Titel:
Zurückweisung der Berufung: unzulässige Verpflichtungsklage (hier: hinreichende Bestimmung eines Antrags für einen Vorbescheid)
Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 71
Leitsätze:
1. Ein Vorbescheid enthält eine bindende Feststellung der Bauaufsichtsbehörde darüber, dass einem Bauvorhaben hinsichtlich der zur Entscheidung gestellten Fragen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Hierfür ist erforderlich, dass die zur Vorabentscheidung gestellte Frage so (bestimmt) gefasst wird, dass sie von der Baugenehmigungsbehörde mit entsprechender Bindungswirkung beantwortet werden kann. Dem Antrag muss sowohl das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll, als auch der Umfang, in dem die Prüfung begehrt wird, hinreichend bestimmt entnommen werden können. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Es ist nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörden, aus mehreren in Betracht kommenden Bebauungsmöglichkeiten eine prüf- und genehmigungsfähige Variante herauszusuchen bzw. zu ermitteln. Es obliegt ausschließlich dem Antragsteller, durch die Formulierung einer entsprechenden konkreten / bestimmten Frage das behördliche Prüfprogramm festzulegen. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
3. Auch im Fall der angenommenen Unwirksamkeit eines Bebauungsplans kommt es im Rahmen der dann an § 34 BauGB zu messenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit auf die u.a. an der Verkaufsfläche zu messende Größenordnung des zu betreibenden Einzelhandels an. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)
Schlagworte:
Berufung (erfolglos), Bestimmtheit eines Antrags auf Erteilung eines Bauvorbescheids, Auslegung eines Vorbescheidantrags, fehlendes Rechtsschutzinteresse einer Verpflichtungsklage, Berufung, Verpflichtungsklage, Rechtsschutzinteresse, Vorbescheid, Bebauungsplan, Einzelhandelsbetrieb, Einzelhandelssortiment
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 06.03.2018 – RN 6 K 16.956
Fundstelle:
BeckRS 2020, 28628
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt - nach Klageabweisung seines Verpflichtungsbegehrens in erster Instanz - weiterhin die Erteilung eines (von der Beklagten versagten) Bauvorbescheids für eine geplante einzelhandelsbetriebliche Nutzung bzw. Nutzungsänderung auf dem Grundstück FlNr. …42 der Gemarkung L … (Baugrundstück, S …straße 12).
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Das Baugrundstück liegt im Norden des Stadtgebiets der Beklagten, in der Nähe der Grenze zum Gemeindegebiet des Markts E … Es situiert im Zentrum des mehr als 1 km² großen, vorwiegend durch gewerbliche und industrielle Nutzung geprägten sog. „Gewerbegebiet …“, das im Norden durch die B … / K …-Straße (= Gemeinde- / Stadtgrenze zum Markt E … ), im Westen durch die vom Hauptbahnhof kommende Bahnlinie, im Osten durch die Ä … bzw. N … … Straße und im Süden durch die P … bzw. die H …-Straße eingegrenzt wird. Für das Gesamtgebiet „Gewerbegebiet …“ sind teilweise Bebauungspläne insbesondere für gewerbliche Nutzung (z.T. mit, z.T. ohne Sortimentsbeschränkungen für Einzelhandel) erlassen worden. Der am 8. Oktober 2004 als Satzung beschlossene Bebauungsplan … … …“, in dessen Geltungsbereich das Baugrundstück liegt, setzt auf einer Fläche von insgesamt ca. 9.800 m² neben Verkehrsflächen ein Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO fest. Unter § 3 Nr. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans findet sich eine Regelung, wonach das Gewerbegebiet „nachstehende Beschränkungen gem. § 1 Abs. 9 BauNVO“ erfährt:
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„1.1 Grundsätzlich sind keine Einzelhandelsbetriebe zulässig. Ausnahmsweise können Einzelhandelsbetriebe mit folgenden Sortimenten zugelassen werden: Möbel, Küchen, Bodenbeläge und Teppiche, wobei hier ein Randsortiment zugehöriger Artikel bis zu einer Größenordnung von 10% der Verkaufsfläche zugelassen wird; motorisierte Fahrzeuge und Zubehör; Badeeinrichtung, Installationsmaterial, Sanitärerzeugnisse; Baumarktartikel, Bauelemente, Baustoffe, Eisenwaren; Boote und Zubehör; Herde, Öfen, Brennstoffe, Holz- und Holzmaterialien, Kohle, Mineralölerzeugnisse; Farben, Lacke, Tapeten; Gartenartikel, Gartenbedarf, Pflanzen; Matratzen; Elektrogeräte (‚weiße Ware‘), Leuchten; Unterhaltungselektronik (‚braune Ware‘); Erotik-Fachmarkt.
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1.2 Bordelle sind nicht zugelassen.“
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Der heutige bauliche Bestand auf dem Baugrundstück fußt auf zwei dem Kläger jeweils unter Befreiung von den festgesetzten Baugrenzen des Bebauungsplans … … erteilten Baugenehmigungen jeweils vom 7. September 2012, zum einen für das Vorhaben „Neubau eines Bäckerei Pavillon“ (eingeschossiges Gebäude mit einer Grund- und Geschossfläche von 215,33 m² im Westen des Baugrundstücks mit Gastplätzen) und zum andern für das Vorhaben „Neubau eines Einzelhandelsbetriebes - Energetische Sanierung vom Bestand“ (größerer Gebäudekomplex im östlichen Teil des Baugrundstücks). Das Einzelhandelsgebäude, auf den sich die zuletzt genannte Baugenehmigung bezieht, ist laut genehmigtem Grundrissplan in einen nordöstlichen Komplex „Verkauf 1“ (Altbestand, Verkaufsfläche 419,34 m²) sowie einen südwestlichen Komplex „Verkauf 2“ (Neubau, Verkaufsfläche 698,94 m²) unterteilt. Die beiden Ladengeschäfte sind räumlich voneinander getrennt und verfügen jeweils über einen separaten Zugang für die Kundschaft. In der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 26. Juli 2012 hatte der Kläger ohne weitere Differenzierung oder Einschränkung das Vorhaben als Verkaufsstätte mit einer Fläche der Verkaufsräume einschließlich Ladenstraßen von insgesamt 1.118 m² angegeben. Die Geschossfläche von Bestand und Neubau wird nach der vorgelegten Berechnung eines Architekten in der Summe mit 1.360,35 m² angegeben.
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Unter dem 19. Januar 2016 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids für das Baugrundstück. Als Vorhaben wurde darin wörtlich angegeben:
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„Befreiung von der Sortimentsbeschränkung für Einzelhandelsbetriebe gem. Bebauungsplan … …, § 3, Nr. 1.1 für das Grundstück S …straße 12, Fl-Nr. …42“.
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Laut Beiblatt zum Vorbescheidantrag beabsichtigt der Kläger Einzelhandel mit folgenden Sortimenten: Textilien (Oberbekleidung und / oder Wäsche, Sportbekleidung), Parfümerie / Kosmetik, Haushaltswaren und Geschenkartikel. Es soll folgende Frage geklärt werden:
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„Ist das bezeichnete Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung planungsrechtlich zulässig bzw. kann die Erteilung einer Befreiung für das o.g., von der Nutzungsbeschränkung abweichende Sortiment in Aussicht gestellt werden?“
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Der Stadtrat der Beklagten lehnte mit Plenumsbeschluss vom 13. Mai 2016 die Erteilung der vom Kläger beantragten Befreiung ab und beauftragte die Stadtverwaltung, den Entwurf eines „Gesamtbebauungsplan Industriegebiet“ mit der Zielsetzung auszuarbeiten, innenstadt- und nahversorgungsrelevanten Einzelhandel über die jeweiligen Bestandsflächen hinaus auszuschließen. Zum Erlass dieses Bebauungsplans ist es bis heute nicht gekommen.
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Mit Bescheid vom 14. Juni 2016, der dem Kläger am 20. Juni 2016 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte in der Sache den beantragten Vorbescheid ab. In der als „Vorbescheid“ betitelten Verfügung ist tenoriert, dass die beantragte Befreiung von der Sortimentsbeschränkung nicht erteilt werden könne. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. In den Gründen des Bescheids wird hierzu u.a. ausgeführt, die Festsetzung zur Beschränkung des Einzelhandels sei ein Grundzug der Planung. Damit habe sichergestellt werden sollen, dass die zentrale Versorgungsfunktion der Innenstadt bzw. der Stadtteilzentren nicht gefährdet werde. Deshalb scheide eine Befreiung aus. Im Übrigen werde es zukünftig die vom Kläger monierte unterschiedliche Behandlung von Einzelhandelsvorhaben im betroffenen Bereich aufgrund des in Aufstellung befindlichen „Gesamtbebauungsplans Industriegebiet“ nicht mehr geben.
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Der Kläger erhob am 22. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 14. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid für das Baugrundstück zu erteilen.
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Mit Urteil vom 6. März 2018 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Verpflichtungsklage ab. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, nach dem Bebauungsplan … … sei eine Nutzung mit dem vom Vorbescheidantrag umfassten Einzelhandelssortiment aufgrund der auf § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO gestützten Sortimentsbeschränkungsklausel bauplanungsrechtlich unzulässig. Der Bebauungsplan sei wirksam erlassen worden. Auch in Bezug auf die festgesetzte Sortimentsbeschränkung für den Einzelhandel bestünden weder am Maßstab der Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) noch am Maßstab des Abwägungs- (§ 1 Abs. 7 BauGB) und des Gleichheitsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) materielle Mängel, die zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führten. Der Bebauungsplan im Ganzen sowie die Festsetzung zur Einzelhandelsbeschränkung seien auch nicht nachträglich funktionslos geworden. Eine Befreiung scheitere am Tatbestand des § 31 Abs. 2 BauGB. Der Ausschluss des zentrenrelevanten Einzelhandels stelle den wesentlichen Kern des Bebauungsplans dar, sodass im Falle einer Befreiung Grundzüge der Planung berührt würden.
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Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er trägt vor, dass der Bebauungsplan … … wegen diverser anfänglicher Mängel ungültig sei bzw. dass die Festsetzung zur Einzelhandelsbeschränkung und / oder der Bebauungsplan im Ganzen wegen nachträglicher Funktionslosigkeit unwirksam geworden seien. Das streitgegenständliche Vorhaben sei gem. § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig, weil sich in der relevanten Umgebung des Baugrundstücks mehrere großflächige Einzelhandelsbetriebe befänden, sodass das Baugrundstück in einer Gemengelage zwischen Gewerbebetrieben und sondergebietstypischem Einzelhandel liege. Im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) vom festgesetzten Einzelhandelsausschluss.
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. März 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juni 2016 zu verpflichten, den unter dem 19. Januar 2016 beantragten Vorbescheid für das Grundstück FlNr. …42 der Gemarkung L … zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
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Der Senat hat mit Schreiben des Berichterstatters vom 1. Oktober 2020 auf Auslegungsvarianten des Vorbescheidantrags [vgl. in den Entscheidungsgründen unter 2 a) ] sowie auf die daraus folgende Möglichkeit eines fehlenden Rechtsschutzinteresses hingewiesen. Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 12. Oktober 2020 (Beklagte) und vom 16. Oktober 2020 (Kläger) hierzu Stellung genommen und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten darauf verzichtet haben, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 101 Abs. 2 VwGO.
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2. Die Berufung ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids (Art. 71 BayBO) im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger fehlt bei der hier gebotenen Auslegung seines Vorbescheidantrags - vgl. im Folgenden a) - das Rechtsschutzinteresse für die erhobene Verpflichtungsklage, die deshalb bereits unzulässig ist, s.u. b).
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a) Die vom Wortlaut nicht eindeutige Fragestellung des Klägers im Vorbescheidantrag bedarf der Auslegung durch den Senat.
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aa) Der Senat geht nicht davon aus, dass vom Kläger aufgrund des weit gefassten Wortlauts seines Bauvorbescheidantrags vom 19. Januar 2016 abstrakt und allgemein sowie ohne Rücksicht auf den vorhandenen bzw. auf den genehmigten Baubestand danach gefragt wird, ob auf dem Baugrundstück (FlNr. …42) - sei es im Altbestand der beiden vorhandenen Häuser im Osten (derzeit Bäckerei) und im Westen (derzeit Einzelhandelsgebäude mit zwei separaten Läden), sei es (ggf. unter Abriss bzw. Teilabriss des vorgenannten Altbestands) in Form eines Neubaus mit unbekannter Größe resp. unbekannter Verkaufsfläche - Einzelhandelsbetriebe in unbekannter Anzahl und unbekannter Größe mit den angegebenen Sortimenten bauplanungsrechtlich zulässig sind bzw. ob eine Befreiung von der Einzelhandelsbeschränkung im Bebauungsplans … … für ein derart unkonkretes bzw. einschränkungsloses Vorhaben erteilt bzw. in Aussicht gestellt wird. Ansonsten hätte der Vorbescheidantrag schon keinen prüfresp. bescheidungsfähigen Inhalt: Ein Vorbescheid enthält eine bindende Feststellung der Bauaufsichtsbehörde darüber, dass einem Bauvorhaben hinsichtlich der zur Entscheidung gestellten Fragen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Hierfür ist erforderlich, dass die zur Vorabentscheidung gestellte Frage so (bestimmt) gefasst wird, dass sie von der Baugenehmigungsbehörde mit entsprechender Bindungswirkung beantwortet werden kann. Dem Antrag muss sowohl das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll, als auch der Umfang, in dem die Prüfung begehrt wird, hinreichend bestimmt entnommen werden können. Es ist nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörden, aus mehreren in Betracht kommenden Bebauungsmöglichkeiten eine prüf- und genehmigungsfähige Variante herauszusuchen bzw. zu ermitteln. Es obliegt ausschließlich dem Antragsteller, durch die Formulierung einer entsprechenden konkreten / bestimmten Frage das behördliche Prüfprogramm festzulegen. Fehlt es an einer solchen Frageformulierung, ist der Vorbescheidantrag zu unbestimmt und nicht geeignet einen Anspruch auf Entscheidung zu begründen (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.2006 - 1 B 04.3531 - BayVBl 2007, 760 = juris Rn. 23; U.v. 10.12.2007 - 1 BV 04.843 - BayVBl 2008, 376 = juris Rn. 28 ff.; B.v. 14.5.2007 - 1 ZB 06.225 - juris Rn. 13; B.v. 26.2.2008 - 14 ZB 07.149 - juris Rn. 3; B.v. 2.12.2010 - 15 ZB 08.1428 - BayVBl 2011, 271 = juris Rn. 12; B.v. 11.1.2011 - 15 ZB 08.1565 - juris Rn. 13 f.; VGH BW, U.v. 15.3.1994 - 8 S 2571/93 - BauR 1995, 73 = juris Rn. 26; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 71 Rn. 8; Decker in Simon Busse, BayBO, Stand: Juli 2020, Art. 71 Rn. 34, 35; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: Mai 2020; Art. 71 Rn. 32). Speziell bei d e n hier im Antrag thematisierten Einzelhandelsvorhaben (vgl. die Verwendung des Plurals „Einzelhandelsbetriebe“ im Beiblatt zum Bauvorbescheidantrag) kommt es für den anzuwendenden bauplanungsrechtlichen Maßstab entscheidend darauf an, in welcher Größenordnung - insbesondere auf welcher Verkaufsfläche - Einzelhandel betrieben werden soll. Denn soweit die Festsetzung eines Gewerbegebiets gem. § 8 BauNVO im Bebauungsplan … … … … … … … … gültig sein sollte, wäre dies - unabhängig von der beantragten Befreiung von der Einzelhandelsbeschränkung gem. § 3 Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans - bauplanungsrechtlich nur dann zulässig, wenn kein (großflächiger) Einzelhandelsbetrieb entsteht, der gem. § 11 Abs. 3 BauNVO als kern- bzw. sondergebietsspezifisch einzustufen ist (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 11 Rn. 31; BVerwG, B.v. 14.10.2019 - 4 B 27.19 - NVwZ 2020, 322 = juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.2.2020 - 15 CS 19.2013 - juris Rn. 28, 40 ff.). Hierfür bedarf es aber näherer Angaben, zumal sich die Frage der Großflächigkeit nach der Verkaufsfläche richtet (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 - 4 C 10.04 - BVerwGE 124, 364 = juris Rn. 23; U.v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 - BVerwGE 129, 307 = juris Rn. 23; Stock a.a.O. § 11 Rn. 54 ff.) und Auswirkungen i.S. von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO maßgeblich u.a. auch von der anzusetzenden Geschossfläche abhängig sind (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BauNVO; vgl. auch BVerwG, B.v. 14.10.2019 a.a.O. juris Rn. 14 ff.). Ferner kann die Frage der Anzahl der geplanten Betriebe und deren räumliche und funktionelle Zuordnung am Maßstab bauplanungsrechtlicher Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht unbestimmt bleiben, da bei der Verwirklichung mehrerer Betriebe auf dem Baugrundstück auch ein Einkaufszentrum i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO, das in einem festgesetzten Gewerbegebiet nicht zulässig ist (vgl. Stock a.a.O. § 11 Rn. 39), entstehen könnte. Auch im Fall der von der Klägerseite angenommenen Unwirksamkeit des Bebauungsplans … … kommt es im Rahmen der dann an § 34 BauGB zu messenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit auf die u.a. an der Verkaufsfläche zu messende Größenordnung des zu betreibenden Einzelhandels an. Denn ohne die Angabe von Parametern zur Größenordnung des Vorhabens lässt sich ein dortiger Warenumsatz und damit auch ein eventueller Kaufkraftabfluss aus anderen Stadtgebieten nicht sicher prognostizieren, wobei z.B. die Verkaufsfläche ein nicht unwesentliches Hilfsmittel, im Einzelfall sogar ggf. ausschlaggebendes Kriterium für die Beantwortung der Frage ist, ob von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Stadtgebiet der Beklagten (hier insbes. für die Innenstadt der Beklagten) oder in anderen Gemeinden zu erwarten sind, § 34 Abs. 3 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2007 - 4 C 7.07 - BVerwGE 129, 307 = juris Rn. 23 ff.; U.v. 17.12.2009 - 4 C 1.08 - BVerwGE 136, 18 = juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 18.4.2013 - 2 B 13.423 - juris Rn. 32; OVG NW, B.v. 17.1.2020 - 10 A 50/19 - juris Rn. 5 ff.; Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 34 BauGB Rn. 89). Dasselbe gilt für die Anzahl der beabsichtigten Einzelhandelsbetriebe.
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bb) Der Senat geht aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht davon aus, dass der Bauvorbescheidantrag in einem vorgenannten weiten Sinne zu verstehen ist und deshalb schon nicht inhaltlich prüffähig wäre. Bei Ungenauigkeiten der Antragsformulierung kann sich nach den Umständen des Einzelfalls durch Auslegung ein prüffähiger Inhalt eines Vorbescheids ermitteln lassen (Decker in Simon/Busse, BayBO, Art. 71 Rn. 36 m.w.N.; BayVGH, U.v. 22.5.2006 - 1 B 04.3531 - BayVBl 2007, 760 = juris Rn. 23).
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Mit den im Beiblatt als Anlage zum Vorbescheidantrag vom 19. Januar 2016 unter Verwendung des Plurals angesprochenen „Einzelhandelsbetrieben“ sind nach der Überzeugung des Senats die beiden bestandskräftig genehmigten, voneinander getrennten Einzelhandelsläden im östlichen Baukomplex auf dem Baugrundstück gemeint, die in den mit Bescheid vom 7. September 2012 (B-2012-192) genehmigten Bauvorlagen als „Verkauf 1“ und Verkauf 2“ dargestellt sind. Nach dem Verständnis des objektiven Empfängerhorizonts will der Kläger mithin mit seinem Antrag vom 19. Januar 2016 - insofern hinreichend konkret und bestimmt - klären bzw. feststellen lassen, dass in dem mit Baugenehmigungsbescheid vom 7. September 2012 (B-2012-192) genehmigten Baubestand im östlichen Gebäude auf dem Baugrundstück des Klägers - also im Einzelhandelsgebäude mit zwei voneinander abgetrennten Ladengeschäften mit einer Verkaufsfläche von zum einen 419,34 m² („Verkauf 1“, älterer nordöstlicher Gebäudetrakt) und zum andern 698,94 m² („Verkauf 2“, neuerer südwestlicher Gebäudetrakt) - zwei Einzelhandelsbetriebe jeweils mit den Sortimenten Textilien (Oberbekleidung und / oder Wäsche, Sportbekleidung), Parfümerie / Kosmetik sowie Haushaltswaren / Geschenkartikel bauplanungsrechtlich zulässig sind bzw. ob hierfür eine Befreiung von § 3 Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wird. Der Kläger hat über seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 zudem bestätigen lassen, dass genau dies seine tatsächliche Intention gewesen sei, weil er in der Sortimentsauswahl für seine bestehenden Gebäude mit den beiden Einzelhandelsbetrieben habe freier sein und nicht auf die im Bebauungsplan angegebenen Sortimente habe beschränkt sein wollen.
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b) In dieser Auslegung fehlt dem Kläger für seine Verpflichtungsklage das in jeder Lage eines gerichtlichen Prozesses von Amts wegen zu prüfende Rechtsschutzinteresse. Denn er darf in den bestehenden (bestandsgeschützten) Ladengeschäften im östlichen Gebäudekomplex seines Grundstücks aufgrund der Weite der (erst im Laufe des Berufungsverfahrens vorgelegten) bestandskräftigen Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 bereits heute die vom Vorbescheidantrag umfassten Sortimente vertreiben. Es ist damit nicht ersichtlich, dass er seine Rechtsstellung durch den Erhalt des beantragten Bauvorbescheids verbessern könnte. Die Inanspruchnahme des Gerichts stellt sich als für die subjektive Rechtsstellung des Klägers zurzeit nutzlos dar (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1992 - 5 B 32.92 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 254 = juris Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch VG Schleswig, U.v. 4.6.2013 - 2 A 29/12 - juris Rn. 19 ff.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vorb. §§ 40-53 Rn. 11, 16 ff.).
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Weder im Text des Tenors noch in den Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheids vom 7. September 2012 findet sich für das Vorhaben „Neubau eines Einzelhandelsbetriebes - Energetische Sanierung vom Bestand“ (B-2012-192) eine begrenzende Definition des konkret zu betreibenden Einzelhandels oder eine Beschränkung auf bestimmte feilzubietende Warenarten / Sortimente. In den von der Beklagten vorgelegten Bauakten B-2012-192 ist auch keine Betriebsbeschreibung und insbesondere keine mit Genehmigungsstempel versehene Betriebsbeschreibung enthalten, die die zum Verkauf berechtigten Sortimente benennt oder Sortimente, die nicht verkauft werden sollen, ausschließt. Weder aus den Gründen des Baugenehmigungsbescheids vom 7. September 2012 noch aus den dort in Bezug genommenen Unterlagen (vgl. König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34 m.w.N.) ergibt sich, dass die Baugenehmigung hinsichtlich der Einzelhandelsnutzung in den beiden Ladengeschäften auf bestimmte Sortimente beschränkt sein sollte. Der Bebauungsplan … … wird im Bescheid aus dem Jahr 2012 ausschließlich im Zusammenhang mit der Befreiungserteilung von den Festsetzungen zu den Baugrenzen, nicht aber hinsichtlich der Einzelhandelsbeschränkungen in § 3 Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen thematisiert. Im Übrigen ist nach der Regelungssystematik des § 3 Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Einzelhandel grundsätzlich ausgeschlossen; auch hinsichtlich Einzelhandelsbetrieben mit den in Satz 2 aufgezählten Sortimenten soll nach der Festsetzung im Wege einer Ausnahmeerteilung im Einzelfall entschieden werden, § 31 Abs. 1 BauGB i.V. mit § 1 Abs. 9 BauNVO. Aber auch eine solche Ausnahme war Gegenstand weder des Tenors noch der Begründung des Bescheids vom 7. September 2012. Die Beschränkungen gem. der Festsetzung des Bebauungsplans zum Einzelhandelsausschluss sind mithin nicht Inhalt der Baugenehmigung vom 7. September 2012 geworden. Der vorliegende Rechtsstreit dürfte - was der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend klären muss - auf einem Rechtsirrtum beider Parteien hinsichtlich der Reichweite der für das Vorhaben „Neubau eines Einzelhandelsbetriebes - Energetische Sanierung vom Bestand“ erteilen (bestandskräftigen) Baugenehmigung vom 7. September 2012 (B-2012-192) beruhen. Einzelhandel über die beiden voneinander getrennten Ladeneinheiten im östlichen Gebäudekomplex auf dem Baugrundstück wurde - in Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans, aber mittlerweile bestandskräftig - in der Baugenehmigung aus dem Jahr 2012 aber tatsächlich ohne jede Einschränkung hinsichtlich der Sortimente gestattet. Der Nutzen eines Vorbescheids mit dem Antragsinhalt gemäß der Auslegung des Senats ist nicht ersichtlich, weil bereits nach der bestandskräftigen Genehmigungslage der Verkauf jeglicher handelbaren Sortimente über die beiden (getrennten) Ladengeschäfte gestattet ist, da die Baugenehmigung vom 7. September 2012 bereits umfänglich das abdeckt, was laut Antrag vom 19. Januar 2016 Inhalt der Feststellung durch den begehrten Vorbescheid sein soll. Kann der Kläger aber bereits jetzt die Baugenehmigung vom 7. September 2012 sogar über das Maß hinaus ausnutzen, das Gegenstand des streitgegenständlichen Bauvorbescheidantrags in der Auslegung des Senats sein soll, ist die Verpflichtungsklage mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig und die Berufung deshalb unbegründet.
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3. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V. mit § 708 ff. ZPO.
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4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).