Titel:
Berechtigtes Interesse für Fortsetzungsfeststellungsklage
Normenkette:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsatz:
Die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen, kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse i.S. des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nur begründen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (vgl. BVerwG, BeckRS 9998, 3761). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage nach Erledigung einer Verpflichtungsklage auf Baugenehmigung, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Offensichtlich unbegründeter Amtshaftungsanspruch, Baugenehmigung, Bauantrag, Kaufvertrag, Ablehnung, Bauvorbescheid
Fundstelle:
BeckRS 2020, 31817
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt als frühere Eigentümerin eines Grundstücks, das mittlerweile im Eigentum der Beigeladenen steht, die Feststellung, dass sie einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hatte.
2
Die Klägerin ist die Nachfolgegesellschaft der früheren Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gem. …, …straße 26 (im Folgenden: Baugrundstück). Das Baugrundstück ist derzeit mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut (EG +1. - 3. OG + ausgebautes Dachgeschoss). Dieses Bestandsgebäude ist nach Westen, Süden und Osten nicht mit der benachbarten Bebauung verbunden. Richtung Norden, zu dem Anwesen …-Straße 1 besteht ein von der …-Straße aus gesehen eingeschossig erscheinender Verbindungsbau. Die Wandhöhe des Bestandsgebäudes beträgt nach den im Bauantragsverfahren vorgelegten Plänen an der Nordost-Fassade zwischen ca.14,0 m im Süden und ca.15,2 m im Norden (Maßentnahme aus dem Plan „Grundrisse, Schnitte B-B, Ansicht Nord-Ost“ vom 23. August 2018). Der Abstand des Bestandsgebäudes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze mit dem nordöstlich angrenzenden Grundstück FlNr. … Gem. … * (* …straße 24) beträgt an der breitesten Stelle ca. 3,30 m, an der engsten Stelle ca. 2,5 m. Der Abstand des Bestandsgebäudes …straße 24 zur gemeinsamen Grundstücksgrenze beträgt ca. 9 m an der engsten Stelle und ca. 9,50 m an der breitesten Stelle (Maßentnahme aus dem amtlichen Lageplan).
3
Das Anwesen …straße 26 ist Bestandteil des Ensembles „Altstadt …“. Das benachbarte Gebäude …straße 24 ist als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Bei diesem handelt es sich um ein freistehendes Gebäude mit Erdgeschoss und zwei Obergeschossen sowie einem ausgebauten Dachgeschoss. Ausweislich des Beschriebs in der Denkmalliste (* …*) handelt es sich um ein Mietshaus als dreigeschossiger Walmdachbau in reduzierten Formen des Klassizismus von … …, 1829 f..
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verkaufte mit Kaufvertrag vom 2. September 2016 (Urkunde des Notars … … vom 2. September 2016 - URNr. … …*) das Baugrundstück an die „…straße 26 … GmbH“. In Ziffer IX. enthält der Kaufvertrag folgende Regelung:
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„BEDINGTE KAUFPREISERHÖHUNGEN
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Der Verkäufer und auch der Käufer werden das Klageverfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgericht in München gegen den Ablehnungs-Vorbescheid der … …, Az: …, auf ihre Kosten - je zu ½ - gemeinsam weiter betreiben.“
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Alternativ wird der Verkäufer zusammen mit dem Käufer noch eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude um ein weiteres Stockwerk zur Schaffung einer weiteren Geschoßfläche (hier und nachfolgend jeweils im Sinne des § 20 Abs. 3 BauNVO) mit mindestens 400 m² bei der … … beantragen; anfallende Kosten tragen Verkäufer und Käufer je zu ½.
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Für den Fall, dass bis spätestens zum 31.12.2018
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- bezüglich der auf dem Vertragsgrundbesitz aufstehenden Gebäude eine Abbruchgenehmigung durch die … … erteilt wurde, und 10
10
- auf Antrag ein Bauvorbescheid erteilt wurde, wonach eine Neubebauung mit einer Geschossfläche von insgesamt mindestens 2000 m² zulässig ist, und 11 nicht binnen sechs Wochen nach der Bekanntgabe des jeweiligen Bescheids durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die oder einen der Bescheide eingelegt wurde, erhöht sich der Kaufpreis um 1.900.000 € (i.W. eine Million neunhunderttausend Euro) auf dann insgesamt 9.200.000 € (i.W. neun Millionen zweihunderttausend Euro). Klargestellt wird hierzu, dass den Käufer keine Kaufpreisnachzahlungspflicht trifft, sofern der Vorbescheid nur eine geringere Geschossfläche als 2000 m² zulässt.
11
Klargestellt wird ferner, dass es für die vorstehende Kaufpreiserhöhung genügt, dass die Bescheide bis zum 31. Dezember 2018 erteilt wurden, auch wenn die vorstehende Sechs-Wochen-Frist erst nach dem 31. Dezember 2018 abläuft.
12
Für den Fall, dass zwar keine Abbruchgenehmigung für die vorhandenen Gebäude, aber eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude mit einer weiteren Geschoßfläche von mindestens 400 m² (vierhundert Quadratmeter) bis spätestens zum 31. Dezember 2018 erteilt wurde und nicht binnen 6 Wochen nach der Bekanntgabe der Baugenehmigung durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung eingelegt wurde, erhöht sich der Kaufpreis um 1.200.000 € (i. W. eine Million zweihunderttausend Euro) auf dann insgesamt 8.500.000 € (i.W. acht Millionen fünfhunderttausend Euro). Klargestellt wird hierzu, dass den Käufer keine Kaufpreisnachzahlungspflicht trifft, sofern die Baugenehmigung zur Aufstockung nur eine geringere weitere Geschossfläche als 400 m² zulässt. Klargestellt wird ferner, dass es für vorstehende Kaufpreiserhöhung genügt, dass die Baugenehmigung bis zum 31. Dezember 2018 erteilt wurde, auch wenn die vorstehende Sechs-Wochen-Frist erst nach dem 31. Dezember 2018 abläuft.
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Der entsprechende Kaufpreiserhöhungsbetrag ist, das Vorliegen der Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen nach vorstehendem Abschn. VIII. vorausgesetzt, innerhalb von vier Wochen fällig, sobald die jeweiligen Bedingungen eingetreten sind.
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Klargestellt wird, dass die vorstehend getroffenen Kaufpreisanpassungsvereinbarungen dann erlöschen, sollte bis spätestens zum 31. Dezember 2018 weder eine entsprechende Abbruchgenehmigung noch eine entsprechende Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude erteilt worden sein.
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Mit Bescheid vom 18. November 2016 übte die Beklagte ihr Vorkaufsrecht in Bezug auf den vorgenannten Kaufvertrag zugunsten der Beigeladenen aus. In einem Nachtrag zum Kaufvertrag vom 2. September 2016 traf die Beigeladene mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin Vereinbarungen zum Vollzug des Kaufvertrags (Urkunde des Notars … … vom 10. August 2017 URNr. … …*). Dabei wurde in Ziff. III a) klargestellt, dass die Vereinbarungen in Abschnitt IX. der Vorurkunde hinsichtlich bedingter Kaufpreiserhöhungen auch zwischen der Beigeladenen als Käufer und dem Verkäufer gelten. Am 21. März 2018 wurde die Beigeladene als Eigentümerin des Baugrundstücks in das Grundbuch eingetragen.
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Am 30. August 2018 (Eingangsdatum) reichte die Klägerin einen Bauantrag bei der Beklagten ein (Pl.Nr. …*). Der Bauantrag sieht die Erweiterung des Bestandsgebäudes auf dem Baugrundstück durch eine Kniestockerhöhung des Hauptgebäudes und Errichtung eines Anbaus als grenzständige Verbindung zum Anwesen …-Straße 1 vor. Insgesamt sind 11 Wohneinheiten vorgesehen. Durch die Erhöhung des Kniestocks am Hauptgebäude um 85 cm soll das Dachgeschoss besser nutzbar werden und dadurch zwei Wohneinheiten aufnehmen. Daneben soll ein fünfgeschossiger Verbindungsbau mit einer Wandhöhe von 13,77 m an der Südwest-Seite und einem Flachdach entstehen. Durch die Erweiterungen des Baukörpers ergibt sich nach den Angaben der dem Antrag beigegebenen Geschossflächenberechnung eine Mehrung der Geschossfläche um 404,70 m².
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Mit Bescheid vom 23. November 2018 lehnte die Beklagte den Bauantrag vom 30. August 2018 nach Pl.Nr. … ab. Die geplante Änderung bedürfe einer Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 DSchG. Diese sei zu versagen, da das Anwesen innerhalb des Ensembles „Altstadt …“ eine bauliche Anlage mit besonderem Aussagewert für das Ensemble darstelle. Das Gebäude gehöre zur Erstbebauung der …straße mit freistehenden, klassizistischen Wohnhäusern und könne in die 2. Hälfte der 1830er bis Anfang der 1840er Jahre datiert werden. Es sei in der äußeren Kubatur mit Ausnahme des umgebauten Daches bis heute aus der Bauzeit überliefert und stehe in unmittelbarem Zusammenhang zu den benachbarten Bauten der Erstbebauung an der …straße. Im Verlauf der …straße sei dieser Abschnitt der am besten erhaltene Teil, der noch die klassizistische Stadterweiterung außerhalb der ehemaligen Stadtbefestigung zeige. Dem Gebäude komme daher für das Straßenbild innerhalb des Ensembles eine hohe Bedeutung zu. Es nehme jetzt eine städtebaulich prominente Ecksituation ein. Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes würden für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Durch die Erhöhung der Wandhöhen werde das Gebäude noch wesentlich dominanter gegenüber dem Einzelbaudenkmal …straße 24, das bereits jetzt ca. 1 m niedriger sei als das Gebäude auf dem Baugrundstück. Mit der Erhöhung der Wandhöhen würde das Einzelbaudenkmal …straße 24 optisch stark bedrängt. Auch wegen des fünf-geschossigen Anbaus zum Nachbargebäude gehe ein Zeugniswert für das Ensemble „Altstadt …“ verloren. Wesentliches Merkmal des streitgegenständlichen Gebäudes sei seine Konzeption als freistehendes Gebäude mit Pavillonabständen zu den Nachbargebäuden. Durch die Freistellung sei es als aus der Phase der Erstbebauung der …straße stammend erkennbar und dokumentiere diese zusammen mit den umliegenden freistehenden Häusern. Durch die bauliche Verbindung mit dem Bestandsgebäude …-Straße 1 gehe dieser Zeugniswert verloren. Auch bei einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange überwiege das Interesse an der unveränderten Beibehaltung des Gebäudes.
18
Auch die beantragte Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen zu FlNr. … könne nicht erteilt werden, weil hier das Gegenseitigkeitsverhältnis verlassen würde. Die Abstandsflächen, die durch das Bauvorhaben auf das Grundstück FlNr. … fielen, seien erheblich größer als die Abstandsflächen, die von diesem Nachbargebäude auf das Antragsgrundstück fielen.
19
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 13. Dezember 2018, erhob die Klägerin Klage gegen die Beklagte und beantragte zunächst, den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bauantrag vom 30. August 2018 nach Pl.Nr. … zu genehmigen. Die Klägerin könne auch als Nichteigentümerin einen Bauantrag für das streitgegenständliche Grundstück stellen, da die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt werde. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung sei rechtswidrig, da weder Gründe des Denkmalschutzes noch die Nichteinhaltung der Abstandsflächen die Ablehnung rechtfertigen könnten. Die Erhöhung des Gebäudes sei denkmalschutzrechtlich zulässig. Das Vorhaben liege am Rande des Ensembles „Altstadt …“. Es sei selbst kein Baudenkmal, die Aufstockung könne nicht geeignet sein, sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auszuwirken. Deshalb bedürfe es schon keiner denkmalschutzrechtlichen Genehmigung. Die Anhebung des Kniestocks um 85 cm sei so gering, dass nur eine unwesentliche Veränderung der Kubatur des Gebäudes damit einhergehe. Das Gebäude bleibe in seiner Bau- und Grundstücksstruktur erhalten. Selbst wenn man von einer Erlaubnispflicht ausgehe, seien keine Gründe ersichtlich, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprächen und so viel Gewicht hätten, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen könnten. Umliegende Gebäude, insbesondere …straße 15 sowie die Gebäude …straße 25 und 21, hätten einen ähnlich verlängerten Dachabstand. Die Aufstockung wirke sich auch nicht auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals …straße 24 aus. Die geplante Aufstockung könne dieses Gebäude nicht optisch stark bedrängen, zumal das Gebäude im Abstand von ca. 5 m neben dem von der Beklagten vor wenigen Jahren genehmigten Gebäude …straße 20 stehe, das das Baudenkmal deutlich überrage. Auch die Errichtung des Anbaus sei denkmalschutzrechtlich zulässig. Im betroffenen Geviert herrsche faktisch schon eine geschlossene Bauweise vor und das streitgegenständliche Bestandsgebäude stehe in sehr geringer Entfernung von nur ca. 3 m zum Anwesen …-Straße 1. Der geplante fünfgeschossige Glasanbau füge sich filigran in die Baulücke zwischen den beiden Gebäuden ein und erhalte den optischen Eindruck des Pavillonhauses aufrecht. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen. Es seien im maßgeblichen Geviert überwiegend Gebäude zu finden, die zumindest an eine, weitgehend an zwei seitlichen Grundstücksgrenzen angebaut seien, weshalb auf dem Baugrundstück sogar ein Grenzanbau an die nordöstliche Grundstücksgrenze zum Gebäude …straße 24 planungsrechtlich unbedenklich sei. Es bestünden atypische Verhältnisse, da in dem Bereich die erforderlichen Abstandsflächen regelmäßig nicht auf eigenem Grundstück eingehalten werden könnten. Der Dachgeschossausbau zur Schaffung von Wohnraum diene dem öffentlichen Interesse und sei deshalb ein gewichtiger öffentlicher Belang im Rahmen der Abwägung über die Erteilung der Abweichung.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 21. September 2020 erklärte die Bevollmächtigte der Beigeladenen, dass das Bestandsgebäude saniert und vermietet worden sei. Die Beigeladene beabsichtige nicht, die Baugenehmigung zu verwirklichen. In der Verhandlung wurde die Frage der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Bezug auf ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin erörtert. Das Gericht wies dabei darauf hin, dass angesichts der Erklärung der Beigeladenen, dass sie die Baugenehmigung nicht verwirklichen wolle, und des Erlöschens der im Kaufvertrag vereinbarten Nachzahlungspflicht am 31. Dezember 2018 kein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Verpflichtung erkennbar sei. Die Parteien erklärten in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren.
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Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 stellte die Klägerin ihren Antrag aus der Klageschrift „vom 11. Dezember 2020“ (richtig wohl 11. Dezember 2018) wie folgt um:
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Es wird festgestellt, dass die Klägerin einen Anspruch auf die mit Bescheid vom 23. November 2018 versagte Baugenehmigung hatte.
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Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der beantragten Baugenehmigung habe. Es bestehe ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, da diese für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen erheblich sei und ein entsprechender Prozess der Klägerin nicht offensichtlich aussichtslos sei. Aufgrund der rechtswidrigen Verweigerung der Baugenehmigung stehe der Klägerin ein Anspruch auf Amtshaftung zu, da sich bei Erteilung der Baugenehmigung ein Anspruch auf Kaufpreiserhöhung in Höhe von 1.200.000 EUR gegenüber der Beigeladenen aufgrund Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 ergeben hätte. Der angestrebte Amtshaftungsprozess sei nicht offensichtlich aussichtslos. Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit könne nur angenommen werden, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt bestehe und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdränge. Eine Prüfung der Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses dürfe nicht vorweggenommen werden. Der Nachzahlungsanspruch aus dem Kaufvertrag sei durch die rechtswidrige Ablehnung durch die Beklagte vereitelt worden. Sie habe sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht. Die Prüfung von Einreden oder Einwendungen falle nicht in die Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichts.
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Für die Erteilung einer Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften bestehe nur ein tatbestandlich intendiertes Ermessen der Beklagten. Die Abweichung sei in der Regel zuzulassen, wenn keine besonderen Umstände dem entgegenstünden. Hier bestehe eine atypische Situation, da es sich um die Veränderung historischer Bausubstanz in einem dicht bebauten innerstädtischen Bereich handle und nur eine minimale Dachaufstockung ausgeführt werden solle. Nachbarschaftliche Interessen würden nicht gegen eine solche Abweichung sprechen, insbesondere habe das erkennende Gericht im vorangegangenen Verfahren (Az. M 8 K 15.5727) ausgeführt, dass im maßgeblichen Geviert überwiegend Gebäude zu finden seien, die zumindest an eine, weitestgehend an zwei seitliche Grundstücksgrenzen angebaut sein, weshalb ein Grenzanbau an die nordöstliche Grundstücksgrenze des Gebäudes …straße 24 planungsrechtlich unbedenklich sei. Das Gericht habe auch erklärt, dass hinsichtlich des bestehenden Gebäudeabstands zur …straße 24 eine Grenzbebauung nicht rücksichtslos sei. Angesichts des Zwecks des Abstandsflächenrechts könne die minimale Erhöhung des Kniestocks bei einem Abstand der beiden Baukörper von mehr als 10 m zu keiner ins Gewicht fallenden Verschlechterung der Verhältnisse führen. Eine merkliche Auswirkung auf Belichtung und Belüftung des Gebäudes …straße 24 entstehe nicht. Das Interesse des Bauherrn an einer Modernisierung und dem maßvollen Ausbau vorhandener Bausubstanz und auch die Schaffung von Wohnraum seien als gewichtige private und öffentliche Belange zu berücksichtigen. Erwägungen des Denkmalschutzes könnten keine andere Einschätzung begründen, da die Erhöhung keine Auswirkungen auf das Einzeldenkmal …straße 24 haben könne.
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Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2020 beantragt die Beklagte,
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Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig. Es fehle bereits an einem erledigenden Ereignis und der Zulässigkeit der ursprünglichen Verpflichtungsklage. Die Ablehnung der Baugenehmigung habe sich nicht erledigt. Vielmehr sei die Klägerin mit ihrer Klage auf Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung deshalb erfolglos, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis mangels Umsetzbarkeit fehle und ein solches sich auch nicht aus der Nachzahlungsklausel des Kaufvertrags ableiten lasse. Die Regelung der Nachzahlungspflicht unterbreche den Kausalzusammenhang mit einer etwaigen Baugenehmigung, da sie die zusätzliche Bedingung aufweise, dass kein förmlicher Rechtsbehelf erhoben worden sei. Sie könne so zu verstehen sein, dass nur eindeutige Fallkonstellationen, also eine positive Entscheidung innerhalb einer bestimmten Zeit bedacht werden sollten. Auch ein Feststellungsinteresse sei zu verneinen. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen der Baugenehmigung und der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen, da das Hinzudenken der Baugenehmigung nicht zwingend zur Kaufpreisnachzahlung führe. Ein Amtshaftungsprozess sei aussichtslos. Hinzu komme, dass die Abstandsflächenabweichung eine Ermessensentscheidung sei. Die Klage scheitere deshalb jedenfalls in materieller Hinsicht.
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Die Beigeladene hat keinen Klageantrag gestellt.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung vom 21. September 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Nach § 101 Abs. 2 VwGO konnte in dem Verfahren ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2020 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben und eine weitere Verhandlung nicht erforderlich ist.
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Die Klage hat keinen Erfolg, da sie mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresse unzulässig ist.
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Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese auf Anfechtungsklagen zugeschnittene Bestimmung ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 - 4 C 10/10 - juris Rn. 7).
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Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass - erstens - die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig war, - zweitens - nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und - drittens - ein Feststellungsinteresse gegeben ist.
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1. Das Gericht geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass die zunächst erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 23. November 2018 zulässig war. Zweifel an der Zulässigkeit bestehen insofern, als das Sachbescheidungsinteresse der Klägerin auch schon bei Stellung des Bauantrags nicht ohne weiteres zu bejahen war und deshalb auch kein Rechtsschutzinteresse für die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage bestanden haben könnte (vgl. BVerwG, B.v. 30.06.2004 - 7 B 92.03 - juris Rn. 28; OVG NRW, U.v. 17.4.2018 - 2 A 1387/15 - juris Rn. 38). Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse steht der positiven Verbescheidung eines Antrags entgegen, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von der beantragten Genehmigung keinen Gebrauch machen kann. Das ist der Fall, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.1993 - 4 B 110.93 - juris; BayVGH, U.v. 11.6.2014 - 2 B 13.2555 - juris Rn. 26). Nachdem die Klägerin bei Einreichung des Bauantrags bereits seit geraumer Zeit nicht mehr Eigentümerin des Baugrundstücks war und aufgrund des Umstands, dass dieses infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts Eigentum der Beigeladenen wurde, kam eine Ausführung der Baugenehmigung durch die Klägerin nicht mehr in Betracht. Eine grundsätzlich denkbare vertragliche Rückübereignung des Grundstücks an die Klägerin liegt gerade wegen der Ausübung des Vorkaufsrechts fern. Der Antrag auf Baugenehmigung diente vielmehr von Anfang an allein dazu, die Erweiterungsmöglichkeiten des Gebäudes in Bezug auf die Nachzahlungspflicht der Beigeladenen zu klären. Zweck des Bauantragsverfahrens war daher zu keinem Zeitpunkt die Zulassung einer beabsichtigten Bebauung, sondern die gleichsam gutachterliche Beurteilung der baulichen Erweiterungsmöglichkeit zur Klärung der vereinbarten Nachzahlungspflicht.
35
Nachdem die Beklagte selbst indes ein Sachbescheidungsinteresse unterstellt hat und jedenfalls ein finanzielles Interesse der Klägerin an der Klärung der Genehmigungsfähigkeit bestand, kann im Zeitpunkt der Klageerhebung gleichwohl von einem Rechtsschutzinteresse der Klägerin ausgegangen werden. Für den Fall, dass die begehrte Verpflichtung vor dem 31. Dezember 2018 ausgesprochen worden wäre, hätte eine Verbesserung der Rechtsstellung der Klägerin insoweit eintreten können, als der in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 geregelte Nachzahlungsanspruch hätte entstehen können. Im Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum 31. Dezember 2018 kann daher noch von einem Rechtsschutzinteresse ausgegangen werden.
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2. Mit dem Ablauf der in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 für eine Kaufpreisanpassung vorgesehenen Erlöschensfrist am 31. Dezember 2018 hat sich die Verpflichtungsklage erledigt, da das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an einer Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung spätestens zu diesem Zeitpunkt entfallen ist.
37
Die für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorauszusetzende Erledigung liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn das Verpflichtungsbegehren nach Klageerhebung aus der Klägerin nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre der Klägerin liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 - 4 C 10/10 - juris Rn. 7; B.v. 15.8.1988 - 4 B 89.88 - NVwZ 1989, 48 - juris Rn. 5). Die Verpflichtungsklage wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2018 unzulässig, da die Klägerin nach diesem Zeitpunkt ihre Rechtsstellung für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung weder durch Realisierung der Bauarbeiten noch durch das Entstehen eines Nachzahlungsanspruchs verbessern konnte.
38
Zum Nachzahlungsanspruch haben die Parteien in Ziff. IX des Kaufvertrags vom 2. September 2016 ausdrücklich geregelt: „Klargestellt wird, dass die vorstehend getroffenen Kaufpreisanpassungsvereinbarungen dann erlöschen, sollte bis spätestens 31.12.2018 weder eine entsprechende Abbruchgenehmigung noch eine entsprechende Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude erteilt worden sein.“ Es handelt sich dabei um eine Erlöschensfrist, die für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung erst nach dem 31. Dezember 2018 ausschließt, dass ein Kaufpreisnachzahlungsanspruch entsteht. Eine Verlängerung dieser Frist bzw. deren (Ablauf-) Hemmung ist auch für den Fall, dass eine der genannten Genehmigungen zwar bis 31. Dezember 2018 beantragt, jedoch nicht erteilt wurden, nicht vorgesehen. Infolgedessen ist mit Ablauf dieser Frist auch ein auf die Kaufpreisanpassung gestütztes wirtschaftliches oder sonstiges schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Erteilung einer Baugenehmigung entfallen. Der Kaufvertrag bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Anspruch auf Kaufpreisanpassung auch durch eine nach Ablauf der Erlöschensfrist erteilte Baugenehmigung entstehen könnte. Eine solche Annahme lässt sich insbesondere nicht aus dem Eintritt der Beigeladenen in die Käuferstellung ableiten. Denn die Parteien haben diesen Vertragspartnerwechsel zusätzlich durch den Nachtrag zum Kaufvertrag vom 10. August 2017 geregelt. Dabei wurde ausdrücklich klargestellt, dass die Vereinbarungen in Abschnitt IX. der Vorurkunde hinsichtlich bedingter Kaufpreiserhöhungen auch zwischen der Beigeladenen als Käufer und dem Verkäufer gelten (vgl. Ziff. III „Sonstiges“ Buchstabe a)). Mithin wurde auch die Erlöschensfrist der in Bezug genommenen Regelung nochmals zwischen den neuen Vertragspartnern bestätigt.
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1.3 Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse weder dargelegt noch ist ein solches aus den bekannten Umständen ableitbar.
40
Das besondere Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedes nach Lage des Falles anzunehmende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 - 6 B 61.06 - juris Rn. 3), wofür sich im Wesentlichen drei Hauptfallgruppen herausgebildet haben, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu bejahen ist: Die Fälle der Wiederholungsgefahr, die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruchs sowie Fälle des Rehabilitationsinteresses (vgl. Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 111).
41
Vorliegend hat die Klägerin ihr Fortsetzungsfeststellungsinteresse mit einem möglichen Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte begründet. Die Möglichkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage soll für den Fall der beabsichtigten Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs sicherstellen, dass der Kläger nicht ohne Not um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird, solange die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts bzw. die Feststellung, dass ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt bestanden hätte, seine Position verbessern kann (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2014 - 8 B 52.14 - juris Rn. 13), weshalb ein solches Feststellungsinteresse nur gegeben ist, wenn das erledigende Ereignis nach Klageerhebung eintritt. Eine derart schutzwürdige Situation ist hier nicht zu erkennen, da die Klageerhebung erst am 13. Dezember 2018 und damit kurz vor der Erledigung am 31. Dezember 2018 erfolgte. Schon im Zeitpunkt der Klageerhebung war daher erkennbar, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vor Erledigung weder die Rechtspositionen ausgetauscht noch Erkenntnisse gewonnen werden können. Es hätte daher nahe gelegen, anstelle der Klage zum Verwaltungsgericht unmittelbar einen Amtshaftungsprozess anzustrengen. Gleichwohl geht das Gericht davon aus, dass dem Grunde nach die in der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe des Fortsetzungsfeststellungsinteresses wegen der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vorliegt.
42
Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die - wie hier - der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur dann zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 - 15 ZB 12.1562 - juris Rn. 12; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 - 2 A 2679/12 - juris Rn. 47). Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Kläger von sich aus substantiiert darlegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2015 - 1 ZB 13.92 - juris Rn. 5; B.v. 27.3.2014 - 15 ZB 12.1562 - juris Rn. 12). Die Behauptung eines „angestrebten“ Amtshaftungsprozesses reicht zur Begründung des besonderen Feststellungsinteresses nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2014 - 15 ZB 14.510 - juris Rn. 11 f.; Niedersächsisches OVG U.v. 12.11.2007 - 2 LA 423/07 - juris Rn. 8). Vielmehr muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass er einen Amtshaftungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2014 - 15 ZB 14.510 - juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 24.10.2011 - 8 ZB 10.957 - Rn. 13; OVG NRW, B.v. 5.7.2012 - 12 A 1423/11 - juris Rn. 22 ff.; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 - 2 A 2679/12 - juris Rn. 47).
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Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Klageverfahren nicht. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 beschränken sich auf die Behauptung, dass ihr bei einer rechtswidrigen Verweigerung der Baugenehmigung ein Anspruch auf Amtshaftung gegenüber der Beklagten zustehe und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids sowie des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung der Baugenehmigung für die Klägerin von erheblicher Bedeutung und Interesse sei. Daneben erklärt sie, dass ein angestrebter Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos sei und das Verwaltungsgericht nicht berechtigt sei, die Erfolgsaussichten des Haftungsprozesses zu prüfen. Es fehlt damit schon die ausdrückliche Ankündigung, einen solchen Amtshaftungsprozess tatsächlich führen zu wollen. Erst Recht kann somit nicht angenommen werden, dass ein Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Gegen die Absicht der Klägerin einen Amtshaftungsprozess zu führen, spricht im Übrigen auch der Umstand, dass ihr wegen des Erlöschens des Nachzahlungsanspruchs zum 31. Dezember 2018 schon bei Klageerhebung am 13. Dezember 2018 bewusst sein musste, dass die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung nicht mehr rechtzeitig erfolgen wird. Wäre es Absicht der Klägerin, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, hätte es angesichts der bald nach Klageerhebung eingetretenen Erledigung des klägerischen Begehrens nahegelegen, solche Ansprüche gegenüber der Beklagten zumindest zwischenzeitlich geltend zu machen und damit unmittelbar einen Amtshaftungsprozess anzustrengen. Dass die Klägerin hierauf verzichtete, legt es nahe, dass es ihr nicht um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen geht.
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Die Klägerin hat ferner nicht dargelegt, dass ein Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtlos wäre. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gehört neben der Rechtswidrigkeit der Amtshandlung auch, dass die Amtspflichtverletzung bei der Klägerin einen (kausalen) Vermögensschaden verursacht hat. Es ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger genommen hätten und wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (BGH, U. v. 14.7.2016 - III ZR 265/15 - NVwZ 2017, 251). Ursächlich ist ein Amtspflichtverstoß dabei nicht schon dann, wenn er nur eine Bedingung von mehreren für den Vermögensschaden darstellt (Papier/Shirvani in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 839 Rn. 333). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze mangelt es an Ausführungen, weshalb die behauptete Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung zu einem Schaden in Form des Entgangs des Nachzahlungsanspruchs i.H.v. 1.200.000 € geführt haben könnte. Denn das Entstehen eines Nachzahlungsanspruchs der Klägerin setzt nach der vertraglichen Regelung in Ziff. IX Absatz 5 des Kaufvertrags vom 2. September 2016 nicht nur voraus, dass bis spätestens 31. Dezember 2018 eine Baugenehmigung zur Aufstockung der vorhandenen Gebäude mit einer weiteren Geschoßfläche von mindestens 400 m² erteilt wurde. Zweite Voraussetzung dieses Nachzahlungsanspruchs ist, „dass nicht binnen sechs Wochen nach der Bekanntgabe der Baugenehmigung durch die Baubehörde i.S.d. BayVwVfG ein förmlicher Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung eingelegt wurde.“ Damit wäre ein Nachzahlungsanspruch auch dann nicht entstanden, wenn die Baugenehmigung zwar erteilt worden wäre, diese jedoch innerhalb von 6 Wochen nach ihrer Bekanntgabe durch Dritte angefochten worden wäre, ohne dass es insoweit auf die Erfolgsaussichten des Drittrechtsbehelfs oder gar dessen Ausgang ankommt. Inwiefern eine rechtswidrige Versagung der Baugenehmigung gleichwohl allein ursächlich für das Entstehen eines Schadens durch Verlust des Nachzahlungsanspruchs gewesen ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
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Unabhängig vom mangelhaften Vortrag der Klägerin ist die Geltendmachung des von ihr nur behaupteten Amtshaftungsanspruchs angesichts der Voraussetzungen des (entgangenen) Nachzahlungsanspruchs offensichtlich aussichtslos. Die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen, kann nach ständiger Rechtsprechung ein berechtigtes Feststellungsinteresse i.S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur begründen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1985 - 2 C 42/83 - juris Rn. 19). Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und sich dies ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (BVerwG, U.v. 14.1.1980 - 7 C 92.79 - juris, U.v. 29.4.1992 - 4 C 29.90 - juris, U.v. 8.12.1995 - 8 C 37.93 - juris). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 40.12 - juris Rn. 42).
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Bei Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist ein aus dem Entgang des Nachzahlungsanspruchs abgeleiteter Schadensersatzanspruch offenkundig nicht gegeben. Wie vorstehend ausgeführt, hätte der Nachzahlungsanspruch nur entstehen können, sofern neben der Erteilung einer Baugenehmigung innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Bekanntgabe kein Rechtsbehelf gegen eine erteilte Baugenehmigung eingelegt worden wäre. Selbst wenn ein Anspruch auf Baugenehmigung bestanden hätte und der Beklagten insofern eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen wäre, als sie die Baugenehmigung verweigert hat, könnte dies offensichtlich allein nicht ursächlich für einen Schaden in Gestalt des entgangenen Gewinns aus dem Nachzahlungsanspruch sein. Schon die bloße Erhebung einer Klage durch Dritte gegen eine Baugenehmigung hätte das Entstehen des Nachzahlungsanspruchs verhindert. Es ist völlig ungewiss, ob die Baugenehmigung ohne Dritt-Widerspruch geblieben wäre und damit im Fall ihrer Erteilung auch die zweite Bedingung für das Entstehen des Nachzahlungsanspruchs eingetreten wäre. Vielmehr war gerade aufgrund des Umstands, dass das Vorhaben die gesetzlichen Abstandsflächen nicht einhält und es für die Erteilung der Baugenehmigung einer im Ermessen der Beklagten stehenden Abweichung von Art. 6 Abs. 2 BayBO bedarf, damit zu rechnen, dass ein betroffener Nachbar sich gegebenenfalls gegen eine solche Baugenehmigung gewendet hätte. Ein Nachbarrechtsbehelf wäre allenfalls dann auszuschließen, wenn die betroffenen Nachbarn durch ihre Unterschrift auf den Plänen die Zustimmung zu dem Bauantrag erklärt hätten. Dies ist indes gerade nicht erfolgt (vgl. Bauantragsformular, Bl. 4 der Behördenakte). Die deutliche Verschlechterung der nachbarlichen Situation durch den Anbau an das Gebäude …-Str. 1 und die mit der Erhöhung des Bestandsgebäudes erforderlich werdende Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften legt es im Gegenteil nahe, dass mit der Verweigerung der Unterschrift auch eine Ablehnung des Vorhabens durch die Nachbarschaft einhergeht. Damit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei Erteilung der Baugenehmigung jemals zu einem Entstehen des Nachzahlungsanspruchs gekommen wäre. Die begehrte Feststellung kann einem Amtshaftungsprozess der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen, da der behauptete Schaden offenkundig allein nicht Folge der Versagung der Baugenehmigung ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat gem. § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da sie sich nicht mit der Stellung eines Klageantrags in ein Kostenrisiko begeben hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.