Titel:
Nicht-Bestehen einer Fachprüfung - Punkteschema
Normenketten:
LPSAng § 27, § 30 Abs. 3 S. 1
BayVwSG Art. 2 Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Bei der Vergabe von Punkten unter Anwendung eines Punkteschemas verbleibt dem Prüfer ein weiter Bewertungsspielraum. Ob bei Anwendung eines Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsleistungen zu gewichten sind, ist hierbei in weitgehendem Umfang der gerichtlichen Kontrolle entzogen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte, Schriftliche Prüfung, Fehler im Verfahren zur Leistungserhebung (verneint), Bewertungsfehler (verneint), Anspruch auf Neubewertung (verneint), Bewertungsspielraum, Punkteschema
Fundstelle:
BeckRS 2020, 29653
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid der Bayerischen Verwaltungsschule vom 21. Januar 2019 über das Nichtbestehen der Fachprüfung II 2018 für Verwaltungsangestellte in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2019.
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Der Kläger nahm im September und Oktober 2018 an der Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte im Wiederholungsversuch teil (schriftlicher Teil: 18. bis 26. September 2018, fachpraktischer Teil: 1. bis 19. Oktober 2018).
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Mit Bescheid vom 21. Januar 2019, dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 25. Januar 2019, teilte ihm die Bayerische Verwaltungsschule mit, er habe eine Gesamtprüfungsnote von 4,36 erzielt. In der schriftlichen Prüfung seien die Aufgaben 1, 5 und 6 jeweils mit der Note 4 und die Aufgaben 2, 3, 4 und 7 jeweils mit der Note 5 bewertet worden. In der fachpraktischen Prüfung habe er eine Gesamtnote von 3,33 erreicht. Aufgrund dieses Prüfungsergebnisses habe er die Prüfung nicht bestanden. Der Nichtbestehensgrund richte sich nach § 30 Abs. 3 LPSAng.
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Der Kläger ließ hiergegen durch seinen Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2019 Widerspruch erheben. Der Klägerbevollmächtigte begründete den Widerspruch am 1. März 2019 und brachte Einwendungen gegen die Bewertung der Aufgabe 3, Öffentliches Baurecht, Allgemeines Verwaltungs- und Verwaltungskostenrecht vor, in welcher der Kläger 30,5 von möglichen 82 Punkten erhalten hatte. Beanstandet wurde zunächst die Bewertung des Punktes „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ mit 0 von möglichen 5 Punkten. Der Klägerbevollmächtigte wies darauf hin, dass es sich bei dieser Bewertung möglicherweise um ein Versehen handle, da dieser Wertungsbereich zusammen mit dem nicht mehr bearbeiteten Oberpunkt 2.2.2 durchgestrichen worden sei. Eventuell sei die Bewertung der Form versehentlich in den Bereich 2.2.2 „hineingerutscht“. Auch die Frage der Genehmigungspflicht sei weitgehend vollständig gelöst worden, dennoch sei nur die Hälfte der zu vergebenden Punkte gewährt worden. Dies erscheine angesichts der im Übrigen richtigen Lösung dieses Teilaspekts sehr hart. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass ein korrekter Ansatz gewählt worden und das notwendige Grundwissen vorhanden sei. Dies solle mit einem zusätzlichen ganzen, jedenfalls aber mit einem halben Punkt honoriert werden. Die Lösung im Gliederungspunkt II.2.1.2. sei vollständig und zutreffend gewesen. Warum dem Kläger ein halber Punkt abgezogen worden sei, sei nicht erkennbar. Auch die baurechtliche Zulässigkeitsprüfung (II.2.2.1.) sei gelungen. Die Art der baulichen Nutzung werde dargestellt und weitgehend korrekt subsumiert. Die Grundzüge seien offensichtlich verstanden worden und der Bearbeiter zeige, dass er sein Wissen anwenden könne. Die Auswertung der Informationen im Sachverhalt sei gelungen. Die vergebenen 2 von maximal 5 Punkten sprächen hier jedoch für eine als defizitär wahrgenommene Leistung. Schließlich werde das Maß der baulichen Nutzung (ebenfalls II.2.2.1.) anhand der einschlägigen GRZ geprüft und richtig eingeordnet. Die aufgeworfenen Fragen würden zumindest überwiegend zutreffend beantwortet. Warum wiederum nur sehr wenige Punkte, nämlich lediglich 1 von 3 Punkten, vergeben worden seien, erscheine angesichts der jedenfalls zu mehr als der Hälfte richtigen Lösung nicht ganz nachvollziehbar. Während zuzugeben sei, dass die volle Punktzahl sicher nicht erreicht worden sei, hätten aber mindestens 1,5 bis 2 Punkte zuerkannt werden sollen.
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Die Beklagte erbat mit Schreiben vom 7. März 2019 Stellungnahmen der beiden beteiligten Prüfer. Der Erstkorrektor Herr Dr. S. äußerte sich mit Schreiben vom 11. März 2019. Er wies zunächst darauf hin, dass die Gesamtbeurteilung der streitgegenständlichen Klausur durch die Korrektoren auch die Klausuren anderer Prüflinge miteinbeziehe und sich die Klausurbearbeitung des Klägers im Vergleich mit diesen als so schlecht darstelle, dass eine bessere Benotung als mit der Note 5 nicht gerecht sei.
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Zur Bewertung im Punkt „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ wurde ausgeführt, dass es im vorliegenden Fall ermessensgerecht sei, keine Punkte zu vergeben. Dies sei so gewollt gewesen und beruhe nicht auf einem Versehen. Negativ zu bewerten gewesen sei in diesem Zusammenhang, dass die streitgegenständliche Klausur zu keinen Ergebnissen gelangt sei, sondern mitten im Satz abrupt abbreche und damit letztlich die Aufgabenstellung verfehle.
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Zur Frage der Bewertung des Punkts „Genehmigungspflicht“ führte der Prüfer Herr Dr. S. aus, dass zwar die Einstiegsnorm, Art. 55 Abs. 1 BayBO, richtig gesehen und geprüft worden sei, die sich nach dem Sachverhalt aufdrängende Frage, ob eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht für Garagen und Stellplätze nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b bzw. Nr. 15b BayBO bestehe, aber verkannt worden sei. Insbesondere sei nicht gesehen worden, dass diese Frage zu verneinen gewesen sei, weil das Gesamtbauvorhaben zu betrachten sei. Hierbei handele es sich um ein zentrales Problem des Prüfungspunktes „Genehmigungspflicht“. Zudem sei die Begründung für das Bestehen einer Verfahrensfreiheit, „da Abweichungen der Abstandsflächen beantragt wurden (Art. 57 Abs. 2 BayBO)“ falsch gewesen. Die tragende Begründung für das Nichtgreifen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens, nämlich der Umstand, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans nur unter Gewährung von Ausnahmen eingehalten werden können, sei nicht genannt worden.
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Der Abzug eines halben Punktes im Gliederungspunkt II.2.1.2. rechtfertige sich daraus, dass der Kläger fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass das gemeindliche Einvernehmen nachgeholt werden könne. Dies sei falsch, da das Einvernehmen gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als erteilt gelte.
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Die Prüfung der Art der baulichen Nutzung sei sehr lückenhaft. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sei nicht benannt worden, zudem sei das Problem, dass § 13 BauNVO zwischen Gebäuden und Räumen für freie Berufe differenziere, nicht gesehen worden. Die Problematik „Friseur“ sei überhaupt nicht angesprochen worden.
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Bei der Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung sei eine falsche Berechnung erfolgt, weil nicht erkannt werde, dass 4 Stellplätze vorlägen. Außerdem sei die Problematik des § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO nicht angesprochen worden. Die Stellungnahme sei mit der Zweitkorrektorin Frau H. abgestimmt worden.
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Daraufhin wies die Beklagte durch die Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2019, dem Klägerbevollmächtigten am 14. Mai 2019 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt, zurück. Zur Begründung wurden im Wesentlichen die Ausführungen des Erstkorrektors in dessen Stellungnahme vom 11. März 2019 wiederholt.
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Am 12. Juni 2019 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragt zuletzt,
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den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte 2018 des Klägers für bestanden zu erklären, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte 2018 des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
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Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 begründet. Es wurde ausgeführt, dass die Stellungnahme des Erstkorrektors zur Bewertung des Punktes „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ nicht ermessensgerecht und nicht nachvollziehbar sei. Dass dem Kläger die Zeit ausgegangen sei und die Klausur daher zu keinem Endergebnis gelangt sei, müsse im jeweiligen sachlichen Bewertungsteil berücksichtigt werden. Ferner sei die Eignung des Klägers dadurch belegt, dass er beide Prüfungsversuche mit jeweils ausreichender Durchschnittsnote bestanden habe. Zur übrigen Klagebegründung wurden die bereits in der Widerspruchsbegründung genannten Argumente wiederholt.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf eine weitere Stellungnahme des Erstkorrektors vom 17. Juli 2019. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass einem Korrektur- oder Punkteschema bloßer Hilfscharakter zukomme. Zudem seien vorliegend für die Position „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ nicht nur deshalb 0 Punkte vergeben worden, weil die Arbeit ohne einen abrundenden Schluss und ohne jegliche Ergebnisse mitten im Satz abbreche, sondern auch deshalb, weil die Klausur insgesamt im Vergleich zu anderen vom Prüfer korrigierten Klausuren insbesondere in Form und Aufbau sowie Systematik und Gedankenführung so schlecht gewesen sei, dass es ermessensfehlerfrei sei, hier keinerlei Punkte zu vergeben. Im Übrigen sei es - im Gegensatz zur Ansicht des Klägers - sehr wohl eine Frage von Aufbau, Systematik und Gedankenführung, wenn eine Klausur mitten im Satz abbreche und keine Ergebnisse festgehalten würden.
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Vorgelegt wurde ferner eine an die Erstellerin des streitgegenständlichen Bescheids und an den Erstkorrektor gerichtete E-Mail der Zweitkorrektorin Frau H. vom 22. Juli 2019, worin diese mitteilt, dass sie sich gerade o.g. Aufgabe mit der Klagebegründung angesehen habe. Ihrer Meinung nach habe sich inhaltlich absolut nichts geändert. Weitere Argumente gingen aus der Klagebegründung nicht hervor. Daher würde sie sich weiterhin auf die „Widerspruchsbegründung“ vom 11. März 2019 stützen und die „Begründetheit der Klage abweisen“.
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Am 19. Juli 2020 legte der Klägerbevollmächtigte ergänzend eine Erklärung des Klägers zum Ergebnis der Fachprüfung, zu der fachpraktischen Prüfung und zu bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie eine Übersicht zu seinen beruflichen Tätigkeiten seit Februar 2003 vor. Übersandt wurde ferner eine von dem Kläger gefertigte Notenaufstellung zu den Ergebnissen der einzelnen Klausuren im Rahmen der Wiederholung des Fachlehrgangs im Jahr 2018, eine Lehrgangsbestätigung über die Teilnahme am Angestelltenlehrgang II von September 2015 bis September 2017 sowie ein Arbeitszeugnis der Großen Kreisstadt Dachau vom 2. Januar 2014.
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Am 27. Juli 2020 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München statt. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die Prüfung für bestanden zu erklären, noch einen Anspruch auf erneute Verbescheidung (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte nicht bestanden, da er in der schriftlichen Prüfung viermal eine schlechtere Note als „ausreichend“ erhalten hat (§ 30 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der Bayerischen Verwaltungsschule über die Lehrgänge und Prüfungen für Verwaltungsangestellte (Lehrgangs- und Prüfungssatzung für Angestellte - LPSAng) vom 20. Juli 2004, zuletzt geändert durch Satzung vom 12. März 2015, erlassen aufgrund der Ermächtigung in Art. 2 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Bayerische Verwaltungsschule (Bayerisches Verwaltungsschulgesetz - BayVwSG) vom 9. Juni 1998 (GVBl. S. 290)).
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1. Rechtsschutzziel des Klägers ist ersichtlich eine Überprüfung der Prüferbewertung der 3. Aufgabe der Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte, da lediglich insoweit Einwendungen erhoben wurden. Die Überprüfung der Bewertung der übrigen im Rahmen der Fachprüfung II für Verwaltungsangestellte von dem Kläger gefertigten Arbeiten ist nicht geboten, weil die Bewertung dieser Arbeiten von dem Kläger nicht in Frage gestellt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1994 - 6 C 5/93 - juris Rn. 21).
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2. Grundlage für die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung ist die Lehrgangs- und Prüfungssatzung für Angestellte - LPSAng - der Beklagten. Rechtliche Bedenken gegen die Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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3. Nach § 30 Abs. 3 LPSAng hat die Fachprüfung II nicht bestanden, wer dreimal die Note „ungenügend“ oder viermal eine schlechtere Note als „ausreichend“ erhalten hat. Der Kläger hat die Fachprüfung II nicht bestanden, weil vier der schriftlichen Prüfungsarbeiten mit der Note 5 („mangelhaft“) und damit schlechter als mit der Note „ausreichend“ bewertet wurden (zur Notenskala vgl. § 27 Abs. 1 LPSAng). Die gegen die Bewertung der Aufgabe 3 mit der Note 5 („mangelhaft“) vorgebrachten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
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Die Aufhebung eines Prüfungsbescheids und die Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen, die lediglich begehrt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1997 - 6 C 11/96 - juris Rn. 22), setzt voraus, dass die Bewertung fehlerhaft ist und dass dieser Fehler Einfluss auf das Gesamtergebnis hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1994 - 6 C 5/93 - juris Rn. 22).
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Bei der Bewertung von Prüfungsleistungen steht den Prüfern grundsätzlich ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (hierzu grundlegend BVerfG, B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. - BVerfGE 84, 34 - juris Rn. 53 ff.; B.v. 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84 u.a. - BVerfGE 84, 59 - juris Rn. 65 ff.). Jedoch haben die Gerichte zu prüfen, ob die Prüfer anzuwendendes Recht einschließlich der Verfahrensvorschriften verkannt oder gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind oder den Antwortspielraum des Prüflings missachtet haben, da eine richtige oder zumindest vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete fachliche Ansicht des Prüflings nicht als falsch bewertet werden darf, nur weil der Prüfer anderer Auffassung ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 - juris Rn. 24 ff.). Ansonsten aber ist es den Gerichten verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle der Prüfer zu setzen. Ergibt sich, dass die Bewertung einer regulär erbrachten Leistung fehlerhaft ist, ist grundsätzlich eine Neubewertung der Prüfungsleistung geboten. Leidet demgegenüber das Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings (Verfahren zur Leistungserhebung) unter Mängeln, so ist die Prüfung oder der betroffene Prüfungsteil zu wiederholen, da eine unter irregulären Bedingungen erbrachte Leistung nicht bewertbar ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 500).
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Unter Heranziehung dieses Maßstabs begegnet die Bewertung der Aufgabe 3 mit der Note „mangelhaft“ keinen rechtlichen Bedenken.
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a) Verfahrensfehler wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich, insbesondere wurde das Überdenkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Hierfür ist es ausreichend, dass sich der Zweitkorrektor der Bewertung des Erstkorrektors anschließt (BVerwG, U.v. 16.3.1994 - 6 C 5/93 - juris Rn. 38), wie dies vorliegend mit der E-Mail der Zweitkorrektorin Frau H. vom 22. Juli 2019 geschehen ist.
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b) Die Bewertung der von dem Kläger im Rahmen der Aufgabe 3 erbrachten Leistung leidet auch nicht an inhaltlichen Fehlern. Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
31
aa) Die Bewertung des Unterpunktes „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ mit 0 von möglichen 5 Punkten begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger bringt in diesem Zusammenhang vor, dass es sich hierbei um ein Versehen gehandelt habe und die Bewertung dieses Unterpunkts in die Bewertung des vorangegangenen Punkts „mithineingerutscht“ sei. Er führt aus, dass die diesbezüglichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht ermessensgerecht erschienen. Dass dem Kläger die Zeit ausgegangen sei und er die streitgegenständliche Arbeit nicht fertiggestellt habe, sei im jeweiligen sachlichen Bewertungsteil zu berücksichtigen. Diese Einwendungen verfangen nicht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass prüfungsrechtliche Bewertungen aufgrund des bestehenden Bewertungsspielraums keinem „freien Ermessen“ unterliegen (VG München, U.v. 18.9.2014 - M 4 K 12.3296 - juris Rn. 53). Bei der Vergabe von Punkten unter Anwendung eines Punkteschemas verbleibt dem Prüfer allerdings ein weiter Bewertungsspielraum. Ob und in welcher Weise bei Anwendung eines Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsleistungen zu gewichten sind, ist hierbei in weitgehendem Umfang der gerichtlichen Kontrolle entzogen (OVG Lüneburg, B.v. 10.12.2009 - 5 ME 182/09 - juris Rn. 7).
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Eine Überschreitung dieses prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums ist vorliegend nicht erkennbar, insbesondere kann unter Berücksichtigung der im Überdenkungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen der Prüfer nicht davon ausgegangen werden, dass die Vergabe von 0 Punkten für den Unterpunkt „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ irrtümlich erfolgt ist. Der Erstkorrektor hat in seinen beiden im Überdenkungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen vom 11. März 2019 und vom 17. Juli 2019, welchen sich die Zweitkorrektorin mit E-Mail vom 22. Juli 2019 ausdrücklich angeschlossen hat, die Beweggründe für die diesbezügliche Bewertung nachvollziehbar dargelegt. Die genannten Erwägungen erscheinen auch nicht sachfremd. Es ist entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten rechtlich nicht zu beanstanden, bei der Entscheidung über die Vergabe von Punkten für den Bereich „Form, Aufbau, Systematik, Zitierweise, Ausdruck, Gedankenführung, Rechtschreibung“ zu berücksichtigen, dass der Klausurbearbeiter die Klausur nicht fertiggestellt hat, insbesondere, wenn die Bearbeitung wie im Fall des Klägers abrupt mitten im Satz abbricht. Die weitere Feststellung der Prüfer, dass sich die streitgegenständliche Klausur des Klägers in Form, Aufbau, Systematik und Gedankenführung negativ von den Bearbeitungen der anderen Prüflinge absetze, unterfällt dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum, da der Prüfer die Prüfungsleistung in eine normativ vorgegebene Notenskala aufgrund der Gewichtung der einzelnen Vorzüge und Nachteile der Prüfungsleistung und deren Vergleich mit anderen Bearbeitungen einordnet (BVerwG, B.v. 5.3.2018 - 6 B 71/17, 6 PKH 6/17 - juris Rn. 8). Anhaltspunkte für eine Überschreitung dieses Bewertungsspielraums bestehen hier nicht, insbesondere lassen sich den Stellungnahmen der Prüfer diesbezüglich keine sachfremden Erwägungen entnehmen.
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bb) Der klägerische Einwand, es sei vor dem Hintergrund der insoweit vollständigen und zutreffenden Lösung des Klägers nicht erkennbar, warum dem Kläger im Prüfungspunkt „Antrag, Nachbarbeteiligung, Einvernehmen, Art. 64, 66 BayBO,§ 36 BauGB“ (in der Prüfungsarbeit des Klägers als „Verfahren und Form“ bezeichnet) ein halber Punkt abgezogen worden sei, verfängt ebenfalls nicht. Der Abzug eines halben Punktes erklärt sich unter Heranziehung der Prüferanmerkung aus dem Umstand, dass der Kläger zu diesem Prüfungspunkt auf Seite 8 seiner Klausurbearbeitung unzutreffend ausgeführt hat, dass das gemeindliche Einvernehmen nachzuholen sei, hingegen nicht die gesetzliche Fiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB genannt hat. Diese Prüferbewertung ist nachvollziehbar.
34
cc) Ferner wendet der Kläger ein, dass die Art der baulichen Nutzung dargestellt und weitgehend korrekt subsumiert worden sei. Die Grundzüge seien offensichtlich verstanden worden und der Kläger habe gezeigt, dass er sein Wissen anwenden könne. Die Auswertung der Informationen im Sachverhalt gelinge. Dabei berücksichtigt der Kläger jedoch nicht, dass er im Rahmen der Klausurbearbeitung weder § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO als maßgebliche Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit einer Wohnnutzung im reinen Wohngebiet genannt, noch die Problematik der Zulässigkeit eines Friseurbetriebs angesprochen hat und ferner auch nicht auf die von § 13 BauNVO vorgegebene Differenzierung zwischen Räumen und Gebäuden für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger eingegangen ist. Die auf diese Mängel in der Klausurbearbeitung abstellenden Erwägungen und die darauf basierende Vergabe von lediglich 2 von 5 Punkten erscheinen nicht willkürlich und vom Prüferspielraum gedeckt.
35
dd) Zum Prüfungspunkt „Maß der baulichen Nutzung“ macht der Kläger geltend, dass die Vergabe von lediglich 1 von 3 Punkten angesichts der jedenfalls mehr als zur Hälfte richtigen Lösung nicht ganz nachvollziehbar erscheine. Mindestens 1,5 bis 2 Punkte hätten zuerkannt werden sollen. Hierzu ist festzustellen, dass die von dem Kläger in der streitgegenständlichen Prüfungsarbeit vorgenommene Berechnung der Grundflächenzahl fehlerhaft erfolgt ist, da der Berechnung lediglich 1 Stellplatz anstelle der in der Aufgabenstellung vorgegebenen 4 Stellplätze zugrunde gelegt wurde. Ferner fehlt in der Bearbeitung des Klägers die Prüfung von § 19 Abs. 4 BauNVO. Auf beide Punkte wird in den Prüferanmerkungen hingewiesen. Anhaltspunkte für Bewertungsmängel bestehen auch hier nicht; die konkrete Punktevergabe unterfällt dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum.
36
ee) Schließlich kann der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Bewertung des Unterpunkts „Genehmigungspflicht“ nicht durchdringen. Die Vergabe von lediglich 1,5 von 3 Punkten erklärt sich ausweislich der Prüferanmerkungen und den diesbezüglich im Überdenkungsverfahren angestellten Erwägungen zunächst aus dem Umstand, dass die im Ergebnis zu verneinende Frage, ob nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b bzw. Nr. 15b BayBO eine Ausnahme für die Genehmigungspflicht für Garagen und Stellplätze besteht, vom Kläger nicht erörtert wurde und der Kläger als Begründung für die nicht bestehende Verfahrensfreiheit fälschlicherweise Art. 57 Abs. 2 BayBO genannt hat. Diese Prüferbeurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Frage, ob, wie von dem Erstkorrektor in seiner Stellungnahme vom 11. März 2019 ausgeführt, tatsächlich eine unzureichende Prüfung des Art. 58 BayBO in der Klausurbearbeitung des Klägers vorliegt, bedarf vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst bei Erhalt der vollen Punktzahl für diesen Prüfungspunkt die nächsthöhere Notenstufe, welche ausweislich des Notenschlüssels der Beklagten bei 33 Punkten beginnt, angesichts der im Übrigen nicht zu beanstandenden Prüferbewertungen nicht erreicht hätte, keiner Entscheidung (vgl. zu der geforderten Kausalität auch VG Würzburg, U.v. 15.5.2018 - W 1 K 18.89 - juris Rn. 42).
37
Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Für eine Entscheidung, die Zuziehung des Klägerbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO), ist angesichts der Klageabweisung kein Raum (vgl. insoweit BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 - juris Rn. 45).
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.