Inhalt

VG München, Urteil v. 23.06.2020 – M 5 K 18.4942
Titel:

Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten in der Finanzverwaltung

Normenkette:
BayBesG Art. 30 Abs. 1 S. 1, Art. 31 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Förderlichkeit von Vortätigkeiten nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen muss. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Anerkennung hauptberuflicher förderlicher Zeiten erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG ist sowohl eine vollständige als auch eine nur teilweise Anerkennung möglich. Eine nur teilweise Anerkennung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Vordiensttätigkeit nur bedingt förderlich für die künftige Tätigkeit ist. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Steuerbeamter, Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten, Ehrenamtliche Tätigkeit als Rettungssanitäter / Rettungsassistent, Rettungsassistent in Teilzeit / Vollzeit, Assistent der Rettungsdienstleitung in Vollzeit, Beurteilungsspielraum, Ermessen, Anerkennung, hauptberufliche Beschäftigungszeiten, Ausbildung, förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten, ehrenamtliche Tätigkeit, Rettungssanitäter, Rettungsassistent, Assistent der Rettungsdienstleitung, Jurastudium ohne Abschluss, Stufenbemessung, Hauptberuflichkeit, Förderlichkeit, oberste Dienstbehörde, Ehrenamt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.07.2021 – 3 ZB 20.2792
Fundstelle:
BeckRS 2020, 30722

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten.
2
In der Zeit vom … Oktober 2014 bis … September 2017 hatte der Kläger im Beamtenverhältnis auf Widerruf seine Ausbildung an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern als Steuerinspektoranwärter absolviert, die er als Diplom-Finanzwirt (FH) abschloss. Ab dem … Oktober 2017 stand er als Steuerinspektor im Beamtenverhältnis auf Probe in Diensten des Beklagten.
3
Mit Schreiben vom … September 2017 beantragte der Kläger die Anerkennung folgender Vordienstzeiten (chronologisch nach Anfangsdaten sortiert):

von …

bis …

Tätigkeit

…4.2002

…2.2008

Rettungssanitäter, ehrenamtlich (1)

*.7.2003

…8.2003

Grundwehrdienst (2)

…1.2004

…9.2004

Zivildienst (3)

2004

Ausbildung zum Rettungsassistenten (4)

…10.2004

…9.2012

Jurastudium (Universitätsprüfung bestanden; Erstes Staatsexamen nicht bestanden) (5)

…9.2007

„heute“

Rettungsassistent, Teilzeit (6)

…2.2008

*.10.2008

Rettungsassistent, ehrenamtlich (7)

…9.2013

…6.2014

Assistenz der Rettungsdienstleitung, hauptberufliche Projektstelle (8) (lt. Vertrag vom 1.9.2013 bis zur Beendigung des Projekts, spätestens 31.8.2014)

…7.2014

…8.2014

Rettungsassistent, Vollzeit (9)

4
Durch das Jurastudium (8 Jahre) habe er Grundlagen im Bereich Strafrecht und Strafprozessrecht, durch die Arbeit im Rettungsdienst (seit 2005 komme er auf 5530 Dienststunden, was einem Nettoäquivalent [ohne Urlaub, Krankheit] von 5,7 Jahren einer Vollzeittätigkeit entspreche) habe er im Bereich Sozialkompetenzen weit über das Studium in Herrsching hinausgehende Fähigkeiten und durch die Arbeit in der Projektstelle habe er analytische Fähigkeiten, Erfahrungen der allgemeinen Verwaltungsarbeit und in der Kommunikation als Mittler zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten erworben, die für die kommende Tätigkeit in der Steuerfahndung hilfreich seien.
5
Das Bayerische Landesamt für Steuern lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Oktober 2017 ab.
6
Grundwehrdienst und Zivildienst würden vom Landesamt für Finanzen von Amts wegen geprüft. Ausbildungs- und Studienzeiten stellten keine Berufsausübung dar; das Merkmal der Hauptberuflichkeit werde nicht erfüllt. Während Zeiten einer Berufsausbildung, die üblicherweise in Vollzeit erbracht werde (Lehre oder Studium), könnten keine hauptberuflichen Beschäftigungszeiten vorliegen. Die Ausbildung stelle den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt dar, da davon auszugehen sei, dass ihr der überwiegende Teil der Arbeitskraft gewidmet werde. Bei ehrenamtlichen und nebenberuflichen Tätigkeiten im Rettungsdienst fehle das Tatbestandsmerkmal der hauptberuflichen Beschäftigungszeit; auf die Förderlichkeit komme es nicht an. Die Tätigkeiten als Assistent der Rettungsdienstleitung und als Rettungsassistent seien der Berufsuntergruppe „Berufe im Rettungsdienst“ zuzuordnen. Das Merkmal der Förderlichkeit werde bei diesem Berufsbereich nicht erfüllt, so dass eine Berücksichtigung nicht möglich sei.
7
Das Landesamt für Finanzen nahm mit Bescheid vom … Oktober 2017 für die Stufenfestlegung zur Bemessung des Grundgehalts unter Berücksichtigung des Grundwehr- und Zivildienstes eine fiktive Vorverlegung des Diensteintritts des Klägers am … Oktober 2017 auf den … November 2016 vor.
8
Der Kläger erhob mit Schreiben vom … November 2017 Widerspruch gegen den Bescheid des Landesamts für Steuern vom … Oktober 2017, den er nachfolgend begründete.
9
Hierzu stellte er klar, dass die Nichtanerkennung von Ausbildungszeiten bzw. Wehr- und Zivildienstzeiten nicht Bestandteil des Widerspruchs und damit unstrittig sei (Schreiben vom …3.2018).
10
Im Übrigen begründete er den Widerspruch damit, dass es sich bei der hauptberuflichen Tätigkeit „Assistenz der Rettungsdienstleitung“ um Verwaltungstätigkeit gehandelt habe. Diese sei förderlich, weil er dabei Kenntnisse von Büroanwendungen, der laufenden Verwaltung inklusive ordentlicher Aktenführung und in der Kommunikation erworben habe. Sein Erfolg dabei zeige sich darin, dass die Aufgabe 2 Monate vor geplantem Ende erledigt gewesen sei und er die Kenntnisse in der horizontalen wie vertikalen Kommunikation im (Finanz-) Amt gut habe einbringen können.
11
Seine Tätigkeit im Rettungswesen neben dem Studium habe der Sicherung seines Lebensunterhalts gedient, da er kein BAföG erhalten habe. Das Studium müsse daher nicht stets als hauptberuflich gelten. Bei seiner Tätigkeit im Rettungswesen habe er Kenntnisse und Erfahrungen in der Kommunikation - Stichwort „Sozialkompetenzen“ - und beim ökonomischen Handeln ebenso sammeln können wie bei der Erfassung und Beurteilung fremder Wohnbereiche und Einsatzlagen, was ihm insbesondere bei seiner zukünftigen Arbeit in der Steuerfahndung zu Gute komme. Weiter könne er seine Kenntnisse der Notfallmedizin u.a. als betrieblicher Ersthelfer einbringen. Der Bescheid vom … Oktober 2017 lasse eine pflichtgemäße Ermessenausübung im Einzelfall nicht erkennen, weil er sich lediglich auf die „Berufsgruppe Rettungsdienst“ beziehe.
12
Er könne sich auch eine teilweise Berücksichtigung der Assistenz der Rettungsdienstleitung in Höhe von 75% und beim Rettungsdienst in Höhe von 33% der hauptberuflichen Zeiten, 25% der nebenberuflichen Zeiten und 25% der ehrenamtlichen Zeiten vorstellen.
13
Das Landesamt für Steuern half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom … August 2018 - zugestellt am … September 2018 - insoweit ab, als der Zeitraum vom … September 2013 bis … August 2014 als hauptberufliche Tätigkeit, deren Förderlichkeit mit 50% angesehen werden könne, anerkannt wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
14
Bei der vom … September 2013 bis … August 2014 in Vollzeit verrichteten Tätigkeit als Assistent der Rettungsdienstleitung sei das Tatbestandsmerkmal der „hauptberuflichen Beschäftigungszeit“ erfüllt. Die vom Kläger tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten seien mit denen eines Personalsachbearbeiters der 2. Qualifikationsebene vergleichbar und könnten im Hinblick auf einen Einsatz in der Personalverwaltung als Sachbearbeiter der 3. Qualifikationsebene mit 50% als förderlich angesehen werden.
15
Bei der ehrenamtlichen Tätigkeit als Rettungssanitäter vom … April 2002 bis … Februar 2008 fehle es an der Hauptberuflichkeit. Ausbildungszeiten - hier die Ausbildung zum Rettungsassistenten in 2004 - erfüllten nicht das Merkmal der Hauptberuflichkeit. Das gelte auch für das Jurastudium vom *. Oktober 2004 bis … September 2012, was der Kläger auch nicht in Zweifel gezogen habe. Die nebenberufliche Tätigkeit als Rettungsassistent seit … September 2007 erfülle für die Zeit bis … September 2012 wegen des parallel laufenden Jurastudiums nicht die Hauptberuflichkeit, weil letzteres den Tätigkeitsschwerpunkt bilde. Für die Zeiträume *. Oktober 2012 (nach Ende Jurastudium) bis … August 2013 (vor Assistenz Rettungsdienstleitung) und vom *. September 2014 (nach Rettungsassistent in Vollzeit) bis … September 2014 (vor Ernennung zum Beamten auf Widerruf) erfülle diese Tätigkeit das Tatbestandsmerkmal der Hauptberuflichkeit, nicht aber das der Förderlichkeit. Der ehrenamtlichen Tätigkeit als Rettungsassistent vom … Februar 2008 bis … Oktober 2008 fehle wieder die Hauptberuflichkeit. Die vom *. Juli 2014 bis … August 2014 hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit als Rettungsassistent erfülle ebenfalls nicht das Tatbestandsmerkmal der Förderlichkeit. Hinzu komme, dass ein Zeitraum nur einmal berücksichtigt werden könne und dieser bereits über die Tätigkeit als Assistent der Rettungsdienstleitung berücksichtigt sei.
16
Das Landesamt für Finanzen hob daraufhin mit Bescheid vom … September 2018 den Bescheid vom … Oktober 2017 auf und nahm für die Stufenfestlegung zur Bemessung des Grundgehalts unter Berücksichtigung des Grundwehr- und Zivildienstes sowie der Feststellung des Landesamts im Widerspruchsbescheid vom … August 2018 eine fiktive Vorverlegung des Diensteintritts des Klägers am … Oktober 2017 auf den … Mai 2016 vor.
17
Am 4. Oktober 2018 hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 begründet.
18
In der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers zuletzt folgende modifizierten Anträge aus dem Schriftsatz vom 2. Mai 2019 gestellt:
19
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom … Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom … August 2018 folgende weiteren Zeiträume als hauptberufliche Tätigkeit, deren Förderlichkeit mit 50% angesehen werden kann, anzuerkennen:
20
- Jurastudium vom *. Oktober 2004 bis … September 2012
21
- Ausbildung zum Rettungsassistenten vom … Januar 2004 bis … Dezember 2004
22
- Ehrenamtliche Tätigkeit als Rettungssanitäter vom *. April 2002 bis … Februar 2005
23
- Ehrenamtliche Tätigkeit als Rettungsassistent vom … Februar 2005 bis *. Oktober 2008
24
- nebenberufliche Tätigkeit als Rettungsassistent vom … September 2007 bis 31. August 2013.
25
- Assistent der Rettungsdienstleitung vom … September 2013 bis … August 2014 zu 100%,
26
- hilfsweise: Rettungsassistent vom *. Juli 2014 bis … August 2014 zu 50%
27
Der Beklagte wird weiterhin verpflichtet, den Diensteintritt des Klägers unter Berücksichtigung der vorgenannten Zeiten entsprechend fiktiv vorzuverlegen.
28
Hilfsweise:
29
Der Beklagte wird verpflichtet, unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom … Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom … August 2018 sowie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers zu entscheiden.
30
Der Kläger habe unter Berücksichtigung der von ihm dargelegten besonderen Umstände seines individuellen Einzelfalls Anspruch auf Anerkennung der streitgegenständlichen Zeiten mit 50%, hilfsweise auf erneute Entscheidung des Beklagten. Dies habe der Beklagte in rechtsfehlerhafter Weise verkannt. In zum weiteren Gegenstand der Klagebegründung gemachten schriftlichen Ausführungen des Klägers (Anlage K1) äußert sich dieser zu den Themen „Ehrenamtliche Tätigkeit“, „Nebenberufliche Zeiten im Rettungsdienst“, „Umfang der Anrechnung“ und „Teilanerkennung Assistenz der Rettungsdienstleitung“.
31
Eine Nichtanerkennung der ehrenamtlichen Zeiten mangels „Hauptberuflichkeit“ verstoße gegen das Staatsziel der „Förderung des Ehrenamts“ (Art. 121 Bayerische Verfassung). Ermessen sei nicht ausgeübt worden. Es würden 7 Monate (bei 75%: 11 Monate) anzuerkennen sein. Eine Nichtanerkennung der Zeiten neben dem Studium mangels „Hauptberuflichkeit“ verstoße gegen Art. 12 Grundgesetz. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden. Es würden 31 Monate (bei 75%: 46 Monate) anzuerkennen sein. Bei der Nichtanerkennung der „Förderlichkeit“ als Rettungsassistent sei das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Bei der Teilanerkennung der Zeiten als Assistent der Geschäftsführung sei die Einordnung in die Klassifikation der Berufe fraglich. Es würden weitere 3 bis 6 Monate anzuerkennen sein.
32
Den im Schriftsatz vom 2. Mai 2019 enthaltenen Antrag auf Verpflichtung zur Anerkennung des Grundwehrdienstes vom … Juli 2003 bis … August 2003 sowie des Zivildienstes vom *. Januar 2004 bis … September 2004 hat er in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
33
Die Vertreterin des Beklagten hat der Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung zugestimmt und im Übrigen beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Zur Begründung hatte das Landesamt für Steuern bereits mit Schriftsatz vom … Februar 2020 ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich Grundwehrdienst, Zivildienst, Jurastudium und Ausbildung zum Rettungsassistenten unzulässig sei, weil der Kläger dies nicht zum Gegenstand seines Widerspruchs gemacht habe. Der Bescheid vom … Oktober 2017 sei insoweit bestandskräftig, die diesbezügliche Klage verfristet. Im Übrigen sei der Widerspruchsbescheid vom … August 2018 rechtmäßig, was im Wesentlichen wie im Widerspruchsbescheid begründet wurde.
36
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. Juni 2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

37
1. Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden ist, also hinsichtlich einer Anerkennung des Grundwehrdienstes vom *. Juli 2003 bis … August 2003 sowie des Zivildienstes vom … Januar 2004 bis … September 2004, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zwar sieht das Gesetz insoweit eine Einstellung durch Beschluss vor. Bei einer nur teilweisen Klagerücknahme kann diese Entscheidung aber auch im Urteil getroffen werden (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 92 Rn. 24).
38
2. Hinsichtlich der im Schriftsatz vom 2. Mai 2019 enthaltenen Haupt- und Hilfsanträge auf Anerkennung der Zeiten des Jurastudiums vom … Oktober 2004 bis … September 2012 und der Ausbildung zum Rettungsassistenten vom … Januar 2004 bis … Dezember 2004 - hinsichtlich derer in der mündlichen Verhandlung weder eine Modifizierung noch eine Klagerücknahme erfolgt ist - ist die Klage unzulässig. Insoweit ist der Bescheid vom … Oktober 2017 - der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war - in Bestandskraft erwachsen, weil der Kläger im Schreiben vom … März 2018 ausdrücklich erklärt hat, dass die Nichtanerkennung von Ausbildungszeiten nicht Bestandteil des Widerspruchs und damit unstrittig sei. Davon war auch der Widerspruchsbescheid vom … August 2018 ausgegangen, weshalb die Zurückweisung des Widerspruchs sich hierauf nicht erstreckte. Mit der am *. Oktober 2018 erhobenen Klage konnte insoweit die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO bezogen auf den Bescheid vom … Oktober 2017 nicht eingehalten werden.
39
3. Im Übrigen ist die Klage in sämtlichen weiteren Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Steuern vom … Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten über den bisher erfolgten Umfang hinaus und damit weder auf Verpflichtung des Beklagten hierzu noch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung von Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 VwGO).
40
a) Nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) wird das Grundgehalt in Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A nach Stufen bemessen. Bei der erstmaligen Begründung eines Beamtenverhältnisses mit Anspruch auf Grundbezüge erfolgt grundsätzlich die Zuordnung zur ersten mit einem Grundgehaltsbetrag ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe (Anfangsstufe), Art. 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BayBesG. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Dienstantritts auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Antragsmonats um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden.
41
Nach Nummer 31.1.1.9 Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes, Bekanntmachung vom 28.12.2011, FMBl 2012, 3, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14.1.2014, FMBl 2014, 14) ist der Tatbestand der „Hauptberuflichkeit“ dann als erfüllt anzusehen, wenn die fragliche Beschäftigung entgeltlich erbracht wird, nach den Lebensumständen des oder der Betroffenen den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt darstellt und die Beschäftigung mindestens in den im Beamtenverhältnis zulässigen Umfang abgeleistet wurde.
42
Bei der Prüfung der Förderlichkeit hat die oberste Dienstbehörde bzw. die von ihr bestimmte Stelle einen Beurteilungsspielraum (so die Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG, LT-Drs. 16/3200, S. 382; VG München, U.v. 8.2.2017 - M 5 K 15.3979 - juris Rn. 25; Kuhlmey in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2020, Art. 31 BayBesG Rn. 45; so auch Nummer 31.2.5 BayVwVBes). Nach Nummer 31.2.3 BayVwVBes ist der Begriff der Förderlichkeit weit auszulegen (VG München, U.v. 8.2.2017 - M 5 K 15.3979 - juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 - B 5 K 13.712 - juris Rn. 24). Die Förderlichkeit bezieht sich auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. Dementsprechend kommen als förderliche Zeiten insbesondere Tätigkeiten in Betracht, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind.
43
Diesbezüglich ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Förderlichkeit von Vortätigkeiten nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen muss. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 8.2.2017 - M 5 K 15.3979 - juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 - B 5 K 13.712 - juris Rn. 24).
44
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Anerkennung hauptberuflicher förderlicher Zeiten erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die Ermessensentscheidung ist einzelfallbezogen und unter Abwägung aller einschlägiger Gesichtspunkte des konkreten Falles zu begründen; der bloße Verweis auf Verwaltungsvorschriften oder den Antrag des Beamten bzw. der Beamten ist nicht ausreichend (Nummer 31.2.5 BayVwVBes). Nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG ist sowohl eine vollständige als auch eine nur teilweise Anerkennung möglich. Eine nur teilweise Anerkennung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Vordiensttätigkeit nur bedingt förderlich für die künftige Tätigkeit ist. Bei einer teilweisen Anerkennung ist der (erstmalige) Diensteintritt entsprechend zeitanteilig vorzuverlegen (Nummer 31.2.6 BayVwVBes).
45
b) Das bedeutet vorliegend Folgendes:
46
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Zeit als Assistent der Rettungsdienstleitung in Vollzeit vom 1. September 2013 bis … August 2014 über die bereits erfolgte Anerkennung zu 50% hinaus um weitere 50% und somit im Ergebnis zu 100% anzuerkennen.
47
Das Landesamt für Steuern hat insoweit das Tatbestandsmerkmal einer förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeit anerkannt und damit den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum im Sinne des Klägers ausgeübt. Die vom Kläger angeführte „Klassifikation der Berufe“ ist damit rechtlich nicht relevant.
48
Das dem Landesamt für Steuern danach eröffnete Ermessen hatte es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, diese Zeiten für die fiktive Vorverlegung des Dienstantritts zu 50% anzuerkennen. Es hat dies in seinem Widerspruchsbescheid vom … August 2018 anhand des konkreten Einzelfalls des Klägers damit begründet, dass die vom Kläger damals tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten mit denen eines Personalsachbearbeiters der 2. Qualifikationsebene vergleichbar seien und im Hinblick auf einen Einsatz in der Personalverwaltung als Sachbearbeiter der 3. Qualifikationsebene mit 50% als förderlich angesehen werden könnten. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
49
Der diesbezüglich gestellte Hilfsantrag auf Anerkennung der in Vollzeit abgeleisteten Tätigkeit als Rettungsassistent in der Zeit vom *. Juli 2014 bis … August 2014 zu 50%, der ersichtlich auf das Ziel gerichtet ist, die für diesen Zeitraum bereits erfolgte Anerkennung in Höhe von 50% aus anderem Grunde auf insgesamt 100% anzuheben, hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Landesamt für Steuern ist insbesondere in seinem Widerspruchsbescheid vom … August 2018 insgesamt ersichtlich davon ausgegangen, dass die ausgeübten Tätigkeiten als Rettungssanitäter und als Rettungsassistent das Tatbestandsmerkmal der Förderlichkeit nicht erfüllen, auch wenn es die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anerkennung insoweit teilweise mangels Hauptberuflichkeit verneint hat. Es hat damit von seinem diesbezüglichen Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht. Ein Beurteilungsfehler ist insoweit weder vom Kläger substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
50
Aus diesem Grunde fehlt auch den Tätigkeiten als Rettungssanitäter vom *. April 2002 bis … Februar 2005 (ehrenamtlich) und als Rettungsassistent vom … Februar 2005 bis … Oktober 2008 (ehrenamtlich) sowie vom … September 2007 bis … August 2013 (nebenberuflich) nach nicht zu beanstandender Rechtsauffassung des Landesamts für Steuern bereits die Förderlichkeit. Auf die Frage der Hauptberuflichkeit kommt es insoweit nicht mehr an, weswegen auch die vom Kläger geforderte Gleichstellung von Zeiten im Ehrenamt mit solchen einer hauptberuflichen Tätigkeit nicht vertieft erörtert zu werden braucht. Allein schon die vom Gesetzgeber gewählte Begrifflichkeit einer „hauptberuflichen“ Beschäftigungszeit stellt die Grenze einer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtsnorm dar. Ein „Hauptberuf“ und ein „Ehrenamt“ sind etwas Grundverschiedenes. Wollte der Gesetzgeber auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten - um diese zu fördern - eine fiktive Vorverlegung des Dienstantritts ermöglichen, so hätte er dies ausdrücklich zu regeln.
51
Der in Zusammenhang mit den Verpflichtungsbegehren zusätzlich gestellte Antrag, den Beklagte zu verpflichten, den Diensteintritt des Klägers unter Berücksichtigung der vorgenannten Zeiten entsprechend fiktiv vorzuverlegen, geht ins Leere und kann daher auch keinen Erfolg haben.
52
Der hilfsweise gestellt Verbescheidungsantrag ist unbegründet, weil Voraussetzung für einen Erfolg dieses Hilfsantrags entweder eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraums oder ein Fehler bei der Ermessensausübung durch das Landesamt für Steuern wäre. Beides ist nach obigen Ausführungen nicht der Fall.
53
4. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 155 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen hat der Kläger als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
54
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
55
Soweit das Verfahren aufgrund der Klagerücknahme einzustellen war, ist das Urteil unanfechtbar, § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Im Übrigen ergeht folgende