Titel:
Untersagung einer öffentlichen Vergnügung
Normenketten:
LStVG Art. 7, Art. 8, Art. 19
VwGO analog § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 35, Art. 43 Abs. 2
Leitsätze:
1. Für die Untersagung einer Veranstaltung genügt es, dass bei ihrer Durchführung mit dem Eintritt von konkreten Gefahren für Schutzgüter zu rechnen ist. Solche Gefahren können sich insbesondere aus der Art der Veranstaltung, aus der Beschaffenheit des Veranstaltungsraums bzw. -orts sowie aus der Person bzw. dem Verhalten des Veranstalters ergeben. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich, bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Nicht angezeigte öffentliche Vergnügung („Rechtsrockkonzert“), Untersagung durch Allgemeinverfügung, Feststellungsinteresse, Musikveranstaltung, Allgemeinverfügung, Effektivität der Gefahrenabwehr, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.12.2020 – 10 ZB 20.2656
Fundstelle:
BeckRS 2020, 30843
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer von der Beklagten erlassenen Allgemeinverfügung, die alle nicht angezeigten Musikveranstaltungen unter dem Motto „...“ und etwaige Ersatzveranstaltungen auf dem Gebiet der Beklagten vom 24. bis 26. August 2019 untersagte.
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Nachdem der Kriminalpolizeiinspektion Erkenntnisse vorlagen, dass die nach polizeilicher Einschätzung rechtsextremistische Szene für den 24. August 2019 im Raum ... eine Veranstaltung unter dem Motto „...“ plant, weil ein diesbezüglicher Einladungsflyer existierte, kam es am 12. August 2019 zu einer Gefährderansprache beim Kläger. Dabei erklärte der Kläger laut einer Aktennotiz der Polizei, nicht mehr in der Band „...“ aktiv zu sein und nichts von einer Veranstaltung dieser Band am 24. August 2019 zu wissen. Auf dem Einladungsflyer ist neben dem o.g. Motto das Datum „24.8“, der „Raum ...“, drei Band-Logos (davon eines der Band „...“), eine E-Mail-Adresse zur Kartenbestellung, das Programm („Live Musik! Tattoo Convention! 150l Freibier! Strippshow!“), ein durchgestrichenes Logo einer bekannten Social-Media-Plattform sowie ein Hinweis „nur intern weiterleiten“ zu sehen.
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Bei einer polizeilichen Befragung der Nachbarn am 19. August 2019 war diesen ausweislich einer Aktennotiz keine geplante Veranstaltung für den 24./25. August 2019 bekannt. Der Kläger probe jedoch regelmäßig mit seiner Band, zuletzt am 17. August 2019. In der Vergangenheit seien bereits einmal viele Leute bei dem Kläger anwesend gewesen, wobei Musik zu hören gewesen sei. Der Kläger habe damals den Nachbarn zuvor Bescheid gegeben.
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Bei einer gemeinsamen Besprechung der Polizei, des Bürgermeisters und eines Mitarbeiters des Ordnungsamts der Beklagten sowie zwei Mitarbeitern der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) am 20. August 2019 wurden ausweislich einer Aktennotiz im Wesentlichen das weitere Vorgehen, die möglichen Handlungsalternativen sowie die Frage erörtert, ob eine öffentliche Veranstaltung vorliege.
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Mit sicherheitsrechtlicher Allgemeinverfügung vom 21. August 2019 verbot die Beklagte in der Zeit vom 24. August 2019, 00:00 Uhr bis einschließlich 26. August 2019, 00:00 Uhr für den Bereich der Beklagten unter Nennung aller Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft alle nicht angezeigten Musikveranstaltungen unter dem Motto „...“ und etwaige Ersatzveranstaltungen (Ziffer 1). Weiter drohte die Beklagte für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 unmittelbaren Zwang an (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 an (Ziffer 3). Die Allgemeinverfügung erging kostenfrei (Ziffer 4) und galt am Tag nach ihrer Bekanntmachung als bekannt gegeben (Ziffer 5).
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Rechtsgrundlage für die Untersagung sei Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG, Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sowie Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Bei der geplanten Veranstaltung handele es sich wegen der überwiegend kommerziellen Natur um eine nicht angezeigte öffentliche Vergnügung i.S.d. Art. 19 LStVG, da Verkaufsinteresse und Freizeitgestaltung im Vordergrund stünden. Die Veranstaltung sei durch einen öffentlichen Flyer mit drei Musikbands, Tattoo-Convention, Freibier und einer Stripshow beworben worden, so dass davon auszugehen sei, dass der Flyer einem nicht eingrenzbaren Personenkreis bekannt geworden sei. Die Veranstaltung habe damit keinen privaten Charakter mehr. Rechtsrockkonzerte unterfielen grundsätzlich auch nicht dem Versammlungsrecht, da nicht die öffentliche Meinungsbildung im Vordergrund stehe.
7
Ziel einer Untersagung nach Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG sei es, Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft zu verhüten. Zahlreiche Gründe hätten für eine Untersagung der Veranstaltung gesprochen. Verantwortliche Personen seien nicht bekannt, wesentliche Informationen zur Veranstaltung (u.a. Besucherzahl, Veranstaltungsort und -zeiten, Ausweisung von Campingflächen, Zutritt von Jugendlichen, etc.) lägen nicht vor, weshalb ein paralleles Umlaufverfahren mit den zu beteiligenden Fachbehörden (u.a. Immissionsschutz, Naturschutz, Brandschutz, Jugendschutz) nicht durchgeführt habe werden können. Eine Abwägung sei deshalb nicht möglich gewesen. Es liege kein Sicherheitskonzept vor, spontane Gegenveranstaltungen seien nicht auszuschließen, straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zur Kanalisierung des Besucherflusses hätten nicht getroffen werden können. Eine Gestattung nach § 12 GastG sei nicht beantragt worden, eine Anzeige nach § 47 VStättV für die Nutzung von Gebäuden von mehr als 200 Besuchern bzw. eine Anzeige gem. Art. 72 BayBO für die Aufstellung von fliegenden Bauten lägen nicht vor.
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Bei der geplanten Veranstaltung kämen Ordnungswidrigkeiten nach Art. 19 Abs. 7 LStVG in Betracht, weshalb Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG getroffen werden könnten. Nach Erfahrung der Polizei käme es bei derartigen Veranstaltungen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu verfassungsfeindlichen Handlungen, die im Vorfeld zu verhindern seien. Anordnungen könnten auch gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG getroffen werden, da vergangene Veranstaltungen eine Wiederholung von Körperverletzungsdelikten und Verstößen gegen das WaffG als wahrscheinlich erscheinen ließen. Es sei von einer konkreten Gefahr für Leib und Leben auszugehen. Auch nach Art. 19 Abs. 5 LStVG sei eine Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 LStVG zu versagen. Zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter sei das Verbot daher gerechtfertigt, diese besäßen einen höheren Stellenwert als das Grundrecht auf freie Entfaltung der Person nach Art. 2 Abs. 1 GG. Die Abwägung sei ermessensgerecht erfolgt (Art. 40 BayVwVfG) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 8 LStVG). Mildere Mittel als eine Untersagung seien nicht erkennbar.
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Nachdem am 24. August 2019 vormittags Aufbautätigkeiten festgestellt wurden, wurde der Kläger gegen 13:10 Uhr erneut von Beamten der Kriminalpolizei aufgesucht und mit der erlassenen Allgemeinverfügung konfrontiert. Der Kläger stellte sich ausweislich einer Aktennotiz als Veranstalter vor und teilte mit, dass es sich um eine private Veranstaltung handle, zu der nur etwa 170 Gäste geladen seien, und für die die Verfügung daher nicht gelte. Die Polizeibeamten erwiderten, dass sie die Veranstaltung auch mittels Einsatzes von unmittelbaren Zwang auflösen würden, da diese eindeutig unter die Allgemeinverfügung falle. Dem Kläger wurde eine Kopie der Allgemeinverfügung vom 21. August 2019 überreicht. Gegen 14:05 Uhr teilte der Kläger nach einer polizeilichen Aktennotiz mit, dass er nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt die Veranstaltung beende und mit dem Abbau beginne. Eine evtl. zu einem anderen Zeitpunkt stattfindende Veranstaltung werde er mit der Beklagten absprechen.
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Der Kläger ließ am 18. September 2019 Klage erheben und zuletzt beantragen,
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1. Es wird festgestellt, dass die Allgemeinverfügung der Beklagten vom 21.08.2019 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
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2. Hilfsweise wird festgestellt, dass die am 24. August 2019 durch die Polizeibeamten im Auftrag der Beklagten ausgesprochene Anordnung, mit welcher dem Kläger untersagt wurde, Gäste an diesem Tag auf dem Grundstück seines Wohnanwesens ...straße ... in ... zu empfangen, rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
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Bereits am 12. August 2019 hätten Polizeibeamte dem Kläger mitgeteilt, dass sie von der geplanten Feier wüssten und sie diese nicht dulden würden. Dies hätten die Beamten dem Kläger auch am 24. August 2019 noch einmal erklärt und damit begründet, dass es sich um eine Veranstaltung von „Rechtsradikalen“ handele. Auf den Vorschlag des Klägers, dass die Beamten vor Ort bleiben und kontrollieren könnten, dass von den Bands keinerlei strafrechtlich relevante Texte gesungen würden, hätten die Beamten erklärt, dass sie dazu nicht bereit seien und die Veranstaltung „platt machen“ würden. Auch auf den Vorschlag des Klägers, auf „Live-Musik“ gänzlich zu verzichten, seien die Beamten nicht eingegangen. Diese hätten unabhängig von allen Vorschlägen des Klägers die Feierlichkeit notfalls durch polizeiliche Zwangsmittel unterbinden wollen. Die Beamten hätten dem Kläger erklärt, dass die Veranstaltung andernorts abgehalten werden könne, solange dies nicht auf dem Gebiet der Beklagten geschehe. Daraufhin hätten sich der Kläger und seine Bekannten entschieden, eine Ersatzfeierlichkeit in der Nähe von ... durchzuführen.
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Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da der Kläger beabsichtige, auch in Zukunft gleichartige Feiern zu veranstalten. Aufgrund der herabsetzenden Wirkung durch die Darstellung in der Presse habe der Kläger auch ein Rehabilitationsinteresse.
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Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig, da kein Grund für das Verbot der Veranstaltung bestanden habe. Die zitierte Eingriffsgrundlage sei bereits nicht einschlägig. Jedenfalls habe keine Gefahr vorgelegen. Die von der Beklagten benannten Gründe seien nur vorgeschoben; tatsächlich habe die Beklagte sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen und allein aufgrund der politischen Einstellung der Teilnehmer die Veranstaltung untersagt. Dies begründe auch einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei verletzt und die Anordnung ermessensfehlerhaft.
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Die Allgemeinverfügung sei schon nicht hinreichend bestimmt. Die Beklagte habe die Allgemeinverfügung auf das Grundstück des Klägers beziehen müssen. Ihr sei nämlich bekannt gewesen, dass dort die Veranstaltung stattfinde. Dies folge daraus, dass die Polizeibeamten an beiden Tagen zielgerichtet nur das Grundstück des Klägers aufgesucht hätten. Die fehlende Konkretisierung auf das Grundstück des Klägers stelle gleichzeitig auch einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip dar.
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Art. 19 LStVG sei als Eingriffsgrundlage nicht einschlägig, da keine öffentliche Vergnügung vorgelegen habe. Vielmehr habe es sich um eine private Feier gehandelt, zu der die teilnehmenden Personen persönlich eingeladen worden seien. Der Flyer sei durch den Kläger bzw. einige Freunde nur in geschlossenen Gruppen in den sozialen Medien verbreitet worden und daher nicht öffentlich in Verkehr gebracht worden. Es seien nur Personen beteiligt, die dem Kläger und einigen Freunden persönlich bekannt seien. Entscheidend sei auch nicht der Akt der Werbung, sondern wer zu der Veranstaltung tatsächlich Zutritt habe. Hierfür habe der Veranstalter ein mehrstufiges Verfahren gewählt. Interessenten hätten ihr Einverständnis dazu abgeben müssen, dass ihr Name auf der Gästeliste erscheine. Die Einladungskarten hätten bestellt werden müssen und seien auf den jeweiligen Besteller namentlich abgestimmt worden. Zutritt zu der Veranstaltung hätten dann nur Personen gehabt, die auf der Gästeliste standen, eine individuell namentliche abgestimmte Einladungskarte vorzeigen und sich durch Personalausweis hätten ausweisen können. Die Teilnahme sei damit auf einen individuell feststehenden und durch gegenseitige Beziehungen oder Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen abgegrenzten Personenkreis beschränkt gewesen. Zudem habe der Kläger ein ca. 1 m² großes Schild am Eingang seines Grundstücks mit der Aufschrift „Privatveranstaltung“ angebracht, das für jeden, auch die Polizeibeamten, gut sichtbar gewesen sei. Die Beklagte hätte es selbst in der Hand gehabt, durch entsprechende Kontrollen zu vermeiden, dass die Veranstaltung öffentlich durchgeführt werde. Der Ausschank von Freibier zeige, dass der Kläger kein kommerzielles Interesse verfolgt habe. Die von der Beklagten selbst als konspirativ bezeichnete Vorbereitung der Veranstaltung spreche gerade gegen deren Öffentlichkeit. Eine schriftliche Anzeige sei nicht erforderlich gewesen, da es sich um eine nichtöffentliche Veranstaltung gehandelt habe. Die Durchführung ohne entsprechende Anzeige stelle damit auch keine Ordnungswidrigkeit dar, so dass Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG nicht einschlägig sei.
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Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung habe nicht bestanden. Die Beklagte habe ins Blaue hinein behauptet, dass es bei Rechtsrockkonzerten regelmäßig zu aggressiven Konfrontationen, Verstößen gegen die Rechtsordnung und Straftaten komme. Etwaigen verfassungsfeindlichen Handlungen hätte die Beklagte durch entsprechende Anordnungen entgegentreten können. So habe der Kläger den Polizeibeamten vorgeschlagen, während der Veranstaltung vor Ort anwesend zu bleiben. Hierzu seien diese nicht bereit gewesen. Völlig abwegig sei, dass es bei vergangenen Veranstaltungen wiederholt zu Körperverletzungsdelikten gekommen sei. Grundlage einer Gefahrenprognose seien nur konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gefahrenprognose sei der 24. August 2019. Die Verfügung sei dem Kläger erst an diesem Tag bekannt gegeben worden. Spätestens am 24. August 2019 seien auch der Beklagten Veranstalter, Veranstaltungsort und -umfang bekannt gewesen. Die Beklagte habe noch mehrere Stunden Zeit gehabt, auf Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden konkreten Angaben erforderliche Anordnungen zu treffen oder dem Kläger Auflagen zu erteilen. Als die Polizeibeamten vor Ort eingetroffen seien, seien mehrere Personen mit Aufbauarbeiten betraut gewesen, die für Sicherheitsauflagen in die Pflicht genommen hätten werden können. Dies habe der Kläger auch angeboten. Auch sei der Kläger bereit gewesen, mit den Beamten ein zeitliches Ende der Veranstaltung zu vereinbaren. Der Kläger habe den Polizeibeamten auch mitgeteilt, dass er 180 Gäste geladen habe, er davon aber jedoch maximal 150 erwarte. Ein Sicherheitskonzept sei deshalb nicht erforderlich. Es habe aber auch noch ausreichend Zeit, Möglichkeit und Information bestanden, um ein „Ordnungs- und Sicherheitskonzept“ zu erstellen. Dies hätten die Polizeibeamten abgelehnt. Es sei aufgrund dieser Informationen ersichtlich gewesen, dass die erwarteten Personen unproblematisch auf dem Grundstück des Klägers Platz gehabt hätten und daher keine Ausweisung von Campingflächen erforderlich gewesen sei.
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Aufgrund der Erkenntnislage der Beklagten am 24. August 2019 hätte diese die Einhaltung der Immissionsschutzrichtwerte durch entsprechende Auflagen sicherstellen können. Auf den Vorschlag des Klägers, auf Live-Musik gänzlich zu verzichten, seien die Polizeibeamten nicht eingegangen. Anhaltspunkte für eine Gegenveranstaltung hätten nicht vorgelegen. Beeinträchtigungen der Natur und Landschaft, insbesondere ein Waldbrand, seien nicht zu befürchten gewesen, da die Veranstaltung auf dem Grundstück des Klägers stattfinden habe sollen. Dieses verfüge über ausreichend Abstand zum Wald. Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen seien aufgrund der geringen Besucherzahl nicht erforderlich gewesen. Jugendschutzbestimmungen hätten durch Kontrollen am Eingang genüge getan werden können. Ohnehin hätte der Kläger Jugendlichen keinen Zutritt gewährt. Es sei auch kein Jugendlicher unter den geladenen Gästen gewesen. Die Voraussetzungen des § 12 GastG seien nicht erfüllt, da Speisen und Getränke nicht gegen Bezahlung hätten angeboten werden sollen. § 47 VStättV sei wegen der geringen Anzahl an Besuchern nicht einschlägig.
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Darüber hinaus sei das Verbot unverhältnismäßig. Aus Art. 19 Abs. 5 LStVG folge, dass Anordnungen Vorrang vor einem Verbot hätten. Den von der Beklagten genannten Gefahren hätte durch mildere Mittel bzw. Auflagen begegnet werden können. Die Beklagte habe sich aber mit der Möglichkeit von Anordnungen gar nicht auseinandergesetzt, sondern habe die Norm zur Rechtfertigung einer Untersagung herangezogen. Dies zeige sich auch daran, dass die Beklagte dargelegt habe, zum Schutz der Allgemeinheit von einem „Maximalansatz des Gefährdungspotenzials“ ausgehen zu müssen, nachdem Abwägungsmaterial gefehlt habe. Einziger - sachfremder - Grund für die Untersagung sei die politische Ausrichtung des Klägers bzw. der zu erwartenden Gäste gewesen.
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Selbst wenn man der Beklagten zugestehen wollen würde, dass die Voraussetzungen für die Allgemeinverfügung am 21. August 2019 aufgrund einer möglichen Unkenntnis der Sachlage gegeben gewesen seien, sei dies jedenfalls am frühen Nachmittag des 24. August 2019 nicht mehr der Fall gewesen. Sämtliche von der Beklagten in der Allgemeinverfügung genannten Gründe seien nicht mehr vorhanden gewesen. Auch das konkrete Vorgehen der Beamten stelle einen mehrfachen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip dar. Spätestens mit dem Angebot des Klägers, auf jegliche Live-Musik zu verzichten, sei die Veranstaltung, von welcher in der Allgemeinverfügung ausgegangen werde, nicht mehr gegeben gewesen. Schon begrifflich finde dann kein „Rockkonzert“ mehr statt. Die Verwaltung habe daher einen geänderten, nunmehr völlig andersartigen Sachverhalt zur Kenntnis nehmen müssen und ihr Verwaltungshandeln danach zu orientieren gehabt. Die Beklagte habe also nicht blind an ihrer Allgemeinverfügung festhalten dürfen. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wohne auch ein zeitliches Moment inne. Was aufgrund einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt möglicherweise rechtmäßig gewesen sei, sei unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund veränderter Umstände nicht mehr zulässig. Dieser Grundsatz rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns sei von der Beklagten völlig ignoriert worden.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Zulässigkeit der Klage sei bereits zweifelhaft. Für die vom Kläger behauptete Wiederholungsgefahr fehlten konkrete Anhaltspunkte. Auch ein Rehabilitationsinteresse sei nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Darstellung in der Presse habe auch keine herabsetzende Wirkung gehabt.
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Die Allgemeinverfügung vom 21. August 2019 sei rechtmäßig. Die Allgemeinverfügung vom 21. August 2019 sei durch öffentlichen Aushang an den Gemeindetafeln veröffentlich worden und im Übrigen dem Kläger nach eigenem Bekunden am 24. August 2019 gegen 13:30 Uhr ausgehändigt worden.
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Die Allgemeinverfügung sei inhaltlich hinreichend bestimmt. Die Angabe des räumlichen Bereichs der Beklagten sei ausreichend gewesen; eine weitere Konkretisierung des Ortes der untersagten Veranstaltungen sei nicht erforderlich gewesen.
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Die geplante Veranstaltung sei eine öffentliche Vergnügung i.S.d. Art. 19 LStVG. Die Veranstaltung habe den Charakter einer Vergnügungsveranstaltung gehabt (Freibier, Stripshow), wirtschaftliche Interessen seien verfolgt worden (Tattoo-Convention). Da die Veranstaltung durch einen im Internet veröffentlichten Flyer beworben wurde, sei - wie bei derartigen Rockkonzerten regelmäßig der Fall - nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass der Teilnehmerkreis nicht individuell festgestanden habe. Vielmehr könne jeder, der von einer wie hier konspirativ vorbereiteten Veranstaltung erfahre, auch an dieser teilnehmen. Dies gelte regelmäßig auch trotz einer vorhandenen Gästeliste, auf der alleine bereits ca. 180 Personen aufgeführt gewesen seien und die den Polizeibeamten zwar präsentiert, jedoch nicht ausgehändigt worden sei. Die öffentliche - wenngleich konspirative - Werbung spreche dafür.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung am 21. August 2019. Auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Erkenntnislage hätten keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden. Die Allgemeinverfügung sei verhältnismäßig. Die Beklagte sei von der Kriminalpolizeiinspektion darüber informiert worden, dass eine vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Band am 24. August 2019 eine Veranstaltung im Ortsbereich der Beklagten plane und der Kläger Mitglied dieser Band (gewesen) sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung hätten der Beklagten jedoch nur der Flyer, aber keine näheren Informationen zu verantwortlichen Personen, Besucherzahlen, Veranstaltungsort und -zeiten vorgelegen, weil die Veranstaltung nicht spätestens eine Woche vorher, wie gesetzlich in Art. 19 LStVG vorgesehen, schriftlich angezeigt worden sei. Vielmehr habe der Kläger - insbesondere im Rahmen der ersten Ansprache durch die Polizei am 12. August 2019 - bewusst versucht, die Veranstaltung zu verschleiern. Alleine diese Ordnungswidrigkeit gem. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG rechtfertige als Gefahr auf Basis der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, 2 LStVG eine Untersagung. Bei der Ansprache der Polizei am 12. August 2019 habe der Kläger verneint, noch Mitglied der Band zu sein und angegeben, nichts von einer geplanten Veranstaltung zu wissen. Es wäre ein Einfaches gewesen, den privaten Charakter der Veranstaltung den Polizeibeamten darzulegen. So habe keine Möglichkeit bestanden, ein abgestimmtes Sicherheitskonzept oder den Erlass von Auflagen zu prüfen. Es habe ein nicht abschätzbares Risikopotenzial für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestanden. Es seien insbesondere typische Konfliktsituationen bei derartigen Rechtsrockveranstaltungen in die Entscheidung einzustellen gewesen, etwa eine alkoholbedingte Enthemmung, Aggressionspotenzial, Konfrontation durch eventuelle spontane Gegenveranstaltungen. Der Kläger habe versucht, durch Aufrechterhaltung des konspirativen Charakters sowie durch Deklaration der Veranstaltung als private Feier eine Genehmigungspflicht zu umgehen. Die Beklagte habe wegen der eingeschränkten Erkenntnislage im Sinne des Schutzes der Allgemeinheit von einem „maximal Ansatz“ ausgehen müssen. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass die Veranstaltung im Freien stattfinde, sodass sich immissionsschutzrechtliche Aspekte aufgedrängt hätten. Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zur Regelung des Besucherflusses seien ebenfalls nicht möglich gewesen. Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft seien nicht auszuschließen gewesen. Insbesondere habe ein Waldbrandrisiko bestanden, da das Grundstück des Klägers in östlicher Richtung an ein Waldstück angrenze. Die Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen habe nicht überprüft werden können.
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Konkrete Kenntnis von Veranstalter, Veranstaltungsort und -zeit sowie Besucherzahl habe die Beklagte erst am 24. August 2019 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der gegenständlichen Veranstaltung erlangt, als der Kläger mit anderen Personen Aufbauarbeiten durchgeführt habe. Zuvor habe der Kläger jegliche Kooperation verweigert und daher die Möglichkeit der Beklagten, zugunsten des Klägers sprechende Gesichtspunkte zu berücksichtigen, bewusst vereitelt. Es treffe nicht zu, dass die Polizeibeamten die Veranstaltung „platt machen“ hätten wollen. Diese hätten lediglich auf die bestandskräftige Verfügung der Beklagten und das sich daraus ergebende Verbot hingewiesen. Der Kläger könne sich nicht bewusst seiner Anzeigepflicht als Veranstalter entziehen und die Behörde im Unklaren lassen und sich dann auf die Unzulässigkeit der Allgemeinverfügung zu berufen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakte und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist im Hauptantrag jedenfalls unbegründet, der Kläger durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung jedenfalls nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Auch hinsichtlich des Hilfsantrags hat die Klage keinen Erfolg.
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1. Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage.
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a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft, weil es sich bei der vom Kläger beanstandeten Allgemeinverfügung um einen Verwaltungsakt handelt (Art. 35 BayVwVfG). Da sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, war § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog anzuwenden.
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b) Allerdings ist zweifelhaft, ob der Kläger ein Feststellungsinteresse geltend machen kann. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit eines jedenfalls durch Zeitablauf erledigten (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) Verwaltungsaktes gerichtete Klage ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B.v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B.v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. - juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 3.2.1999 - 2 BvR 804/97 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2001 a.a.O.; BayVGH, U.v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 27).
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Vorliegend hat der Kläger selbst betont, etwaige künftige Veranstaltungen vorab mit der Beklagten abzustimmen, so dass bereits keine Wiederholungsgefahr droht. Eine fortwirkende Beeinträchtigung des Klägers ist nicht ersichtlich. Auch ist fraglich, ob hier ein schwerer Grundrechtseingriff zu bejahen ist bzw. selbst bei Annahme eines solchen wohl rechtzeitig gerichtlicher Eilrechtsschutz zu erlangen gewesen wäre. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Allgemeinverfügung jedenfalls am Freitag, dem 23. August 2019, vormittags gegen 10 Uhr an der Amtstafel angeheftet wurde. Daneben wurde deren verfügender Teil samt Allgemeinen Hinweisen an diesem Tag auch in der örtlichen Zeitung abgedruckt. Hinzu kommt, dass dem Kläger gegenüber bereits am 12. August 2019 geäußert wurde, dass nicht gewünscht sei, dass eine derartige Veranstaltung in seinem Wohnanwesen oder an einer anderen Örtlichkeit stattfinde und der Kläger daher wusste, dass von Behördenseite von einer anzeige- bzw. erlaubnispflichten Veranstaltung ausgegangen wird. Er hätte daher spätestens zu diesem Zeitpunkt - wenn auch nach seiner Ansicht zur Öffentlichkeit der Veranstaltung vorsorglich, aber noch innerhalb der Anzeigefrist des Art. 19 Abs. 1 LStVG - seine Veranstaltung anzeigen und gegen einen etwaigen Auflagen- bzw. Untersagungsbescheid einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Auch hinsichtlich der Allgemeinverfügung selbst ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger nicht noch vor seiner Veranstaltung gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch genommen hat.
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Hinsichtlich eines behaupteten Rehabilitationsinteresses hat der Kläger lediglich behauptet, aber nicht substantiiert, inwieweit durch eine Darstellung in der Presse eine herabsetzende Wirkung eingetreten sein könnte. Er hat weder auf entsprechende Veröffentlichungen hingewiesen noch solche in Kopie vorgelegt.
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2. Die Klage ist im Hauptantrag jedoch jedenfalls unbegründet, da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung den Kläger jedenfalls im Ergebnis nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Insgesamt zeigt sich die Untersagung der klägerischen Veranstaltung unter Beachtung des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr als jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig, so dass der Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der gesetzlichen Grundkonzeption, die im Falle einer nicht bzw. nicht rechtzeitig erfolgten Anzeige einer öffentlichen Vergnügung ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vorsieht (vgl. Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG -dazu näher unter Ziffer I. 2 b)). Die Allgemeinverfügung ist auf Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG, Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt.
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a) Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG liegen vor.
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(a) Nach Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG kann eine - öffentliche oder auch nichtöffentliche - Veranstaltung untersagt werden, wenn Anordnungen für den Einzelfall nach Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG für den Schutz der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG genannten Rechtsgüter nicht ausreichen. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn es zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft erforderlich erscheint oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.
41
Die Risikovorsorge ist dabei nicht an eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter zur Zeit der Erlaubnis gebunden. Es genügt vielmehr, dass bei Durchführung der Veranstaltung mit dem Eintritt von konkreten Gefahren für die Schutzgüter zu rechnen ist. Solche Gefahren können sich insbesondere aus der Art der Veranstaltung, aus der Beschaffenheit des Veranstaltungsraums bzw. -orts sowie aus der Person bzw. dem Verhalten des Veranstalters ergeben (VG München, B.v. 21.12.2007 - M 22 S 07.5962 - juris Rn. 15; VG München, U.v. 2.2.2004 - M 22 K 02.4069 - juris Rn. 49 f.). Als Grundlage der Gefahrenprognose sind dabei konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich, bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 CS 15.431 - juris Rn. 18 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17 u.a.). Erforderlich ist deshalb (zunächst) eine auf Tatsachen gestützte Prognose, dass bei Durchführung der Veranstaltung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Sachlage eintreten wird; diese Sachlage muss dann eine konkrete Gefahr fundieren. Obwohl die konkrete Gefahr ihrerseits ein Prognoseelement einschließt - von der „Gefahrenlage“ wird auf einen (zukünftigen) Schadenseintritt an einem Schutzgut als hinreichend wahrscheinliche Folge geschlossen - und deshalb zwei Prognoseelemente verknüpft werden, darf der Gefahrentatbestand des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG nicht mit einer abstrakten Gefahr gleichgesetzt werden (vgl. BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, 13. Ed. 1.5.2020, LStVG Art. 19 Rn. 61). Anordnungen auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 5 LStVG können daher nicht zur Abwehr abstrakter Gefahren erlassen werden, die unabhängig von einem konkreten Anlass generell bei einer Vielzahl gleichartiger Veranstaltungen auftreten können (vgl. VG München, U.v. 2.2.2004 - M 22 K 02.4069 - juris Rn. 50).
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Wann Versagungsgründe erfüllt sind, lässt sich nur für den Einzelfall beantworten. Zu berücksichtigen sind insofern etwa die Bedeutung der betreffenden Schutzgüter, das Gewicht und der Umfang eines in Betracht zu ziehenden Schadens sowie dessen Wahrscheinlichkeit. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG leitet die Sicherheitsbehörde lediglich bei der Frage an, auf welche Schutzgüter Bedacht zu nehmen ist. Zu der Frage, ob eine in Rechnung zu stellende (prognostizierte) konkrete Gefahr die Veranstaltung hindert oder ihr mit einer Risikovorsorge in Form von Auflagen zu begegnen ist, bietet das Gesetz keine spezifizierten Bewertungsmaßstäbe. Die Ermittlung und Bewertung von Risiken sowie die Reaktion darauf ist durch Art. 19 LStVG grundsätzlich nur zurückhaltend programmiert (vgl. BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, Art. 19 LStVG Rn. 64 f.).
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Die Sicherheitsbehörde hat im Einzelfall dabei auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) zu beachten und ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Aus diesen bindenden gesetzlichen Vorgaben folgt auch, dass keine sachfremden Erwägungen der Entscheidung im Einzelfall zugrunde gelegt werden dürfen. „Rein politische Gründe“ sind nicht geeignet, ein sicherheitsrechtliches Einschreiten zu rechtfertigen. Die Beachtung der sicherheitsrechtlichen Handlungsgrundsätze kann vielmehr stets nur im Einzelfall überprüft und beurteilt werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2007 - 24 ZB 06.3155 - juris Rn. 22 f.).
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(b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Beklagten ein Einladungsflyer zu einer Veranstaltung im Raum ... am 24. August 2019 vorlag. Dort war insbesondere Live-Musik, eine Tattoo-Convention, 150 l Freibier und eine Stripshow angekündigt. Aufgrund dieses Flyers und der Kenntnis, dass ein Bandmitglied im Gebiet der Beklagten wohnte, kam es zur Ansprache beim Kläger. Dieser bestritt jedoch die Mitgliedschaft in der Band und verneinte ausdrücklich die Durchführung einer Veranstaltung am 24. August 2019. Weitere Nachforschungen in der Nachbarschaft ergaben, dass bei dem Kläger offenbar in der Vergangenheit bereits eine ähnliche Musikveranstaltung mit vielen Gästen stattgefunden habe und der Kläger regelmäßig mit seiner Band probe, zuletzt am 17. August 2019. Zudem war auf der Social-Media-Plattform der Band, bei der der Kläger Mitglied ist bzw. war, ein Post vorzufinden: „Der August wird laut !!!! Nähere Infos folgen !!!! ...“, demselben Motto wie auf dem bekannt gewordenen Flyer.
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(c) Es lagen daher für die Beklagte tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass es auf ihrem Gebiet jedenfalls zu einer Jugend- bzw. Gesundheitsgefährdung kommen könnte, nachdem ein Rock-Konzert mit Alkoholausschank, Tattoo-Convention und Stripshow angekündigt war und der Flyer im Bereich Social-Media (ob vorgeblich „intern“ oder öffentlich) zirkuliert wurde. Ebenso standen erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit bzw. Nachbarschaft im Raum. Belästigungen im Sinn von Art. 19 Abs. 4 LStVG sind dabei das normale Maß übersteigende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, ohne dass eine konkrete Gefahr für die Gesundheit vorliegen muss. Dabei sind für die Beurteilung ortsübliche Maßstäbe ausschlaggebend (Nr. 19.1.4 VollzBekLStVG). Es lagen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass entsprechend laute Rockmusik durch die auf dem Flyer angeführten Bands gespielt werden würde und daher immissionsschutzrechtliche Fragestellungen im Raum standen, so dass erhebliche Belästigungen und Gefahren für die Gesundheit zu erwarten waren. Konkrete Auflagen dahingehend konnte die Beklagte jedoch nicht erlassen, da ihr schon die konkreten räumlichen Gegebenheiten sowie ein konkreter Ansprechpartner und die genauen Details zur Veranstaltung nicht bekannt waren. Jedenfalls konnte die Beklagte nicht sicher sein, dass der Kläger die Veranstaltung auf seinem Gelände durchführen würde, nachdem dieser sowohl seine Zugehörigkeit zur Band abgestritten als auch weniger als zwei Wochen vor der Veranstaltung angegeben hatte, nichts von einer Veranstaltung am 24. August 2019 zu wissen. Eine (vorsorgliche) Anzeige der Veranstaltung bei den Behörden bzw. ein (vorsorglicher) Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis, aus denen die Beklagte die relevanten Informationen erlangen hätte können, lagen ebenfalls nicht vor.
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(d) Der klägerische Vortrag ist zwar insofern zutreffend, als dass die Beklagte grundsätzlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einen Verwaltungsakt an den oder die Veranstalter hinsichtlich des konkreten Veranstaltungsortes und der konkreten Veranstaltung erlassen hätte müssen. Vorliegend sprach auch vieles dafür, dass die Veranstaltung von dem Kläger auf dessen Grundstück durchgeführt werden würde. Die Sicherheitsbehörde konnte sich dahingehend aber nicht sicher sein, da der Kläger selbst bis zu seiner unmittelbaren nochmaligen Ansprache am 24. August 2019 jeglichen Bezug zur Veranstaltung abstritt. Die Beklagte konnte daher nur vorsorglich unter Beachtung des Gebotes der effektiven Gefahrenabwehr eine Untersagung in Form einer Allgemeinverfügung auf dem gesamten Gebiet der Beklagten erlassen. Die Allgemeinverfügung ist dadurch auch hinreichend bestimmt. Soweit auch dritte Personen oder Grundstücke betroffen sind, ist jedenfalls keine subjektive Rechtsverletzung des Klägers ersichtlich.
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(e) Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 8 LStVG) oder Ermessensfehler sind im Ergebnis nicht ersichtlich. Auch hat die Beklagte ihren Ermessensspielraum ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung erkannt und Ermessenserwägungen angestellt. Soweit sie in der Begründung der Allgemeinverfügung auch Angaben ohne konkrete Anhaltspunkte macht, sind diese für die ausgesprochene Veranstaltungsuntersagung zwar als solche nicht tragfähig, die Begründung daher insoweit rechtsfehlerhaft. Der Kläger ist jedoch insoweit ob der für sich allein tragfähigen übrigen Begründung der Untersagung dadurch nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt, da es jedenfalls an der Kausalität dieser fehlerhaften Begründung für den Erlass des Verwaltungsaktes fehlt.
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Der Beklagten muss zwar etwa bekannt sein, ob „evtl. vorhandene Schutzgebiete“ nach § 39 BNatschG auf ihrem Gebiet vorhanden sind und hätte derartige Begründungen erheblich präzisieren müssen. Auch etwa die angeführte Waldbrandgefahr hätte konkret geprüft werden müssen. Anordnungen auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 5 LStVG können auch nicht zur Abwehr abstrakter Gefahren erlassen werden, die unabhängig von einem konkreten Anlass generell bei einer Vielzahl gleichartiger Veranstaltungen auftreten können (vgl. VG München, U.v. 2.2.2004 - M 22 K 02.4069 - juris Rn. 50). Es ist den Behördenakten sowie der Untersagungsverfügung auch nicht zu entnehmen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass etwa verfassungsfeindliche Handlungen drohen. Insofern genügt nicht die bloß abstrakte Gefahr, dass bei Veranstaltungen, die von den Behörden dem rechten Spektrum zugeordnet werden, nach Einschätzung der Sicherheitsbehörde bzw. der Polizei mit verfassungsfeindlichen Handlungen zu rechnen ist, um eine Untersagung zu rechtfertigen.
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Eine auf mehrere Gründe gestützte Ermessensentscheidung ist grundsätzlich aber auch dann rechtmäßig, wenn nur einer der angezogenen Gründe sie trägt, es sei denn, dass nach dem Ermessen der Behörde nur alle Gründe zusammen die Entscheidung rechtfertigen sollen (vgl. etwa BVerwG U.v. 19.5.1981 - 1 C 169.79 - juris Rn. 22). Das Gericht geht davon aus, dass die Behörde vorliegend nicht nur wegen des Zusammenwirkens aller genannten Gründe einschreiten wollte, sondern nach deren Willen jeder Grund für sich alleine tragfähig für die Untersagung ist. Dies ergibt sich aus der Formulierung der einzeln aufgeführten Gründe sowie auch aus dem Zitat mehrerer, jeweils eigenständig tragender Ermächtigungsgrundlagen. Auch Art. 39 BayVwVfG enthält nur ein formelles Begründungserfordernis, setzt aber nicht voraus, dass die Begründung in Gänze rechtsfehlerfrei ist.
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Die Beklagte hat in ihrer Allgemeinverfügung auch eine nachvollziehbare Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen und Grundrechte vorgenommen und dabei unter Bezugnahme auf die in Art. 19 Abs. 4 LStVG genannten Rechtsgüter im Ergebnis zu Recht einen Vorrang u.a. des Gesundheitsschutzes vor der allgemeinen Handlungsfreiheit angenommen. Dass die o.g. nicht tragfähigen Angaben in der Begründung auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, ist nicht ersichtlich.
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b) Die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG liegen ebenfalls vor. Die Beklagte durfte nach den Gesamtumständen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erlassen, um eine Ordnungswidrigkeit des Klägers nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG zu unterbinden. Nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG kann mit Geldbuße belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine öffentliche Vergnügung ohne die erforderliche Anzeige oder Erlaubnis veranstaltet.
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(a) Die geplante Veranstaltung stellt eine öffentliche Vergnügung i.S.d. Art. 19 Abs. 1 LStVG dar.
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Die klägerische Veranstaltung mit Tattoo-Convention, Freibier und Stripshow ist eine Vergnügung i.S.v. Art. 19 LStVG, da sie dazu bestimmt und geeignet ist, die Besucher zu unterhalten, zu belustigen, zu zerstreuen oder zu entspannen (Nr. 19.1.1 VollzBekLStVG). Sie ist auch öffentlich im Sinne der Vorschrift. Bei dem Begriff „Öffentlichkeit“ handelt es sich um einen zentralen Begriff des Art. 19 Abs. 1 LStVG, der jedoch im Gesetz selbst nicht definiert ist. Nicht entscheidend ist für das Merkmal der Öffentlichkeit, wie sie vom Veranstalter bezeichnet wird, z.B. als „geschlossene Gesellschaft“. Maßgeblich ist vielmehr der tatsächliche Zuschnitt, wie er sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt. Ist die Veranstaltung nur für einen begrenzten, durch persönliche Merkmale spezifizierten Teilnehmerkreis zugänglich und gegen Außenstehende „abgeschottet“, so fehlt das Merkmal der Öffentlichkeit. Hierin gehören z.B. private „Partys“, Tanzabende von Tanzzirkeln, der Tanz beim Abschluss eines Betriebsausflugs, bei „geschlossenen Gesellschaften“ anlässlich von Familienfesten, Jubiläen und Ähnlichem. Öffnen sich solche Veranstaltungen in Lokalen aber beispielsweise zu vorgerückter Stunde für einen beliebigen Teilnehmerkreis, so werden sie dadurch zur öffentlichen Veranstaltung. Die Öffentlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Eintritt an gewisse Bedingungen geknüpft wird, wie Eintrittsgeld oder Kleidungsgebote. Sie kann auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei der Veranstaltung eines Jugendclubs „nur für Mitglieder“ nach Zahlung eines „Beitrags“ jedermann als ein solches Mitglied teilnehmen kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.4.2013 - 10 B 11.1530 - juris Rn. 39 ff.; BayVGH, B.v. 8.2.2003 - 24 CS 03.376 - BeckRS 2003, 31543). Öffentlich ist eine Vergnügung nach der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG, wenn die Teilnahme nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbundenen, abgegrenzten Personenkreis beschränkt ist (Nr. 19.1.3 VollzBekLStVG).
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Nach diesen Grundsätzen ist die Veranstaltung des Klägers zur Überzeugung der Kammer als öffentlich zu qualifizieren. Dafür spricht schon das gesamte Prozedere im Vorfeld der Veranstaltung. Diese wurde mit einem Flyer zu „...“ unter Angabe des Datums beworben. An der Veranstaltung sollten ausweislich des Flyers drei Bands Live-Musik darbieten, zugleich eine Tattoo-Convention abgehalten und eine Stripshow angeboten werden. Der Charakter dieses Flyers sowie dessen Verbreitung tragen maßgeblich zur Qualifizierung der Veranstaltung als „öffentlich“ bei. Auf diesem ist zudem eine E-Mail-Adresse „...“ angegeben, ohne jedoch einen persönlichen oder privaten Bezug zu einem Veranstalter herzustellen. Ergänzt wird dieser Flyer durch einen Post auf der öffentlichen Seite der Band auf einer bekannten Social-Media-Plattform mit dem Wortlaut „Der August wird laut !!!! Nähere Infos folgen !!!! ...“ sowie einem diesem unmittelbar nachfolgenden Post vom 25. Mai 2019 „Bald gibts weitere Infos bezüglich dem letzten Post!! Bei fragen dürft ihr euch auch gern an die üblichen verdächtigen wenden oder uns hier direkt anschreiben!!!!“ (...). Auch der klägerische Vortrag dahingehend, dass ein „Interessent (…) seinen Willen zur Teilnahme dem Veranstalter über bekunden und gleichzeitig sein Einverständnis dazu erklären [musste], dass sein Name in die Gästeliste aufgenommen wird“, spricht dafür. Der Interessent habe dann eine Einladungskarte bestellen müssen, die ihm per Post zugesendet wurde. Dieses Prozedere und die jedenfalls teilweise öffentliche Werbung sprechen zur Überzeugung der Kammer für eine öffentliche Veranstaltung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger vorträgt, den o.g. Flyer nur in „geschlossenen Chatgruppen“ in den Sozialen Medien zirkuliert zu haben. Vielmehr spricht die Gesamtheit der Umstände dafür, dass jeder, der dieses Prozedere durchlief, eine Karte für die klägerische Veranstaltung bekommen und auf der Gästeliste erscheinen konnte. Diese Öffentlichkeit konnte der Kläger auch nicht mehr dadurch verhindern, dass er seine Veranstaltung durch ein Schild als „Privatveranstaltung“ betitelte und nun vorgetragen hat, nur Personen, die auf der Gästeliste standen, hätten Zugang zur Veranstaltung erhalten (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2003 - 24 CS 03.376 - BeckRS 2003, 31543).
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(b) Als öffentliche Vergnügung war für die Veranstaltung eine Anzeige bei der zuständigen Sicherheitsbehörde erforderlich (Art. 19 Abs. 1 LStVG). Der Kläger hat die Veranstaltung nicht spätestens einer Woche vorher schriftlich angezeigt. Damit unterlag die Veranstaltung nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Allgemeinverfügung gibt daher ohnehin im Ergebnis lediglich das ipso iure eingetretene präventive Verbot der Veranstaltung nach der gesetzlichen Grundkonzeption wieder. Der Kläger hat unstreitig auch keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gestellt.
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(c) Es drohte damit die jedenfalls fahrlässige konkrete Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG. Zur Unterbindung dieser Ordnungswidrigkeit durfte die Beklagte nach Art. 7 Abs. 2 LStVG die streitgegenständliche Allgemeinverfügung nach den Gesamtumständen erlassen.
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(d) Die Allgemeinverfügung erweist sich hiernach jedenfalls im Ergebnis als rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei (vgl. dazu bereits oben). Sie ist verhältnismäßig (Art. 8 LStVG). Mildere Mittel als eine Untersagung waren nicht erkennbar. Die durch die Beklagte aufgrund der bestehenden Erkenntnislage zu treffende Gefahrprognose rechtfertigte eine Untersagung der klägerischen Veranstaltung. Der Beklagten standen nämlich nur sehr eingeschränkte Informationen zur Verfügung (vgl. oben). Auch wenn man für die Verhältnismäßigkeitsprüfung wegen der spezialgesetzlichen Norm des Art. 19 Abs. 4 LStVG im Rahmen der Generalklausel höhere Maßstäbe anzulegen und daher für eine Untersagung mehr zu verlangen haben wird als die bloße Begehung einer Ordnungswidrigkeit (vgl. VG Augsburg, B.v. 19.11.2010 - Au 5 S 10.1834), gilt mit dem im Rahmen des Art. 19 Abs. 5 LStVG Gesagten hier dasselbe Ergebnis. Ermessensfehler sind auch hier nicht ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
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c) Soweit die Beklagte die Allgemeinverfügung auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG stützt, ist der Begründung hierzu keine konkrete Gefahrenprognose zu entnehmen. Die Beklagte bezieht sich insofern lediglich auf abstrakte Gefahren, die bei allen vergleichbaren Veranstaltungen drohen könnten. Insofern wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Kläger ist insoweit aber jedenfalls nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt.
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d) Soweit der Kläger schließlich vortragen lässt, die Sachlage habe sich am Samstag, dem 24. August 2019, für die Beklagte anders dargestellt, so dass diese darauf reagieren hätte müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte konnte - auch bei Unterstellung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Übergabe der Kopie der Allgemeinverfügung an den Kläger am 24. August 2019 - rechtsfehlerfrei an der Untersagung festhalten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung die für eine Anzeige bzw. einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis notwendigen Informationen ganz oder teilweise vorgelegen hätten, wäre es der Beklagten weder zuzumuten noch von ihr zu erwarten, binnen einer kurzen Zeit von nur wenigen Stunden am Wochenende ohne regulären Behördenbetrieb eine neue Entscheidung aufgrund eines komplexen Sachverhalts herbeizuführen. Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten waren hierfür jedenfalls nicht als Sicherheitsbehörde zuständig und konnten grundsätzlich keine der Allgemeinverfügung widersprechenden Maßnahmen ergreifen (Art. 10 LStVG). Die Allgemeinverfügung war mangels Nichtigkeit jedenfalls nach Übergabe an den Kläger ungeachtet einer etwaigen (teilweisen) Rechtswidrigkeit nämlich jedenfalls wirksam. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich hinsichtlich einiger der aufgeworfenen Fragestellungen womöglich kompromissbereit gezeigt hat. Der Kläger selbst hätte es in der Hand gehabt, durch (rechtzeitige) Zurverfügungstellung der erforderlichen Informationen sowie (vorsorgliche) Anzeige einer Veranstaltung der Behörde eine ausreichende Prüfungsmöglichkeit einzuräumen, um eine legale Durchführung der Veranstaltung zu erreichen. Bereits aus der gesetzlichen Konzeption des Art. 19 Abs. 1 LStVG für öffentliche Vergnügungen ergibt sich, dass der Behörde regelmäßig eine Woche Vorlaufzeit zuzugestehen ist, die Notwendigkeit von Anordnungen zu prüfen. Andere Vorschriften, etwa § 75 VwGO, sehen sogar weit längere Bearbeitungszeiten vor. Auch ein notwendiger Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis (siehe näher dazu unten) wäre so zu stellen gewesen, dass die Behörde genügend Zeit zur Prüfung gehabt hätte (vgl. etwa BeckOK PolR Bayern/Engelbrecht, Art. 19 LStVG Rn. 17). Im Übrigen erscheint es rechtsmissbräuchlich, zunächst seinen Mitwirkungspflichten aus Art. 26 BayVwVfG nicht im Ansatz nachzukommen, sich sodann aber darauf zu berufen, dass die Behörde während der Aufbauarbeiten, d.h. bei unmittelbar zeitlichem Bevorstehen der Veranstaltung, Informationen erlangt, aufgrund deren sie nun gleichsam im „Eilverfahren“ binnen weniger Stunden eine Erlaubnis zu erteilen hätte, ohne dass jemals ein dahingehender (vollständiger) Antrag (formgerecht) eingereicht worden ist. Vielmehr hat der Kläger wesentlichen Anteil daran, dass es der Beklagten im Vorfeld nicht möglich war, in Abstimmung mit dem Kläger etwa notwendige Auflagen zu prüfen. Die Beklagte ist aber auch ohne Anzeige bzw. Antrag nicht gänzlich untätig geblieben und hat versucht, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 24 BayVwVfG) Informationen zu gewinnen.
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3. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Es fehlt bereits an einer eigenen Anordnung durch die Polizei, die lediglich im Rahmen der Amtshilfe der Beklagten für diese außerhalb ihrer Dienstzeiten tätig geworden ist. Vorliegend ging es um die Vollziehung der Allgemeinverfügung während deren Geltungszeitraums. Hier hätte die Polizei im Rahmen der Vollzugshilfe tätig werden können (Art. 67 Abs. 1 PAG). Eigenständige polizeiliche Maßnahmen sind jedoch nicht erfolgt, der Kläger hat die Veranstaltung selbständig beendet. Es erfolgte lediglich eine Ansprache beim Kläger, bei der dieser auf die Allgemeinverfügung hingewiesen wurde. Insofern teilt das polizeiliche Handeln das rechtliche Schicksal der Allgemeinverfügung.
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4. Soweit der Kläger letztlich vorträgt, die Veranstaltung am Samstag habe einen ganz eigenen, neuen Charakter gehabt und sei deshalb nicht mehr unter die Allgemeinverfügung gefallen, ist dies nicht Prüfungsgegenstand in diesem Klageverfahren. Der Kläger hat die Veranstaltung nach einer Ansprache durch die Polizei unter Verweis auf die Allgemeinverfügung eigenständig beendet, eine polizeiliche Auflösung ist nicht erfolgt. Ein eigenständiger polizeilicher Verwaltungsakt bzw. Vollstreckungshandlungen sind nicht erkennbar. Nur insofern hätte es einer Prüfung bedurft, inwieweit dieses eigenständige polizeiliche Handeln als solches rechtmäßig gewesen wäre und ob die streitgegenständliche Allgemeinverfügung hierfür als Rechtsgrundlage in Frage gekommen wäre.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.