Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 11.02.2020 – 8 Ns 507 Js 1472/17
Titel:

Arbeitsentgelt, Veruntreuen, Vorenthalten, Krankenkasse, Beitrag, Wertersatz

Normenkette:
StGB § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 53, § 73, § 73c
Schlagworte:
Arbeitsentgelt, Veruntreuen, Vorenthalten, Krankenkasse, Beitrag, Wertersatz
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Urteil vom 01.03.2019 – 47 Cs 507 Js 1472/17
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 06.07.2020 – 203 StRR 270/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 31282

Tenor

I. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.03.2019 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens nebst seiner notwendigen Auslagen.

Entscheidungsgründe

A.
Gegenstand der Berufung
1
Mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.03.2019 wurde der Angeklagte wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 30 Fällen gem. §§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2, 53 StGB schuldig gesprochen und zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Außerdem wurde bei ihm die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 25.114,83 Euro angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
B.
Persönliche Verhältnisse
3
Der Angeklagte wurde am … in … geboren, ist verheiratet und Vater zweier mittlerweile siebenjähriger Zwillinge.
4
Er wuchs in … und Umgebung bei seinen Eltern auf. Die Hauptschule schloss er ohne den qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation brach er ab. Im Alter von 18 Jahren machte er sich selbständig als Monteur für Fenster, Türen und Rollos. Am Anfang arbeitete lediglich sein Vater im Betrieb mit, später hatte er bis zu vier Angestellte. Zum 31.12.2016 meldete er das Gewerbe ab. Am 01.02.2017 trat er eine Stelle bei der Fensterfirma … als angestellter Monteur an. November 2017 wechselte er zu einer anderen Fensterfirma, bei der bis Juli 2018 angestellt war. Seit dem 01.09.2018 ist er bei der Stadt … als Lader für die Abfallwirtschaft angestellt, wo er ca. 2000 Euro netto monatlich verdient. Der Arbeitsvertrag ist bis zum 31.08.2020 befristet. Nebenberuflich fährt er in den Abendstunden für die Firma … auf geringfügiger Basis Essen aus und erzielt hierdurch ein weiteres Einkommen von monatlich zwischen 295 Euro und 380 Euro.
5
Seine Ehefrau verdient ca. 700 Euro netto monatlich. Mit ihr ist er Eigentümer des Wohnhauses, dessen ersten Stock er mit seiner Familie, dessen Erdgeschoss seine Eltern zur Miete und dessen Keller eine Bekannte des Angeklagten bewohnt. Seine Eltern zahlen an den Angeklagten und seine Ehefrau Miete in Höhe von 900 Euro, welche zur Tilgung des Hauskredites in Höhe von 1700 Euro monatlich verwendet wird. Bei seiner im Kellergeschoss lebenden Bekannten hat er Schulden in Höhe von ca. 20.000 Euro, die aus seiner früheren Selbständigkeit herrühren und die er monatlich tilgt, indem die Bekannte die monatliche Miete in Höhe von 500 Euro nicht an ihn zahlt. Zur Tilgung des Hauskredites wendet er monatlich weitere 400 Euro auf. Den Rest zahlen seine Eltern. Bei einem weiteren Bekannten hat er Schulden in Höhe von ca. 6.000 Euro, die ebenfalls aus seiner früheren Selbständigkeit herrühren.
6
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 22.01.2020 weist für ihn keinen Eintrag aus.
C.
Tatsachverhalt
7
Der Angeklagte war bis Ende 2016 Inhaber des Einzelunternehmens … mit Sitz in …, das die Vermittlung von Arbeitskräften für Baudienstleistungen ebenso zum Gegenstand hatte wie Transporte bis 3,5 t Gesamtgewicht. Die Betriebsnummer der … lautete ….
8
In diesem Unternehmen war … bis zum 30.06.2013 als Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich gemeldet und bei der … Krankenkasse versichert.
9
Im Zeitraum vom Juli 2013 bis Juli 2016 wurde … weiterhin persönlich abhängig als Monteur mit dem Einbau von Fenstern beschäftigt, obgleich er von dem Angeklagten formal wie ein selbständiger Subunternehmer behandelt wurde (sogenannte Scheinselbständigkeit). In der Zeit von Januar bis Mai 2015 erbrachte … aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitsleistungen für den Angeklagten.
10
… stellte dem Angeklagten regelmäßig, meistens monatlich, Rechnungen über seine Tätigkeit, in denen er die geleisteten Stunden mit einem Stundensatz abrechnete. Der Stundensatz belief sich bis August 2015 stets auf 12,00 Euro. Im Anschluss wurden einige Arbeitsleistungen mit einem Stundensatz von 15,00 Euro („Stundensatz …“) abgerechnet, während im Übrigen der Stundensatz weiterhin 12,00 Euro betrug. Das für die Ausführung der jeweiligen Tätigkeit erforderliche Material wurde … durch den Angeklagten oder seine Auftraggeber zur Verfügung gestellt.
11
Der Angeklagte war als Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass auch die Bruttovergütung von … bei den für sein Unternehmen bis zum fünftletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Beschäftigungsmonats an die zuständigen Krankenkassen zu übermittelnden Beitragsnachweisen berücksichtigt wurde und dass für ihn Beiträge zur Gesamtsozialversicherung, bestehend aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen, bis zum drittletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Beschäftigungsmonats an die zuständige Krankenkasse abgeführt wurden.
12
Der Angeklagte übermittelte der … Krankenkasse für sein Unternehmen betreffend den Zeitraum von Juli 2013 bis einschließlich Juli 2016 für … überhaupt keine monatlichen Beitragsnachweise. Dementsprechend zahlte er in den jeweiligen Monaten auch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die … Krankenkasse.
13
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
Einzugsstelle: …

Jahr

2013

Fall

Beitragsmonat

Gearbeitete Stunden

Mit 15 € abgerechnete Stunden

Mindestlohn pro Stunde

Bruttolohn

vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge

Arbeitgeberanteil

Arbeitnehmeranteil

Gesamt

1

Jul 13

199,57

0,00

13,70 €

2.734,11 €

527,00 €

551,61 €

1.078,61 €

2

Aug 13

211,18

0,00

13,70 €

2.893,17 €

557,66 €

583,70 €

1.141,36 €

3

Sep 13

170,11

0,00

13,70 €

2.330,51 €

449,21 €

470,18 €

919,39 €

4

Okt 13

204,89

0,00

13,70 €

2.806,99 €

541,05 €

566,31 €

1.107,36 €

5

Nov 13

142,00

0,00

13,70 €

1.945,40 €

374,98 €

392,48 €

767,46 €

6

Dez 13

100,25

0,00

13,70 €

1.373,43 €

264,73 €

277,09 €

541,82 €

Summe:

2.714,63 €

2.841,37 €

5.556,00 €

Beitragssätze:

KV: 15,5 %, davon AG: 7,30 %

RV: 18,9 %, davon AG: 9,45 %

AV 3,00 %, davon AG: 1,5 %

PV: 2,05 %, davon AG: 1,025 %

Jahr

2014

Fall

Beitragsmonat

Gearbeitete Stunden

Mit 15 € abgerechnete Stunden

Mindestlohn pro Stunde

Bruttolohn

vorenthaltene

Sozialversicherungsbeiträge

Arbeitgeberanteil

Arbeitnehmera nteil

Gesamt

7

Jan 14

141,00

0,00

13,95 €

1.966,95 €

379,13 €

396,83 €

775,96 €

8

Feb 14

124,50

0,00

13,95 €

1.736,77 €

334,75 €

350,39 €

685,14 €

9

Mrz 14

177,50

0,00

13,95 €

2.476,12 €

477,27 €

499,55 €

976,82 €

10

Apr 14

167,00

0,00

13,95 €

2.329,65 €

449,03 €

470,00 €

919,03 €

11

Mai 14

133,00

0,00

13,95 €

1.855,35 €

357,62 €

374,32 €

731,94 €

12

Jun 14

141,00

0,00

13,95 €

1.966,95 €

379,13 €

396,83 €

775,96 €

13

Jul 14

147,50

0,00

13,95 €

2.057,62 €

396,61 €

415,12 €

811,73 €

14

Aug 14

174,00

0,00

13,95 €

2.427,30 €

467,86 €

489,71 €

957,57 €

15

Sep 14

150,00

0,00

13,95 €

2.092,50 €

403,33 €

422,17 €

825,50 €

16

Okt 14

150,00

0,00

13,95 €

2.092,50 €

403,33 €

422,17 €

825,50 €

17

Nov 14

146,00

0,00

13,95 €

2.036,70 €

392,58 €

410,91 €

803,49 €

Summe:

4.440,64 €

4.648,00 €

9.088,64 €

Beitragssätze:

KV: 15,5 %, davon AG: 7,30 %

RV: 18,9 %, davon AG: 9,45 %

AV: 3,00 %, davon AG: 1,5 %

PV: 2,05 %, davon AG: 1,025 %

Jahr

2015

Fall

Beitragsmonat

Gearbeitete Stunden

Mit 15 € abgerechnete Stunden

Mindestlohn pro Stunde

Bruttolohn

vorenthaltene

Sozialversicherungsbeiträge

Arbeitgeberanteil

Arbeitnehmeranteil

Gesamt

18

Jun 15

147,50

0,00

14,20 €

2.094,50 €

404,77 €

421,53 €

826,30 €

19

Jul 15

165,50

0,00

14,20 €

2.350,10 €

454,15 €

472,95 €

927,10 €

20

Aug 15

159,75

0,00

14,20 €

2.268,45 €

438,38 €

456,53 €

894,91 €

21

Sep 15

170,50

131,00

14,20 €

2.525,90 €

488,13 €

508,34 €

996,47 €

22

Okt 15

130,00

21,50

14,20 €

1.863,20 €

360,06 €

374,97 €

735,03 €

23

Nov 15

115,00

78,50

14,20 €

1.695,80 €

372,72 €

341,29 €

714,01 €

Summe:

2.518,21 €

2.575,61 €

5.093,82 €

Beitragssätze:

KV: 15,4 %, davon AG: 7,30 %

RV: 18,70 %, davon AG. 9,35 %

AV: 3,00 %, davon AG: 1,5 %

PV: 2,35 %, davon AG: 1,175 %

Jahr

2016

Fall

Beitragsmona

Gearbeitete Stunden

Mit 15 € abgerechnete Stunden

Mindestlohn pro Stunde

Bruttolohn

vorenthaltene

Sozialversicherungsbeiträge

Arbeitgeberanteil

Arbeitnehmeranteil

Gesamt

24

Jan 16

55,00

keine Angabe möglich

14,45 €

794,75 €

153,59 €

161,54 €

315,13 €

25

Feb 16

125,38

keine Angabe möglich

14,45 €

1.811,60 €

350,09 €

368,21 €

718,30 €

26

Mrz 16

138,00

keine Angabe möglich

14,45 €

1.994,10 €

385,36 €

405,30 €

790,66 €

27

Apr 16

162,00

keine Angabe möglich

14,45 €

2.340,90 €

452,38 €

475,79 €

928,17 €

28

Mai 16

148,00

keine Angabe möglich

14,45 €

2.138,60 €

413,29 €

434,68 €

847,97 €

29

Jun 16

148,00

keine Angabe möglich

14,45 €

2.138,60 €

413,29 €

434,68 €

847,97 €

30

Jul 16

162,00

keine Angabe möglich

14,45 €

2.340,90 €

452,38 €

475,79 €

928,17 €

Summe:

2.620,38 €

2.755,99 €

5.376,37 €

Beitragssätze:

KV: 15,4 %, davon AG: 7,30 %

RV: 18,70 %, davon AG. 9,35 %

AV: 3,00 %, davon AG: 1,5 %

PV: 2,35 %, davon AG 1,175 %

14
Die der … Krankenkasse vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge belaufen sich auf insgesamt 25.114,83 Euro.
D.
Beweiswürdigung
I. Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
15
Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen insoweit glaubhaften Angaben.
16
Aus dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 22.01.2020 ergibt sich, dass dort keinerlei Eintragung vorhanden ist.
II. Feststellungen zum Tatsachverhalt
17
Die Feststellungen zum Tatsachverhalt beruhen insbesondere auf den Angaben des Angeklagten und denen des Zeugen …, soweit diesen jeweils gefolgt werden konnte, sowie den verlesenen und im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingebrachten Urkunden.
1. Einlassung des Angeklagten
18
Der Angeklagte hat den objektiven Tatbestand, namentlich die vom Zeugen … für das Unternehmen … gearbeiteten und abgerechneten Stunden, eingeräumt.
19
Eines Tages habe der Zeuge … um eine Lohnerhöhung gebeten. Er habe etwa 1700 Euro netto monatlich verlangt. Der Angeklagte habe dies abgelehnt. Bis dahin habe der Zeuge … als Angestellter zwischen 1.200 und 1.300 Euro netto verdient. Der Zeuge … habe dann erklärt, sich selbständig machen zu wollen. Der Angeklagte habe nichts dagegen einzuwenden gehabt. Der Angeklagte wisse, dass der Zeuge … weder Führerschein noch Auto noch Werkzeug besessen habe. Die Firmen … (nachfolgend: …) und die Firma … (nachfolgend: …) hätten gewollt, dass die Firma des Angeklagten und nicht … Vertragspartner sei, wenn … für diese Firmen als „Subunternehmer“ tätig werde. War der Angeklagte für die Firma … eingesetzt, sei seine Arbeitsstunde mit 15 Euro vergütet worden und mit 12 Euro, wenn er für die Firma … tätig gewesen sei. Es sei auch vorgekommen, dass sich … an Wochenenden Werkzeug vom Angeklagten ausgeliehen habe, um z.B. bei dem Zeugen … Fenster und Türen einzubauen. Der Angeklagte habe für das Ausleihen nie etwas verlangt. Manchmal habe sich der Zeuge … von der Baustelle abgemeldet bzw. einzelne Aufträge des Angeklagten auch abgelehnt.
20
Der Angeklagte ist aber der Ansicht, dass der Zeuge … kein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer, sondern ein selbständiger Subunternehmer gewesen sei. Insbesondere meint er, dass der Zeuge … nicht nur als Selbständiger gehandelt habe, soweit er für andere Auftraggeber, namentlich die Zeugen … und … einzelne Aufträge ausgeführt habe, sondern auch, wenn er für die Firma … und die Firma … tätig gewesen sei. Er - der Angeklagte - sei hierbei lediglich als Vermittler von Arbeitskräften aufgetreten. Auch wenn sämtliche Rechnungen an die Firmen … und … ausschließlich von der … ausgestellt worden seien, habe es sich in Wahrheit um eine selbständige Tätigkeit des Zeugen … gehandelt.
21
Gegen diese Ansicht spricht jedoch das Ergebnis der Beweisaufnahme:
2. Angaben der Zeugen … und …
22
Zwar behaupte auch der Zeuge …, „selbständig“ gewesen zu sein. 2013 sei besprochen worden, dass er sich selbständig mache. Er habe dann ein Gewerbe angemeldet und versucht, Aufträge für sich an Land zu ziehen. Stellenweise habe dies ganz gut funktioniert, manchmal auch nicht. Er habe von der Firma … bzw. … bzw. … größere Aufträge erhalten. Im Dezember 2014 habe er sich den Fuß gebrochen und sei ein halbes Jahr ausgefallen. Er habe versucht, wieder beruflich Fuß zu fassen. Er hätte sich das Auto vom Angeklagten ausleihen können, wenn er einen Führerschein gehabt hätte. Seine Arbeitszeit habe er der Firma des Angeklagten in Rechnung gestellt. Auf Vorhalt, dass das Honorar von 12 Euro pro Stunde unter dem damaligen Tariflohn für Arbeitnehmer im Baugewerbe gelegen habe, hat der Zeuge angegeben, dass er eben „blöd“ gewesen sei.
23
Er habe immer noch Schulden bei der … Krankenkasse für rückständige Beiträge aus seiner „Selbständigkeit“. Er habe auch Aufträge des Angeklagten ablehnen und sich auch die Arbeitszeit frei einteilen können. Im gesamten Tatzeitraum habe er kein einziges Mal Urlaub gemacht. Für seinen Betrieb habe er durch Mundpropaganda geworben. Eigene Angestellte oder Auszubildende habe er nie gehabt. Seine Wohnanschrift sei auch seine Firmenanschrift gewesen.
24
Der Zeuge …, Vater des Angeklagten, hat bekundet, bei der Firma … Bürotätigkeiten verrichtet zu haben. Der Zeuge … habe einzelne Aufträge ablehnen können und dies auch mehrmals getan. Auch nach Ansicht des Zeugen … sei der Zeuge … für die Firma … als Subunternehmer tätig gewesen.
3. Tatnachweis
25
Der Zeuge … hatte zwar ein Gewerbe angemeldet. Er war aber kein selbständiger Unternehmer. Vielmehr handelte es sich weiterhin um einen abhängig Beschäftigten des Angeklagten, der in dessen Betrieb und die dortigen Arbeitsabläufe eingebunden war. Er stellte seine Arbeitskraft dem Angeklagten zur Verfügung und erhielt hierfür die vereinbarte Vergütung.
26
a) … machte keine nennenswerte Werbung für sich und sein Unternehmen, obwohl ihm dies erlaubt gewesen wäre. Er berichtete lediglich im Freundes- und Bekanntenkreis, dass er nunmehr „selbständig“ tätig sei. Der Zeuge … hatte auch keine Arbeitnehmer oder Auszubildenden. Er verfügte über kein Fahrzeug, keinerlei eigene Arbeitsmaterialien und war daher auf die Betriebsmittel der Firma des Angeklagten angewiesen. Bei seiner „Firmenanschrift“ handelte es sich um seine Wohnanschrift.
27
b) Zwar war der Zeuge … berechtigt, Aufträge Dritter anzunehmen. Jedoch nahm der Zeuge …, auch nachdem er angeblich selbständig geworden war, also ab Juli 2013, keine Aufträge von anderen Auftraggebern als von dem Angeklagten an, die seine Arbeitskraft in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen hätten. Dass der Zeuge … neben seiner Tätigkeit für die … auch selbständig vereinzelt Aufträge Dritter angenommen hat, steht einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der … im Übrigen auch nicht entgegen, zumal der Zeuge … nach dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum eigenen Angaben nach wieder formell abhängig beschäftigt war und auch neben dieser abhängigen Beschäftigung selbständig für den Zeugen … tätig geworden ist (sh. unten). Die Aufträge, welche der Zeuge … unabhängig von dem Angeklagten erhielt, stammten zudem meist von Personen, mit denen er persönlich bekannt war:
28
Der Zeuge … hat bekundet, in der Nachbarschaft des Angeklagten gelebt zu haben. Der Zeuge …, den der Zeuge … nannte, habe für ihn einmal eine Haustüre eingebaut (Auftrag vom 05.09.2014 - laut verlesener Rechnung vom 16.10.2014).
29
Die Zeugin … hat angegeben, sie habe dem Zeuge … - „…“ - 2014 den Auftrag gegeben, in ihrer Kneipe, in der dieser vor Auftragsvergabe auch Gast gewesen sei, zwei Fenster und eine Tür einzubauen.
30
Die Zeugin … konnte sich nicht daran erinnern, ob ihr der Angeklagte oder der Zeuge … empfohlen worden war. Weitere Aufträge als denjenigen vom 20.11.2014 (Montage eines Fensters) habe die Zeugin … allerdings nicht an den Zeugen …, wohl aber an die Firma des Angeklagten vergeben.
31
Der Zeuge …, Ehemann der Schwester des Zeugen …, hat bekundet, der Zeuge … habe im Sommer 2015 eine Balkontüre und ein Fenster bei ihm und seiner Ehefrau eingebaut.
32
Der Zeuge … hat angegeben, den Zeugen … von klein auf zu kennen. Dieser habe für ihn einmal auftragsgemäß ein Fenster eingebaut.
33
Ausweislich der Angaben des Zeugen … in erster Instanz, welche im Rahmen der Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurden - der Zeuge … war trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienenen und konnte auch nicht polizeilich vorgeführt werden -, war der Zeuge … nach dem hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum für diesen tätig. Der Zeuge … habe das Haus der Schwiegermutter des Zeugen … in … übernommen, sodass es in diesem Zusammenhang zum Auftrag an den Zeugen … gekommen sei.
34
Der Zeuge … hat bekundet, er verkaufe Fenster und der Zeuge … habe bei ihm 2014 einmal Fenster für ca. 5.500 Euro bestellt, jedoch nicht bezahlt. Die Forderung des Zeugen … gegen den Zeugen … sei mittlerweile tituliert, deren Vollstreckung jedoch ohne Aussicht auf Erfolg.
35
Der Zeuge … von der Firma … hat bekundet, der Angeklagte habe als Subunternehmer von der Firma … Fenster gekauft. Der Zeuge könne sich nicht daran erinnern, dass jemand für die Firma des Angeklagten auf einer Baustelle gewesen war, ohne dass der Angeklagte oder dessen Vater dabei gewesen wären.
36
Der Zeuge … hat bekundet, er habe bis Ende 2017 bei der Firma … gearbeitet. Diese Firma habe Monateaufträge an die Firma des Angeklagten als Subunternehmen weitergegeben. Er kenne den Zeugen …. Dieser habe bei der Firma des Angeklagten als Helfer gearbeitet.
37
Weder dem Zeugen … noch dem Zeugen … sei bekannt gewesen, dass der Zeuge … als „Selbständiger“ gearbeitet haben soll.
38
Anhaltspunkte an der Glaubwürdigkeit der Zeugen bzw. an der Glaubhaftigkeit deren Angaben zu zweifeln bestanden nicht.
39
c) Die Anzahl der vom Zeugen … geleisteten Stunden bewegte sich oft im Bereich eines in Vollzeit tätigen Arbeitnehmers, wie den verlesenen „Rechnungen“ des Zeugen … an die Firma des Angeklagten bzw. den Unterlagen der Finanzbuchhaltung der … zu entnehmen ist.
40
Demnach hat der Zeuge … in den folgenden Zeiträumen die folgende Anzahl an Stunden gearbeitet:

Zeitraum

Stundenanzahl

2013

01.07.2013-29.07.2013

178,5

30.07.2013-21.08.2013

158

22.08.2013-31.08.2013

74,25

01.09.2013-27.09.2013

160

28.09.2013-20.10.2013

141,5

21.10.2013-31.10.2013

73,5

04.11.2013-30.11.2013

142

01.12.2013-17.12.2013

100,25

2014

07.01.2014-31.01.2014

141

04.02.2014-28.02.2014

124,5

01.03.2014-31.03.2014

177,5

01.04.2014-30.04.2014

167

01.05.2014-31.05.2014

133

01.06.2014-30.06.2014

141

01.07.2014-31.07.2014

147,5

01.08.2014-31.08.2014

174

01.09.2014-30.09.2014

150

01.10.2014-31.10.2014

150

01.11.2014-30.11.2014

146

01.12.2014-31.12.2014

94,25

2015

28.05.2015-29.06.2015

147,5

30.06.2015-31.07.2015

165,5

01.08.2015-31.08.2015

159,75

01.09.2015-30.09.2015

140,5

01.10.2015-31.10.2015

129,5

01.11.2015-30.11.2015

115

2016

Januar 2016

55

Februar 2016

125,37

März 2016

138

April 2016

162

Mai 2016

148

Juni 2016

148

Juli 2016

162

41
Ausweislich der vorliegenden Rechnungen des Zeugen … wurde dieser faktisch nahezu vollzeitig vom Angeklagten beschäftigt. Aufgrund des Umfangs der Tätigkeit für den Angeklagten wäre der Zeuge … zeitlich und körperlich kaum in der Lage gewesen, in nennenswertem Umfang für andere Auftraggeber oder Arbeitgeber tätig zu werden. Zudem handelt es sich bei Fensterbau, wie der Zeuge … bestätigt hat, um eine körperlich anstrengende Arbeit.
42
Außer derjenigen, die als Zeugen gehört oder deren Aussage bzw. Rechnungen in der Hauptverhandlung verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens eingebracht werden konnten, waren ihm keine weiteren Auftraggeber erinnerlich. Auch aus den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingebrachten Bankauskünften ergibt sich nichts anderes. Im Übrigen arbeitete der Zeuge … ausschließlich für die ….
43
d) Dass die Firma des Angeklagten sich lediglich auf Vermittlung des ansonsten selbständig tätigen Zeugen … begrenzt hätte, wird zum einen durch die verlesenen Rechnungen der Firma des Angeklagten an die Auftraggeber … und …, zum anderen durch die Aussage des Zeugen … widerlegt. Dieser hat dargelegt, dass die Stundensätze, die für ihn gezahlt wurden, mit der Firma … ausgemacht worden seien und er selbst keinen Einfluss hierauf habe nehmen können. Weiterhin erklärte er, dass sämtliche Einsätze bei den Firmen … und … über die Firma des Angeklagten abgesprochen worden seien, zumal diese gewusst habe, wann er einsetzbar gewesen sei.
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e) Der Zeuge … war nicht in der Lage darzustellen, inwieweit sich seine Tätigkeit von der anderer Arbeitnehmer, welche der Angeklagte mit derselben Tätigkeit, nämlich Fenstermontage, beschäftigte, unterschieden haben soll. Der Zeuge … wusste lediglich, dass die Firma … keine Sozialabgaben für ihn zu zahlen habe und ihm daher mehr Geld ausbezahlt werden könne.
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Zwar hat er angegeben, vereinzelt auch Aufträge der Firma … abgelehnt zu haben, worin der Unterschied zu seiner Tätigkeit bis zum 30.06.2013 bestanden haben soll. In Anbetracht der Vielzahl der für die Firma des Angeklagten geleisteten Stunden dürfte dies jedoch nicht allzu oft vorgekommen sein.
46
f) Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht weiterhin die dem Zeugen … seitens der … gezahlte - unter dem tariflichen Mindestlohn (sh. allgemeinverbindliche Tarifverträge für das Baugewerbe vom 28.04.2011 und 03.05.2013) für abhängig Beschäftigte (!) Stundenvergütung - von meist 12 Euro, vereinzelt auch - über dem Mindestlohn liegend - 15 Euro. Ein Selbständiger würde niemals zu so einem niedrigen Honorar arbeiten. Die Firma … stellte der Firma … die Arbeitsstunde des Zeugen … mit 30 Euro in Rechnung, wie aus den verlesenen Rechnungen der Firma … hervorgeht. Dagegen stellte der Zeuge … seinen eigenen Kunden seine Arbeitsleistung deutlich teurer in Rechnung. So stellte er beispielsweise der Zeugin … für die De- und Montage 3.000 Euro, der Zeugin … für die De- und Montage 790 Euro in Rechnung, wie aus den verlesenen Rechnungen vom 20.11.2014 bzw. 28.11.2014 hervorgeht.
47
g) Die Berechnung des Schadens erfolgt auf der Grundlage der Rechnungen des Zeugen … bzw. der Finanzbuchhaltung der …, welche verlesen und im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingebracht wurden. Der so ermittelten Arbeitsstundenzahl war der jeweilige Mindestlohn der Lohngruppe II des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für das Baugewerbe, dessen jeweilige Höhe aus den obigen Tabellen ersichtlich ist, zugrunde zu legen, um den Lohn des Zeugen … und hieraus die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge zu ermitteln.
48
h) Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Mit Ausnahme der etwaigen persönlichen Kontakte zu anderen Auftraggebern waren ihm sämtliche Umstände der Tätigkeiten des Zeugen … bekannt. Denn der Zeuge … benötigte, wie er ausführte und auch der Angeklagte selbst darlegte, dessen Bus und Werkzeuge, um für andere Auftraggeber Aufträge auszuführen. Ein wesentlicher Unterschied zu der Tätigkeit des Zeugen … vor dem 01.07.2013 bestand im Tatzeitraum nicht, sodass er auch deswegen zumindest billigend in Kauf genommen haben muss, dass der Zeuge … als tatsächlich abhängig Beschäftigter bei ihm angestellt war.
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Ein Antrag nach § 7a SGB IV auf Entscheidung, ob in der Tätigkeit des Zeugen … für sein Unternehmen eine abhängige Beschäftigung vorliegt, hat der Angeklagte nicht gestellt. Ebenso wenig hat er anderweitig fachkundigen Rat zwecks Klärung dieser Frage eingeholt, weder bei seinem Steuerberater noch bei einem Rechtsanwalt.
E.
Rechtliche Würdigung
50
Der Angeklagte hat sich damit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 30 Fällen gem. §§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1 und 2, 53 StGB schuldig gemacht.
F.
Strafzumessung
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Bei der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 266a Abs. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe vorsieht.
52
Zugunsten des Angeklagten fiel ins Gewicht, dass er nicht vorbestraft war, zumindest teilgeständig war und die Taten nunmehr mehrere Jahre zurückliegen.
53
Zu seinen Lasten musste der Zeitraum gesehen werden, über den hinweg der Angeklagte handelte - die Beschäftigung des … war auf eine gewisse Dauer angelegt - und die enorme Schadenshöhe.
54
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält auch das Berufungsgericht für jeden Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt mit einem Schaden bis zu 1.000 Euro eine Einzelgeldstrafe von 30 Tagessätzen und bei einem Schaden von über 1.000 Euro eine solche von 40 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.
55
Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war aus diesen Einzelgeldstrafen eine Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen zu bilden, §§ 53, 54 StGB. Entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten war die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 30 Euro festzusetzen. Hierbei wurde berücksichtigt, dass der Angeklagte bemüht ist, die Schulden aus seiner Zeit als Selbständiger abzuzahlen.
G.
Einziehung von Wertersatz
56
Gemäß §§ 73, 73c StGB hat das Erstgericht auch zu Recht die Einziehung von Wertersatz hinsichtlich aller der Techniker Krankenkasse vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge, insgesamt 25.114,83 Euro, angeordnet.
H.
Kosten
57
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.