Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 17.01.2020 – W 6 S 19.1686
Titel:

Eilrechtsschutz gegen Gaststättenerlaubnis - Anordnung eines Schallschutzvorhangs

Normenketten:
GastG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
Leitsätze:
1. Individuelle immissionsrelevante Nebenbestimmungen zu einer Genehmigung führen nur dann zu einer tatsächlichen Konfliktbewältigung, wenn sie auf effektive Umsetzung angelegt sind, sodass mit ihrer Beachtung gerechnet werden kann. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Einhaltung von Grenzwerten - wie etwa derjenigen der TA Lärm - als solche entscheidet nicht zwingend über die Zumutbarkeit der von einem gastronomischen Außenbetrieb verursachten Lärmimmissionen auf Nachbarhäuser. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein feststehender Rechtssatz, wonach sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befindet, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung der Erlaubnis geht, ist aus dem geltenden Rechtssystem nicht abzuleiten. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
4. Von Hintergrundmusik ist auszugehen, wenn sich die Lautstärke der Musik den anderen Geräuschen in einer Gaststätte, welche durch Unterhaltungen und andere Nebengeräusche entstehen, unterordnet. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Drittanfechtungsklage gegen eine Gaststättenerlaubnis, Anforderungen an die behördliche Prognose in Bezug auf Lärmimmissionen bei Erteilung einer Gaststättenerlaubnis, gerichtliche Interessenabwägung im einstweiligen Rechtsschutz, gerichtliche Anordnung eines Schallschutzvorhanges im Rahmen des § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO, Hintergrundmusik
Fundstelle:
BeckRS 2020, 314

Tenor

I. Der Antrag wird unter folgenden verbindlich zu beachtenden Maßgaben abgelehnt:
1. Während des Betriebs der Gaststätte ".bar" ist es ab sofort und bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache untersagt, lautere Musik als Hintergrundmusik abzuspielen oder spielen zu lassen, es sei denn, der Beigeladene lässt am Eingang der Gaststätte einen Schallschutzvorhang mit einem bewerteten Schalldämmmaß (Rw) von mindestens 5 dB anbringen.
2. Die Antragsgegnerin hat zu überwachen, dass die vorstehende Vorgabe eingehalten wird.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Gaststättenerlaubnis, die dem Beigeladenen für den Betrieb der Gaststätte ".bar" in Aschaffenburg erteilt wurde.
2
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens ...markt ..., welches er zusammen mit seiner Familie bewohnt. Wenige Meter entfernt liegt das Anwesen .gasse ., bei dem es sich um ein Eckgebäude handelt, welches auch eine Straßenfront zur Straße ...markt hat. In diesem Gebäude wurde zunächst ein Laden betrieben. Am 25. August 1998 wurde dem Eigentümer von der Antragsgegnerin für dieses Grundstück eine Baugenehmigung (Nutzungsänderung) zum Betrieb einer Gaststätte erteilt.
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Am 31. August 2009 wurde der F. eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft ".Bar" im Anwesen der .gasse . erteilt. Am 29. November 2017 ließ der Antragsteller Klage gegen die Antragsgegnerin erheben und beantragte gaststättenrechtliches Einschreiten hinsichtlich der durch die ".Bar" verursachten und auf das Anwesen des Antragstellers einwirkenden Immissionen (W 6 K 17.1372). Nachdem der Betreiber der ".Bar" seinen Gaststättenbetrieb endgültig aufgegeben hatte, wurde das Verfahren mit Beschluss des VG Würzburg vom 23. Oktober 2018 nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.
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2. Gemäß Antrag des Beigeladenen wurde diesem mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Januar 2019 die vorläufige Erlaubnis zum Betrieb der Gaststätte ".bar" in der ...gasse ... gemäß § 11 GastG bis zum 23. April 2019 erteilt.
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Mit Bescheid vom 17. April 2019 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen gemäß § 2 GastG unbefristet die Erlaubnis zum Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft ".bar" samt Gartenwirtschaft in der ....gasse ... Die Erlaubnis umfasst u.a. die Genehmigung zum Betrieb einer Gartenwirtschaft zur .gasse hin mit 36 Sitzplätzen sowie einer Gartenwirtschaft zum ....markt hin mit 12 Sitzplätzen.
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Der Gaststättengenehmigung vom 17. April 2019 sind zur Vermeidung von Lärmbelästigungen diverse "Zusatzauflagen für die ....bar'" beigefügt. Demzufolge ist die Bewirtung und Nutzung des Außenbereichs nur bis 22:00 Uhr auf der Seite des ...marktes bzw. bis 23:00 Uhr in der .gasse gestattet (Nr. 1). Die Stühle und Tische im Außenbereich müssen unmittelbar nach der Beendigung der Nutzung angekettet und verschlossen werden, sodass deren Nutzung außerhalb der Betriebszeit des Außenbereichs unmöglich ist (Nr. 2). Ferner müssen Bestellungen von Gästen im Außenbereich vor Ort aufgenommen und an den Platz gebracht werden, um ein kontinuierliches Ein- und Ausgehen der Gäste zu verhindern (Nr. 3). An Freitagen und Samstagen einer Woche ist ab 22:00 Uhr bis Betriebszeitende ein Türsteher zur Überwachung des Außenbereiches und zum kontrollierten Ein- und Auslass der Gäste einzusetzen (Nr. 4). Schließlich ist in die Musikanlage ein Limiter einzubauen, der von einer zugelassenen Fachfirma auf den zulässigen Wert eingepegelt und manipulationssicher einzurichten ist und dessen regelmäßige Prüfung vom Gastwirt zu dulden ist (Nr. 5).
7
Ferner enthält eine "Anlage zum beiliegenden Bescheid" weitere vom Beigeladenen im Rahmen der erteilten Gaststättenerlaubnis einzuhaltende Auflagen. So hat der Konzessionsinhaber vor und im Lokal für Ruhe zu sorgen und auf ein ruhiges Verhalten der Gäste hinzuwirken sowie darauf zu achten, dass die Nachtruhe benachbarter Anwohner nicht durch unzumutbaren Lärm gestört wird (Nr. 2). Gäste, die sich zum Rauchen vor dem Lokal aufhalten, dürfen keine Getränke mit ins Freie nehmen. Die Dauer des Aufenthalts im Freien ist auf die Zeit des Rauchens zu beschränken (Nr. 3). Türen und Fenster des Lokals müssen ab 22:00 Uhr geschlossen sein (Nr. 4). Einzelne Veranstaltungen (max. 12 Veranstaltungen im Jahr), die über den normalen Gaststättenbetrieb hinausgehen, wie z.B. Faschingsball, Kerbtanz, Live-Musik oder sonstige Veranstaltungen, müssen mindestens eine Woche vorher beim Ordnungsamt angezeigt werden (Nr. 10).
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Schließlich enthält ein weiteres der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 beigefügtes Beiblatt "Auflagen und Betriebszeitregelungen für die Gartenwirtschaften (Außenbewirtschaftung) der ".bar". Danach sind Musikdarbietungen, das Aufstellen von schalltechnischen Anlagen (Lautsprecher usw.) sowie sonstige musikalische Beschallungen der Gartenwirtschaft nicht zulässig (Buchst. d). Beim Auftreten von Lärmbelästigungen oder berechtigten Nachbarschaftsbeschwerden ist der Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb der Gartenwirtschaft vorbehalten (Buchst. e).
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Die Gaststättenerlaubnis wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 20. Mai 2019 übersandt.
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3. Am 18. Juni 2019 ließ der Antragsteller Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 erheben (W 6 K 19.717), über die noch nicht entschieden ist.
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Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt, bereits durch die ".Bar" als Vorgängerlokal der streitgegenständlichen Gaststätte sei es zu erheblichen Lärmbelästigungen gekommen, die auf das nur durch eine schmale Straße getrennte Anwesen des Antragstellers eingewirkt hätten. Die Lärmbelästigungen seien nicht nur aus der Gaststätte selbst gekommen, sondern auch durch vor der Gaststätte stehende Personen. Seit im Nachbargebäude eine Gaststätte betrieben wird, sei der Antragsteller und seine Familie nahezu jede Nacht, insbesondere an Wochenenden, nicht mehr hinnehmbaren Immissionen ausgesetzt. Dies würden mehrere, im Einzelnen chronologisch aufgeführte Vorfälle belegen. Ein zwischenzeitlicher Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb der Außengastronomie der ".Bar" im .markt durch die Antragsgegnerin habe zu keiner spürbaren Verbesserung geführt.
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Die Hauptstörungen gingen von dem Bereich aus, wo sich ...markt und ...gasse kreuzen, mithin vom Eingangsbereich der Gaststätte. Es sei unerheblich, ob die unzulässige Immissionen verursachenden Gäste im Außenbereich von einer Servicekraft bedient würden oder ob dort eine Bewirtschaftung im Selbstbedienungssystem erfolge. Eine Außenbewirtschaftung könne an der Ecke .markt/ .gasse nicht durchgeführt werden, ohne dass es zu unerträglichen Belastungen der Nachbarschaft komme. Lärmimmissionen durch die sich außen aufhaltenden Gäste seien in der Gaststättenerlaubnis nicht berücksichtigt. Das zugrunde gelegte Lärmgutachten enthalte keine Feststellungen zum Außenlärm.
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Auch durch den Gaststättenbetrieb im Inneren würden erhebliche Lärmimmissionen verursacht. Bei jedem Öffnen der Türe wirkten diese Immissionen auf die wenige Meter entfernten Schlafräume des Antragstellers ein. Auch in einer vom damaligen Betreiber der ".Bar" in Auftrag gegebenen Schallschutzprognose vom 9. Mai 2017 der Firma W* . habe der Gutachter erkannt, dass eine Gaststätte, wie sie hier betrieben werde, nur dann die von der TA-Lärm gezogenen Grenzen nicht überschreiten könne, wenn mehrere Maßnahmen gleichzeitig eingehalten würden. Dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen, insbesondere sei die Eingangstüre nicht meistens geschlossen gewesen. Die Annahme im Gutachten, wonach bei Musikbeschallung im Innern und zur Nachtzeit die Eingangstüre in der Regel geschlossen sei und nur zum Durchgang geöffnet werde, wobei eine Öffnungsdauer von 10% angesetzt sei, sei nicht nachvollziehbar. Es habe ein stetiges Kommen und Gehen stattgefunden. Selbst die kurzzeitigen Öffnungen zum Ein- und Austritt seien infolge der impulsartigen Lärmimmissionen besonders störend. Das Gutachten habe dies nicht erörtert.
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Nunmehr werde die Gaststätte vom Beigeladenen unter dem Namen ".bar" nach dem gleichen Muster betrieben wie die ".Bar". Die Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 enthalte nur minimale Änderungen, mit denen die Lärmproblematik nicht in den Griff zu bekommen sei. Die bereits für die Vorgängergaststätte erstellte und nunmehr für die streitgegenständliche Gaststätte zugrunde gelegte Schallschutzprognose arbeite nur mit Hochrechnungen und gehe von einer fehlerhaften Tatsachenbasis aus. Es werde unterstellt, die Festlegung von Emissionen der Beschallungsanlage verhindere bereits das Einwirken von unzulässigen Immissionen auf das Anwesen des Antragstellers. Es fänden sich aber keine Feststellungen, wie oft die Außentüre geöffnet sei. Der den Ausführungen des Gutachtens zugrunde gelegte Türvorhang sei zuletzt nicht vorhanden gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Abstrahlung von Schallimmissionen zugelassen, welche weit über diejenigen hinausgingen, welche von bloßer Hintergrundmusik erzeugt würden.
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Eine Gaststätte der streitgegenständlichen Art könne nicht so geführt werden, dass es zu keinen gesundheitsschädlichen Ruhestörungen komme. Obwohl die Fenster mit Schallschutzverglasung ausgestattet seien, würden starke Lärmimmissionen auf die Schlafräume des Antragstellers einwirken, die einen ausreichenden Schlaf verhindern würden. Der Antragsteller leide an einer arteriellen Hypertonie. Es sei bekannt, dass Lärm einer der Ursachen für diese Erkrankung sein könne.
16
Der Antragsteller habe wegen des nächtlichen Lärms der Gaststätte zwei Wohnungen nicht mehr vermieten können. Von einem der verbleibenden Mieter sei dem Antragsteller aufgrund von Lärmbelästigungen die Minderung der Miete angedroht worden.
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Die Antragsgegnerin trat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, die Klage sei unzulässig, da das Gericht die Gaststättenerlaubnis nicht aufheben könne, sondern lediglich die Antragsgegnerin hierzu verpflichten dürfe. Die Klage sei auch unbegründet, da die Gaststättenerlaubnis Belange des Immissionsschutzes ausreichend berücksichtige. Die Straßenzüge .markt, .gasse und .straße würden die Besonderheit aufweisen, dass sich die dortigen Lokale zu Treffpunkten von jungem Publikum entwickelt hätten. Entsprechend habe sich die Musikuntermalung in den Betrieben geändert. Es gäbe dort nahezu keine Gaststätte mehr, die ohne Hintergrundmusik auskomme. Auch die ".bar" gehöre zu dieser Art von Jugendlokalen. Vor allem an Wochenendnächten freitags und samstags würden sich Scharen von Jugendlichen vom nahe gelegenen ...Parkhaus in die Innenstadt zum ...markt und zur ...gasse bewegen. Erste Kontaktmöglichkeit sei der Bereich um die ".bar", ohne dass dies zwangsläufig Gäste des Lokals seien. Die dem Beigeladenen erteilten Auflagen, etwa wonach die Nachtruhe benachbarter Anwohner nicht durch unzumutbaren Lärm gestört werden dürfe, könne sich nur auf die Gäste des Lokals beziehen, da der Gastwirt auf das Verhalten von Passanten keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten habe. Die vom Antragsgegner in seiner Klageschrift aufgeführten Vorfälle beträfen ausschließlich den Vorpächter und würden pauschal den Gästen der ".Bar" zugeordnet.
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Im Zuge der baurechtlichen Nutzungsänderung des Anwesens ...gasse ... vom 25. August 1998 sei ein Gutachten des TÜV . eingeholt worden, das die Gaststätte hinsichtlich der Innengeräusche in die Geräuschstufe G-III (Gaststätten mit elektrischen Musikanlagen) nach VDI 3761 mit einem mittleren Maximalpegel von bis zu 95 dB (A) einordnete. Schon damals sei davon ausgegangen worden, dass in der Gaststätte eine Musikanlage zum Einsatz komme. Zur Klärung insbesondere der von der Musikanlage ausgehenden Immissionen habe der Pächter der ".Bar" ein Lärmschutzgutachten bei der Firma W. (...) in Auftrag gegeben. Es habe unter Hinzuziehung eines Umweltschutzingenieurs der Antragsgegnerin eine Inaugenscheinnahme der Gaststätte und deren Umgebung stattgefunden. Das Gutachten sei der Antragsgegnerin am 9. Mai 2017 zugesandt und zeitnah auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit geprüft worden. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin habe der Gutachter erklärt, er sei bei der angenommenen Öffnungsdauer der Eingangstüre von 10% der Betriebsdauer von Erfahrungswerten ausgegangen. Das Gutachten sei zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einhaltung schalltechnischer Anforderungen gegeben sei, wenn der Innenraumpegel max. 88 dB(A) betrage, wobei 85 dB(A) der Musikanlage zugestanden werden könne; dies sei durch technische Maßnahmen (z.B. einen Limiter) sicherzustellen. Ferner sei dafür Sorge zu tragen, dass die Eingangstür und der innenliegende Vorhang in der Regel geschlossen sind, z.B. durch einen Türsteher. Schließlich sei laut Gutachten dafür Sorge zu tragen, dass sich zur Nachtzeit in der Regel außer Rauchern keine weiteren Gaststättenbesucher im Außenbereich aufhalten und dass diese sich ruhig verhalten. Auch der Beigeladene habe sich ein Gutachten der Firma W* . erstellen lassen, das deckungsgleich mit dem Gutachten zur ".Bar" sei. Die Einrichtung und Anbringung des Limiters sei durch die Firma W. vorgenommen worden.
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Für nahezu alle Gaststätten der Aschaffenburger Innenstadt gelte für Außenbewirtschaftungen eine Betriebszeitregelung bis 22:00 Uhr. Der Umwelt- und Verwaltungssenat habe in der Sitzung vom 23. November 2005 beschlossen, Außenbewirtschaftungen grundsätzlich täglich bis 23:00 Uhr vorbehaltlich ausdrücklichen Widerrufs zu dulden. Der Stadtrat habe sich von der Überlegung leiten lassen, dass zum einen an nur wenigen Tagen im Sommer in Anbetracht der Temperaturen und des Wetters ein Aufenthalt im Freien über 22:00 Uhr hinaus tatsächlich möglich sei; zum anderen werde dem Nachbarschutz mit dem Vorbehalt des Widerrufs genüge getan. Die Antragsgegnerin sei dem Antragsteller bereits entgegengekommen und habe dem Beigeladenen die Betriebszeit im Bereich des ...marktes auf 22:00 Uhr zurückverlegt. Unzumutbare Lärmbelästigungen der Nachbarn durch die Außenbewirtschaftungen seien nach Aktenlage nicht bekannt. Die Außenbewirtschaftung in der .gasse liege vom Gebäude des Antragstellers aus gesehen "um die Ecke", sodass Störungen nicht möglich seien, zumal außen keinerlei Musik stattfinde. Auch für die Außenbewirtschaftung im .markt würden keine Lärmbelästigungen gesehen. Diese seien eher von der parallel gegenüberliegenden Wohnbebauung zu erwarten gewesen, indes aber nicht aktenkundig. Eine gemeinsame Streife von Polizei und Ordnungsamt bewege sich freitags, samstags und vor Feiertagen jeweils von 22:00 - 4:00 Uhr im Innenstadtbereich, um u.a. gegen Ruhestörungen einzuschreiten. Eine konkrete Überwachung und Dokumentation bezüglich der Einhaltung der dem Beigeladenen erteilten Auflagen habe in der Zeit vom 2. Februar bis 23. Februar 2019 stattgefunden (vgl. Bl. 42 d.A). Es seien keinerlei Auffälligkeiten festzustellen gewesen.
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Der Antragsteller ließ hierauf u.a. erwidern, wenn der Stadtrat die Sperrzeit für Außenbewirtschaftungen in Aschaffenburg generell hinausschiebe, sei er dennoch nicht befugt, das Immissionsschutzrecht zu brechen. Wenn einzelne Örtlichkeiten besonders schutzbedürftig sind, müsse hierauf auch im Einzelfall mit der Festlegung von Sperrzeiten reagiert werden. Der erste Tisch der Außenbewirtschaftung in Richtung .gasse stehe in direktem Blickfeld der Wohnung des Antragstellers; der Lärm der Gäste wirke somit direkt und ungehindert ein. Was den ...markt betreffe, sei es gerade das Haus des Antragstellers, welches parallel zur Außenbewirtschaftung liege. Die Betreiber würden auch Sonderveranstaltungen veranstalten, bei denen DJs ihre eigenen Anlagen mitbrächten, die nicht limitiert seien. Seit Februar 2019 sei es, verursacht durch die Gaststätte ".bar", zu gravierenden Ruhestörungen gekommen, was sich den aufgezählten Vorfällen eines vom Antragsteller erstellten Protokolls entnehmen lasse.
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4. Mit Bescheid vom 22. November 2019 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der dem Beigeladenen mit Bescheid vom 17. April 2019 erteilten Gaststättengenehmigung zum Betrieb der ".bar" an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Gaststättenerlaubnis erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse, da die Gaststättenerlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei. Weiterhin liege der Erhalt von Arbeitsplätzen im öffentlichen Interesse. Die Anordnung des Sofortvollzugs erfolge auch im überwiegenden privaten Interesse des Gastwirts, der erhebliche Investitionen in seinen Betrieb getätigt habe. Bei der Übernahme der Gaststätte sei die komplette Inneneinrichtung entfernt worden; zudem sei ein Austausch bzw. eine Neuinstallation sämtlicher Versorgungsleitungen erfolgt. Es sei vom Beigeladenen eine erhebliche Pachtsumme zu erbringen, die ein permanentes Offenhalten der Gaststätte erforderlich mache. Eine Schließung des Betriebes hätte existenzgefährdende Wirkung. Dagegen stünde das Recht des Antragstellers auf einen möglichst störungsfreien Gaststättenbetrieb und eine ungestörte Nachtruhe. Allerdings sei die Gaststättenerlaubnis mit Auflagen verbunden, die dies gerade sicherstellen sollen. Von besonderer Bedeutung sei ein schalltechnisches Gutachten einer Fachfirma, in dem Aussagen über den zulässigen Rauminnenpegel getroffen wurden. Es seien ferner auch keine Verstöße gegen die getroffenen Auflagen festgestellt worden. Den Interessen des Antragstellers sei damit ausreichend Rechnung getragen; es könne ihm zugemutet werden, den Ausgang des Hauptverfahrens abzuwarten.
22
5. Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019, eingegangen bei Gericht am 23. Dezember 2019, ließ der Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller am 14. Juni 2019 erhobenen Klage wiederherzustellen.
23
Zur Begründung wurde auf das Vorbringen im Hauptsacheverfahren (W 6 K 19.717) Bezug genommen. Ergänzend wurde ausgeführt, die Anordnung des Sofortvollzugs berücksichtige die Interessen des Antragstellers in keiner Weise. Es würden einseitig die Interessen des Beigeladenen dargestellt. Die Angaben zu den Beschäftigten seien unsubstantiiert und unerheblich. Auch durch nicht störende Betriebe könnten Arbeitsplätze geschaffen werden. Es sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den Beigeladenen von den Problemen um den Vorgängerbetrieb informiert habe. Er habe gewusst, wie nahe die Wohnhäuser entfernt waren, weshalb es bei dem Nutzungskonzept zwangsläufig zu Schwierigkeiten kommen würde. Ihm hätte sich aufdrängen müssen, dass Lautstärken, wie er sie in seiner Gaststätte erzeugen wolle, nichts in einer gebietsverträglichen Gaststätte zu suchen hätten. Es gehe nicht um den Ausgleich einer Traditionsgaststätte und althergebrachter Wohnnutzung, sondern um ein neu eröffnetes Lokal ohne jeglichen Anspruch darauf, die althergebrachte Wohnnutzung stören zu dürfen. Das Recht der Nachbarn, nicht Immissionen ausgesetzt zu sein, die die Gesundheit beeinträchtigen, sei wesentlich höher zu werten als das Gewinnstreben eines Gastwirts, welcher eine gebietsunverträgliche Gaststätte betreiben wolle.
24
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzuweisen.
25
Zur Begründung wurde auf den Bescheid vom 22. November 2019 Bezug genommen. Der Antragsteller sei nicht in seinen Rechten verletzt.
26
Der Beigeladene hat sich - ohne Stellung eines förmlichen Antrages - mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020 geäußert.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte im Hauptsacheverfahren (W 6 K 19.717) sowie die Akte im vorhergehenden Klageverfahren (W 6 K 17.1372) und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
28
Der Antrag ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors unbegründet.
29
1. Der Antrag, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der im Hauptsacheverfahren erhobenen Anfechtungsklage, ist statthaft (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO). Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 17. April 2019 entfällt, weil die Antragsgegnerin gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
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Ferner ist der Antragssteller antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Er kann geltend machen, dass er durch die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis möglicherweise in öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Rechten verletzt werden könnte. Die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis ist nur zulässig, wenn der Gewerbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft befürchten lässt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG), die nicht durch Auflagen zum Schutz der Nachbargrundstücke (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) verhindert werden können. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die genannten Vorschriften insoweit nachbarschützenden Charakter haben (vgl. etwa OVG NW, B.v. 3.11.2015 - 4 B 652/15 - juris Rn. 25 m.w.N.). Das Wohngrundstück des Antragstellers liegt der streitgegenständlichen Gaststätte unmittelbar gegenüber. Der Antrag wird vor allem mit schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen begründet, denen der Antragsteller ausgesetzt sei.
31
2. Die mit Bescheid vom 22. November 2019 von der Antragsgegnerin auf Antrag des Beigeladenen erlassene Vollziehungsanordnung nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO weist keine formalen Fehler auf. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist von der Antragsgegnerin insbesondere in § 80 Abs. 3 VwGO genügender Weise mit überwiegenden öffentlichen und privaten Interessen unter konkreter Bezugnahme auf die Besonderheiten des Falles begründet worden.
32
3. In der Sache hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach Maßgabe des Tenors keinen Erfolg. Hinsichtlich des Beurteilungsmaßstabes verweist der Gesetzgeber (über § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO) auf § 80 Abs. 5 VwGO. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Hierbei sind die Besonderheiten des dem Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zugrundeliegenden mehrpoligen Prozessrechtsverhältnisses zu berücksichtigen. Ein feststehender Rechtssatz, wonach sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befindet, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung der Erlaubnis geht, ist aus dem geltenden Rechtssystem nicht abzuleiten (BVerfG, B.v. 1.10.1984 - 1 BvR 231/84 - GewArch 1985, 16; BayVGH, B.v. 8.8.2008 - 22 CS 08.1326 - juris Rn. 9). Die Frage, wer hier bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, bestimmt sich nach dem materiellen Recht, also der Erfolgsaussicht der Hauptsache (BVerfG, B.v. 1. 10. 2008 - 1 BvR 2466/08 - NVwZ 2009, 240 [242]). Sind nach der alleine gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs allerdings offen, bedarf es auch im Rahmen des §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO einer von den Erfolgsaussichten losgelösten gerichtlichen Abwägung der vorhandenen öffentlichen Interessen und der Interessen des Adressaten der begünstigenden Genehmigung an der sofortigen Vollziehung des Bescheids sowie des durch diese belastenden Dritten an der gerichtlichen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 25).
33
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache eingelegten Klage des Antragsstellers gegen die Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 als offen anzusehen (3.1.). Die daher gebotene originäre Interessenabwägung des Gerichts ergibt, dass die Interessen des Beigeladenen sowie die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug der Gaststättenerlaubnis und damit am einstweiligen Weiterbetrieb der Gaststätte bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs nach Maßgabe der im Tenor ersichtlichen Auflage überwiegen (3.2.).
34
3.1. Die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache als Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ohne Zweifel zulässigen Rechtsbehelfs des Antragstellers sind nach Maßgabe einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage in der Sache als offen anzusehen. Ob die vom Antragsteller angegriffene Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 rechtswidrig ist und den Antragsteller möglicherweise in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann auf Grundlage des Vorbringens der Beteiligten sowie nach Aktenlage derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
35
Die Rechtmäßigkeit einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis (§ 2 GastG) ist im Falle ihrer Anfechtung durch einen Dritten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 18.3.1998 - BVerwG 1 B 33.98 - juris Rn.11; OVG NW, B.v. 3.11.2015 - 4 B 652/15 - juris Rn. 16). Gleiches muss für einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gelten, da im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids zunächst eine tragende Rolle spielt (VG München, B.v. 19.02.2018 - M 16 SN 17.5512 - juris Rn. 24).
36
Die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis ist nur zulässig, wenn der Gaststättenbetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft befürchten lässt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG), die nicht durch Auflagen zum Schutz der Nachbargrundstücke verhindert werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG haben insoweit nachbarschützenden Charakter (vgl. OVG NW, B.v. 3.11.2015 - 4 B 652/15 - juris Rn. 25 bis 28).
37
Im Hinblick auf den Versagungsgrund nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG setzt die Erteilung der Erlaubnis eine auf den Eintritt etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bezogene Prognose der Behörde voraus, die auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt werden muss. Im Rahmen dieser Prognose können auch Erfahrungen mit der Lärmbelastung durch einen Vorgängerbetrieb zu berücksichtigen sein (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2012 - 22 ZB 12.34 - juris Rn. 12 und 14; VG München, B.v. 19.02.2018 - M 16 SN 17.5512 - juris Rn. 26). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das zu prüfende Betriebskonzept des Nachfolgers - wie vorliegend - wenig von demjenigen des Vorgängers unterscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2012 - 22 ZB 12.34 - juris Rn. 12 und 14).
38
Betriebszeitbeschränkungen und Auflagen, die der Gewährleistung des gesetzlichen Nachbarschutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dienen, müssen diesen Nachbarschutz ausreichend gewährleisten. Hierzu gehört, dass sich die zulässige Grenze zumutbarer bzw. zulässiger Belastung für Nachbarn und Betreiber bestimmen lässt und ihre Einhaltung aufgrund der Regelungen in der Genehmigung sichergestellt erscheint, sodass sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwangs durchsetzen lässt. Individuelle immissionsrelevante Nebenbestimmungen führen nur dann zu einer tatsächlichen Konfliktbewältigung, wenn sie auf effektive Umsetzung angelegt sind, sodass mit ihrer Beachtung gerechnet werden kann (OVG NW, B.v. 3.11.2015 - 4 B 652/15 - juris Rn. 29 f., 35 f., 50 f.).
39
Ob die streitgegenständliche Gaststättenerlaubnis der ".bar" vom 17. April 2019 einschließlich der darin getroffenen nachbarschützenden Auflagen entsprechend der aufgezeigten Maßstäbe rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bleibt nach Maßgabe einer summarischen Prüfung offen. Dabei ist eine differenzierte Würdigung der vom Innenraum der Gaststätte (3.1.1.) sowie der vom Außenbereich (3.1.2.) ausgehenden Lärmemissionen geboten.
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3.1.1. In Bezug auf die von der Gaststätte des Beigeladenen ausgehenden Lärmimmissionen beruht die der Gaststättenerlaubnis der ".bar" zugrundeliegende Lärmprognose der Antragsgegnerin tragend auf einer Verträglichkeitsprüfung zum Schallimmissionsschutz der Firma W* . (* .*) vom 18. Februar 2019 (Bl. 34-38 d.A.). Das Gutachten beruht unter anderem auf einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten des Vorgängerbetriebs, die unter Hinzuziehung eines Umweltschutzingenieurs der Antragsgegnerin erfolgte.
41
Maßstab der Berechnungen des schalltechnischen Gutachtens ist der in Mischgebieten geltende Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel von 60 dB(A) am Tage sowie 45 dB(A) in der Nacht gemäß Nr. 6.1 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Insoweit bestehen gegen eine tragende Bezugnahme der Antragsgegnerin auf das Lärmgutachten im Ausgangspunkt keine rechtlichen Bedenken, als es um die vom Innenraum der Gaststätte ausgehenden Geräusche geht. Denn zur Beantwortung der Frage, ob von der Gaststätte des Beigeladenen schädlichen Umweltauswirkungen ausgehen, hatte (und hat) die Beklagte die TA Lärm insoweit bindend zu beachten, als gaststättenrechtlich relevante Betätigungen innerhalb geschlossener Räume ("Innengastronomie") inmitten stehen (BayVGH, U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - juris Rn. 52 ff.).
42
Dass es sich beim fraglichen Gebiet - Ecke .markt/ .gasse - um ein Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO handelt, ist bislang unstreitig und erscheint auch im Übrigen als plausibel. Auch die dem Anwesen der .gasse . am 25. August 1998 erteilte baurechtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung des vorherigen Ladens in eine Gaststätte sieht nach Auskunft des Antragstellers die für Mischgebiete einzuhaltenden Lärmgrenzwerte vor.
43
Das Lärmgutachten der Firma W. gelangt auf Basis einer Rückrechnung, die bei summarischer Prüfung keine offenbaren Mängel erkennen lässt, zu dem Ergebnis, dass bei einem maximalen Innenpegel von 88 dB(A) in der Gaststätte an den maßgeblichen Immissionsorten der Immissionsrichtwert für Mischgebiete eingehalten werden. Aus fachlicher Sicht können laut Gutachten bei diesem Innenpegel 85 dB(A) der Beschallungsanlage der Gaststätte zugestanden werden. Am Anwesen des Antragstellers ist hiernach bei Betrieb der Musikanlage ein Beurteilungspegel von bis zu 45 db(A) am Immissionsort 1 und 3 (östlicher Gebäudeteil ...markt ...) sowie ein Beurteilungspegel von 40 dB(A) am zurückliegenden Immissionsort 2 (westlicher Gebäudeteil ...markt ...) zu erwarten. Der maßgebliche Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel in Mischgebieten von 45 db(A) zur Nachtzeit wird so laut Gutachten am Anwesen des Antragstellers gewahrt.
44
Eine dementsprechende manipulationssichere Einpegelung der in der ".bar" eingebauten Beschallungsanlage durch einen Limiter hat die Antragsgegnerin dem Beigeladenen sowohl im Rahmen der vorläufigen Gaststättenerlaubnis vom 23. Januar 2019 als auch als Teil der endgültigen Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zur Auflage gemacht. Der Einbau des Limiters samt Versiegelung erfolgte ausweislich der Behördenakte am 21. Januar 2019 durch die Firma W. Die Antragsgegnerin hat die Verplombung am 23. Januar 2019 in Augenschein genommen. Dass - wie der Antragsteller behauptet - in der Gaststätte des Beigeladenen auch Sonderveranstaltungen veranstaltet würden, bei denen DJs ihre eigenen nicht eingepegelten Anlagen mitbrächten, ist im summarischen Verfahren nicht feststellbar. Hiergegen spricht nach gegebener Aktenlage die Auskunft der Antragsgegnerin, wonach es (Stand: 22.2.2019) drei DJ-Veranstaltungen gegeben habe, bei denen die Musikdarbietung über die eingepegelte Anlage erfolgt sei (Bl. 33 d.A.).
45
Tragende Annahme der Rückrechnung der von der Beschallungsanlage ausgehenden Lärmimmissionen ist ausweislich der Feststellung des Gutachtens unter anderem die Annahme, wonach bei Musikbeschallung im Innern sowie grundsätzlich zur Nachtzeit die Eingangstür der Gaststätte in der Regel geschlossen ist und nur zum Durchgang geöffnet wird. Angesetzt wird hierfür eine pauschale Öffnungsdauer von 10%. Die angenommene Öffnungsdauer begegnet bei der im einstweiligen Rechtsschutz anzustellenden kursorischen Prüfung keinen durchgreifenden Bedenken. Der Ansatz beruht auf Erfahrungswerten des Gutachters, dessen fachliche Expertise weder substantiiert angegriffen wurde, noch Zweifeln des Gerichts unterliegt. Dass es anstatt einer pauschalen Annahme der Öffnungsdauer konkreter Feststellungen zur Öffnungszeit der Türe bedurft hätte, wie der Antragssteller vorbringt, erscheint nicht zwingend, da die Würdigung der von einer Gaststätte ausgehenden Lärmimmissionen im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG in weitem Umfang einen prognostischen Charakter aufweist.
46
Im Rahmen der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 wird der gutachterlichen Annahme der grundsätzlichen Schließung von Türen und Fenster durch die dem Beigeladenen auferlegte Verpflichtung Rechnung getragen, im Gaststättenbetrieb Türen und Fenster ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten. Zusätzlich hat der Beigeladene an Freitagen und Samstagen ab 22:00 Uhr sowie bei Sonderveranstaltungen einen Türsteher zur Überwachung des kontrollierten Ein- und Auslasses der Gäste einzusetzen, der den Geräuschpegel im Auge behalten soll. Verstöße des Beigeladenen gegen diese lärmschutzrelevanten Auflagen konnten nach Aktenlage von der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden. Insgesamt acht im Zeitraum vom 2. Februar bis 23. Februar 2019 stattgefundene Kontrollen einer gemeinsamen Streife von Polizei und Ordnungsamt (vgl. Bl. 42 f. d.A) hätten keine Auffälligkeiten gezeigt.
47
Weitere Bedingung der Einhaltung des Immissionsrichtwertes für den Beurteilungspegel in Mischgebieten gem. Nr. 6.1 der TA Lärm am Anwesen des Antragstellers ist bei Betrieb der eingepegelten Beschallungsanlage laut Lärmschutzgutachten vom 18. Februar 2019 der Einbau eines an der Eingangstür anzubringenden innenliegenden schweren Vorhanges. So wird ausgeführt, dass aus Erfahrung mit vergleichbaren Aufgabenstellungen für den Raum zwischen Tür und Vorhang eine Schallreduzierung um ca. 5 dB bei geschlossenem Vorhang angesetzt werden könne (S. 3 des Gutachtens, Bl. 35 d.A). Weiter wird ausgeführt, dass aus fachlicher Sicht zur Einhaltung der schalltechnischen Anforderungen als Geräuschminderungsmaßnahme (unter anderem) der Einbau eines solchen innenliegenden Vorhangs an der Eingangstür der Gaststätte erforderlich sei (S. 4 des Gutachtens, Bl. 36 d.A). Dies kann nur so verstanden werden, dass ohne Einbau eines Vorhangs nicht sichergestellt ist, dass die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel der TA Lärm für Mischgebiete bei Betrieb der auf 85 dB(A) eingepegelten Musikanlage in voller Lautstärke eingehalten werden.
48
Es ist daher nicht gänzlich auszuschließen, dass die Antragsgegnerin bei Erteilung der Gaststättenerlaubnis der ".bar" zur Abwehr unzumutbarer Lärmbelästigungen auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG in Ausfüllung des ihr grundsätzlich zustehenden Ermessens eine Verpflichtung zum Einbau eines schalldämmenden Vorhangs hätte vorsehen müssen. Aus der vorgelegten Behördenakte wird nicht erkennbar, warum der Einbau eines solchen schalldämmenden Vorhangs dem Beigeladenen im Rahmen seiner Gaststättenerlaubnis nicht zur Auflage gemacht wurde. Der Antragsteller weist darauf hin, dass der Eingang der Gaststätte tatsächlich nicht über einen solchen Vorhang verfüge. Auch die vom Gericht eingesehenen, auf der Webseite der Gaststätte des Beigeladenen veröffentlichen Lichtbilder der Räumlichkeiten der ".bar" zeigen keinen am Eingang angebrachten Vorhang.
49
Die zur Beurteilung, ob vom Betrieb der Innengastronomie der Gaststätte des Beigeladenen schädliche Umweltauswirkungen ausgehen, bindende TA Lärm (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - juris Rn. 52 ff.) trifft gem. Nr. 6.1 neben Grenzwerten für den einzuhaltenden Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel auch die Bestimmung, wonach kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten dürfen. Kurzzeitige Geräuschspitzen im Sinne der TA Lärm sind durch Einzelereignisse hervorgerufene Maximalwerte des Schalldruckpegels, die im bestimmungsgemäßen Betriebsablauf auftreten. (vgl. Nr. 2.8 TA Lärm; näher Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 90. EL Juni 2019, TA Lärm Nr. 2 Rn. 44).
50
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei kurzzeitig geöffneter Eingangstür der Gaststätte zum Ein- und Auslass der Gäste und gleichzeitigem Betrieb der eingepegelten Musikanlage in voller Lautstärke kurzzeitige Geräuschspitzen auftreten, die das im Mischgebiet für Geräuschspitzen zulässige Maß der TA Lärm überschreiten. Das der immissionsschutzrechtlichen Prognose der Antragsgegnerin zugrundeliegende Schallschutzgutachten vom 18. Februar 2019 enthält keine näheren Angaben, welche kurzfristigen Schallpegel an den maßgeblichen Immissionsorten am Anwesen des Antragstellers bei der im Betrieb der Gaststätte zwingend erforderlichen zeitweisen Öffnung der Eingangstür und gleichzeitigem Betrieb der eingepegelten Beschallungsanlage in voller Lautstärke zu erwarten und zu bewerten sind. Der Antragsteller hat indes nicht nur im zugrundeliegenden Verfahren, sondern bereits im gerichtlichen Verfahren zum Vorgängerbetrieb (W 6 K 17.1372) auf besonders störende impulsartige Lärmimmissionen bei kurzzeitigen Öffnungen der Eingangstür hingewiesen. Das Gericht hat die Antragsgegnerin bereits im Verfahren W 6 K 17.1372 um eine ergänzende immissionsschutzfachliche Stellungnahme gebeten, die sich mit der monierten Impulshaftigkeit der Geräuschentwicklung beim Öffnen und Schließen der Türe befasst. Eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung hiermit ist allerdings weder dem nunmehr maßgeblichen Schallschutzgutachten vom 18. Februar 2019 zu entnehmen, noch lässt die vorgelegte Behördenakte eine vor Erlass der streitgegenständlichen Gaststättengenehmigung getroffene fachliche Einschätzung zu etwaigen Geräuschspitzen bei Öffnung der Eingangstüre erkennen. Es kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass die der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zugrundeliegende Lärmprognose der Antragsgegnerin auf einer nicht hinreichenden Tatsachengrundlage beruht.
51
3.1.2. Auch die Tatsachengrundlage der behördlichen Lärmprognose in Bezug auf einen etwaigen Eintritt schädlicher Lärmimmissionen, die von den genehmigten Außenbereichen der Gaststätte des Beigeladenen ausgehen, erscheint unvollständig.
52
Die im Rahmen der § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erforderliche behördlichen Prognose gebietet eine umfassende Konfliktbewältigung. Auf Grundlage einer hinreichenden Tatsachenbasis ist eine Bewertung der Zumutbarkeit der drohenden Immissionen vorzunehmen. Wird der fragliche Lärm (auch) von Menschen verursacht, hängt die Zumutbarkeit von einem Bündel von Faktoren ab, die nur unvollkommen in einem einheitlichen Messwert aggregierend erfasst werden können. Dies gilt gerade für Geräusche, die von Gästen im Außenbereich einer Gaststätte verursacht werden und von Betreibern gastronomischer Betriebe - anders als bei gewerblichem Lärm im herkömmlichen Sinne - nicht umfassend zu steuern sind. Eine Einhaltung von Grenzwerten - wie etwa derjenigen der TA Lärm - als solche entscheidet daher nicht zwingend über die Zumutbarkeit der von einem gastronomischen Außenbetrieb verursachten Lärmimmissionen auf Nachbarhäuser (vgl. BVerwG, B.v. 3.8.2010 - 4 B 9.10 - juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 3.11.2015 - 4 B 652/15 - juris Rn. 35; OVG NW, B.v. 25.6.2008 - 10 A 2525/07 - juris Rn. 14 ff.; eingehend zur lärmschutzrechtlichen Beurteilung von Freischankflächen BayVGH, U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - juris Rn. 58 ff.).
53
Die vorgelegte Behördenakte enthält indes keine lärmschutzfachliche Stellungnahme und Beurteilung der von den gaststättenrechtlich genehmigten Außenbereichen der ".bar" ausgehenden Schallemissionen. Das der lärmschutzrechtlichen Prognose der Antragstellerin zugrundeliegende Schallschutzgutachten vom 18. Februar 2019 geht zwar davon aus, dass die Straßenzüge der .gasse und des .marktes vor dem Fenster der Gaststätte gastronomisch genutzt werden (S. 1 des Gutachtens, Bl. 34 d.A.). Eine fachliche Stellungnahme zu den von den Außenbereichen zu erwartenden Lärmimmissionen findet sich darin jedoch nicht. Es enthält nur den Hinweis des Gutachters, durch sich im Freien aufhaltende Personen könnten zur Nachtzeit schalltechnische Konfliktsituationen nicht ausgeschlossen werden. Unerwähnt bleiben etwaige Konfliktsituationen bei Betrieb der Freischankflächen am Tage. Es kann insoweit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorzunehmende, gaststättenrechtlich gebotene Konfliktbewältigung in Bezug auf die genehmigte Außengastronomie im Ergebnis unzutreffend ist und es insoweit möglicherweise weiterer Betriebsbeschränkungen bedurft hätte. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin dem Betreiber des Vorgängerbetriebs ".Bar" unstreitig die Erlaubnis zum Betrieb einer Außengastronomie vor dem Anwesen des Antragstellers im .markt widerrufen hatte. Aus welcher fachlichen Einschätzung heraus die Antragsgegnerin nunmehr für den Betrieb der ".bar" wiederum von der grundsätzlichen Zumutbarkeit einer Außengastronomie im .markt ausgeht, ist gegenwärtig nicht erkennbar.
54
3.2. Ungeachtet der aufgezeigten Zweifel an der Tragfähigkeit der auf den Eintritt etwaiger schädlicher Umwelteinwirkungen bezogenen Prognose der Antragsgegnerin sind die Erfolgsaussichten der vom Antragsteller in der Hauptsache eingelegten Klage gegen die Gaststättenerlaubnis der ".bar" nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit offen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die weitere Sachaufklärung im laufenden Hauptsacheverfahren ergibt, dass der Erteilung der Gaststättenerlaubnis weder zwingende Versagungsgründe i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG entgegenstanden, noch dass die Nichtauferlegung von nachbarschützenden Auflagen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG ermessensfehlerhaft war. Insbesondere hat die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren Gelegenheit, weitere Erwägungen darzubringen, die ihre der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 zugrundeliegende Lärmprognose tragen (vgl. zum "Nachschieben von Gründen" bei gebundenen sowie Ermessensentscheidungen Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 28).
55
Da die Erfolgsaussichten der Hauptsache mithin offen sind, ist im Rahmen der gerichtlichen Ermessenentscheidung eine originäre Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen des Antragstellers am Suspensiveffekt zu ermitteln und in die Erwägungen einzubeziehen. Auch die Vollzugsinteressen sind - ohne Bindung an den Vortrag oder gar die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO - zu ermitteln und ebenfalls gewichtet in die Abwägung einzustellen. (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93). Hierbei gilt es die Besonderheiten des dem Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zugrundeliegenden mehrpoligen Prozessrechtsverhältnisses zu berücksichtigen. Ein feststehender Rechtssatz, wonach sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befindet, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung der Erlaubnis geht, ist aus dem geltenden Rechtssystem nicht abzuleiten (BVerfG, B.v. 1.10.1984 - 1 BvR 231/84 - GewArch 1985, 16; BayVGH, B.v. 8.8.2008 - 22 CS 08.1326 - juris Rn. 9). Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich nicht entnehmen, dass eine der beiden Rechtspositionen aus sich heraus bevorzugt wäre. Sind - wie hier - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs offen, bedarf es einer von den Erfolgsaussichten losgelösten gerichtlichen Abwägung der ggf. vorhandenen öffentlichen Interessen sowie der Interessen des Adressaten der begünstigenden Genehmigung und des durch diese belastenden Dritten (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 25).
56
Eine gerichtliche Abwägung der widerstreitenden Belange gelangt vorliegend zu einem Überwiegen des öffentlichen und privaten Interesses des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Gaststättenerlaubnis gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers (3.2.1.). Indes hält das Gericht bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache die Anordnung eines Schallschutzvorhanges nach Maßgabe des Tenors zur Sicherstellung der Rechte des Antragstellers für geboten, sofern in der ".bar" künftig lautere Musik als Hintergrundmusik abgespielt werden soll (3.2.2).
57
3.2.1. Ein Suspensivinteresse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann aus der vom Antragsteller angeführten Gesundheitsbeeinträchtigung durch das Ausgesetztsein von Lärm folgen. Der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Lärmimmissionen stellt im Rahmen der Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eine staatliche Aufgabe von hohem verfassungsrechtlichen Rang dar. Einfachgesetzlich wahrgenommen wird die Schutzpflicht im Bereich der Abwehr gesundheitsschädlicher (Lärm-)Immissionen vor allem durch den Erlass des Bundesimmissionsschutzgesetzes einschließlich der einschlägigen Verordnungen sowie durch die gesetzliche Anordnung einer Berücksichtigung immissionsschutzrechtlicher Belange in sonstigen Genehmigungsverfahren, so auch im Rahmen der streitgegenständlichen gaststättenrechtlichen Erlaubnis (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG). Verwaltung und Gerichte sind bei der Anwendung und Auslegung der betreffenden Vorschriften von Verfassungs wegen angehalten, bei der Ausfüllung der vom Gesetz- und Verordnungsgeber eröffneten Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume im konkreten Einzelfall einen effektiven Gesundheitsschutz zu verwirklichen. Indes handelt es sich auch beim Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit um keinen absoluten Verfassungsrang. Im Widerstreit konfligierender Verfassungsgüter ist ein schonender Ausgleich der betroffenen Interessen im Sinne einer praktischen Konkordanz unter Berücksichtigung des abstrakten Rangs der Rechtsgüter sowie ihrer konkreten Gefährdung herzustellen.
58
Vorliegend wurden jedoch vom Antragssteller schon keine hinreichenden Anhaltspunkte dargelegt, wonach er durch die vom Beigeladenen seit Januar 2019 betriebene Gaststätte einem solchen Lärm ausgesetzt wäre, der über die bloße Belästigung hinausgehend die Schwelle zur konkreten lärmbedingten Gesundheitsgefahr übersteigt. Alleine der Umstand, dass sich der Antragsteller wegen einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) in Behandlung befindet, rechtfertigt - unter Berücksichtigung des noch aufzuzeigenden öffentlichen und privaten Interesses am Sofortvollzug der Gaststättenerlaubnis sowie aufgrund der offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache - nicht die aus einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zwingend folgende Schließung der Gaststätte des Beigeladenen bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache. In Deutschland hat nach wissenschaftlichen Schätzungen jeder dritte Erwachsene Bluthochdruck (Neuhauser/Sarganas, Hoher Blutdruck: Ein Thema für alle, hrsg. Robert Koch-Institut, Berlin, GBE kompakt 4/2015). Risikofaktoren für Bluthochdruck sind ein Zusammenwirken von Erbanlagen, Alter, Geschlecht und verschiedenen ungünstigen Ernährungs- und Lebensbedingungen, wozu auch lärmbedingter Stress zählen kann. Die vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Bescheinigung trifft aber weder eine Aussage zu Ausmaß und Ursache der behaupteten Erkrankung, noch hinsichtlich einer akuten und lärmbedingten gesundheitlichen Gefährdung des Antragstellers.
59
Auch der Verweis des Antragstellers, er habe wegen des nächtlichen Lärms der Gaststätte zwei seiner Wohnungen im Anwesen .markt . in Aschaffenburg nicht mehr vermieten können, vermag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nicht zu rechtfertigen. Die Stadt Aschaffenburg zählt laut Nr. 6.1.1 der Anlage zu § 1 der Bayerischen Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften vom 16. Juli 2019 (GVBl S. 458, 552, BayRS 400-6-J) zu den Gebieten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Deshalb erscheint es unwahrscheinlich und nicht plausibel, dass der Antragsteller freie Wohnungen in seinem Anwesen, das in der zentralen Innenstadt von Aschaffenburg gelegenen ist, dauerhaft nicht mehr vermieten kann.
60
Würde das Gericht die aufschiebende Wirkung in vollem Umfang wiederherstellen, dürfte die Gaststätte des Beigeladenen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht weitergeführt werden. Würde sich nachher herausstellen, dass die Erlaubnis - gegebenenfalls unter weitergehenden Auflagen - rechtmäßig gewesen wäre, würde dies in unberechtigter Weise zu erheblichen Nachteilen des Beigeladenen sowie voraussichtlich auch zu einer Existenzgefährdung des Gaststättenbetriebes führen. Daher überwiegt bereits das private Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019. Ausweislich der auf der Webseite der Gaststätte veröffentlichten Lichtbilder besteht kein Zweifel, dass der Beigeladene im Zuge des Umbaus der Inneneinrichtung der Gaststätte erhebliche Investitionen getätigt hat. Entsprechend des auf einen langen Zeitraum geschlossenen Pachtvertrages hat der Beigeladene eine hohe monatliche Pacht zu zahlen. Aus diesen Gründen erscheint das Vorbringen der Antragsgegnerin plausibel, wonach bereits die mit einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verbundene vorübergehende Schließung des Betriebes eine existenzgefährdende Wirkung begründen würde. Sowohl die vom Beigeladenen getätigten Investitionen, als auch die Fortführung des Gewerbebetriebes genießen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GG). Die Schutzwürdigkeit ist auch nicht deshalb vermindert, weil der Beigeladene von der Antragsgegnerin vor Erteilung der Gaststättenerlaubnis auf den in Bezug auf die Vorgängergaststätte geführten Rechtsstreit sowie die Beschwerden des Antragstellers hingewiesen wurde. Insoweit ist zu beachten, dass das Verfahren W 6 K 17.1372 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen ohne abschließende inhaltliche Sachentscheidung eingestellt wurde. Im Übrigen durfte der Beigeladene aufgrund der von der Antragsgegnerin zu beachtenden Gesetzesbindung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die ihm erteilte Gaststättenerlaubnis rechtmäßig ist.
61
Schließlich besteht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse am Fortbestehen des Sofortvollzugs. Schützenswert sind die Arbeitsplätze der in der Gaststätte des Beigeladenen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Anstellung ebenfalls im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG jeweils grundrechtlichen Schutz genießt. Dies vermag auch nicht der Hinweis des Antragsstellers infrage zu stellen, wonach Arbeitsplätze auch durch nichtstörende Betriebe geschaffen werden können. Grundrechtlich geschützt ist - mit Ausnahme hier keinesfalls gegebener sozialschädlicher Tätigkeiten - die berufliche Tätigkeit in dem vom Grundrechtsträger wahrgenommenen Umfang. Im Übrigen ist die Festlegung des konkreten Betriebskonzeptes, die für das Störpotential einer Gaststätte entscheidend ist, dem Entscheidungsbereich der im Betrieb abhängig Beschäftigten typischerweise entzogen.
62
3.2.2. Wenngleich nach Maßgabe der Interessenabwägung eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ausscheidet, hält das Gericht zur Wahrung der Belange des Antragsstellers bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache die Anordnung einer im Betrieb der Gaststätte des Beigeladenen zu beachtenden gerichtlichen Auflage für erforderlich. Deren Anordnung erfolgt in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO (instruktiv Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 169 m.w.N; siehe auch BayVGH, B.v. 11.10.2017 - 15 CS 17.1055 - juris Rn. 16).
63
Nach Maßgabe des schallschutztechnischen Gutachtens vom 18. Februar 2019, welches die Antragsgegnerin ihrer Lärmprognose tragend zugrunde gelegt hat, werden die maßgeblichen Beurteilungspegel am Anwesen des Antragstellers unter anderem bei einem Einbau eines an der Eingangstür der Gaststätte anzubringenden Vorhangs sichergestellt. Weiter führt das Lärmgutachten aus, dass aus Erfahrung mit vergleichbaren Aufgabenstellungen für den Raum zwischen Tür und Vorhang eine Schallreduzierung um ca. 5 dB bei geschlossenem Vorhang angesetzt werden könne. Dies kann - wie bereits oben festgestellt - nur so verstanden werden, dass ohne Einbau eines Vorhangs nicht sichergestellt werden kann, dass am Anwesen des Antragstellers die bindenden Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel der TA Lärm für Mischgebiete eingehalten werden, wenn die auf 85 dB(A) eingepegelte Musikanlage in voller Lautstärke betrieben wird.
64
Der Einbau eines schalldämmenden Vorhanges wurde dem Beigeladenen weder zur Auflage gemacht, noch ist ein solcher nach Auskunft des Antragstellers sowie entsprechend einer Einsichtnahme auf der Webseite des Beigeladenen veröffentlichter Bilder tatsächlich vorhanden. Da sich die Antragsgegnerin die fachliche Stellungnahme der Firma W* . vom 18. Februar 2019 im Rahmen ihrer Lärmprognose uneingeschränkt zu Eigen gemacht hat, muss sie sich an die dort aufgeführten Geräuschminderungsmaßnahmen umfassend festhalten lassen. Es besteht daher zum Schutz des Antragstellers vor unzumutbarer Lärmbelästigung durch die Beschallungsanlage der Gaststätte die gebotene Veranlassung, bis zur Entscheidung in der Hauptsache sicherzustellen, dass die gemäß dem Gutachten vom 18. Februar 2019 tatsächlich erforderlichen Voraussetzungen für die Einhaltung der Immissionsrichtwerte am Anwesen des Antragstellers bei einem Betrieb der Musikanlage der ".bar" in voller Lautstärke tatsächlich gegeben sind.
65
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung war daher mit der Maßgabe abzulehnen, wonach es im laufenden Betrieb der ".bar" ab sofort bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache untersagt ist, lautere Musik als Hintergrundmusik abzuspielen oder spielen zu lassen. Dies gilt solange, bis der Beigeladene am Eingang der Gaststätte einen Lärmschutzvorhang mit einem bewerteten Schalldämmmaß (Rw) von mindestens 5 dB anbringen lässt, der im laufenden Betrieb der Gaststätte in der Regel zu schließen ist.
66
Von Hintergrundmusik ist auszugehen, wenn sich die Lautstärke der Musik den anderen Geräuschen in der Gaststätte, welche durch Unterhaltungen und andere Nebengeräusche entstehen, unterordnet (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2018 - 1 ZB 18.765 - juris Rn. 5). Die Festsetzung des Schalldämmmaßes auf 5 dB beruht auf der Annahme des Gutachtens vom 18. Februar 2019, wonach bei einer dementsprechenden dämmenden Wirkung des Vorhanges von einer Einhaltung der Immissionsrichtwerte ausgegangen werden kann.
67
Lässt der Beigeladene einen entsprechenden Vorhang anbringen, ist bei geschlossenem Vorhang ein Abspielen von Musik im Innenraum der .bar in einer Hintergrundmusik übersteigenden Lautstärke bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zulässig, soweit im Übrigen der Rahmen und die Auflagen der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 eingehalten werden. Die Überwachung der vorstehenden Bestimmungen obliegt der Antragsgegnerin als zuständiger Behörde.
68
Zu weitergehenden einstweiligen Beschränkungen des Umfangs der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 bzw. weiteren ergänzenden Auflagen wird aktuell keine Veranlassung gesehen. Die in der Gaststättenerlaubnis vom 17. April 2019 getroffenen nachbarschützenden Auflagen, die bei Feststellung von Verstößen mittels Verwaltungszwangs durchsetzbar sind, erscheinen jedenfalls bis zur abschließenden Entscheidung der Hauptsache ausreichend. Insbesondere ist in Bezug auf die genehmigte Außengastronomie jahreszeitbedingt eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung des Antragstellers durch von den Freischankflächen ausgehende Lärmimmissionen derzeit nicht zu befürchten.
69
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen. Die hälftige Kostenteilung erscheint im Hinblick auf die Offenheit der Hauptsache sachgerecht. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin entgegen den expliziten Ausführungen des Schallschutzgutachtens vom 18. Februar 2019 dem Beigeladenen keinen Einbau eines Schalldämmvorhanges verpflichtend auferlegte, obwohl sie die fachliche Stellungnahme ihrer Lärmprognose tragend zugrunde gelegt hat.
70
Im Übrigen hat sich das Gericht im Rahmen seines Ermessens von der Erwägung leiten lassen, die tatsächliche Kostenlast der Beteiligten zu berücksichtigen. Beauftragt nur der Antragsteller einen Rechtsanwalt, entstehen der Behörde aber keine außergerichtlichen Kosten, kommt eine verhältnismäßige Kostenteilung in schwieriger liegenden Fällen in Betracht, in denen ein vernünftiger Kläger die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur Herstellung prozessualer Waffengleichheit für angezeigt halten durfte (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 155 Rn. 4). Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er sich mangels Antragstellung nicht am Prozessrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
71
5. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 54.1, Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.