … … 2018, zurück.
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Am 17. Oktober 2018 hat die Bevollmächtigte der Klägerin für diese Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung der Klägerin zum Stichtag … … 2017 sowie des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums vom … … 2018 zu verpflichten, die Klägerin erneut für den Zeitraum … … 2014 bis … … 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu beurteilen.
9
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass eine gesundheitlich bedingte Leistungsminderung der Klägerin nicht zu einer schlechteren dienstlichen Beurteilung führen dürfe. Die Klägerin sei in neue Tätigkeiten auch nicht ausreichend eingearbeitet wurden. Beim Kriminalfachdezernat ... sei ihr zudem kein geeigneter Arbeitsplatz zugeteilt worden.
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Mit Schriftsatz vom 6. November 2018 hat das Polizeipräsidium für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Die Klägerin sei durchaus ausreichend eingearbeitet und ihr sei auch ein angemessener Arbeitsplatz zugewiesen worden. Die Beurteilung gründe im Wesentlichen auf den Leistungsmängeln in qualitativer, nicht in quantitativer Hinsicht.
13
Mit Beschluss vom 21. Februar 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
14
In der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2020 wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beurteilers und des unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin als Zeugen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 5 K 17.4346 mit den jeweils dazu vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 20. Juli 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
17
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom … … 2017 für den Beurteilungszeitraum vom … … 2014 bis … … 2017 sowie des Widerspruchsbescheids vom … … 2018 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Denn die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
18
Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 - 2 C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
19
Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
20
Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
21
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269).
22
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
23
Innerhalb des durch die Art. 54 ff. Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 - 2 C 69/81 - BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 - VI C 44.64 - Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 - 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 11.1.2017 - M 5 K 16.2729 - juris Rn. 15).
24
Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier 31.5.2017) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 - 2 C 7/99 - NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 - 1 WB 181/88 - BVerwGE 86, 240).
25
Zugrunde zu legen sind hier daher Art. 54 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 - VV-BeamtR, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - allgemeine Beurteilungsrichtlinien) sowie die Beurteilungsrichtlinien der Bayerischen Polizei (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über Dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und Art. 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG für die Beamten und Beamtinnen der bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8. April 2011 (AllMBl. S. 129), die durch Bekanntmachung vom 10. April 2012 (AllMBl. S. 256) geändert worden ist).
26
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom … … 2017 rechtlich nicht zu beanstanden.
27
Der als Zeuge einvernommene Beurteiler - an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht - hat in der mündlichen Verhandlung seine Vorgehensweise bei der Erstellung der Beurteilung der Klägerin im Vergleich zu weiteren Beamten derselben Besoldungsgruppe dargestellt. Seine Angaben plausibilisieren das Gesamturteil mit 6 Punkten. Er hat insbesondere überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin auf den letzten Platz der insgesamt 81 Beamte umfassenden Vergleichsgruppe zu reihen war. In der Einsatzzentrale sei sie nur sehr beschränkt einsatzfähig gewesen. Hinsichtlich längerer Krankheitszeiten im Beurteilungszeitraum sei zu beachten, dass die Frage der Qualität die entscheidende sei, nicht so sehr die der Quantität. Zugunsten der Klägerin habe er das Gesamtergebnis von bei strenger Anlegung des Leistungsvergleichs und bei Berücksichtigung der Quote an sich zu vergebenden 5 Punkten auf 6 Punkte angehoben.
28
Die Aussage des als Zeuge einvernommenen damaligen unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin - an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht ebenfalls keinen Anlass zu Zweifeln sieht - in der mündlichen Verhandlung stützt die Plausibilisierung der Beurteilung durch den Beurteiler. Auch er gab überzeugend und nachvollziehbar an, dass sich die Klägerin in der Zeit, in der er ihr unmittelbarer Vorgesetzter gewesen sei, mit der Erfüllung der ihr zugewiesenen Aufgaben schwergetan habe. Sie hätte bei ihrer Tätigkeit mehr Eigenverantwortung und mehr selbstständiges Arbeiten zeigen müssen. Er selber sei für den Zeitraum bei ihm auch von 6 Punkten als leistungsgerecht ausgegangen und habe die Klägerin für diesen damaligen Zeitraum auch als gerecht beurteilt angesehen.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.