Titel:
Zahlung einer zusätzlichen Sozialplanabfindung für unterhaltsberechtigte Kinder in Abhängigkeit von Eintragung auf Lohnsteuerkarte
Normenketten:
BetrVG § 75, § 112
AGG § 1, § 3, § 7
EStG § 38b Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz oder ein Benachteiligungsverbot des § 1 AGG, wenn in einem Sozialplan der Anspruch auf einen Zusatzbetrag zur Abfindung für Kinder davon abhängig gemacht wird, dass der Arbeitnehmer den lohnsteuerrechtlichen Kinderfreibetrag in Anspruch nimmt (Anschluss an BAG, Urteil vom 12.03.1997 - 10 AZR 658/96 -). (Rn. 35)
Schlagworte:
Sozialplan, Abfindung, Benachteiligungsverbot, Diskriminierung, Kinder, Unterhaltsfreibetrag, Gleichbehandlungsgrundsatz, Interessenausgleich, Lohnsteuerkarte
Vorinstanz:
ArbG Würzburg, Endurteil vom 19.06.2019 – 5 Ca 1299/18
Fundstelle:
BeckRS 2020, 28506
Tenor
1. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 19.06.2019 - 5 Ca 1299/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um einen zusätzlichen Abfindungsbetrag für Kinder aus einem Sozialplan.
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Die 1977 geborene, verheiratete und 3 Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin war bei der Beklagten seit 01.07.2007 am Standort G… in Teilzeit beschäftigt mit einem Bruttostundenlohn von 13,24 € bzw. einem monatlichen Tarifentgelt von 1.199,87 € brutto zuzüglich Zuschlägen. Sie wird bei der Beklagten mit der Lohnsteuerklasse 5 ohne Kinderfreibeträge geführt.
3
Am 23.08.2017 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, den Standort G… so bald wie möglich zu schließen. Am 11.05.2018 schlossen die Betriebspartner des Standortes G… einen Interessenausgleich und Sozialplan ab, der eine Stilllegung des Standortes und die Verlagerung der wirtschaftlichen Tätigkeit nach H… zum 30.06.2018 vorsah. Von der Maßnahme waren 321 Arbeitnehmer betroffen. Die Betriebspartner vereinbarten den Verzicht auf Beendigungskündigungen und den Ausspruch von Änderungskündigungen nach H… Arbeitnehmer, die die Änderungskündigung akzeptierten, sollten Umzugsbeihilfe und Erstattung der Kosten für Familienheimreisen erhalten. Arbeitnehmer, die das Änderungsangebot ablehnten und deren Arbeitsverhältnis endete, sollten eine Abfindung erhalten. Die Abfindung berechnete sich nach Ziffer II. 3. c. i. des Interessenausgleiches und Sozialplanes nach der Formel Bruttomonatsgehalt x Betriebszugehörigkeit x 1,1. Ferner war in Ziffer II. 3. c. ii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes ein Festbetrag von 1.500,00 € brutto für schwerbehinderte Arbeitnehmer und schwerbehinderten Arbeitnehmern gleichgestellte Arbeitnehmer vorgesehen. In Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes war schließlich vorgesehen:
„Für jedes unterhaltsberechtigte Kind erhält der Arbeitnehmer eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 1.570,00 € brutto. Es gelten die Angaben in der Lohnsteuerkarte.“
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Kündigungsschreiben vom 19.07.2018 zum 30.11.2018. Die Beklagte zahlte an die Klägerin die in der Höhe von 15.269,99 € brutto unstreitige Abfindung inklusive den Schwerbehindertenzusatzbetrag aus. Den Zusatzbetrag für Kinder von 3 x 1.570,00 € brutto zahlte sie nicht.
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Die Klägerin erhob daraufhin Zahlungsklage und machte in der ersten Instanz geltend, dass es bei der Berechnung der Abfindung nicht auf die Einträge in der Lohnsteuerkarte ankommen könne.
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Die Frage nach den unterhaltsberechtigten Kinder könne nicht aus den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte beantwortet werden. Aus § 38 b Abs. 2 EStG ergebe sich, dass bei der Wahl der Lohnsteuerklasse V ein Kinderfreibetrag nicht eingetragen werden könne. Rückschlüsse auf unterhaltsberechtigte Kinder seien deshalb nicht möglich.
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Die Regelung in Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes diskriminiere mittelbar. Dies ergebe sich aus den Statistiken des statistischen Bundesamtes. Danach seien Frauen deutlich häufiger teilzeitbeschäftigt als Männer und Frauen im Niedriglohnsektor besonders stark vertreten. Bei den abfindungsberechtigten Mitarbeitern mit Kindern werde für den Anspruch auf die zusätzliche Abfindung danach unterschieden, ob zum Stichtag die Kinder auf der Lohnsteuerkarte eingetragen waren. Benachteiligt seien damit die Mitarbeiter, bei denen kein Eintrag auf der Lohnsteuerkarte vorliege. Dies sei bei der Wahl der Lohnsteuerklasse V grundsätzlich der Fall. Diese Lohnsteuerklasse liege bei Frauen häufiger vor als bei Männern, da diese weitaus häufiger in Teilzeit arbeiten würden als Männer und damit auch weniger verdienten. In der Kombination der Steuerklasse III/V werde regelmäßig die Steuerklasse III für den Ehepartner gewählt, der ein deutlich höheres Bruttoeinkommen erziele. Dies sei regelmäßig der Mann.
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Für diese Benachteiligung gebe es auch keine durch ein rechtmäßiges Ziel sachliche Rechtfertigung. Es sei unproblematisch möglich, bestehende Unterhaltspflichten gegenüber Kindern anders aufzuklären als über die Lohnsteuerklasse.
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Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG ausgeführt, aus Gründen der praktikablen Durchführung einer Sozialplanregelung seien die Betriebspartner befugt, die Zahlung eines Kinderzuschlages bei der Abfindung von den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte abhängig zu machen. Der Anspruch ergebe sich nicht aus dem Sozialplan. Er ergebe sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG oder dem betriebsverfassungsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch eine mittelbare Diskriminierung sei nicht ersichtlich, nachdem die Lohnsteuerklassenwahl durch die Klägerin und ihren Ehemann getroffen worden sei. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus § 15 AGG seien nicht dargelegt worden.
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Das Urteil des Arbeitsgerichtes vom 19.06.2019 wurde der Klägerin am 31.10.2019 zugestellt. Sie legte dagegen Berufung ein mit Berufungsschrift vom 13.11.2019, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am gleichen Tag. Die Berufungsbegründungsschrift vom 30.12.2019 ging am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein.
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Die Klägerin trägt in der Berufung vor:
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Die drei unterhaltsberechtigten Kinder seien bei ihrem Ehemann eingetragen. Dies stelle ihre Unterhaltspflicht nicht in Frage. Eintragungen in der Lohnsteuerkarte seien ein ungeeignetes Mittel, Unterhaltspflichten gegenüber Kindern festzustellen. In Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes sei deshalb der Satz 2 zu streichen.
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Es liege auch ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG vor, der zur Unwirksamkeit des Satzes 2 führe nach § 7 Abs. 2 AGG. Aus dem verbleibenden Satz 1 ergebe sich der Anspruch der Klägerin.
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Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ergebe sich aus der mittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechtes. Im Sozialplan seien Gruppen gebildet worden. Dabei handele es sich um die Gruppe derer, die keine Unterhaltspflichten gegenüber Kindern haben, sowie um die Gruppe derer, die unterhaltspflichtig seien. Diese zweite Gruppe sei noch einmal unterteilt worden in die Untergruppe der Kindesunterhaltspflichtigen mit Eintrag der Kinder in der Lohnsteuerkarte und die Untergruppe der Kindesunterhaltspflichtigen ohne Eintrag der Kinder in der Lohnsteuerkarte. Es sei nicht ersichtlich, dass den Betriebspartnern bewusst gewesen wäre, dass es Unterhaltspflichtige gibt, deren Unterhaltspflicht nicht aus der Lohnsteuerkarte ersichtlich sei und dass es sich dabei ausschließlich um Frauen handele. Bei den Lohnsteuerklassen V und VI sei es gesetzlich ausgeschlossen, Kinderfreibeträge eintragen zu lassen.
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Nach § 15 Abs. 1 AGG sei der Arbeitgeber zum Ersatz von Vermögensschäden verpflichtet, die sich aus der Verletzung des Benachteiligungsverbotes ergäben. Diese Haftung sei verschuldensabhängig ausgestaltet, was Bedenken begegne im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH. Danach soll der Schaden auf eine wirksame, abschreckende und angemessene Art und Weise ausgeglichen werden. Der Entschädigungsanspruch sei auch schon vor der Auszahlung der Abfindung geltend gemacht worden.
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Die Problematik der mittelbaren Benachteiligung sei nachvollziehbar dargestellt und entschieden worden vom LAG Nürnberg, Urteil vom 03.11.2015 - 7 Sa 655/14 -. Für die Ungleichbehandlung bestehe kein rechtmäßiges Ziel als sachliche Rechtfertigung. Es sei ohne großen Aufwand möglich, bei der Teilnahme am elektronischen Lohnsteuerabzug die Daten der Mitarbeiter abzufragen und dann die Mitarbeiter mit der Lohnsteuerklasse V zu der Frage der Unterhaltsverpflichtung anzuhören.
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Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren folgende Anträge:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 19.06.2019 - 5 Ca 1299/18 - wird abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.710,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.12.2018 zu zahlen.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich nicht aus dem Sozialplan. Die Ablösung der Lohnsteuerkarte durch das ELStAM-Verfahren sei unerheblich. Umgangssprachlich sei auch ausweislich der Entscheidungen des LAG Düsseldorf, Urteil vom 02.09.2015 - 12 Sa 543/15 - und LAG Nürnberg, Urteil vom 03.11.2015 - 7 Sa 655/14 - nach wie vor der Begriff der Lohnsteuerkarte üblich. Der Wortlaut der Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes sei deshalb eindeutig, dies sehe die Klägerin auch selbst so.
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Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG bzw. dem arbeitsrechtlichen und/oder betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies entspreche der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.
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Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer sonstigen Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht aus dem AGG. Es liege schon keine mittelbare Benachteiligung vor. Die Klägerin habe bewusst die Wahl der Steuerklassenkombination getroffen.
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Jedenfalls wäre die behauptete mittelbare Benachteiligung auch gerechtfertigt. Der Arbeitgeber müsse bei den Sozialplanverhandlungen Sicherheit über den Kreis der Anspruchsberechtigten und die voraussichtlichen Kosten haben.
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Ginge man von einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung aus, so fehle doch eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren.
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Der Sozialplan käme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Nach dem Willen der Beteiligten sollten nur auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Kinder den Zuschlag erhalten. Deshalb könne nur Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes insgesamt gestrichen werden, nicht nur der Satz 2 isoliert.
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§ 15 Abs. 1 AGG käme ebenso wenig als Anspruchsgrundlage in Betracht. Dem stünde entgegen, dass ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 3 AGG seitens des Arbeitgebers nicht ersichtlich sei. Ferner seien die Fristen des § 15 Abs. 4 AGG für die außergerichtliche Geltendmachung und des § 61 b ArbGG für die gerichtliche Geltendmachung nicht gewahrt.
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Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen nach § 69 Abs. 2, 3 Satz 2 ArbGG.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG.
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Die Berufung ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Zusatzbetrages für Kinder. Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes in seinen Entscheidungsgründen und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
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Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist seitens des Berufungsgerichtes noch auszuführen:
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Zusatzbetrages für Kinder von 4.710,00 € brutto aus Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes. Nach dem Wortlaut dieser Ziffer haben Arbeitnehmer nur Anspruch auf die zusätzliche Abfindung für Kinder, wenn diese auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sind. Dies ist bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall.
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Dabei ist es unschädlich, dass die Betriebspartner mit dem Begriff der „Lohnsteuerkarte“ Bezug nehmen auf eine bereits 2010 ausgelaufene steuerrechtliche Regelung und seit 2011 der Arbeitgeber die notwendigen Daten für die steuerrechtliche Behandlung der Vergütung über die jeweils aktuelle Bescheinigung über die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) erhält. Diese war von den Betriebspartnern gemeint. Dies ist auch zwischen den Parteien unstreitig.
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Nach der Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 12.03.1997 - 10 AZR 648/96 -, Rn. 22 f., zitiert nach juris, sind die Betriebspartner auch aus Gründen der praktikablen Durchführung einer Sozialplanregelung befugt, die Zahlung einer zusätzlichen Abfindung für unterhaltsberechtigte Kinder davon abhängig zu machen, dass diese Kinder auf der damals noch verwendeten Lohnsteuerkarte eingetragen sind.
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2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlages aus Art. 3 Abs. 1 GG bzw. dem darauf zurückzuführenden betriebsverfassungsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
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a.) Sozialpläne dienen nach dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die dem Arbeitnehmer durch die geplante Betriebsänderung entstehen. Ihnen kommt eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu, die grundsätzlich zukunftsbezogen ist. Dies eröffnet den Betriebspartnern (tatsächliche) Beurteilungs- und (normative) Gestaltungsspielräume, BAG, Urteil vom 20.04.2010 - 1 AZR 988/08 -, Rn. 21, zitiert nach juris. Im Rahmen dieser Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume können die Betriebspartner die wirtschaftlichen Nachteile in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen, BAG, Urteil vom 26.03.2013 - 1 AZR 857/11 -, Rn. 24, zitiert nach juris. Die berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Nachteile stellen sich vielfältig dar. Regelmäßig hängt das Ausmaß der wirtschaftlichen Nachteile bei einem Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer Betriebsänderung mit dem Lebensalter des Betroffenen, seinen Unterhaltspflichten, der Höhe seines bisherigen Verdienstes und den Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Für den Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung stellt sich beispielsweise die Arbeitsmarktsituation in der Regel schwierig dar. Seine Chance, umgehend einen neuen Arbeitsplatz zu finden, kann häufig geringer sein als bei dem Arbeitnehmer ohne Schwerbehinderung. Für den alleinerziehenden Arbeitnehmer als weiteres Beispiel ist der Wegfall seines und damit des Familieneinkommens in der Regel mit erheblichen Auswirkungen auf den Lebensstandard der Familie verbunden. Auch die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung und -versorgung weiter genutzt werden sollen oder verbunden mit einem erforderlichen Umzug diese neu organisiert werden müssen. In beiden Beispielsfällen droht längere Arbeitslosigkeit mit entsprechenden wirtschaftlichen Nachteilen.
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Beim tatsächlichen Beurteilungsspielraum geht es um die Einschätzung der künftig drohenden wirtschaftlichen Nachteile. Bei dieser Einschätzung sind der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die Benachteiligungsverbote des AGG unbeachtlich, da es um tatsächliche Beurteilung, nicht um normative Gestaltung geht. Die Betriebspartner können deshalb bei der Einschätzung der drohenden wirtschaftlichen Nachteile deren Abmilderung durch andere Umstände, beispielsweise sozialversicherungsrechtlicher Art, berücksichtigen, BAG, Urteil vom 11.11.2008 - 1 AZR 475/07 -, Rn. 22, zitiert nach juris.
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Beim normativen Gestaltungsspielraum dagegen geht es um die Frage, ob, in welchem Umfang und auf welchem Wege die angenommenen wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden. Es besteht dabei ein weiter Ermessenspielraum, in dessen Rahmen die Betriebspartner nicht jeden möglichen Nachteil ausgleichen müssen und auch der Vermeidbarkeit von Nachteilen Rechnung tragen können. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG sowie andere gesetzliche Benachteiligungsverbote auf Bundesebene oder auf europäischer Ebene sind hier zu beachten, BAG, Urteil vom 11.11.2008 - 1 AZR 475/07 -, Rn. 23, zitiert nach juris.
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Nach dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG haben die Betriebspartner darauf zu achten, dass eine Benachteiligung von Personen aus den dort genannten Merkmalen unterbleibt. Bei vergleichbaren Sachverhalten soll die Gleichbehandlung der betroffenen Personen sichergestellt und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung ausgeschlossen werden. Umgekehrt sollen in ungleicher Weise betroffene Personen auch ungleich behandelt werden.
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In § 75 BetrVG wurden die Benachteiligungsmerkmale des § 1 AGG übernommen und die Vorschriften harmonisiert. Die Benachteiligungsverbote des AGG gelten auch für Vereinbarungen nach § 7 Abs. 2 AGG, also auch für Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne. Die Benachteiligungsverbote des AGG verbieten Unterscheidungen zwischen Personen, die an die in § 1 AGG genannten Merkmale anknüpfen. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person - gerade - wegen des betreffenden Merkmals eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt. Eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen bestimmter Merkmale gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich.
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b.) Im vorliegenden Fall ist die im Sozialplan vorgenommene Gruppenbildung noch rechtmäßig.
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a) Die Betriebspartner wollten nach dem Wortlaut der Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes grundsätzlich nur den kindesunterhaltspflichtigen Arbeitnehmern einen zusätzlichen Abfindungsbetrag zukommen lassen, die diese Kinder auch auf ihre Lohnsteuerkarte eingetragen haben. Dahinter stehen verschiedene Erwägungen und Interessen der Betriebspartner.
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Dahinter steht regelmäßig das Interesse des Arbeitgebers, bei den Sozialplanverhandlungen halbwegs zuverlässig abschätzen zu können, welches wirtschaftliche Volumen und damit, welche Belastung sich für den Arbeitgeber aus den verhandelten Regelungen ergibt. Mit den aus ELStAM ersichtlichen Lohnsteuermerkmalen und der Beschränkung des Zusatzbetrages für unterhaltsberechtigte Kinder auf die dort ersichtlichen Kinder ist diesem Interesse des Arbeitgebers Rechnung getragen.
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Dem Interesse des Arbeitgebers an klarer Kostenkalkulation könnte beispielsweise auch dadurch Rechnung getragen werden, dass nur ein Gesamtbetrag zwischen den Betriebspartnern vereinbart wird, der für kindesunterhaltspflichtige Arbeitnehmer als Zusatzbetrag zur Verfügung gestellt wird. Im Nachgang könnten dann die kindesunterhaltspflichtigen Arbeitnehmer unabhängig von den lohnsteuerrechtlichen Merkmalen ihre Kinder beim Arbeitgeber bekanntgeben. Steht die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer dann fest, kann durch einfache Division der Zusatzbetrag pro Kind ermittelt werden. Nachteilig und der Befriedungsfunktion des Sozialplanes abträglich ist es jedoch, dass bei dieser Verfahrensweise über lange Zeit unklar bleiben kann, wie hoch die Gesamtabfindung des einzelnen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmers, zusammengesetzt aus der Grundabfindung und dem Zusatzbetrag für die Kindesunterhaltspflichten, genau ist. Dem könnte wiederum Rechnung getragen werden, indem die berücksichtigungsfähigen Kinder nicht nur aus den lohnsteuerrechtlichen Abzugsmerkmalen ermittelt werden, sondern zusätzlich bis zu einem bestimmten Stichtag (nach) gemeldet werden können. Eine solche Verfahrensweise mit einer Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Kinder auf die Kinder, die nach ELStAM für den Arbeitgeber ersichtlich sind oder bis zu einem bestimmten Strichtag nachgemeldet wurden, war Gegenstand höchstrichterlicher Kontrolle und wurde hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz dort nicht in Frage gestellt, BAG, Urteil vom 13.10.2015 - 1 AZR 765/14 -, Rn. 18f, zitiert nach juris. Hinter der Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Kinder auf die, die aus den lohnsteuerrechtlichen Merkmalen nach ELStAM ersichtlich sind, steht auch das Interesse des Betriebsrates und der betroffenen Arbeitnehmer, dem Sozialplan zuverlässig einen festen Zahlbetrag als Grundabfindung und einen weiteren festen Zahlbetrag für Zusatzbeträge für Schwerbehinderung oder Kinder entnehmen zu können. Diesem Aspekt können die Betriebspartner bei der Aufstellung des Sozialplanes Rechnung tragen. Dahinter steht die Befriedungsfunktion des Sozialplanes. Dieser Funktion des Sozialplanes kann nicht genügt werden durch die Vereinbarung eines Gesamtbetrages, der für kindesunterhaltspflichtige Arbeitnehmer als Zusatzbetrag zur Verfügung gestellt wird ohne Überblick über die Zahl der den Zusatzbetrag auslösenden Kinder.
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Die genannten Interessen haben mittelbar Bezug zum Zweck eines Sozialplanes, wirtschaftliche Nachteile einer Betriebsänderung für die davon betroffenen Arbeitnehmer zu bestimmen sowie Art und Ausmaß der Milderung oder des Ausgleiches derselben.
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Der unmittelbare Bezug zu diesem Zweck ergibt sich, wenn die Gründe für eine getroffene Wahl der Lohnsteuerklasse V und damit einhergehend des von der Klägerin in den Vordergrund ihrer Argumente geschobenen Ausschlusses des Eintrages eines Kinderfreibetrages nach § 38 b Abs. 2 Satz 1 EStG beleuchtet werden.
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2018 betrugen Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungsbedarf zusammen 7.428,00 €, monatlich also 619,00 €. Je nach individuellem Steuersatz ergibt sich daraus ein nicht unerheblicher monatlicher Nettobetrag auch in dreistelliger Höhe, der vom Arbeitgeber nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren an das Finanzamt abgeführt wird, sondern als Nettogehalt an den Arbeitnehmer ausbezahlt wird. Wird dieser Freibetrag bei Verheirateten bei dem Elternteil mit dem höheren Einkommen im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt, so sinkt dessen monatliche Lohnsteuerlast im Lohnsteuerabzugsverfahren entsprechend und der anzuwendende Progressionssatz sinkt. Wird der Freibetrag dagegen bei dem Elternteil mit dem geringeren Einkommen im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt, ist die Absenkung der monatlichen Steuerlast wegen des hier geringeren Progressionssatzes geringer. Typischerweise wählen verheiratete Eltern deshalb diese Steuerkombination bei deutlich unterschiedlichem Einkommen. Soweit die Regelung des § 38 b EStG die Eintragung von Kinderfreibeträgen nur bei Wahl einer Steuerklasse von I bis IV zulässt, nimmt der Steuergesetzgeber damit nicht dem Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse V die Möglichkeit, Kinderfreibeträge bei sich eintragen zu lassen, sondern trägt nur der wirtschaftlichen Vernunft Rechnung.
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Typischerweise ist daher bei der Wahl der Lohnsteuerklasse V durch einen verheirateten und kindesunterhaltspflichtigen Arbeitnehmer davon auszugehen, dass der Beitrag dieses Arbeitnehmers zum Familieneinkommen durch Erwerbstätigkeit geringer ist als der Beitrag des anderen Elternteils. Die Betriebspartner können deshalb typisierend davon ausgehen, dass die Auswirkungen der Betriebsänderung auf das Familieneinkommen deutlich geringer sind bei einem Elternteil mit der Lohnsteuerklasse V als bei einem Elternteil mit der Lohnsteuerklasse III. Diesen unterschiedlichen wirtschaftlichen Nachteilen wird durch die Grundabfindung, die nur durch die Faktoren Bruttomonatsgehalt und Betriebszugehörigkeit bestimmt wird, nicht Rechnung getragen.
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Handelt es sich um einen alleinerziehenden Arbeitnehmer und arbeitet er mit der Lohnsteuerklasse VI, gilt im Ergebnis nichts Anderes. Die Lohnsteuerklasse VI gilt bei Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen, für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn aus den weiteren Arbeitsverhältnissen nach § 38 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG. Die wirtschaftliche Vernunft gebietet dem alleinerziehenden Arbeitnehmer, die Lohnsteuerklasse VI für das Arbeitsverhältnis zu wählen, in dem er ein geringeres Bruttoeinkommen erzielt, nachdem in diesem Arbeitsverhältnis keine steuerlichen Freibeträge außer dem Altersentlastungsbetrag berücksichtigt werden. Soweit die Regelung des § 38 b EStG die Eintragung von Kinderfreibeträgen nur bei Wahl einer Steuerklasse von I bis IV zulässt, nimmt der Steuergesetzgeber damit nicht dem Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse VI die Möglichkeit, Kinderfreibeträge bei sich eintragen zu lassen, sondern trägt auch hier nur der wirtschaftlichen Vernunft Rechnung.
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Typischerweise ist deshalb bei der Wahl der Lohnsteuerklasse VI durch einen alleinerziehenden Arbeitnehmer davon auszugehen, dass es sich bei dem von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitsverhältnis nicht um die alleinige Quelle von Erwerbseinkommen handelt, sondern um eine weitere Quelle, die weniger ertragreich ist als die erste Quelle. Die Betriebspartner können deshalb typisierend davon ausgehen, dass die Auswirkungen der Betriebsänderung auf das Gesamteinkommen des alleinerziehenden Arbeitnehmers deutlich geringer sind als bei dem alleinerziehenden Arbeitnehmer mit der Steuerklasse I oder II. Dieser unterschiedlichen Betroffenheit des alleinerziehenden Arbeitnehmers wird durch die Grundabfindung, die nur durch die Faktoren Bruttomonatsgehalt und Betriebszugehörigkeit bestimmt wird, nicht Rechnung getragen.
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Der von den Betriebspartnern im Sozialplan getroffenen Regelung liegt die Einschätzung zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer, bei denen Kinder bei lohnsteuerrechtlichen Abzugsmerkmalen erfasst sind, schwerer wiegen als bei denjenigen Arbeitnehmern, deren Kinder dort nicht erfasst sind. Den zwischen den Betriebspartnern verhandelten Gesamtbetrag für den Zuschlag für Kinder haben sie dadurch stärker auf die unterhaltspflichtigen Arbeitnehmer konzentrieren können, die in besonderer Weise vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffen sind. Diese Einschätzung und Regelung bewegt sich innerhalb des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraumes der Betriebspartner.
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3. Es ist kein Verstoß der Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes gegen ein Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG ersichtlich.
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a.) Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor.
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(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nur vor bei Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Männer und Frauen gelten, BAG, Urteil vom 22.04.2010 - 6 AZR 966/08 -, Rn. 17, zitiert nach juris.
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(2) Hier knüpft die Formulierung der Ziffer II. 3. c. iii. des Interessenausgleiches und Sozialplanes an keines der verpönten Merkmale des § 1 AGG an, auch nicht an das Geschlecht. Es erfährt keine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt. Die Arbeitnehmerin wie auch der Arbeitnehmer erhalten keinen Zusatzbetrag für unterhaltsberechtigte Kinder, wenn diese bei den lohnsteuerrechtlichen Abzugsmerkmalen nicht erfasst sind.
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b.) Eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG ist nicht ersichtlich.
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(1) Nach der Rechtsprechung des BAG ist für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind, BAG, Urteil vom 16.10.2014 - 6 AZR 661/12 -, Rn. 44, zitiert nach juris.
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(2) Hier haben die Betriebspartner neben der Grundabfindung, die allen betroffenen Arbeitnehmern in Abhängigkeit von Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatseinkommen zukommt, nur Zuschläge für zwei Gruppen geregelt. Es handelt sich zum einen um die Gruppe der schwerbehinderten Arbeitnehmer und schwerbehinderten Arbeitnehmern gleichgestellte Arbeitnehmer. Zum anderen handelt es sich um die Gruppe der kindesunterhaltspflichtigen Arbeitnehmer, deren Kinder aus den lohnsteuerrechtlichen Abzugsmerkmalen ersichtlich sind. Die Beschränkung von Zuschlägen auf die Abfindung auf nur zwei Gruppen ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch die Abgrenzung der ersten Gruppe ist nicht zu beanstanden. Die Betriebspartner haben sich damit im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraumes gehalten. Dies ist auch zwischen den Parteien nicht streitig. Die Bildung der zweiten Gruppe ist nicht nach der familienrechtlichen Frage der Kindesunterhaltspflicht nach §§ 1601 ff BGB erfolgt, sondern nach der steuerrechtlichen Frage der Berücksichtigung der Kindesunterhaltspflicht bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen. Damit wurden die Arbeitnehmer von dem Zuschlag ausgeschlossen, die kindesunterhaltspflichtig sind, deren Kinder jedoch auf Grund ihrer eigenen Entscheidung nicht bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen berücksichtigt sind.
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Soweit die Klägerin darin eine mittelbare Benachteiligung der verheirateten Eltern gegenüber unverheirateten Eltern sieht, kann dahingestellt bleiben, ob diese Beurteilung überhaupt zutreffend ist. Der Familienstand zählt nicht zu den Benachteiligungsmerkmalen des § 1 AGG.
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Soweit die Klägerin darin eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes sieht, ist aus ihrem Vorbringen schon nicht erkennbar, dass die Arbeitnehmerinnen bei der Beklagten, die unterhaltsberechtigte Kinder ohne entsprechende Erfassung der Kinder in den Lohnsteuerabzugsmerkmalen haben, in besonderer Weise nachteilig betroffen sind wegen ihres Geschlechtes. Dies ist weder offenkundig noch statistisch belegt, weil nach den Feststellungen des statistischen Bundesamtes von 2017 bezogen auf die Gesamtheit der abhängig Beschäftigten im Land Frauen deutlich häufiger teilzeitbeschäftigt sind als Männer und Frauen im Niedriglohnsektor besonders stark vertreten sind. So gehört die Klägerin mit einem Stundenverdienst von 13,24 € brutto schon nicht zu den Beschäftigten im Niedriglohnsektor, der nach der Definition des Statistischen Bundesamtes 2014 bis 10,00 € brutto je Stunde ging und bis 2018 auch nicht über 13,00 € brutto je Stunde angestiegen ist. Die Klägerin hat auch keinen Sachvortrag geleistet, aus dem sich Indizien dafür ergeben, dass proportional in der Gruppe der vom Zuschlag für Kinder ausgeschlossenen Beschäftigten am Standort G… mehr Frauen sind als in der Gruppe der Beschäftigten, die zur Grundabfindung noch den Zuschlag für Kinder erhalten haben.
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4. Es ist kein Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG gegeben.
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Es ist schon kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot erkennbar.
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Die Berufung war daher zurückzuweisen.
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Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin nach § 91 Abs. 1 ZPO.
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Für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Der Entscheidung des Gerichtes liegen die einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze und im Übrigen die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zugrunde. Die Revision war daher nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.