Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.11.2020 – 10 CS 20.2582
Titel:

Verbot einer „Querdenker“-Versammlung - Rechtsschutzbedürfnis für Eilrechtsschutzantrag

Normenketten:
GG Art. 8 Abs. 1
IfSG § 28, § 32
Leitsätze:
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Eilrechtsschutz gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen setzt voraus, dass die tatsächlich bestehende ernsthafte Absicht der Durchführung der Versammlung glaubhaft gemacht wird. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einschränkungen der Versammlungsfreiheit sind auf der Grundlage von § 32 IfSG iVm § 28 IfSG grundsätzlich zulässig. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlungsverbot einer „Querdenker“-Versammlung, Rechtsschutzbedürfnis für Eilrechtsschutzantrag, Gefahrenprognose, Maskenpflicht, Mindestabstand
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 06.11.2020 – M 13 S 20.5656
Fundstelle:
BeckRS 2020, 30388

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen ein Verbot der von ihm für den 8. November 2020 in München auf der Theresienwiese angezeigten Versammlung „Wir feiern das Ende der Pandemie …“ weiter, das die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 4. November 2020 verfügt hat. Weiter beantragt er, der Antragsgegnerin zu untersagen, vor oder während der Versammlung Auflagen bezüglich einer Maskenpflicht, Einhaltung von Mindestabständen sowie Teilnehmerzahl zu erlassen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht verkenne wiederum, dass Infektionen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes in München nicht vorlägen und eine hohe Anzahl von „Testpositiven“ diesbezüglich keine entscheidungserhebliche Rolle spiele. Daher seien sämtliche gegen die Versammlung gerichteten Maßnahmen per se rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht habe die Zahl der tatsächlich im Sinne des Infektionsschutzgesetzes infizierten Personen nicht ermittelt und bezüglich der Inanspruchnahme von Nichtstörern die falschen Schlüsse gezogen. Die angezeigte Versammlung stelle keine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung sowie die Gesundheit Dritter dar und sei wie beantragt durchführbar.
2
Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf ihre Schutzschrift vorsorglich die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
3
Der Eilrechtsschutzantrag ist bereits unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Denn der Antragsteller hat nach den Feststellungen des Senats anders als bei den bisherigen Versammlungen in München und anders als bei der für den 7. November 2020 in Leipzig geplanten Demonstration eine Versammlung am 8. November 2020 in München auf den einschlägigen Internetseiten und Social-Media-Kanälen der Bewegung „Querdenken 089“ (https://querdenken-089.de/#termine; https://www.instagram.com/querdenken89/; https://m.facebook.com/querdenken089/) weder erwähnt, noch ist sonst ersichtlich, dass in irgendeiner Form eine Ankündigung und Mobilisierung für diese Veranstaltung stattfindet oder Vorbereitungen für eine derart große Versammlung mit 120.000 angemeldeten Teilnehmern getroffen würden. Auch nach ausdrücklicher diesbezüglicher Anfrage durch den Senat hat der Antragsteller nicht im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass die Durchführung der Versammlung tatsächlich ernsthaft beabsichtigt ist. Schon aus diesem Grund kann auch die Beschwerde keinen Erfolg haben. Ob der Eilantrag darüber hinaus schon rechtsmissbräuchlich ist (zum allgemeinen Verbot eines Rechtsmissbrauchs als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Inanspruchnahme des Gerichts vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53 Rn. 12), wofür zur Überzeugung des Senats vorliegend manches spricht, bedarf insofern keiner Entscheidung.
4
Unabhängig davon zeigt die Beschwerde bei einer aufgrund der Eilbedürftigkeit nur möglichen summarischen Prüfung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Angesichts der derzeitigen pandemischen Lage und der Weigerung des Antragstellers, irgendwelche Hygienemaßnahmen zu ergreifen, hat die Antragsgegnerin die Versammlung zu Recht untersagt. Soweit der Antragsteller das Vorliegen einer Gefahrenlage bestreitet, nimmt der Senat zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen und mit Blick auf die besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens Bezug auf seine Entscheidungen vom 1. November 2020 (10 CS 20.2449 bzw. 10 CS 20.2450), die den Beteiligten bekannt sind und deren Erwägungen auch für den vorliegenden Fall gelten. Die Beschwerdebegründung stellt diese nicht durchgreifend in Frage. Der Senat ist im Übrigen entgegen dem Vorbringen des Antragstellers der Ansicht, dass Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 32 i.V.m. § 28 IfSG grundsätzlich zulässig sind, da Art. 8 GG sowohl in § 28 Abs. 1 Satz 4 wie in § 32 Satz 3 IFSG im Sinn des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich genannt ist (siehe dazu auch Martini/Thiesen/Ganter, NJOZ 2020, 929).
5
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
6
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).