Titel:
Erfolglose Klage gegen Anordnungen zur Betriebseinstellung einer Erstbehandlungsanlage für Elektrogeräte
Normenketten:
KrWG § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2§ 62
ElektroG § 2 Abs. 3 S. 2, § 3 Nr. 24, § 21 Abs. 1, § 25 Abs. 4
Leitsätze:
1. Zur Definition des Begriffs des im Bundesimmissionsschutzgesetz und im Kreislaufwirtschaftsgesetz verwendeten Begriffs der Abfallbehandlung kann auf § 2 Nr. 5 der Deponieverordnung zurückgegriffen werden. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Vorhalten von Geräten als potentielles „Ersatzteillager“ ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Zwecks des KrWG kein „unmittelbar“ an die Stelle des alten Verwendungszwecks tretender Ersatzzweck (Anschluss an VG Ansbach BeckRS 2016, 47639). (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von der Erstbehandlungstätigkeit im Sinne von § 3 Nr. 24 ElektroG sind bereits Vorbereitungshandlungen für solche Tätigkeiten, wie die Sortierung, Zerlegung und Lagerung umfasst. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Fall einer schlichten Unterlassungspflicht ist eine Duldungsanordnung für die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung nicht erforderlich (Anschluss an VGH Kassel BeckRS 2020, 3247). (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Elektro- und Elektronikgerät, Beweisantrag, Hilfsbeweisantrag, fehlende Klagebefugnis, Betrieb einer Erstbehandlungsanlage, materielle Darlegungs- und Beweislast, subjektiver Abfallbegriff, Ermessen, Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung, Betriebsuntersagung, Elektrogeräte, Altgeräte, Erstbehandlung, Entledigung, Unmittelbarkeitserfordernis, Unterlassungspflicht, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2020, 29681
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen Anordnungen zur Betriebseinstellung.
2
1. Der Kläger zu 1) betreibt auf dem Grundstück Fl.Nr. 201 der Gemarkung E* …, das im Eigentum seiner Mutter - der Klägerin zu 2) - steht, das Unternehmen P** … Dieses nimmt nach eigenen Angaben gebrauchte Elektronikgeräte ab, sortiert, reinigt und zerlegt diese und verkauft sie anschließend entweder weiter oder führt sie zu ihrer Entsorgung einer Erstbehandlungsanlage zu.
3
Anlässlich einer Inspektion eines Betriebs im Regierungsbezirk Gießen wurde dem Landratsamt Rhön-Grabfeld am 18. Mai 2018 mitgeteilt, dass gebrauchte Elektronikgeräte an das bezeichnete Unternehmen abgegeben worden seien. In einem von dem Unternehmen ausgestellten „Zertifikat über die ordnungsgemäße Verschrottung und Datenvernichtung“ werde „an Eides statt“ bestätigt, dass die abgeholten Maschinen und Bauteile ordnungsgemäß nach deutschen Richtlinien verschrottet würden. Dabei handele es sich um sog. E-Schrott (wie Elektronikbaugruppen oder IT-Komponenten). Die Verschrottung werde stets fünf bis sieben Tage nach Abholung durchgeführt, eine Wiederherstellung sei nicht möglich.
4
Da das Unternehmen nicht im Abfallüberwachungssystem (ASYS) eingetragen war und weder eine Anzeige nach § 53 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vorlag, noch eine Beförderernummer nach § 28 der Nachweisverordnung (NachwV) beantragt worden war, sollte der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 5. Juni 2018 u.a. zur Auskunft über den Unternehmenszweck aufgefordert werden. Die Auskunft konnte jedoch aufgrund einer unzutreffenden Adresse in der Gewerbeanmeldung erst nach behördlicher Ermittlung der korrekten Anschrift und anschließendem Schreiben vom 10. Juli 2018 angefordert werden. Nachdem er mit Schreiben vom 27. August 2018 nochmals zur Auskunftserteilung aufgefordert worden war, legte der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 25. Juli 2018, beim Landratsamt eingegangen am 17. September 2018, eine Beschreibung der Unternehmenstätigkeit vor.
5
Im übersandten Betriebskonzept wird u.a. ausgeführt, das Unternehmen hole in einem Umkreis von 250 Kilometern gebrauchte Elektronikgeräte samt Elektronikbaugruppen und Zubehör von seinen Kunden ab. Der Transport erfolge in eigenen Fahrzeugen in geschlossenen Rollkunststoffbehältern. Die Geräte bzw. Bauteile würden anschließend überprüft, gereinigt sowie sortiert. Bei funktionsunfähigen Geräten würden Ersatzteile ausgebaut. Bei den Druckern betreffe dies etwa Druckköpfe, Trommeln und Entwicklungseinheiten, bei den Rechnern Netzteile, Laufwerke oder den Arbeitsspeicher und bei den medizinischen Geräten Displays, Umformer oder auch Relais. Zuletzt würden die Geräte und Bauteile entweder weiterverkauft oder an Entsorgungsunternehmen weitergegeben.
6
Anlässlich einer Ortseinsicht stellte das Landratsamt am 19. September 2018 fest, dass der Kläger zu 1) auf dem bezeichneten Grundstück im Rahmen der Unternehmenstätigkeit gebrauchte Elektronikgeräte und deren Bestandteile in verschiedenen Behältern sowohl im Hof als auch in einer Scheune lagerte, sortierte, reinigte sowie zerlegte. Nach Ansicht des Landratsamtes handelte es sich dabei um Elektronikaltgeräte. Unter anderem wurde festgestellt, dass Elektro- und Elektronikaltgeräte (z.B. Drucker, Handys und Computermonitore) sowie deren Bestandteile und Bauteile (z.B. Tonerkartuschen, Tintenpatronen und Relais) in diversen Aufbewahrungsmöglichkeiten (z.B. Containern, Mülltonnen, Einkaufswägen oder Big Bags) sowohl auf dem Hof als auch in der Scheune abgelagert und dort sortiert, gereinigt sowie zerlegt wurden.
7
Das Landratsamt forderte den Kläger zu 1) mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 daraufhin auf, bis zum 20. Dezember 2018 einen prüffähigen Bauantrag für die Nutzung über die Stadt Bad Königshofen i.Gr. einzureichen. Gleichzeitig wurde er über die abfallrechtlichen Vorgaben für die Behandlung von Elektro- und Elektronikaltgeräten und auf die damit einhergehende Anzeigepflicht hingewiesen. Das Landratsamt teilte dem Kläger zu 1) mit, dass die Erstbehandlung und Vorbereitung zur Wiederverwendung erst nach Erteilung der Baugenehmigung, erfolgreicher Zertifizierung, Anzeige gemäß § 25 Abs. 4 des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) und 53 Abs. 1 KrWG fortgesetzt werden dürfe. Eine Reaktion des Klägers zu 1) erfolgte trotz Erhalt des Schreibens nicht mit der Begründung, dass das Schreiben an „Herrn V* … H* …, H* …straße 4, … E* …“ und nicht an „Herrn V* … G* … H* …, E* … Straße 4, … B** … … …“ adressiert worden sei.
8
Mit Schreiben vom 1. Februar 2019 erhielt der Kläger zu 1) Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der geplanten Betriebseinstellung der nicht zertifizierten Erstbehandlungsanlage. Gleichzeitig wurde er auf die Möglichkeit eines Bußgeldverfahrens hingewiesen.
9
Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 wies dieser sämtliche Vorwürfe zurück. Das Schreiben des Landratsamtes vom 5. Oktober 2018 sei für ihn ohne Belang, da sein Name nicht vollständig und auch eine falsche Adresse angegeben worden sei. Er betreibe keine Erstbehandlungsanlage und sammele keine gefährlichen Abfälle, da er nur mit gebrauchten Geräten und Ersatzteilen, nicht jedoch mit Elektroschrott, Elektronikaltgeräten oder Abfällen handele. Dies gehe auch aus dem beigefügten „Zertifikat“ hervor. Danach finde eine Abholung der Güter nur im Rahmen der Weiterverwendung statt, wozu sich die gebrauchten Maschinen und Bauteile in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden müssten.
10
Gebrauchte Elektrogeräte, welche weiterbenutzt würden, unterfielen nicht dem Anwendungsbereich des KrWG. Dies gelte auch für Erhaltungsmaßnahmen und die Entnahme von Ersatzteilen. Erst nach der Behandlung durch den Kläger zu 1) müsse das Gerät einer Erstbehandlungsanlage zugeführt werden. Dies sei ihm auch in einem Telefongespräch mit dem zuständigen Referenten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt am 7. Februar 2019 bestätigt worden.
11
Nachdem die Klägerin zu 2) als Eigentümerin des bezeichneten Grundstücks ermittelt werden konnte, wurde ihr mit Schreiben vom 19. Februar 2019 bis zum 5. März 2019 Gelegenheit gegeben, sich zu einer beabsichtigten baurechtlichen Nutzungsuntersagung und damit verbundener Duldungsverpflichtung zu äußern. Eine Anhörung hinsichtlich der Betriebseinstellung unterblieb jedoch.
12
Daraufhin gab das Landratsamt dem Kläger zu 1) mit Schreiben vom 21. Februar 2019 noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zur geplanten Betriebseinstellung. Diesem ging das Schreiben zu, obwohl als Adresse wiederum „H* …straße 4, … E* …“ angegeben wurde.
13
Mit Schreiben vom 5. März 2019 erklärte er zuletzt, er werde sich zur Sache über das Schreiben vom 11. Februar 2019 hinaus nicht mehr äußern.
14
Mit ihm am 27. April 2019 zugestelltem Bußgeldbescheid (Az.: … …66* …*) schloss das Landratsamt das eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren ab, welcher ebenfalls an die Adresse „H* …straße 4, … E* …“ gerichtet war.
15
2. Mit Bescheid vom 17. April 2019 (Az.: … …62* …*), dem Kläger zu 1) am 18. April 2019 per Postzustellungsurkunde zugestellt, verpflichtete das Landratsamt diesen als Inhaber der Firma P** … Zerlegefachbetrieb, den Betrieb einer Erstbehandlungsanlage innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids einzustellen (Ziffer 1). Für den Fall, dass vorstehende Ziffer nicht befolgt werden sollte, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR fällig (Ziffer 2). Die Kosten des Verfahrens habe der Verpflichtete, „Herr V* … G* … H* …, H* …straße 4 in … - OT E* …“, zu tragen (Ziffer 3). Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt. Für Auslagen seien 4,11 EUR angefallen (Ziffer 4). Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung:, eine Kostenrechnung war angefügt.
16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung zur Untersagung der Tätigkeit als Erstbehandlungsanlage stütze sich auf § 62 KrWG i.V.m. dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG). Die Unternehmenstätigkeit der Firma P** … sei als Tätigkeit einer Erstbehandlungsanlage zur ersten Behandlung von Altgeräten zu qualifizieren. Nach § 3 Nr. 24 ElektroG werde der Begriff der Erstbehandlung definiert als die erste Behandlung von Altgeräten, bei der die Altgeräte zur Wiederverwendung vorbereitet oder von Schadstoffen entfrachtet und Wertstoffe separiert würden, einschließlich hierauf bezogener Vorbereitungshandlungen. Altgeräte im Sinne des § 3 Nr. 3 ElektroG seien definiert als Elektro- und Elektronikgeräte, die Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG darstellten, einschließlich aller Bauteile, Unterbaugruppen und Verbrauchsmaterialien, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Abfalleigenschaft Teil des Altgeräts seien. Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG seien alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledige, entledigen wolle oder entledigen müsse. Der Besitzer entledige sich der Stoffe oder Gegenstände, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet würden, auf Grund ihres konkreten Zustands geeignet seien, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden könne.
17
Bei der Ortseinsicht und dem in diesem Rahmen stattgefundenem Gespräch mit dem Kläger zu 1) sei festgestellt worden, dass es sich bei dem Großteil der gelagerten Geräte um Abfall gehandelt habe. Dieser würde nicht mehr der ursprünglichen Zweckbestimmung zugeführt, vielmehr würden die Geräte ausweislich des vorgelegten Betriebskonzepts überprüft, gereinigt, sortiert und gegebenenfalls einzelne Bauteile entfernt. Bei einem Ausbau von Bauteilen sei eine Zuführung zum ursprünglichen Verwendungszweck nicht mehr abzusehen beziehungsweise möglich.
18
Infolge der Erfüllung des Abfallbegriffs sei der Anwendungsbereich des ElektroG eröffnet, bei den ausgeführten Tätigkeiten handele es sich um solche, die gemäß § 21 Abs. 1 ElektroG ausschließlich durch zertifizierte Erstbehandlungsanlagen durchgeführt werden dürften. Im gegebenen Fall sei deshalb die Herstellung rechtmäßiger Zustände geboten, insbesondere durch die Unterbindung von Verstößen gegen das KrWG und das ElektroG. Dies erscheine nur durch eine Einzelfallanordnung gemäß § 62 Abs. 1 KrWG möglich. Bei der Entscheidung sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden. Das Vorgehen entspreche dem gesetzgeberischen Auftrag. Durch die Betriebseinstellung würden auch keine unumkehrbaren Zustände geschaffen. Vielmehr habe es der Firmeninhaber selbst in der Hand, durch die Stellung der notwendigen Anträge beziehungsweise Vorlage der entsprechenden Anzeigen ordnungsgemäße Verhältnisse herzustellen. Die Anforderungen an die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens seien gewahrt.
19
Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 Abs. 1 und 5 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Frist zur Erfüllung der Unterlassungspflicht sei den Einzelfallumständen nach angemessen. Die Höhe orientiere sich am wirtschaftlichen Interesse des Pflichtigen am Unterlassen der auferlegten Maßnahme, das gewählte Zwangsmittel sei auch erforderlich, notwendig und angemessen. Da die Androhung des Zwangsgeldes als Leistungsbescheid nach Art. 23 VwZVG anzusehen sei, könne es bei Fälligkeit der Forderung beigetrieben werden, ohne dass es eines neuen Verwaltungsaktes bedürfe.
20
Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Kostengesetzes (KG). Die Höhe der festgesetzten Gebühr ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 KG. Die Auslagen für den Zustellungsauftrag seien gemäß Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG erstattungsfähig.
21
3. Mit Schriftsatz vom 19. April 2019, bei Gericht am 23. April 2019 eingegangen, erhoben die Kläger hiergegen Klage.
22
Zur Begründung führten die Kläger im Wesentlichen aus, bei der am 19. September 2019 erfolgten Ortseinsicht seien keine Elektronikaltgeräte und Bauteile gelagert, behandelt oder zerlegt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich nur 24 Monitore, Tonerkartuschen und Tintenpatronen auf dem Grundstück befunden, die vom Kläger zu 1) kontrolliert und für den Versand verpackt worden seien. Das Landratsamt habe diese Gegenstände jedoch nicht kontrolliert. Container, Transportbehälter, Big Bags und Transportwägen dienten als Lagermöglichkeit, Mülltonnen oder Einkaufswägen würden jedoch nicht genutzt. Bei der angeblichen Werkstatt handele es sich um einen Überprüfungsraum.
23
Die Darstellung im Bescheid entspreche nicht der tatsächlichen Nutzung. Das Unternehmen behandele keine Elektro- und Elektronikaltgeräte. Es sei vielmehr ein Dienstleistungsunternehmen, das sich auf die Vermarktung von gebrauchten Elektrogeräten und deren Zubehör spezialisiert habe. Es handele sich dabei um marktfähige gebrauchte Maschinen sowie deren Bauteile, die noch werthaltig seien. Bei diesen müsse jedoch keine Rückführung zwecks Recycling erfolgen, vielmehr seien diese weiterverwendbar. Auf dem Betriebsgrundstück würden die Geräte geprüft, damit Transportschäden oder Mängel ausgeschlossen werden könnten. Anschließend würden die Geräte gereinigt sowie für den Versand verpackt. Dabei seien zur Verhinderung von Transportschäden Eingriffe wie etwa das Entfernen von Tonerkartuschen unerlässlich, diese hätten keinen abfallspezifischen Hintergrund und unterfielen somit nicht dem KrWG. Bei mängelbehafteten Geräten würden noch gebrauchsfähige Teile zur Gewinnung von Ersatzteilen entnommen. Die nicht mehr gebrauchsfähigen Geräte würden anschließend einem zertifizierten Erstbehandlungsunternehmen zur Entsorgung zugeführt.
24
Die Gewinnung von Ersatzteilen stelle jedoch keine Erstbehandlung gemäß § 3 Nr. 24 ElektroG oder eine Behandlung im Sinne des § 3 Nr. 23 ElektroG dar. Ein abfallspezifischer Hintergrund existiere für diese Handlung nämlich nicht, es gehe vielmehr um den Erhalt des noch funktionstauglichen Ersatzteiles. Dies trage dazu bei, reparaturfähige Gebrauchtgeräte zu erhalten und so zum Umweltschutz beizutragen. Mit der Betriebsuntersagung liege eine strafbare Handlung nach §§ 169 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) vor.
25
Des Weiteren handele es sich um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, so dass eine Gefahr von diesen nicht ausgehe. Im Gegenteil würden durch dieses Vorgehen Schadstoffe vermieden und zum Umweltschutz beigetragen. Dies erfolge auch gemeinwohlverträglich, da der Abholservice kostenlos sei und etwa noch in Druckern befindliches Papier gespendet werde.
26
Es liege zudem eine neue Zweckbestimmung vor. Eine Genehmigung nach § 53 KrWG und ein Antrag nach § 54 KrWG seien mithin nicht erforderlich. Der Kläger zu 1) sei als früherer Geschäftsführer einer Erstbehandlungsanlage auch zuverlässig. In seinem Landkreis bestehe zudem bereits eine Erstbehandlungsanlage, er solle als möglicher Mitbewerber behindert werden.
27
Die Betriebsuntersagung sei außerdem unverhältnismäßig. Er und seine Familie seien von dem Betrieb des Unternehmens auf dem Grundstück als einziger Einkommensquelle abhängig, es liege ein Härtefall vor.
28
Im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit habe das Landratsamt außerdem nicht auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), sondern auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG als lex specialis für den Fall der gewerblichen Nutzung abstellen müssen.
29
Das Schreiben vom 27. Juli 2018 sei darüber hinaus auch nicht erst am 17. September 2018 eingegangen, vielmehr sei es fristgerecht am 25. Juli 2018 eingeworfen worden.
30
Das Schreiben vom 5. Oktober 2018 sei darüber hinaus nicht wirksam zugegangen und wirke sich deshalb rechtlich nicht aus, da es den falschen Adressaten und eine falsche Adresse enthalten habe. Das Landratsamt hätte die Richtigkeit der Anschrift prüfen müssen. Da im Schreiben vom 21. Februar 2019 auf diesen Bescheid verwiesen worden sei, sei auch die Anhörung fehlerhaft erfolgt. Dies stelle einen Verfahrensfehler dar, so dass keine rechtliche Grundlage für den Bescheid vorliege.
31
4. In der Klageerwiderung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für eine Betriebsuntersagung lägen vor, da das vom Kläger zu 1) betriebene Unternehmen die gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierung gemäß § 21 ElektroG für den Betrieb einer Erstbehandlungsanlage nicht vorweisen könne. Die Betriebsuntersagung stütze sich auf § 62 KrWG i.V.m. dem ElektroG. Nach § 62 KrWG könne die Behörde die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des KrWG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen treffen.
32
Anhand der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung, der Ortseinsicht vom 19. September 2018 und den im Rahmen dieses Termins getätigten Äußerungen des Klägers zu 1) sei ein Verstoß gegen abfallrechtliche Vorschriften festgestellt worden. Insbesondere werde eine Erstbehandlungsanlage betrieben, auch ein Sammeln, Befördern, Handeln und Makeln von Abfällen sei zu bejahen.
33
Zum Zeitpunkt der Ortseinsicht hätten sich auf dem Grundstück weitaus mehr Gerätschaften befunden als zugegeben werde, darunter auch Handys und Computer.
34
Dem Kläger zu 1) sei ausreichend Gelegenheit gegeben worden, eine erfolgreiche Zertifizierung seines Unternehmens nachzuweisen sowie die erforderlichen Anzeigen nach § 25 Abs. 4 ElektroG und § 53 KrWG vorzulegen und so die Betriebsuntersagung zu verhindern. Das Landratsamt könne jedoch nicht selbst beurteilen, ob das Unternehmen überhaupt erfolgreich als Erstbehandlungsanlage zertifiziert werden könnte. Dies könne nur ein geeigneter Sachverständiger beurteilen.
35
Die Betriebsuntersagung sei auch verhältnismäßig und verstoße nicht gegen das Übermaßverbot. Auf die Ermessenserwägungen im Bescheid vom 17. April 2019 wurde verwiesen.
36
Es sei unschädlich, dass das Schreiben vom 5. Oktober 2018 falsch adressiert worden sei. Der Adressat der behördlichen Anordnung sei aus den Umständen eindeutig erkennbar. Dass der Kläger zu 1) das Schreiben nicht zur Kenntnis genommen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet habe, könne dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen.
37
Die Behauptung, bei dem Unternehmen handele es sich nur um ein Abhol- und Dienstleistungsunternehmen zur Vermarktung gebrauchter Elektrogeräte, könne durch die Tätigkeitsbeschreibung, die erfolgte Ortseinsicht und die dabei erfolgten Aussagen des Klägers zu 1) widerlegt werden. Wie er selbst zugebe, würden mangelhafte Gerätschaften hinsichtlich der Ersatzteilgewinnung kontrolliert, wodurch das Prinzip des „Ausschlachtens“ der Gerätschaften erkennbar werde. Diese Güter würden nach Ersatzteilentnahme einem Erstbehandlungsunternehmen zugeführt. Bei der Ersatzteilentnahme handele es sich jedoch bereits um eine Tätigkeit, die durch ein zertifiziertes Erstbehandlungsunternehmen durchzuführen sei.
38
In seiner E-Mail vom 16. April 2019 habe auch der zuständige Referent des Bayerischen Landesamtes für Umwelt ausgeführt, dass eindeutige Hinweise vorlägen, dass das Unternehmen Elektro- und Elektronikaltgeräte und somit gefährliche Abfälle annehme und zerlege. Die beschriebenen Tätigkeiten seien teilweise als zertifizierungspflichtige Erstbehandlungstätigkeiten nach § 20 Abs. 1 i.V.m. Anlage 4 ElektroG einzustufen. Bei dem Telefongespräch mit dem Kläger zu 1) habe dieser den Sachverhalt falsch dargestellt.
39
Die Gebührenrechnung vom 17. April 2019 werde bis zur Entscheidung über die Klage ausgesetzt.
40
5. Der Kläger zu 1) erwiderte hierauf, er nehme keine Elektroaltgeräte ab, sondern lediglich Gebrauchtgeräte. Die im Jahr 2014 ausgestellten Zertifikate verwende er nicht mehr. Seine Kunden müssten ihm vielmehr bei Abholung der Geräte versichern, dass diese funktionsfähig seien und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befänden.
41
6. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2020, bei Gericht am 8. Oktober 2020 eingegangen, lehnte die Klägerin zu 2) den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. W* … wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da ihre Klage entgegen der im gerichtlichem Hinweisschreiben vom 29. September 2020 mitgeteilten vorläufigen Rechtsauffassung zulässig sei. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2020 wies das Gericht das Gesuch zurück. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Beschluss vom 13. Oktober 2020 verwiesen.
42
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020, bei Gericht am 14. Oktober 2020 eingegangen, lehnte der Kläger zu 1) den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. W* … ebenfalls wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da er nicht ebenso wie die Klägerin zu 2) einen rechtlichen Hinweis erhalten habe. In der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2020 wies das Gericht das Ablehnungsgesuch des Klägers zu 1) vom 8. Oktober 2020 zurück. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2020 wird verwiesen.
43
7. In der mündlichen Verhandlung stellten die Kläger den Antrag,
den Bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 17. April 2019 (Az.: … …62* …*) aufzuheben.
44
Der Beklagte beantragt,
45
Zudem stellte der Kläger zu 1) den aus dem Protokoll vom 16. Oktober 2020 ersichtlichen Beweisantrag, der mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem und begründetem Beschluss abgelehnt wurde.
46
Der Kläger zu 1) übergab zudem ein auf den 15. Oktober 2020 datiertes Schreiben, das als hilfsweiser Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins verstanden werden sollte. Auf vorgenanntes Schreiben vom 15. Oktober 2020 wird verwiesen.
47
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakte, insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2020 Bezug genommen. Auf die in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder wird im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
48
Das Gericht konnte vorliegend auch in Abwesenheit der Klägerin zu 2) verhandeln und entscheiden, da diese gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO ordnungsgemäß durch den Kläger zu 1) vertreten wurde.
49
Die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg, da der angegriffene Bescheid vom 17. April 2019, mit dem die Einstellung des Betriebs einer Erstbehandlungsanlage unter Androhung eines Zwangsgeldes verfügt wurde, rechtmäßig ist und den Kläger zu 1) nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die vom Kläger zu 1) an den Altgeräten durchgeführten Handlungen dabei zutreffend als Betrieb einer Erstbehandlungsanlage angesehen und die Einzelfallanordnung ermessensfehlerfrei auf § 62 KrWG gestützt, da ein Verstoß gegen die Zertifizierungs- und Anzeigepflicht aus §§ 21 Abs. 1 und 25 Abs. 4 ElektroG vorlag (I.). Die Anfechtungsklage der Klägerin zu 2) ist mangels Klagebefugnis hingegen bereits unzulässig (II.).
51
Die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu 1) ist in der Sache nicht begründet. Die angegriffenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen den Kläger zu 1) daher nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52
1. Die auf § 62 KrWG i.V.m. §§ 2 Abs. 3 Satz 2, 21 Abs. 1, 25 Abs. 4 ElektroG gestützte Betriebseinstellungsverfügung unter Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides erweist sich als rechtmäßig. Nach § 62 KrWG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des ElektroG treffen, wenn ein Verstoß gegen die im ElektroG statuierten Pflichten, namentlich gegen die Zertifizierungs- und Anzeigepflicht gemäß §§ 21 Abs. 1 und 25 Abs. 4 ElektroG infolge des Betriebs einer Erstbehandlungsanlage im Sinne des ElektroG, vorliegt.
53
a) Die Anordnung der Betriebseinstellung ist formell rechtmäßig.
54
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld war insbesondere gemäß Art. 29 Abs. 1 des Bayer. Abfallwirtschaftsgesetzes (BayAbfG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 10 der Zuständigkeitsverordnung Abfallrecht (AbfZustV), Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zum Erlass der Betriebseinstellung sachlich und örtlich zuständig.
55
Der Betrieb einer (Erstbehandlungs-)Anlage stellt ein ortsgebundenes Recht nach dem vorrangig zu prüfenden Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG dar (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 3 Rn. 18), so dass Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BayVwVfG in Bezug auf diesen Streitgegenstand entgegen der klägerischen Ansicht nicht mehr zu prüfen waren (vgl. Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 3 Rn. 17). Selbst wenn man von der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG ausgehen wollte, führte dies aufgrund der auch nach dieser Norm gegebenen örtlichen Zuständigkeit nicht zur formellen Rechtswidrigkeit.
56
Der Kläger zu 1) wurde zur geplanten Betriebseinstellung auch ordnungsgemäß angehört, nachdem ihm die Anhörungsschreiben vom 1. und 21. Februar 2020 tatsächlich zugegangen sind, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Zwar wurden die Anhörungsschreiben teilweise an eine unzutreffende Adresse versandt. Wie dieser jedoch selbst einräumt, hat er von den Anhörungsschreiben trotz der von ihm bezeichneten Mängel tatsächlich Kenntnis genommen, so dass er ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Betriebseinstellung hatte.
57
b) Die Anordnung der Betriebseinstellung ist zudem materiell rechtmäßig, weil die Anordnung ermessenfehlerfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf § 62 KrWG i.V.m. §§ 2 Abs. 3 Satz 2, 21 Abs. 1, 25 Abs. 4 ElektroG gestützt werden konnte.
58
Nach § 62 KrWG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des ElektroG treffen, wenn ein Verstoß gegen die im ElektroG statuierten Pflichten, namentlich gegen die Zertifizierungs- und Anzeigepflicht gemäß §§ 21 Abs. 1 und 25 Abs. 4 ElektroG infolge des Betriebs einer Erstbehandlungsanlage vorliegt. Der Kläger zu 1) betreibt vorliegend eine Erstbehandlungsanlage, indem er an Elektroaltgeräten (§ 3 Nr. 3 ElektroG) die Erstbehandlung (§ 3 Nr. 24 ElektroG) vornimmt. Mangels Anzeige und Zertifizierung dieser Tätigkeit verstößt er damit gegen seine Pflichten aus den gemäß § 2 Abs. 1 ElektroG anwendbaren §§ 21 Abs. 1 und 25 Abs. 4 ElektroG.
59
aa) Bei den vom Kläger zu 1) behandelten Geräten handelt es sich um Altgeräte i.S.d. § 3 Nr. 3 ElektroG.
60
Diese werden legaldefiniert als Elektro- und Elektronikgeräte, die Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind, einschließlich aller Bauteile, Unterbaugruppen und Verbrauchsmaterialien, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Abfalleigenschaft Teil des Altgerätes sind. Bei den vom Kläger zu 1) behandelten Geräten handelt es sich um Elektro- und Elektronikgeräte i.S.d. § 3 Nr. 1 ElektroG, die sich unter den Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG fassen lassen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Die materielle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Abfalleigenschaft trifft dabei die Behörde (BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 12 CS 19.2505 - juris LS 5, Rn. 43), wobei lediglich gebrauchte Elektrogeräte, die ohne Vorbereitungsverhandlungen zur Wiederverwendung (§ 3 Abs. 24 KrWG) weiterbenutzt werden können, richtigerweise nicht dem Abfallbegriff des KrWG unterfallen. Unter Beachtung vorgenannter Grundsätze konnte der Beklagte jedoch die tatsächlichen Voraussetzungen der Abfalleigenschaft in ausreichender Weise dartun. Unter Beachtung des vom Kläger zu 1) vorgelegten Betriebskonzepts, dessen Geltung und Inhalt er in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2020 bestätigte, handelt es sich im vorliegenden Fall um Gegenstände, derer er sich entledigen will.
61
Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG (sog. „subjektiver Abfallbegriff“) wird der Entledigungswille vermutet, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung des Gegenstandes entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an dessen Stelle tritt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG ist für die Beurteilung der Zweckbestimmung die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu Grunde zu legen. Für die Frage des Vorliegens eines neuen Verwendungszweckes ist bei Sachgesamtheiten oder komplexeren Gegenständen auf den Gegenstand als solchen und nicht auf seine individuellen Bauteile abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris; VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 59). Liegen dessen überwiegend subjektiv geprägte Voraussetzungen vor, begründet § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG die Fiktion des Entledigungswillens. Bei der Prüfung kommt jedoch der Verkehrsanschauung besondere Bedeutung zu, was eine gewisse Verobjektivierung der Tatbestandsmerkmale ermöglicht.
62
Ein Wille zur Entledigung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist im vorliegenden Fall einerseits dadurch anzunehmen, dass der Kläger überhaupt Ersatzteile aus reparaturbedürftigen Geräten ausbaut. Durch diese Handlung manifestiert sich der Wille zur Entledigung endgültig, da insofern eine Abfallbehandlung stattfindet (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris; VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 59 unter Verweis auf BayObLG v. 17.4.1998 - 3 ObOWi 43/98 - juris Rn 6). Der Begriff der Abfallbehandlung ist zwar weder im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch im KrWG definiert, wird jedoch von beiden Gesetzen verwendet. Insofern kann auf die Definition von § 2 Nr. 5 DepV zurückgegriffen werden (Dieckmann in Jarass/Petersen, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 15 Rn 26), wonach eine Abfallbehandlung durch mechanische, physikalische, thermische, chemische oder biologische Verfahren, die das Volumen oder die schädlichen Eigenschaften von Abfällen verringern, ihre Handhabung erleichtern oder ihre Verwertung oder Beseitigung begünstigen, definiert ist. Das Ausschlachten von reparaturbedürftigen Gegenständen zur Ersatzteilgewinnung stellt eine Abfallbehandlung im Sinne eines mechanischen Verfahrens zur besseren Handhabbarkeit bzw. zur erleichterten Verwertung von Abfällen dar (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris; VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 60).
63
Der Wille zur Entledigung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist andererseits auch schon dadurch anzunehmen, dass der Kläger zu 1), wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, jedenfalls auch gebrauchte und defekte Elektrogeräte zum Zwecke des „Ausschlachtens“ zur Ersatzteilgewinnung erwirbt, so dass bereits im Zeitpunkt des Erwerbs zu diesem Zweck die Voraussetzungen des subjektiven Abfallbegriffs erfüllt sind. Die Zweckbestimmung der jedenfalls teilweise nicht mehr gebrauchsfähigen Elektrogeräte entfällt schon in diesem Zeitpunkt, da sie nicht mehr als Endgeräte eingesetzt werden können und sollen. Dass einzelne Komponenten solcher Elektrogeräte noch als Ersatzteile dienen können, ist insofern unbehelflich, denn nach den obigen Ausführungen ist auf die Sachgesamtheit - also auf das Elektrogerät insgesamt - abzustellen. Ausweislich des Betriebskonzepts, dessen Geltung und Inhalt der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, erwirbt dieser die gleichartigen Geräte in großer Menge in dem Wissen und mit dem Willen, jedenfalls bei Bedarf auch aus gebrauchsunfähigen Geräten noch funktionsfähige Teile als Ersatzteile zu entnehmen.
64
Zwar liegt die materielle Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast für das Nichtvorliegen eines neuen, „unmittelbar“ an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung tretenden Verwendungszwecks bei der Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 12 CS 19.2505 - juris LS 5, Rn. 43). Das Landratsamt ist der Beweislast hinsichtlich dieser Negativtatsache jedoch in ausreichender Weise nachgekommen. Zwar mag die Nutzung als Ersatzteilspender grundsätzlich einen neuen Verwendungszweck im Sinne der Vorschrift darstellen (wenn man den Begriff des Verwendungszwecks wie bei § 5 Abs. 1 Nr. 1 KrWG weit versteht, vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 12 CS 19.2505 - juris LS 7, Rn. 52). Dieser tritt jedoch nicht „unmittelbar“ an die Stelle des ursprünglichen Verwendungszwecks. Das Vorhalten als potentielles „Ersatzteillager“ ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Zwecks des KrWG kein „unmittelbar“ an die Stelle des alten Verwendungszwecks tretender Ersatzzweck (vgl. VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 61; BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris). Das Kriterium der Unmittelbarkeit soll gerade ausschließen, dass hinsichtlich des an die Stelle des alten Verwendungszwecks tretenden Ersatzzwecks ein „Schwebezustand“ bzw. eine Ungewissheit tritt (vgl. VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 62; BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris). Gerade aber im Fall der Nutzung eines Gegenstandes als auszuschlachtendes „Ersatzteillager“ dürfte der Abfallbesitzer eben gerade nicht wissen, ob bzw. wann ein Bedarf an allen Einzelkomponenten als potentiellen Ersatzteilen besteht. Es besteht zudem die begründete Besorgnis, dass sich der Abfallbesitzer nach der „Ausschlachtung“ der Restsache zeitnah wieder entledigt, sodass neuerlich Abfall anfällt. Dies will der Gesetzgeber mit dem Unmittelbarkeitskriterium allerdings gerade ausschließen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 - 12 CS 19.2505 - juris Rn. 52).
65
Im vorliegenden Fall ist aufgrund des vorgelegten Betriebskonzepts und der diesbezüglichen Erklärungen des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass dieser die jedenfalls teilweise „auszuschlachtenden“ Elektrogeräte bereits bei Erwerb systematisch nach brauchbaren Ersatzteilen und zu verschrottenden Restanlagen trennen will, ohne dass ein konkreter Bedarf an diesen besteht (vgl. VG Ansbach, U.v. 4.5.2016 - AN 11 K 15.00616 - juris Rn. 63 f. unter Verweis auf BayObLG v. 17.4.1998 - 3 ObOWi 43/98 - juris Rn 5, bestätigt durch BayVGH, U.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris). Der subjektive Abfallbegriff war damit bereits im Zeitpunkt des Erwerbs erfüllt.
66
bb) Zwar hat der Kläger zu 1) erklärt, ausweislich der seit dem 31. Januar 2014 selbst ausgestellten „Zertifikate“ müssten die Kunden versichern, dass sich die gebrauchten Maschinen und Bauteile in einem ordnungsgemäßen Zustand befänden, da die Abholung nur im Rahmen der Weiterverwendung stattfinde.
67
Der diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2020 gestellte Beweisantrag war jedoch gemäß § 86 Abs. 2 VwGO durch Beschluss abzulehnen, da das Beweismittel (Urkundenbeweis im Wege der Inaugenscheinnahme der vorgelegten Lichtbilder und Zertifikate) keinerlei Beweiswert hat und zum Beweis der fehlenden Abfalleigenschaft als Beweistatsache völlig ungeeignet ist (was auch auf den Rechtsgedanken des § 244 Abs. 3 StPO gestützt werden kann, vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2004 - 2 B 20.14 - juris Rn. 6; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 66; Dawin in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 86 Rn. 101). Im Rahmen der Prüfung der Abfalleigenschaft kommt es maßgeblich auf die tatsächliche Handlung des „Ausschlachtens“ bzw. der Absicht hierzu im Zeitpunkt des Erwerbs an. Die undatierten Lichtbilder und „Zertifikate“ lassen jedoch keinerlei Rückschluss auf die an den Geräten durchgeführten Handlungen zu. Vielmehr stellen die Lichtbilder nur undatierte Momentaufnahmen dar, die „Zertifikate“ lassen ebenfalls keinen Rückschluss auf die an den Geräten tatsächlich durchgeführten Handlungen zu. Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung zudem bereits zuvor die Aussagen seines Betriebskonzepts bestätigt. Damit geht das Gericht davon aus, dass die als Subsumtionsgrundlage für die Abfalleigenschaft notwendigen Tatsachen bereits erwiesen sind, so dass eine Beweiserhebung insoweit auch überflüssig ist (Bachler in: BeckOK StPO, Stand 1.7.2020, § 244 Rn. 74).
68
Soweit der Kläger zu 1) im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen hilfsweisen Beweisantrag gestellt hat, war seitens des Gerichts diesbezüglich keine weitere Beweiserhebung veranlasst. Der gestellte Antrag ist abzulehnen, da das Beweisangebot der Ortseinsicht im Betrieb für eine weitere Beweisaufnahme keine Veranlassung gegeben hat (§ 86 Abs. 1 VwGO). Für die nach Ansicht des Klägers zu 1) als weiter untersuchungsbedürftig angesehene Frage der Abfalleigenschaft steht bereits eine ausreichende Tatsachengrundlage zur Verfügung. Dieser hat bereits vorgerichtlich sein Betriebskonzept vorgelegt und dessen Aussagen in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Aus Sicht des erkennenden Gerichts steht somit der zugrunde zu legende Sachverhalt hinreichend fest, nämlich ausweislich des von ihm bestätigten Betriebskonzepts dergestalt, dass die Elektrogeräte bereits in dem Wissen und mit dem Willen erworben wurden, jedenfalls bei Bedarf aus funktionsuntüchtigen Geräten Ersatzteile auszubauen. Dass er solche Handlungen auch tatsächlich vornimmt, hat der Kläger zu 1) zudem in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Weiterer Anlass für das Gericht, Nachforschungen in Bezug auf den zugrunde zu legenden Sachverhalt anzustellen, besteht damit nicht.
69
An dieser Einschätzung vermag auch der behauptete Datenschutzrechtsverstoß aufgrund der Einholung des Grundbuchauszugs nichts zu ändern. Ein solcher Verstoß ist in Bezug auf den vorliegend angegriffenen abfallrechtlichen Bescheid schon nicht ersichtlich, die Prüfung der Eigentümerstellung hinsichtlich des Betriebsgrundstücks war ausschließlich für den baurechtlichen Bescheid bedeutsam, der vorliegend nicht Prüfungsgegenstand ist.
70
cc) Die an den Altgeräten vorgenommenen Handlungen fallen auch unter die Legaldefinition der Erstbehandlung in § 3 Nr. 24 ElektroG.
71
Erstbehandlung im Sinne des ElektroG ist die erste Behandlung von Altgeräten, bei der die Altgeräte zur Wiederverwendung vorbereitet oder von Schadstoffen entfrachtet und Wertstoffe aus den Altgeräten separiert werden, einschließlich hierauf bezogener Vorbereitungshandlungen. Aufgrund der Aussagen des in der mündlichen Verhandlung bestätigten Betriebskonzepts steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zu 1) Ersatzteile aus funktionsuntüchtigen Altgeräten ausbaut, um sie ggf. in andere Geräte einzubauen, womit eine Separierung von Wertstoffen vorliegt. Es ist davon auszugehen, dass noch werthaltige Bestandteile ausgebaut und die Restsachen - wie auch im angeblich nur bis zum 31. Januar 2014 benutzten „Zertifikat“ dargelegt - entsorgt werden. Darüber hinaus hat er in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, er entnehme aus den bei ihm gelagerten Geräten auch Toner und Tintenpatronen, weil diese durch die Lagerung in einer unbeheizten Halle und den Transport beschädigt werden könnten, womit zudem eine Entfrachtung von Schadstoffen vorliegt (vgl. Anlage 4 Nr. 1 Buchst. d zum ElektroG). Von der Erstbehandlungstätigkeit sind bereits Vorbereitungshandlungen für solche Tätigkeiten, wie die Sortierung, Zerlegung und Lagerung umfasst (vgl. Hilf/Schleifenbaum in: Giesberts/Hilf, ElektroG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 104).
72
Die Behörde konnte damit die Erstbehandlung in ausreichender Weise darlegen. Der Kläger zu 1) ist diesen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat das Betriebskonzept nach dem 31. Januar 2014 vorgelegt, mithin zu einem Zeitpunkt, als der Betriebszweck ausweislich der nunmehr benutzten „Zertifikate“ eigentlich schon in der bloßen Weiterverwendung der Geräte bestanden haben müsste, so dass ein Widerspruch im klägerischen Vorbringen besteht. Dass er nicht nur seine „Zertifikate“, sondern auch sein Betriebskonzept insgesamt angepasst hat, hat er weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
73
Ein Ausnahmefall i.S.d. § 3 Nr. 24 letzter Halbsatz ElektroG ist nicht gegeben. Diese als Ausnahmevorschrift eng auszulegende Norm erfasst nur die zerstörungsfreie Entnahme von Lampen und Altbatterien/Altakkumulatoren aus Altgeräten, die nicht vom Altgerät umschlossen sind. Die bloße zerstörungsfreie Entnahme solcher Bestandteile aus den Altgeräten ist jedoch ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
74
Für die Erfüllung des Tatbestands der §§ 21 Abs. 1, 25 Abs. 4 ElektroG genügt, dass die Erstbehandlung von Altgeräten jedenfalls vorkommt (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2017 - 22 ZB 16.1463 - juris Rn. 14). Nach dem Wortlaut ist es unerheblich, ob die Erstbehandlung den Hauptzweck des Unternehmens darstellt oder eine gewisse Häufigkeit entsprechender Handlungen besteht. Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift. Es soll sichergestellt werden, dass jede Erstbehandlung ausschließlich in gemäß § 21 Abs. 1 ElektroG zertifizierten Anlagen stattfindet (vgl. BT-Drs. 18/4901, S. 97). Eine konkrete Feststellung anhand jedes einzelnen Geräts ist nicht möglich. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelung ist es demgemäß ausreichend, dass zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Erstbehandlung von Altgeräten jedenfalls vorkommt.
75
dd) Da mangels eines sonstigen Ausnahmefalls weder die gemäß § 21 Abs. 1 ElektroG erforderliche Zertifizierung, noch die nach § 25 Abs. 4 ElektroG notwendige Anzeige vor Aufnahme der Tätigkeit vorlag, war dem Landratsamt gemäß § 62 KrWG ein Entschließungssowie Auswahlermessen eröffnet, welches vorliegend pflichtgemäß ausgeübt wurde. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
76
Eine Bindung des Landratsamtes, die Anordnung nicht zu treffen, bestand durch die telefonische Auskunft des Landesamtes für Umwelt nicht. Zum einen kann eine rechtlich verbindliche Auskunft schon nicht telefonisch getroffen werden, mangels schutzwürdigen Vertrauens schon gar nicht, wenn der Kläger zu 1) den Sachverhalt tatsächlich falsch dargestellt haben sollte. Außerdem kann die Aussage einer anderen Behörde das Landratsamt vorliegend nicht binden. Eine rechtlich verbindliche Weisung an das Landratsamt kann im Telefonat mit dem außerhalb der Verwaltung stehenden Kläger zu 1) nicht gesehen werden. Sonstige Gründe, die den Handlungsspielraum des Landratsamtes einschränken könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
77
Darüber hinaus wird aus den hinreichend ermittelten und angemessen in die Abwägung eingestellten Ermessenserwägungen hinreichend klar, dass das Landratsamt auch die Möglichkeit anderer Entscheidungen gesehen, jedoch die Herstellung rechtmäßiger Zustände nur durch die konkret angeordnete Betriebseinstellung gewährleistet gesehen hat. Insbesondere ein Ermessensausfall lag somit nicht vor.
78
Die Anordnung genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Betriebseinstellung ist zur Unterbindung des rechtswidrigen Zustands geeignet und erforderlich, insbesondere hat der Kläger zu 1) das Angebot der Behörde auf Durchführung des Anzeige- und Zertifizierungsverfahrens zur Vermeidung des Bescheidserlasses nicht angenommen. Sonstige gleich wirksame, jedoch mildere Mittel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Anordnung ist auch geboten, da nur auf diesem Weg rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Da die Betriebseinstellung in erster Linie die Funktion hat, den Pflichtigen auf das Anzeige- und Zertifizierungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben als Erstbehandlungsanlage zertifiziert werden könnte. Mangels offensichtlicher Zertifizierungsmöglichkeit konnte die Betriebseinstellung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung rechtmäßig angeordnet werden (vgl. VG Ansbach, B.v. 21.8.2020 - AN 17 S 20.1363 - juris Rn. 65 zu einer insoweit vergleichbaren Nutzungsuntersagung). Der Kläger zu 1) hat mehrere Aufforderungen zur Anzeige und Zertifizierung ohne Reaktion verstreichen lassen, die ihm tatsächlich zugegangen sind. Dieser hat es mithin selbst in der Hand, das Anzeige- und Zertifizierungsverfahren zu durchlaufen und in der Folge den Betrieb fortführen zu können, durch die Anordnung werden keine unumkehrbaren Zustände geschaffen. Das Vorgehen entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen, dass eine Erstbehandlung ausschließlich in gemäß § 21 Abs. 1 ElektroG zertifizierten Anlagen stattzufinden hat (vgl. BT-Drs. 18/4901, S. 97). Damit ist die Betriebseinstellung trotz des nicht unerheblichen Eingriffs in die Rechte des Klägers, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, verhältnismäßig. Der geltend gemachte Härtefall für sich und seine Familie kann dieser selbst abwenden, indem er das Zertifizierungsverfahren durchläuft und die erforderliche Anzeige stellt. In Bezug auf die Störerauswahl sind Ermessensfehler weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, die Anordnung wurde rechtmäßig gegen den Kläger zu 1) als Betreiber der Erstbehandlungsanlage gerichtet.
79
2. Die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtmäßig.
80
Die Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes (Art. 36 Abs. 3 VwZVG) stellt einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar (vgl. VG Würzburg, U.v. 20.12.2018 - W 5 K 17.1197 - juris Rn. 18; VG Augsburg, U.v. 2.7.2012 - Au 5 K 11.707 - juris Rn. 25). Dieser findet seine Rechtsgrundlage vorliegend in Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, 31, 36 Abs. 1 und 5 VwZVG. Die Zuständigkeit des Landratsamtes als Anordnungsbehörde folgt aus Art. 20 Nr. 1 VwZVG, eine Anhörung war nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich.
81
In materieller Hinsicht ist gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG grundsätzlich ein wirksamer und vollziehbarer Grundverwaltungsakt erforderlich. Dass aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) bei Bescheidserlass die Voraussetzungen des Art. 19 VwZVG noch nicht vorlagen, ist jedoch unschädlich, da das Gericht vorliegend gleichzeitig über alle in dem Bescheid verbundenen Regelungen befindet, welche somit gleichzeitig in Bestandskraft erwachsen (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2001 - 1 ZB 01.1255 - juris Rn.14).
82
Der Erlass einer Duldungsanordnung gegenüber der Klägerin zu 2) als Grundstückseigentümerin ist für die Rechtmäßigkeit der gegen den Kläger zu 1) ergangenen Zwangsgeldandrohung nicht erforderlich. Die Betriebsuntersagung begründet für diesen eine personenbezogene, schlichte Unterlassungspflicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017 - 15 CS 17.1675 - juris Rn. 33), er kann also den Betrieb der Erstbehandlungsanlage unterlassen, ohne in Rechte der Grundstückseigentümerin eingreifen zu müssen. Im Fall der schlichten Unterlassungspflicht ist eine Duldungsanordnung für die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung jedoch nicht erforderlich (vgl. HessVGH, B.v. 27.1.2020 - 3 B 1864/19 - juris LS 4, Rn. 29). Selbst das Fehlen einer erforderlichen Duldungsanordnung führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung, diese stellt nur eine Bedingung (Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BayVwVfG) für das Entstehen und Fälligwerden der Geldforderung dar (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2005 - 1 ZB 04.276 - juris Rn. 42).
83
Die Zwangsgeldandrohung ist auch hinreichend bestimmt. Es steht zur Überzeugung des Gerichts hinreichend sicher fest, unter welchen Voraussetzungen das Zwangsmittel zur Anwendung kommt (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2009 - 20 ZB 09.1332 - juris Rn. 2), nämlich bei jedem Verstoß gegen die Dauerunterlassungspflicht unter Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides. Es wurde „für den Fall, dass vorstehende Ziffer nicht befolgt werden sollte“, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht. Da Ziffer 1 des Bescheides eine Dauerunterlassungspflicht begründet, kann gegen diese grundsätzlich mehrfach verstoßen werden. In einem solchen Fall ist zwar grundsätzlich klarzustellen, für welchen Verstoß ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig wird. Abweichend von diesem Grundsatz lässt sich aber bei mehreren in Frage kommenden Verstößen dann die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldbetrages rechtfertigen, wenn eine verständige Auslegung eindeutig ergibt, unter welchen Bedingungen das Zwangsgeld fällig werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2002 - 22 CS 02.2577 - juris Rn. 14; VG München, U.v. 13.5.2013 - 13.5.2013 - M 8 K 12.2500 - juris Rn. 39). Im vorliegenden Fall war es für einen objektiven Dritten in der Person des Klägers zu 1) hinreichend deutlich erkennbar, dass in jedem Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 statuierte Dauerunterlassungspflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zur Zahlung fällig werden sollte (§§ 133, 157 BGB entsprechend). Das einheitliche Zwangsgeld von 2.000,00 EUR stand dabei auch zu jedem Verstoß gegen die Betriebsuntersagung in einem angemessenen Verhältnis (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2002 - 22 CS 02.2577 - juris Rn. 14).
84
3. Auch die Kostenfestsetzung unter Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das zuständige Landratsamt konnte die Kostenentscheidung rechtmäßigerweise auf Art. 1, 2, 6 und 10 KG i.V.m. Ziffer 8.I.0. lfd. Nr. 37 des Kostenverzeichnisses stützen. Die am unteren Rand des möglichen Rahmens angesiedelten Gebühren erweisen sich insbesondere als verhältnismäßig, die berechneten Auslagen sind zudem tatsächlich entstanden.
85
Die Anfechtungsklage der Klägerin zu 2) erweist sich demgegenüber bereits als unzulässig, da es an der gemäß § 42 Abs. 2 VwGO notwendigen Klagebefugnis fehlt.
86
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage setzt nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dazu muss er Tatsachen vorbringen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den Verwaltungsakt in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein kann (Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 379 f.). Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als möglich, dass der ausschließlich an den Kläger zu 1) gerichtete Bescheid die Klägerin zu 2) in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen könnte.
87
Erkennbares Rechtsschutzziel der Klägerin zu 2) ist ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags die Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2019 (§ 88 VwGO), der sich aber ausschließlich gegen den Kläger zu 1) richtete. Im Rahmen dieses Rechtsschutzziels kann der behauptete Verstoß gegen Datenschutzrecht, wie aufgezeigt, jedoch allenfalls inzident bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen den Kläger zu 1) gerichteten Verwaltungsakte Bedeutung erlangen. Dabei war vorliegend zu beachten, dass der Grundbuchauszug nur im Rahmen gesonderter baurechtlicher Anordnungen von Belang war. Der Grundbuchauszug hatte beim Erlass des vorliegenden abfallrechtlichen Bescheids letztlich keinerlei Bedeutung, da diesbezüglich keine Duldungsanordnung oder eine sonstige Maßnahme gegen die Klägerin zu 2) erging. Im Übrigen räumt die Klägerin zu 2) selbst ein, Grundstückseigentümerin zu sein.
88
Wenn man annehmen wollte, dass diese nicht nur den angeführten Verstoß gegen Datenschutzrecht, sondern auch die fehlerhafte Nichtanordnung der Duldungsverfügung beanstanden wollte, so änderte dies an der fehlenden Klagebefugnis nichts. Durch die Nichtanordnung einer (sie belastenden) Duldungsverfügung scheint eine Beschwer der Klägerin zu 2) nicht einmal als möglich (vgl. Kopp/Schenke, 25. Aufl. 2019, VwGO § 42 Rn. 113).
89
Da eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten geltend gemacht werden muss, kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger zu 1) bei Befolgung des Bescheids in das privatrechtliche Nutzungsverhältnis hinsichtlich des Grundstücks eingreifen müsste. Dieses stellt ein privatrechtliches Rechtsverhältnis dar, welches im Rahmen der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne Belang ist. Auch die Untersagung des Betriebs ist nicht geeignet, die Rechtsstellung der Grundeigentümerin zu berühren (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2020 - 15 CS 17.1675 - juris LS 4, Rn. 33 zur Nutzungsuntersagung eines Gebäudes).
90
Eine Verletzung in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten schien damit im vorliegenden Verfahren unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als möglich.
91
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 4 ZPO.
92
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.