Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 16.01.2020 – 11 WF 1243/19
Titel:

Verfahren gegen Wertfestsetzung in einem Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge

Normenketten:
FamGKG § 33 Abs. 1, § 45 Abs. 1, Abs. 3, § 59 Abs. 1
FamFG § 156
Leitsätze:
1. Wird in einem Verfahren zur elterlichen Sorge auch eine vom Gericht gebilligte Umgangsregelung getroffen, so ist ein Verfahrenswert aus der Summe der Verfahrensgegenstände Umgang und elterliche Sorge festzusetzen, weil die Billigung eine Sachprüfung, mithin ein Verfahren, voraussetzt und einer Entscheidung zum Umgang gleichsteht (im Anschluss an BGH FamRZ 2019, 1616 Rn. 20). Ein überschießender Vergleichswert ist deshalb nicht festzusetzen. (Rn. 13)
2. Wird in einem Verfahren zur elterlichen Sorge ein Wechselmodell mit konkreten Betreuungszeiten vereinbart, so ist dies bei der Festsetzung des Verfahrenswerts einer in dem Verfahren erfolgten Umgangsregelung gleichzustellen. (Rn. 19)
Schlagworte:
Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgangsregelung
Vorinstanz:
AG Neustadt a.d. Aisch, Beschluss vom 07.11.2019 – 1 F 352/18
Fundstellen:
MDR 2020, 353
FF 2020, 167
JurBüro 2020, 149
FamRZ 2020, 857
BeckRS 2020, 309
LSK 2020, 309
NJW 2020, 2280
FuR 2020, 599

Tenor

Auf die Beschwerde der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a.d. Aisch vom 07.11.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Verfahrenswert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Ihrer Beschwerde wendet sich die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin gegen die Wertfestsetzung in einem Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge.
2
Der Antragsteller beantragte im vorliegenden Hauptsacheverfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein gemeinsames minderjähriges Kind auf sich.
3
Die Beteiligten schlossen im Termin vom 31.10.2018 nach der Ankündigung des Gerichts, ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, folgende „Zwischenvereinbarung“:
„1. Die Beteiligten sind sich einig, dass T… seinen Aufenthalt von Freitag nach dem Kindergarten bis Montag vor dem Kindergarten bei der Antragsgegnerin und von Montag nach dem Kindergarten bis Freitag vor dem Kindergarten beim Antragsteller hat. Sollte der Kindergarten geschlossen haben, wird T… die Zeit von Montagvormittag bis Freitagnachmittag beim Vater verbringen. …“
4
Nach Eingang des Sachverständigengutachtens schlossen die Beteiligten in einem weiteren Anhörungstermin folgende Vereinbarung:
„I. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass sie weiterhin gemeinsam das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben.
II. Hinsichtlich des Aufenthalts T… bei den Kindeseltern vereinbaren sie, dass T… jeweils neun Tage bei der Kindsmutter und fünf Tage beim Kindsvater verbringt. Die Kindsmutter wird T… am Montag, den 11.11. vom Kindergarten abholen und 20.11. in den Kindergarten bringen. Der Kindsvater wird T… am 20.11. vom Kindergarten abholen und am Montag, den 25.11. zum Kindergarten bringen. Dieser Turnus wiederholt sich. …
VI. Die Kosten des Verfahrens und dieser Vereinbarung werden gegeneinander aufgehoben.“
5
Zu einer Billigung beider Vereinbarungen hat sich das Amtsgericht nicht geäußert.
6
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 07.11.2019 den Verfahrenswert für das Verfahren auf 4.500,00 € festgesetzt. Die Festsetzung beruhe auf § 45 Abs. 3 FamGKG. Eine Erhöhung des Verfahrenswerts rechtfertige sich aus den besonderen Umständen. Es seien zwei Termine erforderlich gewesen, eine Zwischenvereinbarung sei geschlossen worden und die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
7
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin mit seiner am 21.11.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde und beantragt, neben dem Verfahrenswert von 4.500,00 € einen weiteren Verfahrenswert für die Vereinbarung (Umgang [vom 06.11.2019]) in Höhe von 3.000,00 € festzusetzen. Er moniert, Ziffer II der geschlossenen Vereinbarung beinhalte eine zusätzliche Regelung des Umgangs der Beteiligten mit dem gemeinsamen Kind, so dass diesbezüglich ein überschießender Vergleichswert in Höhe von 3.000,00 € festzusetzen sei. Der festgesetzte Verfahrenswert von 4.500,00 € beziehe sich ausschließlich auf Ziffer I.
8
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hatte schon zuvor eine entsprechende Änderung des Beschlusses angeregt.
9
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, bereits aus der Wortwahl der Vereinbarung vom 6.11.2019 ergebe sich, dass die Beteiligten eine Regelung über den Aufenthalt des Kindes bei beiden Eltern treffen wollten und nicht geregelt hätten, dass das Kind seinen Aufenthalt bei der Mutter habe und dem Vater nur ein Umgangsrecht zustehen solle. Sie hätten ein Wechselmodell - wenn auch nicht mit hälftiger Betreuung - vereinbart. Ein Verfahrenswert für eine Umgangsvereinbarung sei daher nicht festzusetzen gewesen.
10
Der Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 59 Abs. 1 S. 5, § 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG dem Senat übertragen.
II.
11
Die im eigenen Namen erhobene und gemäß § 32 Abs. 2 RVG, § 59 Abs. 1 FamGKG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten führt zu einer Abänderung der amtsgerichtlichen Wertfestsetzung.
12
Gemäß § 45 Abs. 1 FamGKG beträgt in den dort genannten Kindschaftssachen der Verfahrenswert 3.000,-- Euro. Eine Korrektur gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG kommt in Betracht, wenn besondere Umstände, die Festsetzung des Regelwertes als unbillig erscheinen lassen (vgl. hierzu Bundestags-Drucksache 16/6308 S. 306). Solche besonderen Umstände sind insbesondere anzunehmen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig gewesen ist, an eine Reduzierung ist zu denken, wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das Verfahren sich einfach gestaltet hat. Der vermehrte Aufwand durch eine Einigung der Beteiligten wird bereits durch die Einigungsgebühr abgegolten. Sie kann deshalb nicht auch noch zur Rechtfertigung eines erhöhten Verfahrenswertes herangezogen werden.
13
Wird in einem Sorgerechtsverfahren auch das Umgangsrecht für längere Zeit geregelt, handelt es sich um mehrere Kindschaftssachen, deren Werte gesondert nach § 45 FamGKG zu ermitteln und dann nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren sind (Thiel in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 7438; wohl auch Vogel, FPR 2010, 313, 314). Es gibt also in solchen Verfahren - entgegen der auch vom Senat in der Vergangenheit teilweise vertretenen Auffassung - keinen überschießenden Vergleichswert, sondern einen aus der Summe der beiden Verfahrensgegenstände (3.000,00 € elterliche Sorge + 3.000,00 € Umgang, soweit kein Fall des § 45 Abs. 3 FamGKG vorliegt) gebildeten Verfahrenswert. Grund hierfür ist der Umstand, dass Umgangsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden können und faktisch die Erörterung des Umgangs die amtswegige Einleitung eines solchen Verfahrens und seine Verbindung mit dem Verfahren zur elterlichen Sorge darstellt, weshalb es auch keine nicht anhängige Angelegenheit gibt. Die amtswegige Einleitung eines Umgangsverfahren wird darin deutlich, dass das Gericht über den Umgang gemäß § 156 Abs. 2 FamFG eine Sachprüfung vorzunehmen hat, weil die gerichtliche Billigung einer Umgangsregelung eine Kindeswohlprüfung erfordert und in seinen Wirkungen einer (streitigen) gerichtlichen Entscheidung zum Umgangsrecht gleichsteht (BGH FamRZ 2019, 1616 Rn. 30).
14
Die Verbindung der Verfahren wäre aber nicht möglich, wenn der Umgang nur vorläufig geregelt wird. Eine solche Vereinbarung dient vielmehr der Vermeidung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (§ 156 Abs. 3 FamFG). Weil auch eine solche vorläufige Regelung einer gerichtlichen Prüfung nach § 156 Abs. 2 FamFG unterliegt, wird bereits bei einer solchen vorläufigen Regelung in der Regel ein Umgangsverfahren eingeleitet und mit der Sachentscheidung gemäß § 156 Abs. 2 FamFG abgeschlossen.
15
Das Familiengericht geht im vorliegenden Verfahren allerdings davon aus, dass die beiden Vereinbarungen keine Umgangsregelungen darstellen, sondern im Verfahren der elterlichen Sorge ein nicht paritätisches Wechselmodell vereinbart wurde.
16
Der Bundesgerichtshof hat die Regelung eines (dort paritätischen) Wechselmodells in einem Verfahren der elterlichen Sorge nicht ausgeschlossen. Er führte in seiner Entscheidung vom 01.02.2017 (FamRZ 2017, 532 Rn. 15) aus, das Gesetz enthalte keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürften. Ob auf entsprechenden Antrag eines Elternteils und mit welchem Inhalt auch eine auf das gleiche Ergebnis gerichtete Sorgerechtsregelung möglich sei, könne offenbleiben.
17
Für die Festsetzung des Verfahrenswerts muss bedacht werden, dass es sich bei jeder Umgangsregelung um eine Frage der tatsächlichen Ausübung der elterlichen Sorge handelt. Jede Umgangsregelung greift in die Ausübung des Sorgerechts ein, indem das Aufenthaltsbestimmungsrecht und gegebenenfalls das Umgangsbestimmungsrecht des oder der Sorgeberechtigten eingeschränkt werden, ohne aber elterliche Kompetenzen zu entziehen (BGH a.a.O. Rn. 20).
18
Greift man diese Überlegungen auf, so lässt sich die vom Amtsgericht vorgenommene Abgrenzung zwischen einer Regelung des „Aufenthalts des Kindes bei beiden Elternteilen“ und einer Umgangsregelung kaum durchführen. In beiden Fällen wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Umgangsbestimmungsrecht des oder der Inhaber der elterlichen Sorge eingeschränkt. Unterschiedlich sind allerdings bei beiden Regelungen die Möglichkeiten der Vollstreckung, wenn man mit dem Amtsgericht davon ausgeht, dass keine Umgangsregelung vorliegt (zur Regelung der konkreten Betreuungszeiten im Umgangsverfahren BGH, Beschluss v. 27.11.2019, Az. XII ZB 512/18, Rn. 16 ff.).
19
Jedenfalls für die Festsetzung des Verfahrenswerts muss eine solche einer Umgangsregelung vergleichbare Aufteilung von Betreuungszeiten zwischen den Eltern deshalb einer Umgangsregelung gleichgestellt werden.
20
Die Zwischenvereinbarung selbst führt in dem vorliegenden Verfahren nicht zur Festsetzung eines weiteren Werts. Wäre es nicht zu einer abschließenden Vereinbarung über den Umgang gekommen, wäre allerdings auch aus Sicht des Senats eine Einigungsgebühr aus einem (dann auch festzusetzenden) Wert von 1.500,00 € entstanden (OLG Koblenz FamRZ 2017, 319). Im vorliegenden Verfahren haben die Beteiligten die beiderseitigen Betreuungsanteile aber nicht nur übergangsweise, sondern später auch abschließend geregelt. Eine solche abschnittsweise Umgangsregelung kann, wenn kein Verfahren der einstweiligen Anordnung eingeleitet wurde, nicht anders bewertet werden wie bei einer umfassenden Umgangsregelung, die Abschnitte aufführt. Zutreffend ist es aber, wenn in einem solchen Fall das Amtsgericht die Erhöhung des Verfahrenswerts nach § 45 Abs. 3 FamGKG prüft.
21
Stellt man die Regelung von Betreuungsanteilen der Umgangsregelung gleich, ist deshalb der Wert im vorliegenden Verfahren auf 7.500,00 € festzusetzen.
22
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
23
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 59 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 57 Abs. 7 FamGKG).