Titel:
Mischgetränk aus Wein und Bier darf weder als "aromatisierter weinhaltiger Cocktail" noch als "Wein" bzw. "Wine" bezeichnet werden
Normenketten:
VO (EU) Nr. 251/2014 Art. 3, Abs. 4
VO (EU) Nr. 1308/2013 Art. 78 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 43 Abs. 1
WeinG § 2 Nr. 1, § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach Art. 3 Abs. 4 lit. c VO (EU) Nr. 251/2014 ist das Versetzen eines weinhaltigen Getränks mit Alkohol jeglicher Art – hier: Bier – verboten. Die Verkehrsbezeichnung eines mit Bier versetzten weinhaltigen Getränks als "aromatisierter weinhaltiger Cocktail" ist daher gem. Art. 5 Abs. 3 VO (EU) Nr. 251/2014 unzulässig. (Rn. 34 und 36 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Mischgetränk aus Wein und Bier darf gem. § 26 Abs. 1 WeinG iVm § 2 Nr. 1 WeinG nicht als "Wein" oder "Wine" bezeichnet werden. (Rn. 52 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ (verneint), Zulässigkeit der Verwendung des Begriffs „Wein/Wine(engl.)“ (verneint), Auslegung des Merkmals „nicht mit Alkohol versetzt“, Feststellungsinteresse, berechtigtes Interesse, Statthaftigkeit der Feststellungsklage, konkretes Rechtsverhältnis, Alkohol, Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelüberwachung, Untersagung des Inverkehrbringens, Verkehrsbezeichnung, Gemeinsame Marktorganisations-VO
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 12.07.2021 – 20 ZB 20.2666
VGH München, Vorlagebeschluss vom 23.03.2023 – 20 B 21.1888
EuGH Luxemburg, Urteil vom 08.05.2024 – C-216/23
Fundstelle:
BeckRS 2020, 29361
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ein von ihr hergestelltes Mischgetränk aus Wein und Bier unter dem Produktnamen „...“ und unter Verwendung der Bezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ vertrieben werden darf.
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Die Klägerin ist ein Unternehmen der Getränkeindustrie und auf den Vertrieb von Weinen und Getränken auf Weinbasis wie Glühwein, Sangria und Weincocktails spezialisiert. Unter dem Namen „...“ vertreibt sie ein alkoholhaltiges Mischgetränk aus Wein und Bier, das ursprünglich unter dem Produktnamen „Craft Hugo Wine & Beer“ und unter Verwendung der Bezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit 10% Bier“ vertrieben wurde.
3
Am 19. Juni 2018 führte die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung eine planmäßige Probe bei dem von der Klägerin hergestellten Produkt durch und beauftragte das zuständige Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (im Folgenden: CVUA) mit einem entsprechenden Gutachten. Am 8. August 2018 wurden die Ergebnisse der Beprobung sowie das Gutachten des CVUA vom 1. August 2018 an das Landratsamt übermittelt.
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Mit Schreiben vom 16. August 2018 wendete sich das Landratsamt an die Klägerin und beanstandete das von der Klägerin vertriebene Produkt „...“ unter Bezugnahme auf das Gutachten des CVUA. Als Grund für die Beanstandung wurde der Klägerin mitgeteilt, dass auf dem Etikett der Probe im Produktnamen die Angabe „Wine & Beer“ enthalten sei. Gemäß § 26 Abs. 1 Weingesetz (im Folgenden: WeinG) dürfe das Wort „Wein“ für die Produktbezeichnung nur gebraucht werden, wenn dies eine Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder Europäischen Union oder eine bundesrechtliche Regelung ausdrücklich vorsehe. Für das streitgegenständliche Produkt sei dies nicht der Fall. Zudem enthalte das Etikett die Angabe „aromatisierter weinhaltiger Cocktail mit 10% Bier“, obwohl das Produkt aufgrund der Verwendung von Bier nicht unter die Begriffsbestimmung eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails falle.
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Daraufhin gab die Klägerin ebenfalls eine Laboruntersuchung des Produkts in Auftrag, die die Beanstandung des Landratsamts mit Laborbericht vom 29. August 2018 als ungerechtfertigt einstufte. Die Klägerin ließ die Rechtslage durch ihren Prozessbevollmächtigten prüfen und leitete dessen anwaltliche Stellungnahme vom 15. März 2019 an das Landratsamt weiter, welches daraufhin eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: LGL) einholte.
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Mit E-Mail vom 1. Juli 2019 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, das LGL teile die Ansicht des CVUA, dass es sich um ein Produkt eigener Art handele und die Bezeichnung als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ zur Irreführung geeignet sei. Auch das Verbot aus § 26 Abs. 1 WeinG sei auf das Produkt anwendbar.
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Zum Beweis der Tatsache, dass das von der Klägerin hergestellte und vertriebene Produkt mit der entsprechenden Bezeichnung marktüblich und damit verkehrsfähig ist, wies die Klägerin das Landratsamt mit E-Mail vom 17. September 2019 beispielhaft auf das Produkt eines anderen Herstellers hin, das ebenfalls unter der Bezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ vertrieben wird und zu 56% aus Weißwein und zu 15% aus Bier besteht.
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Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 übersandte das Landratsamt der Klägerin eine weitere Stellungnahme des LGL vom 25. November 2019, die inhaltlich keine Abweichung zu den Feststellungen im Gutachten des CVUA aufwies.
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Aufgrund der Einschätzung des LGL forderte das Landratsamt von der Klägerin eine entsprechende Anpassung der Produktetiketten. Ebenso wurde um Mitteilung des Restbestands und des voraussichtlichen Abschlusses des Restverkaufs gebeten. Sollte keine Änderung der Etiketten erfolgen, sei das Landratsamt aufgrund der eindeutigen Einschätzung des LGL verpflichtet, das Inverkehrbringen des Produkts zu untersagen.
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 übersandte die Klägerin dem Landratsamt die vorläufige Version der geänderten Etiketten für das Produkt „...“, wonach das Produkt nunmehr als „aromatisiertes alkoholisches Getränk“ bezeichnet wird. Zudem wurde der Hinweis „Enthält Sulfate“ aufgenommen.
11
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, dass aufgrund der Anpassung des Etiketts keine weiteren Verwaltungsmaßnahmen nötig seien.
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Mit Schriftsatz vom 27. März 2020 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt zuletzt,
13
Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht befugt ist, der Klägerin zu untersagen, ein aromatisiertes Getränk „...“, das unter Verwendung von 55% Wein und 10% Bier hergestellt wird, mit der Angabe „Wine & Beer“ und/oder als „aromatisierten weinhaltigen Cocktail“ zu bezeichnen.
14
Zur Zulässigkeit der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Bezeichnung des Lebensmittels bestehe. Eine gerichtliche Klärung sei geboten, um Rechtssicherheit hinsichtlich der präferierten Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ zu erlangen. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, nachdem das Landratsamt angekündigt habe, das Inverkehrbringen der Produkte zukünftig zu untersagen, sofern keine Einigung mit dem LGL über die rechtliche Einordnung der Verkehrsbezeichnung erzielt werden könne. Ein solches Verbot würde die Klägerin wirtschaftlich stark belasten. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin beabsichtige weitere Produkte zu ihrer Produktpalette hinzuzufügen, die über vergleichbare Eigenschaften verfügten, wie das streitgegenständliche Produkt. Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse, da sie im Hinblick auf etwaige Straf- oder Bußgeldverfahren nicht in zumutbarer Weise auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne.
15
Zur Begründetheit der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sowohl der verwendete Produktname als auch die Bezeichnung des Produkts als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ mit den Europäischen Normen im Einklagen stünden. Ein Verstoß gegen das deutsche Weingesetz liege ebenfalls nicht vor. Bei dem streitgegenständlichen Produkt handle es sich um einen „aromatisierten weinhaltigen Cocktail“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 251/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates (ABl. Nr. L 84 S. 14, ber. ABl. Nr. L 105 S. 12) (im Folgenden: VO (EU) 251/2014). Da das streitgegenständliche Produkt damit auch ein Erzeugnis im Sinne des § 2 Nr. 1 b) WeinG sei, könne im Produktnamen auch die Angabe „Wine & Beer“ verwendet werden. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass das streitgegenständliche Produkt die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 251/2014 mit Ausnahme von Buchst. c) erfülle. Streit bestehe lediglich über die Auslegung der Begrifflichkeit „mit Alkohol versetzt“ im Sinne des Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014. Das CVUA gehe in seinem Gutachten fälschlicherweise davon aus, dass die Formulierung „nicht mit Alkohol versetzt“ jegliche Zugabe von Alkohol untersage. Der Begriff „Alkohol“ sei insoweit jedoch nicht im umgangssprachlichen Sinne zu verstehen und erfasse deshalb nicht alkoholische Getränke im Allgemeinen, sondern entsprechend der Aufzählung in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 nur reinen Alkohol, wie insbesondere Ethanol. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die Aufzählung in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 nicht ausdrücklich auch auf „aromatisierte weinhaltige Cocktails“ beziehe, sondern lediglich auf aromatisierte Weine und aromatisierte weinhaltige Getränke, weil diesen nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 gerade kein Alkohol zugesetzt werden dürfe. Die Tatsache, dass aromatisierte weinhaltige Cocktails nicht mit Alkohol versetzt werden dürfen, lasse den Rückschluss zu, dass die Kategorien von Alkohol, die für die beiden anderen Getränke in Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 VO (EU) 251/2014 zugelassen seien, für den aromatisierten weinhaltigen Cocktail gerade nicht verwendet werden dürften. Es seien in aromatisierten weinhaltigen Cocktails deshalb nur die Alkoholkategorien verboten, die in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 aufgelistet sind. Andere Erzeugnisse, die zwar Alkohol enthielten aber nur der Geschmacksgebung und nicht der Erhöhung des Alkoholgehalts dienten, seien hingegen nicht vom Ausschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 erfasst. Diese Auslegung werde auch durch die Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 (ABl. L 39, S. 16) (im Folgenden: Spirituosen-Verordnung) bestätigt. Auch im Anwendungsbereich der Spirituosen-Verordnung sei das Merkmal „Zusatz von Alkohol“ so zu verstehen, dass damit der Zusatz von lediglich „reinem“ Alkohol gemeint sei. Das Bier werde dem streitgegenständlichen Produkt als geschmackgebendes Lebensmittel zugesetzt, was nach Anhang I Nr. 1 b) ii) VO (EU) 251/2014 in aromatisierten weinhaltigen Cocktails auch zulässig sei. Dies sei mit dem Hinweis „…und dem herben Geschmack von Bier“ auch auf dem Etikett des Produkts kenntlich gemacht. Der Einordnung des Bieres als geschmackgebendes Lebensmittel stehe dabei nicht entgegen, dass es sich um ein alkoholhaltiges Getränk handle. Diese Ansicht werde auch durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Trier (Az.: 2 K 6133/18.TR) bestätigt. Der Entscheidung sei zu entnehmen, dass eine einschränkende Auslegung des Begriffs „geschmackgebendes Lebensmittel“ auf solche, die keinen Alkohol enthalten, weder aus teleologischen noch aus systematischen Gründen angezeigt sei. Das Verwaltungsgericht Trier habe auch ausdrücklich betont, dass sich das Verbot des Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 nicht auf den Zusatz jeglichen alkoholisierten Getränks, sondern auf die Erhöhung des Alkoholgehalts beziehe.
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Im Übrigen liege auch keine irreführende Bezeichnung nach § 25 Abs. 1 WeinG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. L 304 S. 18, ber. ABl. 2014 L 331 S. 41, ber. ABl. 2015 L 50 S. 48, ber. ABl. 2016 L 266 S. 7) (im Folgenden: VO (EU) 1169/2011) vor. Die auf dem Etikett des Produkts enthaltenen Informationen entsprächen den Vorgaben der europäischen Rechtsverordnungen und des deutschen WeinG.
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Das Landratsamt ist der Klage für den Beklagten mit Schriftsatz vom 29. Juli 2020 entgegengetreten und beantragt,
19
Das streitgegenständliche Produkt der Klägerin dürfe im Produktnamen weder die Angabe „Wine & Beer“ enthalten, noch dürfe es als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ bezeichnet werden. Die Schlussfolgerung der Klägerin, dass der Begriff „Wein“ oder englisch „Wine“ für Erzeugnisse nach § 2 Nr. 1 b) WeinG frei verwendet werden dürfe, gehe fehl. Gemäß Art. 78 Abs. 1 Buchst. b) in Verbindung mit Anhang VII Teil II Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. L 347 S. 671) (im Folgenden: VO (EU) 1308/2013) sei genau definiert, welche Erzeugnisse als „Wein“ bzw. „Wine“ bezeichnet werden dürfen. Eine hierüber hinausgehende Verwendung des Begriffs „Wein“ oder „Wine“ könne nach § 26 Abs. 1 WeinG durch die Mitgliedstaaten gestattet werden, wenn er Teil eines zusammengesetzten Ausdrucks sei. Eine solche Gestattung finde sich für die Bezeichnung „Wine & Beer“ jedoch weder im europäischen noch im nationalen Recht. Lediglich in dem mit Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 251/2014 durch den europäischen Gesetzgeber selbst eingeführten und definierten zusammengesetzten Begriff „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ dürfe der Begriff „Wein“ abweichend von Anhang VII Teil II Nr. 1 VO (EU) 1308/2013 verwendet werden.
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Bei dem streitgegenständlichen Produkt handle es sich jedoch nicht um einen aromatisierten weinhaltigen Cocktail im Sinne des Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 251/2014. Der Begriff „Zusatz von Alkohol“ in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 sei nicht als allgemeine Begriffsbestimmung, sondern vielmehr als technische Spezifikation bzw. Anforderung zur Bereitung der dort genannten Getränke anzusehen. Bei den in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 nicht genannten aromatisierten weinhaltigen Cocktails sei deshalb der Zusatz jeglichen Alkohols untersagt. Der Argumentation der Klägerin, wonach unter dem Begriff Alkohol nur „reiner“ Alkohol zu verstehen sei, könne nicht gefolgt werden. Ein Beleg hierfür sei insbesondere die englische Sprachfassung. Es könne auch keine Parallele zur Spirituosen-Verordnung gezogen werden, da diese - anders als die VO (EU) 251/2014 - gerade eine Definition für den Begriff „Zusatz von Alkohol“ enthalte. Das dem streitgegenständlichen Produkt zugesetzte Bier sei auch kein geschmackgebendes Lebensmittel. Wollte man dies annehmen, so wären auch „Obstbrand“ oder andere Spirituosen geschmackgebende Lebensmittel und dürften zur Aromatisierung von aromatisierten weinhaltigen Getränken verwendet werden. Dies würde jedoch dem Verbot des Zusatzes von Alkohol gem. Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 zuwiderlaufen. Es sei davon auszugehen, dass die Auslegung der Klägerin nicht der Intention des Verordnungsgebers entspricht. Auch die Argumentation des Verwaltungsgerichts Trier sei insoweit nicht zutreffend. Die Zulässigkeit des Zusatzes von Schaumwein könne auch nicht als indirekte Erlaubnis für das Zusetzen jeglichen Alkohols angesehen werden. Schaumwein gehöre zu den in Anhang VII Teil II VO (EU) 1308/2013 definierten Kategorien von Weinbauerzeugnissen, die nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a) VO (EU) Nr. 251/2014 schlechthin für die Herstellung von aromatisierten weinhaltigen Cocktails verwendet werden dürften.
21
Die Beteiligten erklärten sich mit Schreiben vom 9. September 2020 und dem 10. September 2020 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
22
Bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Die Entscheidung konnte aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten vom 9. September 2020 bzw. 10. September 2020 gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung ergehen.
24
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig.
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a) Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Hiernach kann insbesondere die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches Rechtsverhältnis liegt vor, wenn rechtliche Beziehungen streitig sind, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung für das Verhältnis mehrerer Personen zueinander oder das Verhältnis einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1996 - 8 C 19.94 - NJW 1996, 2046).
27
Zwischen den Beteiligten steht ein solchermaßen konkretisiertes Rechtsverhältnis in Streit. Es bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob das von der Klägerin hergestellte Getränk unter Verwendung des Begriffs „Wine“ und unter der Bezeichnung als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ in Verkehr gebracht werden darf.
28
Der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage steht auch nicht deren grundsätzliche Subsidiarität gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Hiernach kann eine Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Inverkehrbringen des Produkts wurde der Klägerin vom Beklagten bisher nicht untersagt. Dem bisherigen Schriftverkehr lässt sich die Rechtsansicht des Beklagten, nicht aber eine konkrete Regelungsabsicht entnehmen.
29
b) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an den von ihr begehrten Feststellungen, § 43 Abs. 1 VwGO.
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(1) Als berechtigtes Interesse kommt grundsätzlich jedes als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 16.1.1996 - 8 C 19.94 - NJW 1996, 2048). Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern. Maßgeblich ist insbesondere, ob im zu entscheidenden Fall ein konkreter Klärungsbedarf besteht, das heißt, ob zwischen den Beteiligten in Bezug auf einen konkreten Sachverhalt Meinungsverschiedenheiten bestehen, bezüglich derer ein Feststellungsurteil Befriedungswirkung verspricht. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse liegt insbesondere dann vor, wenn sich einer der Beteiligten berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.1985 - 3 C 53.84 - NJW 1986, 800).
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(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin an den begehrten Feststellungen zu bejahen. Zwischen den Beteiligten besteht in Bezug auf die Zulässigkeit der Bezeichnung des von der Klägerin hergestellten Produkts ein konkreter Klärungsbedarf, nachdem der Beklagte der Klägerin die Untersagung des Inverkehrbringens bereits in Aussicht gestellt hat.
32
c) Die Klägerin hat an der Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Ein solches ist ausnahmsweise dann gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Ein entsprechender Verweis kann im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) insbesondere dann nicht erfolgen, wenn der Betroffene damit auf die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe in einem Straf- oder Bußgeldverfahren verwiesen werden würde. Es ist ihm nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen gewissermaßen „von der Anklagebank“ zu führen. Der Betroffene hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als fachspezifischere Rechtsschutzform einzuschlagen (BVerfG, B.v. 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - juris Rn. 14). Vorliegend wäre der objektive Tatbestand der Strafvorschrift des § 49 Satz 1 Nr. 4 WeinG verwirklicht, wenn das von der Klägerin hergestellte Getränk irreführend im Sinne von § 25 Abs. 1 WeinG wäre, weil seine Bezeichnung den europarechtlich festgesetzten Anforderungen nicht entsprechen würde. Der Klägerin ist unter diesen Umständen nicht zuzumuten, die durch den Meinungsstreit hervorgerufene Unsicherheit über die Rechtslage hinzunehmen. Das drohende Einschreiten des Beklagten rechtfertigt deshalb im vorliegenden Fall das Interesse der Klägerin an einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage.
33
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Bei dem streitgegenständlichen Getränk handelt es sich nicht um einen „aromatisierten weinhaltigen Cocktail“ im Sinn der europarechtlichen Vorschriften, sodass der Beklagte befugt ist, der Klägerin das Inverkehrbringen des Produkts unter der bisherigen Verkehrsbezeichnung zu untersagen.
34
a) Das von der Klägerin hergestellte Produkt erfüllt nicht die Voraussetzungen eines „aromatisierten weinhaltigen Cocktails“, weil es - entgegen Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 - mit Bier und damit mit Alkohol im Sinn der Vorschrift versetzt wurde. Die Verwendung der Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ ist deshalb gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EU) 251/2014 unzulässig.
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Gemäß Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 251/2014 gilt als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ ein Getränk, das (a) aus einem oder mehreren der Weinbauerzeugnisse gemäß Anhang VII Teil II Nr. 1, 2 und 4 bis 11 der VO (EU) 1308/2013 gewonnen wurde, ausgenommen mit Alkohol versetzte Weine und „Retsina“-Wein, bei dem (b) der Anteil der Weinbauerzeugnisse gemäß Buchst. a) mindestens 50% des Gesamtvolumens ausmacht, das (c) nicht mit Alkohol versetzt wurde, das (d) mit Farbstoffen versetzt sein kann, das (e) gesüßt sein kann sowie (f) einen vorhandenen Alkoholgehalt (in % vol.) von mehr als 1,2% vol. und weniger als 10% vol. aufweist.
36
(1) Zwischen den Beteiligten ist lediglich die Reichweite des Produktmerkmals des Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 „nicht mit Alkohol versetzt“ streitig. Bei der gebotenen Auslegung der Norm auf der Grundlage ihres Wortlauts, ihrer systematischen Stellung und ihrem Sinn und Zweck ergibt sich jedoch, dass aufgrund des Produktmerkmals „nicht mit Alkohol versetzt“ das Versetzen eines weinhaltigen Getränks mit Alkohol jeglicher Art verboten ist.
37
aa) Ausgehend vom Wortlaut „nicht mit Alkohol versetzt“ in Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 spricht bereits die Verwendung des Begriffs „Alkohol“ ohne weitere Spezifizierung dafür, dass die Produktvorgabe das Zusetzen jeglichen Alkohols untersagt. Eine Einschränkung des Merkmals dahingehend, dass lediglich das Versetzen des Getränks mit reinem Alkohol untersagt ist, kann der Vorschrift hingegen nicht entnommen werden.
38
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei dem Begriff „Alkohol“ um einen Oberbegriff, der sowohl für das Reinprodukt der chemischen Verbindung Ethanol (auch Ethyl- oder Äthylalkohol) als auch generell für alkoholische Getränke steht. Dieses Begriffsverständnis liegt auch der vorliegend einschlägigen Verordnung zugrunde, in der ausgehend vom Oberbegriff „Alkohol“ an verschiedenen Stellen weitere Differenzierungen des Begriffs „Alkohol“ vorgenommen werden. Während in Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 der Oberbegriff „Alkohol“ verwendet wird, enthält der Erwägungsgrund Nr. 11 der Verordnung den weiter konkretisierten Begriff „Ethylalkohol“ und Anhang I Nr. 7 der Verordnung denjenigen des „reinen Alkohol(s)“. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber - dem die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs „Alkohol“ aufgrund der innerhalb der Verordnung vorgenommenen Differenzierungen bekannt waren - die Absicht hatte, den Anwendungsbereich der Regelung auf das Versetzen mit „reinem“ Alkohol zu beschränken.
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bb) Auch systematische Erwägungen sprechen für die soeben dargestellte Auffassung. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt die Regelung in Anhang I Nr. 3 der VO (EU) 251/2014 („Zusatz von Alkohol“) nicht die Schlussfolgerung zu, dass für „aromatisierte weinhaltige Cocktails“ lediglich der Zusatz der dort genannten Alkoholkategorien verboten ist, das Getränk jedoch mit jedem anderen Alkohol versetzt werden darf.
40
Die in Anhang I Nr. 3 der VO (EU) 251/2014 bezüglich des Zusatzes von Alkohol enthaltene Regelung legt vielmehr fest, welche Alkoholika für die Bereitung bestimmter aromatisierter Weine (Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 251/2014) und bestimmter aromatisierter weinhaltiger Getränke (Art. 3 Abs. 3 VO (EU) 251/2014) verwendet werden dürfen. Insoweit handelt es sich um eine technische Spezifikation für diejenigen aromatisierten Weinerzeugnisse, die nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. c) und Abs. 3 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 dem Grunde nach mit Alkohol versetzt werden dürfen. Die Regelung in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 stellt dabei sicher, dass diese Erzeugnisse nicht mit jeglichem Alkohol, sondern lediglich mit den dort genannten Alkoholkategorien versetzt werden. Die Regelung dient dabei dem in Erwägungsgrund Nr. 11 zur VO (EU) 251/2014 festgelegten Ziel, zur Herstellung von aromatisierten Weinerzeugnissen ausschließlich Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zu verwenden, um den Erwartungen der Verbraucher und den traditionellen Verfahren Rechnung zu tragen und eine Absatzmöglichkeit für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse zu gewährleisten.
41
Auf „aromatisierte weinhaltige Cocktails“ ist die Regelung in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 hingegen nicht anwendbar, weil diese bereits nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 generell nicht mit Alkohol versetzt werden dürfen. Einer weitergehenden Spezifizierung der für den Zusatz von Alkohol erlaubten Alkoholkategorien bedarf es in diesem Fall konsequenterweise nicht. Eine über die für aromatisierte Weine und aromatisierte weinhaltige Getränke hinausgehende allgemeingültige - und damit auch für „aromatisierte weinhaltige Cocktails“ geltende - Definition des Begriffs „Alkohol“ lässt sich der Regelung in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 deshalb nicht entnehmen.
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cc) Die sich nach dem Wortlaut und der systematischen Betrachtung der Regelung ergebende Auslegung des Begriffs „Alkohol“ wird auch durch den Sinn und Zweck der Regelung bestätigt. Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 verfolgt entgegen der Ansicht der Klägerin und der insoweit angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Trier nicht den Zweck, das Versetzen mit Alkohol in solchen Fällen zu erlauben, in denen der erstrebte „Endalkoholgehalt“ ohne eine Alkoholerhöhung nicht erreicht werden kann. Eine diesbezügliche Absicht kann der Regelung nicht entnommen werden. Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 dient auch nicht der „Kontrolle“ des im Getränk vorhandenen Alkoholgehalts. Dieses wird bereits über die Vorgabe in Art. 3 Abs. 4 Buchst. f) VO (EU) 251/2014 erreicht, wonach ein „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ einen Alkoholgehalt (in % vol.) von mehr als 1,2% vol. und weniger als 10% vol. aufzuweisen hat.
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Die in Art. 3 Abs. 2, 3 und 4 VO (EU) 251/2014 zum Versetzen mit Alkohol getroffenen Regelungen dienen ausweislich der Erwägungsgründe der Verordnung vielmehr der Sicherstellung der traditionellen Eigenart von aromatisierten Weinerzeugnissen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4). Die Verordnung soll die Qualität der aromatisierten Weinerzeugnisse sicherstellen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 8) und so deren guten Ruf schützen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 4). Des Weiteren soll durch die Regelungen der Verordnung den Erwartungen der Verbraucher und den traditionellen Verfahren Rechnung getragen werden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 11). Dieses Ziel wird unter anderem dadurch erreicht, dass das Versetzen der aromatisierten Weinerzeugnisse mit (sonstigem) Alkohol reglementiert wird. Dabei unterscheidet Art. 3 VO (EU) 251/2014 zwischen aromatisierten Weinen, aromatisierten weinhaltigen Getränken und aromatisierten weinhaltigen Cocktails. Während die beiden erstgenannten Getränke unter Beachtung der weiteren Reglementierungen des Anhangs I Nr. 3 der VO (EU) 251/2014 mit den dort genannten Alkoholika versetzt werden dürfen, ist der Zusatz von Alkohol für aromatisierte weinhaltige Cocktails nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 generell untersagt.
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dd) Der von der Klägerin angeführten Argumentation des Verwaltungsgerichts Trier, wonach die Regelung in Anhang II C Nr. 4 VO (EU) 251/2014 belege, dass lediglich der Zusatz bestimmter Alkoholkategorien, nicht aber der Zusatz jeglichen Alkohols verboten sei, folgt das Gericht nicht. Anhang II C der VO (EU) 251/2014 enthält weitere Vorgaben für die Bezeichnung und Beschreibung von „aromatisierten weinhaltigen Cocktails“. In Anhang II C Nr. 1 der VO (EU) 251/2014 wird zunächst allgemein festgelegt, dass Erzeugnisse, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 VO (EU) 251/2014 erfüllen, die Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ führen dürfen. Darüber hinaus werden in Anhang II C Nr. 2 bis 4 der VO (EU) 251/2014 für die dort aufgeführten und näher beschriebenen Erzeugnisse weitere Verkehrsbezeichnungen erlaubt. So ist beispielsweise in Anhang II C Nr. 4 der VO (EU) 251/2014 festgelegt, dass ein „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“, der mit Schaumwein gemischt ist, die weitergehende Verkehrsbezeichnung „Schaumweincocktail“ führen darf. Aus der Tatsache, dass einem „aromatisierten weinhaltigen Cocktail“ hiernach in zulässiger Weise Schaumwein zugesetzt werden darf, lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Zusatz von Alkohol bei „aromatisierten weinhaltigen Cocktails“ - mit Ausnahme der in Anhang I Nr. 3 VO (EU) 251/2014 genannten Kategorien von Alkohol - generell zulässig ist. Auch bei Schaumwein handelt es sich grundsätzlich um Alkohol im Sinn von Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014. Allerdings muss hier die Besonderheit beachtet werden, dass es sich bei Schaumwein um ein Weinbauerzeugnis gemäß Anhang VII Teil II Nr. 4 VO (EU) 1308/2013 handelt, welches nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a) VO (EU) 251/2014 als Grundbestandteil schlechthin für die Herstellung eines „aromatisierten weinhaltigen Cocktails“ verwendet werden darf und damit nicht von der Regelung des Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 erfasst wird. Dabei spielt es letztlich auch keine Rolle, ob es sich bei Schaumwein um den Grundbestandteil des „aromatisierten weinhaltigen Cocktails“ handelt oder ob dieser lediglich einem anderen Weinbauerzeugnis im Sinn von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a) VO (EU) 251/2014 beigemischt wurde. Art. 3 Abs. 4 Buchst. a) VO (EU) 251/2014 erfasst ausweislich des Wortlauts („…aus einem oder mehreren der Weinbauerzeugnisse…“) die erfassten Weinbauerzeugnisse im Allgemeinen und nicht nur solche, die Haupt- oder Grundbestandteil des Getränks sind. Da das Beimischen von Schaumwein deshalb kein Versetzen mit Alkohol im Sinn von Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 darstellt, kann der vom Veraltungsgericht Trier herangezogenen Regelung in Anhang II C Nr. 4 VO (EU) 251/2014 entgegen dessen Ansicht nicht entnommen werden, dass auch Getränke, die mit Alkohol versetzt wurden, die Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ führen dürfen.
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ee) Zur Auslegung des Begriffs „Alkohol“ in Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 kann entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht auf die in Anhang I Nr. 5 der Spirituosenverordnung (VO (EG) 110/2008) enthaltene Regelung zurückgegriffen werden. Hiernach wird der Zusatz von Alkohol als ein Verfahren definiert, bei dem einer Spirituose Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs und/oder Destillate landwirtschaftlichen Ursprungs zugesetzt werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die im Anwendungsbereich der Spirituosenverordnung für den Zusatz von Alkohol geltende Begriffsbestimmung auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Dem steht bereits entgegen, dass die vorliegend maßgebliche Verordnung (VO (EU) 251/2014) mit der Regelung in Anhang I Nr. 3 der VO (EU) 251/2014 eine eigenständige Bestimmung des Zusatzes von Alkohol enthält, die einen Rückgriff auf die in der Spirituosenverordnung enthaltene Regelung ausschließt. Da sich die Regelungen in Anhang I Nr. 3 der VO (EU) 251/2014 bzw. in Anhang I Nr. 5 der VO (EG) 110/2008 auch auf unterschiedliche Erzeugnisse beziehen, fehlt es den dortigen Begriffsbestimmungen letztlich auch an einer Vergleichbarkeit, die einen Rückschluss auf den Regelungsgehalt der jeweils anderen Verordnung zulassen würde.
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ff) Soweit die Klägerin geltend macht, dass auch andere, unter anderem ebenfalls mit Bier versetzte Getränke von Wettbewerbern aus anderen Mitgliedsstaaten als „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ in Verkehr gebracht werden, führt dies nicht zur Zulässigkeit der von ihr beabsichtigten Bezeichnung. Sollte diesen Getränken entgegen der rechtlichen Vorgabe Alkohol im Sinn von Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 zugesetzt worden sein, kann sich die Klägerin darauf nicht berufen, da es keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gibt.
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(2) Da das streitgegenständliche Getränk der Klägerin mit Bier, und damit mit Alkohol im Sinn von Art. 3 Abs. 4 Buchst. c) VO (EU) 251/2014 versetzt wird, erfüllt es nicht die Produktvorgaben eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails. Es darf damit die Verkehrsbezeichnung „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ gemäß Art. 3 Abs. 4 und Art. 5 Abs. 3 VO (EU) 251/2014 nicht führen.
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(3) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem dem streitgegenständlichen Getränk zugesetzten Bier darüber hinaus um ein geschmackgebendes Lebensmittel im Sinn von Anhang I Nr. 1 Buchst. b) ii) der VO (EU) 251/2014 handelt, ist damit nicht mehr entscheidungserheblich.
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b) Das streitgegenständliche Getränk der Klägerin darf auch nicht unter Verwendung der Verkehrsbezeichnung „Wine“ („...“) in den Verkehr gebracht werden.
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(1) Gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 VO (EU) 1308/2013 darf der Begriff „Wein“ oder engl. „Wine“ für die Vermarktung eines Erzeugnisses nur verwendet werden, wenn es den Anforderungen des Anhangs VII Teil II Nr. 1 der VO (EU) 1308/2013 entspricht. Hiernach bezeichnet der Ausdruck „Wein“ ein Erzeugnis, das ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmosts gewonnen wird. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten die Verwendung des Begriffs „Wein“ gestatten, wenn er Teil eines zusammengesetzten Ausdrucks ist.
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Diese europarechtliche Regelung wird im deutschen Recht von § 26 Abs. 1 WeinG aufgegriffen, der zum Zweck des Begriffsschutzes das grundsätzliche Verbot der Verwendung des Begriffs „Wein“ oder engl. „Wine“ allein oder in Verbindung mit anderen Worten enthält, sofern nicht eine Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union oder eine bundesrechtliche Regelung eine ausdrückliche Ausnahme vorsieht. Von diesem Verbot werden Erzeugnisse im Sinn von § 2 Nr. 1 WeinG allerdings nicht erfasst. Solche sind (a) die in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union genannten Erzeugnisse des Weinbaus ohne Rücksicht auf ihren Ursprung, (b) aromatisierter Wein, aromatisierte weinhaltige Getränke, aromatisierte weinhaltige Cocktails (aromatisierte Weinerzeugnisse) sowie (c) weinhaltige Getränke im Sinn von § 2 Nr. 2 WeinG.
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(2) Das streitgegenständliche Getränk wird vom Verbot des § 26 Abs. 1 WeinG erfasst, weil es kein Erzeugnis im Sinn von § 2 Nr. 1 Buchst. a) WeinG ist. Da es nicht ausschließlich durch vollständige oder teilweise alkoholische Gärung der frischen, auch eingemaischten Weintrauben oder des Traubenmosts gewonnen wird, entspricht es nicht den Vorgaben des Art. 78 Abs. 2 i.V.m. Anhang VII Teil II Nr. 1 der VO (EU) 1308/2013. Es handelt sich auch nicht um ein Erzeugnis nach § 2 Nr. 1 Buchst. b) WeinG, da es die Produktvorgaben eines aromatisierten weinhaltigen Cocktails - wie bereits dargestellt - nicht erfüllt. Aufgrund der erfolgten Aromatisierung des streitgegenständlichen Getränks handelt es sich auch nicht um ein weinhaltiges Getränk im Sinn von § 2 Nr. 1 Buchst. c) WeinG.
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Da es sich damit bei dem von der Klägerin hergestellten Getränk um kein Erzeugnis im Sinn von § 2 Nr. 1 WeinG handelt, dürfte das Wort „Wein“ bzw. engl. „Wine“ allein oder in Verbindung mit anderen Worten gemäß § 26 Abs. 1 WeinG somit nur gebraucht werden, wenn eine Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder Europäischen Union oder eine bundesrechtliche Regelung dies ausdrücklich vorsieht. Eine solche ausdrückliche Ausnahme ist für das streitgegenständliche Getränk jedoch nicht vorgesehen. Die Verwendung des Begriffs „Wein“ bzw. engl. „Wine“ ist damit unzulässig.
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(3) Nachdem das streitgegenständliche Produkt kein „aromatisierter weinhaltiger Cocktail“ und damit kein Erzeugnis im Sinn von § 2 Nr. 1 Buchst. b) WeinG ist, kommt es auf die Frage, inwieweit das Wort „Wein“ bzw. engl. „Wine“ für „aromatisierte weinhaltige Cocktails“ über diesen zusammengesetzten Begriff hinaus frei verwendet werden darf, nicht mehr entscheidungserheblich an.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).