Inhalt

AG Forchheim, Beschluss v. 06.03.2020 – 3 F 650/19
Titel:

Umgangsrecht - Voraussetzungen der Anordnung des Wechselmodells

Normenketten:
EMRK Art. 8
BGB § 1626 Abs. 3 S. 1, § 1684 Abs. 2, § 1696
Leitsätze:
1. Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat am 02.10.2015 einstimmig in der Resolution 2079/2015 alle Mitgliedstaaten dazu aufgefordert hat, die Doppelresidenz, also die gleichmäßige Betreuung von Trennungskindern durch beide Elternteile, als bevorzugt anzunehmendes Modell im Gesetz zu verankern.  (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Wechselmodell ist dann anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.  (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Umgangsrecht, Wechselmodell, Anordnung, Voraussetzungen, Europarat
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 18.06.2020 – 2 UF 90/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 28449

Tenor

1. In Abänderung der vor dem Amtsgericht Forchheim im Verfahren … getroffenen Vereinbarung der Beteiligten vom 18.07.2017 in Ziff. 3 a) bis c) wird der Regelumgang (außerhalb der bayerischen Schulferien) mit den Kindern A, geboren am …2011, B, geboren am …2013, und C, geboren am … 2015, wie folgt geregelt:
Die Antragstellerin ist berechtigt zum Umgang mit den gemeinsamen Kindern A, B und C jeweils alle 14 Tage in der Zeit von Montag nach Schulende/Mittagsbetreuungsende/Kindergartenende bis zum darauf folgenden Montag bis Schulbeginn/Kindergartenbeginn, beginnend mit dem 16.03.2020 nach Schulende/Mittagsbetreuungsende/Kindergartenende.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen und es verbleibt bei den Regelungen aus der getroffenen Vereinbarung vom 18.07.2017.
3. Für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Regelung des Umgangsrechts kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld in Höhe von jeweils bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, so kann das Gericht sofort Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Weiterhin kann das Gericht zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist, die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht oder eine alsbaldige Vollstreckung unbedingt geboten erscheint.
4. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
5. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern der Kinder A, geboren am …2011, B, geboren am …2013, und C, geboren am …2015. Seit Mitte August 2016 leben die Eltern getrennt voneinander, wobei die Trennung zunächst innerhalb der Ehewohnung erfolgte.
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Die Kindsmutter hat die gerichtliche Regelung des Umgangs mit den Kindern in Abänderung einer getroffenen Vereinbarung der Beteiligten aus dem Jahr 2017 beantragt.
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Im Verfahren …/16 des Amtsgerichts Forchheim wegen elterlicher Sorge haben die Beteiligten am 18.07.2017 folgende Vereinbarung getroffen:
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1. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Kinder A, B und C ihren gewöhnlichen Aufenthalt beim Kindsvater haben.
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2. Die Beteiligten sind sich einig, dass sie die elterliche Sorge für A, B und C gemeinsam ausüben.
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3. Der Umgang der Kindsmutter mit A, B und C regelt sich wie folgt:
a) alle 14 Tage von Freitag ab Kindergarten/Mittagsbetreuungsende (Ende der Buchungszeit) bis Sonntag, 17.00 Uhr, beginnend ab dem 21.07.2017.
b) sowie alle 14 Tage Dienstag und Donnerstag von Kindergarten/Schulende bis 18.00 Uhr, beginnend ab dem 25.07.2017.
c) sowie alle 14 Tage Dienstag ab Kindergarten/Schulende bis 18.00 Uhr, beginnend ab 18.07.2017.
d) die Ferien werden hälftig geteilt. Die konkreten Zeiten besprechen die Eltern miteinander. Der Ferienumgang geht dem Regelumgang vor. Der Turnus verschiebt sich hierdurch nicht.
e) in geraden Jahren verbringen die Kinder ihren Geburtstag bei der Kindsmutter, in ungeraden Jahren beim Kindsvater.
f) in ungeraden Jahren verbringen die Kinder den 24.12 .-25.12., 18.00 Uhr bei der Kindsmutter, in geraden Jahren vom 31.12., 14.00 Uhr bis 01.01., 14.00 Uhr bei der Kindsmutter.
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4. Die Kindseltern verpflichten sich, mediative Gespräche zu führen, vorgängig bei der Fa. Siemens. Sollte dies nicht möglich sein, so werden die Gespräche bei der C. F. geführt, wobei sich die Beteiligten einig sind, dass diese nicht von Frau W. oder Frau L. geführt werden.
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5. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
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Die Antragstellerin trägt vor, dass die bestehende Umgangsregelung der veränderten Lebenssituation der Kinder nicht mehr gerecht werde. Beide Elternteile lebten aktuell immer noch im selben Ort, wobei die gemeinsamen Kinder beide Haushalte der Eltern fußläufig ohne weiteres erreichen könnten. Bei der Beratung der C. F. sei durch die dortige Mediatorin angeregt worden, dass ein wechselseitiges Betreuungsmodell praktiziert werden könne. Auch das Jugendamt F. hätte beiden Elternteilen zum Wechselmodell geraten. Beide Stellen hätten betont, dass die Eltern über sehr gute Erziehungsfähigkeiten verfügen würden, beide auch das Kindeswohl, die effektive Betreuung und auch die Entwicklung der Kinder im Fokus hätten. Die Mediatorin hätte jedoch die Arbeit beendet, da sie nach eigenen Angaben bei den Beteiligten an ihre Grenzen angelangt sei.
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Seit Abschluss der ursprünglichen Umgangsvereinbarung hätten sich wesentliche Änderungen im Haushalt der Antragstellerin ergeben. Sie lebe in einem Haus, in der in der es allen Kindern möglich sei, über ein eigenes Zimmer zu verfügen. Nachdem sie in dieses Haus gezogen sei, sei es zunächst der Wunsch der Kinder gewesen, über ein großes Spielzimmer, ein separates Bastelzimmer und ein gemeinsames Schlafzimmer bei der Antragstellerin zu verfügen. Diese Raumaufteilung sei zwischenzeitlich von ihr in Abstimmung mit den Kindern aufgegeben worden, sodass nun jedes Kind über ein eigenes Zimmer sowie über ein eigenes gemeinsames Bad verfüge. Sämtliche Freunde wie auch sämtliche Freizeitaktivitäten könnten bei Einführung des Wechselmodells unverändert wahrgenommen werden. Aufgrund der lokalen Gegebenheiten sei es den Kindern noch möglich, flexibel zu bleiben und auch kurzfristig Dinge im anderen Haushalt zu holen. Auch sei sie beruflich sehr flexibel und hätte die Möglichkeit, in der Woche, in welcher die Kinder bei ihr wären, weniger zu arbeiten und die Zeiten in der darauffolgenden Woche auszugleichen. Gleiches gelte für ihren Lebensgefährten, der sie bei der Betreuung der Kinder auch unterstützen würde. Mit dem Wechselmodell wolle sie wieder an das frühere familiäre Leben anknüpfen. Bis zur Trennung sei der Antragsgegner der Hauptverdiener gewesen und die Verantwortung der Betreuung und Erziehung der Kinder im Wesentlichen bei ihr gelegen. Hieran wolle die Antragstellerin auch wieder anknüpfen und durch Einführung des paritätischen Wechselmodells den Kindern darlegen, dass die Betreuung und Erziehung der beteiligten Eltern gleichwertig sei. Unbestritten hätten alle Kinder zu beiden Elternteilen eine feste Bindung.
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Aktuell müssten die Kinder insgesamt ca. 16-mal im Monat von einem Elternhaushalt in den anderen wechseln, was eine erhebliche Belastung für alle Beteiligten darstelle. Auch der Antragsgegner befürworte eine Betreuung der Kinder durch die Antragstellerin. Er akzeptiere auch die Rolle der Antragstellerin, die sich effektiv um die Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Kinder kümmern würde. Eine außergerichtliche Einigung mit dem Antragsgegner sei allerdings nicht möglich gewesen, da dieser das Wechselmodell ablehne. Der Antragsgegner habe es auch abgelehnt, das Wechselmodell zunächst für eine Probezeit von einem Jahr umzusetzen.
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Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für ein Wechselmodell vorlägen. Zwar sei beim Antragsgegner eine eingeschränkte Bindungstoleranz gegenüber der Antragstellerin gegeben. Auch in der mündlichen Verhandlung habe sich gezeigt, dass der Antragsgegner Konflikte und Verletzungen auf der (gescheiterten) Paarebene auf die Elternebene übertrage. Er sehe die Antragstellerin einseitig in einem negativen Licht. Diese Sichtweise übertrage sich auch auf die gemeinsamen Kinder, was diese durchaus belaste. Allerdings sehe das Wechselmodell nicht vor, dass die Kommunikation der Eltern grundsätzlich komplikationslos verlaufen müsse. Entscheidend sei, dass bei beiden Elternteile Einigkeit in den Grundsätzen der Erziehung der Kinder bestehe, was hier der Fall sei. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial sei nicht ersichtlich. Die Beteiligten würden dem jeweils anderen Elternteil in der eigenen Gestaltung weitestgehend freie Hand lassen. Die Antragstellerin akzeptiere auch den Antragsgegner als wichtigen Elternteil im Leben der gemeinsamen Kinder. Nur durch das Wechselmodell könnten Konflikte durch häufige Wechsel vermieden bzw. verringert werden und alle Beteiligte würden hiervon profitieren.
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Der Antragsgegner ist diesem Antrag entgegengetreten. Er habe bei der Caritas einen Kompromissvorschlag zur Diskussion gestellt, um ein gerichtliches Verfahren und die damit einhergehenden Belastungen der Kinder zu vermeiden. Dieser hätte ein Umgangsrecht der Antragstellerin alle 14 Tage von Freitag ab Kindergarten-/bzw. Schulende bis Montag 8:00 Uhr sowie alle 14 Tage Mittwoch ab Kindergarten-/Schulende bis Donnerstag 18:00 Uhr vorgesehen. Dies sei von der Mediatorin zumindest probeweise befürwortet worden. Sein Kompromissvorschlag sei von der Antragstellerin abgelehnt worden. Der Wunsch der Kinder nach eigenen Zimmern bei der Antragstellerin sei erst aufgrund seines Einschreitens umgesetzt worden. Er lehne nicht insgesamt gleiche Betreuungszeiten ab, sondern nur für die Schulzeit. Die gemeinsamen Kinder würden ihm oft zu verstehen geben, dass sie unter verschiedenen Verhaltensweisen ihrer Mutter leiden. Ein erzwungenes Wechselmodell würde dazu beitragen, dass sich die Kinder nirgendwo mehr zu Hause fühlen könnten. Das Gefühl, ein zu Hause zu haben, würde zerstört werden. Dies sei auch schon bei der Trennung die Gefahr gewesen. Hier habe die Antragstellerin versucht, den Kontakt des Antragsgegners zu seinen Kindern zu erschweren und sie von ihm zu entfremden. Auch vor der Trennung habe sich der Antragsgegner bereits intensiv um die Kinder gekümmert. In Zeiträumen, in welchen die Antragstellerin für die Betreuung der Kinder zuständig gewesen sei, habe sie diese oft in Betreuungseinrichtungen oder zu ihrer Mutter abgeschoben. Außerdem sei die Antragsgegnerin in dieser Zeit oft überfordert gewesen.
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Beide Beteiligten hätten zudem völlig unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Kinderbetreuung. Die Antragstellerin gehe keinesfalls ausreichend auf die Bedürfnisse der Kinder ein, vielmehr stünden bei ihr die eigenen Belange immer wieder im Vordergrund. Zudem schilderte er noch mehrere Vorfälle der Kinder, woraus sich ergebe, wie sehr das Verhältnis der Antragstellerin mit den Kindern belastet sei. Die Beteiligten seien, wie auch das anhängige Gerichtsverfahren zeige, nicht in der Lage, bestehende Konflikte einzudämmen und sich hochmotiviert an den Bedürfnissen der Kinder zu orientieren. Zwischen den Beteiligten ist vielmehr auch weiterhin eine hohe elterliche Konfliktbelastung vorhanden. Es würden Defizite der Kindesmutter bei der Hausaufgabenbetreuung bestehen. Nach den Umgangskontakten müsse er häufig die Hausaufgaben kontrollieren und Versäumnisse kurzfristig nachholen, um den Kindern möglichst negativ Erlebnisse in der Schule zu ersparen. Auch er habe sehr flexible Arbeitszeiten und es funktioniere sehr gut. Gleiches gelte für seine Lebensgefährtin, welche ihn gut unterstütze.
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Er ist daneben der Meinung, dass auch die rechtlichen Voraussetzungen einer Abänderung nicht gegeben seien. § 1696 BGB verlange vor allem triftige Gründe für eine Abänderung. Zudem müsse das Interesse des Kindes an der Änderung im Einzelfall gegenüber dem Kontinuitätsinteresse, welches in der Regel großes Gewicht habe, deutlich überwiegen. Es fände also keine offene Neuabwägung der Kindesinteressen mit dem Ziel statt, die für das Kind beste Lösung zu ermitteln. Im Übrigen würden die sich beim Wechselmodell ergebenden längeren Aufenthaltszeiten eines Kindes beim Umgangsberechtigten im Schulalltag höhere Anforderungen an die Eltern stellen als ein Umgang, der lediglich in der Freizeit bzw. im Rahmen einer gelegentlichen Hausaufgabenbetreuung und Lernwiederholung stattfinde. Ist die Elternbeziehung darüber hinaus konfliktbelastet, bestehe zudem das Risiko, dass der gleichmäßige Kontakt des Kindes zu beiden Eltern zu einer dauernden Einbeziehung des Kindes in den elterlichen Konflikt führe. Die bereits bestehende erweiterte Umgangsregelung habe in den letzten Monaten bereits zu einer verstärkten Belastung der Kinder geführt. Von Seiten der Antragstellerin bzw. deren Familie werde auch unzulässigerweise versucht, Druck auf die Kinder auszuüben. Auch die weiteren Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an ein Wechselmodell stelle, seien nicht gegeben. Insbesondere habe auch die Anhörung der Kinder durch das Gericht ergeben, dass diese ihre Besuche bei der Mutter nicht ausweiten möchten. Da die Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin hierzu in völligem Widerspruch stünden, könnten die beiden Stellungnahmen schon von daher nicht eine verlässliche Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung sein. Es bestünden auch Zweifel an der Neutralität der Mitarbeiterin des Jugendamtes. Gleiche Erwägungen würden für die Stellungnahme der Verfahrensbeiständin gelten.
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Für die Ferien bestünde im Übrigen überhaupt kein Abänderungsbedarf. Für die Sommerferien hätten die Beteiligten bereits eine konkrete Umgangsregelung getroffen. Die Antragstellerin werde die Kinder in den ersten beiden sowie in der vierten Ferienwoche zu sich nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Regelung für die Sommerferien 2020 habe der Antragsgegner bereits länger Urlaub geplant und auch gebucht. Außerdem habe er bereits eine größere Familienfeier geplant. Im Übrigen werde ab dem Jahr 2021 die etablierte Sommerferienregelung fortgesetzt.
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Im o.g. Verfahren …/16 wegen elterlicher Sorge wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige Dr. C1. Z. gab hierbei in seinem Gutachten vom 12.06.2017 dem Residenzmodell den Vorzug. Er stellte zum einen zwar fest, dass der Wunsch der Kinder nach mehr Kontakt zur Mutter gegeben sei. Allerdings würde die Einführung eines Wechselmodells zum damaligen Zeitpunkt von allen Beteiligten Anpassungsleistungen erfordern und stellten somit ein Risiko dar, auch wenn eine Reihe günstiger Faktoren bestünden, die für die Durchführung eines Wechselmodells sprächen. Dazu gehörten die Nähe der elterlichen Wohnhäuser, der Wunsch der Kinder nach engerem Kontakt zu Mutter und die Tatsache, dass es den Eltern derzeit weitgehend gelinge, zum Wohle der Kinder zusammenzuarbeiten. Andererseits sei die klare Ablehnung des Vaters problematisch. Zudem seien die Kinder zu dieser Zeit angespannt und belastet gewesen. Gleichzeitig führte er ihr hier jedoch aus, dass die Gefahr, dass die Kinder dies im Kontext der ohnehin zu bewältigenden emotionalen Belastung überfordere, als eher gering eingeschätzt werde, es jedoch ein Restrisiko verbleibe. Die Durchführung eines Wechselmodells erhöhe das Ausmaß notwendiger Absprachen zwischen den Eltern im Vergleich zur vorherigen Situation, womit ein höheres Risiko für das Wiederaufflammen von Konflikten einhergehe. Zudem sei C noch zu jung für wöchentliche Wechsel und das Wechselmodell daher zu diesem Zeitpunkt nicht zu befürworten. Die wesentlichen Erwägungen des Sachverständigen wurden auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Der Antragstellervertreter führte hierzu ergänzend aus, dass die Feststellungen des Sachverständigen zur damaligen Zeit nicht in Abrede gestellt würden. Allerdings hätten sich die Voraussetzungen seitdem erheblich geändert, insbesondere auch im Hinblick auf das höhere Alter der drei Kinder. Die seit dem Jahr 2017 durchgeführte Mediation habe zudem dazu geführt, dass die Kooperationsfähigkeit beider Elternteile deutlich gefördert wurde. C sei zur damaligen Zeit noch zu klein gewesen, um ein Wechselmodell durchzuführen. Daher habe auch das weitere Problem bestanden, dass die Kinder nicht getrennt werden sollten, weshalb die Vereinbarung zum damaligen Zeitpunkt auch sinnvoll gewesen sei. Aufgrund der seitdem verstrichenen Zeit und der Entwicklung der Kinder seien die vom Sachverständigen damals aufgestellten Kriterien mittlerweile erfüllt.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 06.12.2019 für die drei Kinder eine Verfahrensbeiständin bestellt (Bl. 8 f. d. A.). Die Verfahrensbeiständin gab sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch anschließend in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 03.02.2020 an, dass das Wechselmodell mit jeweils wöchentlichen Aufenthalten der Kinder im Haushalt des Vaters und wöchentlichen Aufenthalten im Haushalt der Mutter dem Kindeswohl am besten entspräche, wobei sie sich auch den Ausführungen im Jugendamtsbericht anschloss. Insbesondere im Gespräch mit ihr hätten sowohl A als auch B angegeben, dass sie zu gleichen Teilen bei Mama und Papa leben möchten. Zudem seien die Rahmenbedingungen für das Wechselmodell ideal. Auch die Elternteile würden jeweils davon profitieren und könnten ihre neuen Partnerschaften damit unabhängig von den Kindern leben. Insbesondere der derzeitige häufige Wechsel zwischen den Elternteilen verhindere, dass die Kinder zur Ruhe kämen, weshalb sie die derzeitige Umgangsregelung für dringend veränderungsbedürftig ansehe. Auch im Hinblick auf das Alter von C sei ein guter Zeitpunkt für die Umsetzung gegeben. Mit dem Wechselmodell seien alle Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung der Kinder gegeben.
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Das Amt für Jugend, Familie und Senioren F. äußerte sich im Anhörungstermin und gab ebenfalls eine schriftliche Stellungnahme ab. Die zuständige Sachbearbeiterin Frau S. hatte zeitnah nach Antragseingang bei Gericht sowohl bei der Antragstellerin als auch beim Antragsgegner einen Hausbesuch durchgeführt. Im Rahmen der beiden Hausbesuche fanden auch Gespräche mit allen drei Kindern statt. Die Eltern sind dem Jugendamt schon seit mehreren Jahren bekannt und befinden sich seither phasenweise in Beratung beim Jugendamt. Beim Hausbesuch bei der Antragstellerin sei unter anderem festgestellt worden, dass jedes Kind sein eigenes Kinderzimmer habe. Alle Kinder berichteten, dass sie sich in ihrem Kinderzimmer wohlfühlen. Die Kinder wirkten im Haushalt der Mutter laut Frau S. unbefangen, offen und fröhlich. Sie hätten den Kontakt zur Mutter gesucht und es konnte eine gute Bindung von allen drei Kindern zu Mutter beobachtet werden. Die Antragstellerin sei während des Hausbesuches liebevoll und angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, bei einem Wechselmodell in der Woche, in der die Kinder bei ihr wären, in Teilzeit zu arbeiten und in den Wochen ohne Kinder die Stunden aufzuholen. Arzttermine und Schulveranstaltungen seien bisher von beiden Elternteilen grundsätzlich gemeinsam wahrgenommen worden.
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Der positive Eindruck bestehe gleichfalls auch beim Antragsgegner. Auch hier konnte beobachtet werden, dass die Kinder zum Vater eine gute Bindung hätten. Der Antragsgegner meistere die Versorgung und Erziehung der Kinder gut und sei hierbei auch an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Erwähnenswert sei, dass der Antragsgegner seit der Trennung ein Tagebuch führe, in welches er notiere, was die Antragstellerin aus seiner Sicht falsch mache.
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A habe gegenüber Frau S. angegeben, dass die derzeitige Umgangsregelung für sie passen würde. Auch sei sie mit dem Gegenvorschlag ihres Vaters einverstanden. Das Wechselmodell wolle sie nicht, weil sie die Hausaufgaben lieber bei ihrem Vater mache, da er ihr dies besser erklären könne. Zudem habe A Sorgen, dass sie etwas beim Vater vergessen könne, wenn sie bei der Mutter wäre und sie dann ihren Vater anrufen müsse. Wenn sie mit ihrem Vater telefoniere, während sie bei ihrer Mutter sei, sage er ihr teils, wie traurig er sei, wenn sie nicht da sei. Gleichzeitig habe A angegeben, dass sie sich mehr Zeit mit ihrer Mutter wünsche. Frau S. kommt aufgrund der Aussagen von A zu dem Ergebnis, dass diese das Bedürfnis nach einer engeren Bindung zu ihrer Mutter habe. Sie habe aktuell das Gefühl, zu kurz zu kommen, was für eine Ausweitung des Umgangs spreche. A befinde sich in einem Loyalitätskonflikt und bekomme ein schlechtes Gewissen, bei ihrer Mutter zu sein. Dies sei auch durch die Aussagen des Antragsgegners veranlasst. A sei beim Antragsgegner insgesamt zurückhaltender gewesen. Sie habe mehr darauf geachtet, was sie sage, wohingegen sie bei der Antragstellerin ungezwungener gewesen sei.
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Auch B habe ihr gegenüber angegeben, sich mehr Zeit mit ihrer Mutter zu wünschen. Der Antragsgegner hätte ihr jedoch gesagt, sie dürfe nicht mehr Zeit mit ihrer Mutter verbringen. Es gefalle ihr bei ihrer Mutter genauso gut wie bei ihrem Vater. B berichtete, dass dies ihr Geheimnis sei, der Papa wisse das nicht. Sie betonte auch mehrmals, dass sie alle gleich gern möge. Bei ihr sei die Zerrissenheit zwischen den Elternteilen am deutlichsten.
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C gefalle es nach eigenem Bekunden bei ihrem Vater besser, dort habe sie das schönere Hochbett. Sie findet es aber auch schön, bei ihrer Mutter zu sein. Sie wünsche sich insbesondere, dass ihre Eltern netter zueinander seien.
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Abschließend gab das Jugendamt an, die Familie schon seit Jahren zu kennen. Die Antragstellerin sei während dieser Zeit als engagiert und kooperativ einzuschätzen. Sie sei immer daran interessiert gewesen, gute Lösungen zu finden und eine gemeinsame Elternebene zugunsten der gemeinsamen Töchter herzustellen. Beim Antragsgegner sei das Problem, dass er Informationen über die Mutter, die er beispielsweise durch die Kinder erhalte, ungefiltert aufnehme und ihnen uneingeschränkt Glauben schenke, anstatt das Gespräch mit der Antragstellerin zu suchen. Er verliere die Bedürfnisse der Kinder aus den Augen, sobald es um die Kindesmutter gehe. Er sehe sie insbesondere in einem einseitigen, negativen Licht. Die Konflikte und Verletzungen auf der gescheiterten Paarebene übertrage er auf die Elternebene, wodurch die Kinder belastet würden. Es falle ihm schwer, die notwendige Bindungstoleranz aufzubringen, was unter anderem daran deutlich werde, dass er den Umgang der Kinder zur Kindesmutter am liebsten verkürzen möchte. Aktuell gebe es viele Wechsel zwischen den elterlichen Haushalten für die Kinder. Durch die Wechsel und den Elternkonflikt, den die Kinder unweigerlich mitbekämen, gelangten die Kinder mehrmals pro Woche in Situationen, die sie aufgrund ihres Loyalitätskonflikt als belastend erlebten. Durch die Einführung eines wöchentlichen Wechselmodells könnten die Kinder zur Ruhe kommen, da es dadurch weniger Wechsel gäbe. Die räumliche Nähe, die Voraussetzung für ein Wechselmodell ist, sei gegeben. Alle Kinder seien mittlerweile auch alt genug für die Durchführung eines wöchentlichen Wechselmodells. Die Beziehung zur Mutter auszuweiten, sei insbesondere im Interesse des Kindeswohls. Die Befürchtungen des Kindsvaters, die Kindesmutter könne mit der Betreuung der Kinder überfordert sein, konnten durch die bisherigen Erkenntnisse nicht bestätigt werden. Langzeitstudien, die zum Wechselmodell durchgeführt wurden, zeigten, dass die Durchführung des Wechselmodells auch bei nicht gut kooperierenden Eltern gelingen könne. Es sei nachgewiesen worden, dass Eltern, die ihre Kinder im Wechselmodell betreuen, bessere Kooperationsformen entwickeln als Eltern, die das Residenzmodell praktizieren. Das Betreuungsmodell sei für die Kooperations- und Kommunikationserfordernisse nicht relevant. Auch im Residenzmodell müssten Eltern miteinander kommunizieren, beim Wechselmodell erforderte es ihrer Ansicht nach keine vermehrte oder bessere Kommunikation zwischen den Eltern. Darüber hinaus dürften Kommunikations- und Kooperationsverweigerung eines Elternteils kein Grund dafür sein, dass die Kinder eine Einschränkung in der Bindung zum anderen Elternteil hinnehmen müssten. Mehr Zeit mit einem Elternteil erhöhe die Eltern-Kind-Bindung, wodurch die Belastung durch elterliche Konflikte kompensiert werde. Die Wechsel sollten laut Jugendamt zunächst von Montag nach der Schule bis Montag vor der Schule stattfinden, um Aufeinandertreffen der Eltern vor den Kindern noch gering zu halten. Zudem werde empfohlen, ein Umgangsbuch einzuführen, welches bei den Übergaben mit den Kindern ausgetauscht werde und über das vorerst kommuniziert werden sollte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens werde nicht für erforderlich angesehen aufgrund der klaren Sachlage.
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Insoweit wird ergänzend auf die schriftliche Stellungnahme vom 10.02.2020 und den Sitzungsvermerk vom 29.01.2020 verwiesen.
26
Das Gericht hat zudem die drei Kinder zusammen mit der Verfahrensbeiständin am 29.01.2020 in den Räumlichkeiten des Amtsgerichts persönlich angehört. Diesbezüglich wird auf den Anhörungsvermerk vom 29.01.2020 verwiesen.
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Daneben hat es in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2020 die Antragstellerin und den Antragsgegner mündlich angehört und sie über das Ergebnis der vorherigen Kindsanhörung informiert.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Angaben der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift bzw. den Anhörungsvermerk vom 29.01.2020 Bezug genommen. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen auf alle von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die sonstigen Aktenteile.
II.
29
Das Amtsgericht Forchheim ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren zuständig.
30
Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts Forchheim folgt aus §§ 23 a Nr. 1 GVG, 111 Nr. 2, 151 Nr. 2 FamFG, die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 152 Abs. 2 FamFG.
III.
31
Dem Antrag der Antragstellerin zur Einführung des Wechselmodells außerhalb der Ferienzeiten unter Abänderung der bisherigen Vereinbarung war stattzugeben, da zu erwarten ist, dass dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Insbesondere sind auch die höheren Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt.
32
1. Die Vor- und Nachteile eines Wechselmodells sind sowohl in der Sozial- als auch der Rechtswissenschaft umstritten.
33
a) Die bisherige Befundlage zum Wechselmodell ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig zu interpretieren, zumal inländische Studien weitgehend fehlen und nicht hinreichend differenziert wird zwischen einvernehmlicher und gerichtlich angeordneter Praktizierung des Wechselmodells. Einigkeit besteht insoweit, dass die Wahl eines bestimmten Betreuungsmodells in Bezug auf das Kindeswohl nicht pauschal bestimmt werden kann und eine hälftige Aufteilung der Betreuung für das Kind C2. und Risiken mit sich bringt (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 255, unter Verweis auf Kindler/Walper NZFam 2016, 821, 824; Salzgeber NZFam 2014, 921, 923 ff.).
34
Als wesentliche Kriterien für die Kindeswohldienlichkeit eines Wechselmodells werden im Übrigen eine gesteigerte kooperative und konfliktarme Ausübung der Elternschaft, bereits bestehende Bindungen zu beiden Elternteilen, flexible Arbeitszeiten oder Möglichkeiten der Fremdbetreuung, nah entfernte Wohnorte der Eltern, Berücksichtigung des Kindeswillens, eine kindgerechte Unterbringung in beiden Haushalten, eine hinreichende Anpassungsfähigkeit des Kindes und bereits vorhandene Erfahrung in der Betreuung des Kindes aus der Zeit vor der Trennung genannt (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 255, unter Verweis auf Salzgeber NZFam 2014, 921, 928; Salzgeber/Bublath NZFam 2016, 837, 840 f; Kostka Streit 2014, 147; Rohmann FPR 2013, 307, 310 f).
35
Bei Säuglingen und Kleinkindern (unter 3-4 Jahren) geht die überwiegende Auffassung dahin, ein Wechselmodell nicht zu empfehlen, da häufig wechselnde Übernachtungsorte die Gefahr von Verhaltensauffälligkeiten und zur Entwicklung einer Bindungsunsicherheit gegenüber der Hauptbezugsperson (i. d. R. die Mutter) begründen (Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 255 m.w.N.).
36
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass aus Kindessicht grds. nicht die Quantität der Kontakte zum anderen Elternteil im Vordergrund steht, sondern dessen Qualität bzw Intensität des Umgangs entscheidend ist, damit eine stabile Bindung hergestellt bzw. aufrechterhalten werden kann (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 255 m.w.N.).
37
Als mögliche Gefahren des Wechselmodells, auch bei größeren Kindern, bestehen v.a. Loyalitäts- und Ambivalenzkonflikte des Kindes (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 255).
38
Schließlich verlangt ein Wechselmodell auch eine gewisses Maß an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beider Eltern, da für das Kind M. infolge der Notwendigkeit der doppelten Anschaffung vieler Sachen des Kindes (Kleidung, Fahrrad, Spielsachen, Computer etc.) und der insgesamt durch zwei vollwertige Kinderzimmer erhöhten Wohnkosten entstehen. Begünstigend wirkt sich für ein Wechselmodell auch der Umstand aus, wenn ein Kind unter der Woche ganztags fremdbetreut wird, da dann die vom Kind verlangten Anpassungsleistungen reduziert werden (Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 256 m.w.N.).
39
Im Übrigen kommt das Wechselmodell nach den vorhandenen Befunden am ehesten bei Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren in Betracht (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 257 mit Verweis auf Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten [6. Aufl 2015] Rn 508; Schmid NZFam 2016, 818, 819).
40
b) Rechtlich ist vorab anzumerken, dass die parlamentarische Versammlung des Europarates am 2.10.2015 einstimmig in der Resolution 2079/2015 alle Mitgliedstaaten dazu aufgefordert hat, die Doppelresidenz (Wechselmodell), also die gleichmäßige Betreuung von Trennungskindern durch beide Elternteile, als bevorzugt anzunehmendes Modell im Gesetz zu verankern. Die Parlamentarische Versammlung wolle konsequent die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und im Privatbereich fördern. Auch innerhalb der Familie müsse bereits ab der Geburt des Kindes die Gleichstellung von Eltern gewährleistet und gefördert werden. Die Beteiligung beider Eltern in ihrer Erziehung des Kindes sei von Vorteil für dessen Entwicklung und die Rolle der Väter gegenüber ihren Kindern, ebenso kleinen Kindern, müsse besser anerkannt und angemessener bewertet werden. Zur Realisierung dieses Ziels seien die Mitgliedsstaaten im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu verpflichten, in ihre Gesetze den Grundsatz der Doppelresidenz (Wechselmodell) nach einer Trennung einzuführen und Ausnahmen ausschließlich auf Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder häuslicher Gewalt zu beschränken (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 259 m.w.N.). Eine Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber ist bis dato jedoch noch nicht erfolgt, auch weil Bedenken bestehen, dass hierbei eine Orientierung zu sehr an den Eltern und nicht am Kindeswohl erfolgt und auch der Einzelfall aus dem Blickfeld gerät.
41
Eine gesetzliche Vorgabe, in welchem Umfang ein Umgang maximal angeordnet werden darf bzw. minimal soll, enthält das Gesetz damit (noch) nicht. Grundsätzlich kann das Gericht die Umgangszeiten beider Eltern demnach - wie vorliegend von der Antragstellerin beantragt - bis hin zu einer hälftigen Betreuung der Kinder regeln (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01. März 2019 - 7 UF 226/18 -, Rn. 34, juris, unter Verweis auf BGH FamRZ 2017, 532).
42
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob die Anordnung des Wechselmodells geboten sein kann, unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der BGH in Sorgerechtsfragen bislang die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Gleiches gilt auch für Regelungen zum Umgangsrecht und mithin hier für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells. Ähnlich wie bei der gemeinsamen Sorge als paritätischer Wahrnehmung des Elternrechts setzt die Kindeswohldienlichkeit des paritätischen Wechselmodells als hälftig geteilter Ausübung der gemeinsamen Sorge auch die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraus. Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Konsens besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. Das ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass der Wille des Elternteils und das Kindeswohl nicht notwendig übereinstimmen und es auch nicht in der Entscheidungsbefugnis eines Elternteils liegt, ob eine dem Kindeswohl entsprechende gerichtliche Anordnung ergehen kann oder nicht. Würde der entgegengesetzte Wille eines Elternteils gleichsam als Vetorecht stets ausschlaggebend sein, so würde der Elternwille ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende jeweilige Motivation des Elternteils in sachwidriger Weise über das Kindeswohl gestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 20 - 21, juris).
43
Das Wechselmodell ist danach dann anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 22, juris).
44
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört (vgl. § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB). Mit der Vorschrift ist allerdings noch keine quantitative Festlegung einer zu treffenden Umgangsregelung verbunden. Eine solche muss vielmehr im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entsprechen. Bei § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB handelt es sich um die gesetzliche Klarstellung eines einzelnen - wenn auch gewichtigen - Kindeswohlaspekts (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 23, juris). Dass dadurch die Bedeutung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen unterstrichen wird, verleiht diesem Gesichtspunkt aber noch keinen generellen Vorrang gegenüber anderen Kindeswohlkriterien. Beim Wechselmodell kommt hinzu, dass dieses gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Auf Seiten des Kindes wird ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Hierfür kann gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2019 - 16 UF 4/19 -, Rn. 33, juris).
45
Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Bei Kindern im Jugendalter verringert sich ohnedies die gemeinsame Zeit von Eltern und Kind, weil die Kinder ihren Aktionsradius erweitern und für sie die mit Gleichaltrigen verbrachte Zeit bedeutsamer wird. Zwischen den Eltern ergibt sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was geeignete äußere Rahmenbedingungen, so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen, aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 23 - 24, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2019 - 16 UF 4/19 -, Rn. 34, juris).
46
Beide Eltern sollten hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und erkannt haben, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf. Ist das Verhältnis der Eltern hingegen erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes (OLG Bamberg, Beschluss vom 18. September 2017 - 2 UF 133/17 -, Rn. 32, juris, unter Hinweis auf BGH vom 01.02.2017, Az. XII ZB 601/15). Denn das Kind wird dann durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten „Koalitionsdruck“ in Loyalitätskonflikte. Zugleich wird es den Eltern aufgrund ihres fortwährenden Streits oft nicht möglich sein, die für die Erziehung des Kindes nötige Kontinuität und Verlässlichkeit zu schaffen. Eine hälftige Betreuung kommt hier grds. nicht in Betracht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01. März 2019 - 7 UF 226/18 -, Rn. 40, juris).
47
Die Anordnung des Wechselmodells ist auch ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern erst durch die Anordnung des Wechselmodells zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 24, juris). Es widerspricht damit dem Wohl des Kindes, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, die fehlende Kommunikations- und Kooperationsbasis erst herzustellen (OLG Bamberg, Beschluss vom 18. September 2017 - 2 UF 133/17 -, Rn. 32, juris, unter Hinweis auf BGH vom 01.02.2017, Az. XII ZB 601/15).
48
Daneben wird vertreten, dass die erstmalige Begründung eines bisher noch nicht praktizierten (echten) Wechselmodells durch gerichtliche Anordnung auch unter Zugrundelegung der vom BGH entwickelten Grundsätze nur in Ausnahmefällen in Betracht komme, insbesondere in Fällen, in denen der umgangsberechtigte Elternteil bereits über ein erweitertes Umgangsrecht verfüge (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 258 unter Hinweis auf OLG Stuttgart 23.8.2017 - 18 UF 104/17, juris Rn 36 ff, ZKJ 2018, 17; OLG Frankfurt 12.4.2013 - 5 UF 55/12, juris Rn 8, FamFR 2013, 500).
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2. Daneben war zu beachten, dass vorliegend aufgrund der bereits bestehenden Vereinbarung erhöhte Anforderungen an die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells bestehen.
50
Da gerichtliche Umgangsregelungen und gerichtlich gebilligte Vergleiche nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, müssen sie bei nachträglicher Änderung der ihnen zugrunde liegenden Umstände abänderbar sein (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 557). In verfahrensrechtlicher Hinsicht regelt dies als speziellere Norm zu § 48 FamFG die Bestimmung von § 166 FamFG. § 166 Abs. 1 FamFG verweist insoweit hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen auf § 1696 BGB. Nach dessen Abs. 1 bedarf es für die Abänderung einer bestehenden gerichtlichen Umgangsregelung triftiger, das Kindeswohl nachhaltig berührender Gründe. Maßstab ist insoweit das Kindeswohl und nicht die Geschäftsgrundlage einer Regelung oder Elternvereinbarung iSd § 313 BGB (OLG Koblenz 2.8.2017 - 13 UF 313/17, FamRB 2018, 143). Die hierfür vorliegenden Gründe müssen von solcher Bedeutung sein, dass die mit der Veränderung einer bestehenden Umgangsregelung verbundenen Vor- bzw Nachteile für das Kindeswohl das Bedürfnis der Kontinuität der bestehenden Regelung deutlich überwiegen (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 557). Dem Gericht kommt dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Bei der Abänderung einer Umgangsregelung wie hier sind die Anforderungen für eine Abänderung allerdings niedriger als bei der Abänderung einer Sorgeentscheidung (vgl. MüKoBGB/Lugani, 8. Aufl. 2020, BGB § 1696 Rn. 24)
51
Diskutiert wird, dass ein triftiger, das Wohl des Kindes bzw. der Kinder nachhaltig berührender Grund alleine darin liegen könnte, dass nunmehr, d. h. nach der jüngsten Entwicklung in Forschung und Lehre sowie in der Rechtsprechung, die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Umgangsregelung angezeigt sei (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 1 UF 74/18 -, Rn. 44, juris).
52
Nachdem es allerdings nach dem aktuellen Forschungsstand und de lege lata keine generell, losgelöst vom betroffenen Kind bzw. von den betroffenen Kindern zu bevorzugende Betreuungsregelung gibt (s.o.), hat sich die Entscheidung darüber, ob ein Umgangsmodell im Sinne einer paritätischen Aufteilung der Betreuungszeiten beim Vater und bei der Mutter hier dem Wohl des betroffenen Kindes bzw. der betroffenen Kinder am besten entspricht, an den maßgeblichen allgemeinen Kindeswohlkriterien zu orientieren (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 1 UF 74/18 -, Rn. 45, juris). Damit sind vorliegend die höheren Voraussetzungen des § 1696 BGB nicht bereits durch die generellen Änderungen zum Wechselmodell in Forschung und Rechtsprechung seit Abschluss der hier abzuändernden Vereinbarung aus dem Jahr 2017 gegeben.
53
3. Das Gericht ist unter Abwägung aller Kindeswohlkriterien davon überzeugt, dass trotz des entgegenstehenden Willens des Kindsvaters die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells dergestalt, dass sich A, B und C außerhalb der Schulferien im wöchentlichen Wechsel bei ihrem Vater und anschließend bei ihrer Mutter aufhalten, unter Berücksichtigung der o. g. Kriterien dem Kindeswohl am besten entspricht. Es bestehen insbesondere auch triftige, das Wohl der Kinder nachhaltig berührende Gründe für die Abänderung der bisherigen Vereinbarung.
54
a) Kindswille und Bindungen der Kinder aa) Der Kindeswille ist im familiengerichtlichen Verfahren festzustellen und ab vollendetem drittem Lebensjahr das Kind regelmäßig persönlich anzuhören (BGH v. 31.10.2018 - XII ZB 411/18, FamRZ 2019, 115 = FamRB 2019, 12). Eine Entscheidung, die sich über den ausdrücklich erklärten Kindswillen hinwegsetzt, birgt dabei die Gefahr einer zusätzlichen Belastung der Kinder im Sinn des Erlebens einer Selbstunwirksamkeit. Eine Schwächung der Selbstwirksamkeit wiederum hat regelmäßig negative Auswirkungen auf die psychische Entwicklung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01. März 2019 - 7 UF 226/18 -, Rn. 65, juris).
55
Da familiengerichtliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf das künftige Leben eines Kindes nehmen und es damit unmittelbar betroffen wird, ist das Kind bei jeder Entscheidung eines Familiengerichts in seiner Individualität und mit seinem Willen einzubeziehen (BVerfG FamRZ 2008, 1737, 1738; KG FamRZ 2004, 483). Dieser Gesichtspunkt gewinnt mit zunehmendem Alter und zunehmender Einsichtsfähigkeit des Kindes an Bedeutung, denn nur so kann sich das Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person entwickeln (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 1 UF 74/18 -, Rn. 45, juris)
56
Dabei hat ein nachdrücklicher und beständig geäußerter Kindeswille in der Regel ein höheres Gewicht als ein schwankender, unentschlossener Wille. Zu den Mindestanforderungen an den Kindeswillen gehören die Zielorientierung, die Intensität, die Stabilität und die Autonomie des Willens und seiner Bekundung. Dabei bedeutet das Erfordernis der Autonomie, dass der Wille des Kindes Ausdruck der individuellen, selbst initiierten Bestrebungen und somit quasi ein Baustein zur Selbstwerdung des Kindes, zur Bestätigung seines Subjektseins und Beweis sein soll für die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen des Kindes, wobei dies nicht ausschließt, dass auch Fremdeinflüsse an der Formierung des Willens beteiligt waren. Waren Fremdeinflüsse an der Formierung des Willens beteiligt, so kann der Wille dann nicht als Akt der Selbstbestimmung respektiert werden, wenn sich der Kindeswille nur als projizierter Elternwille, also eigentlich als Ausdruck von Fremdbestimmung darstellt. Schließlich kann auch der Kindeswille allein deshalb zu beachten sein, weil er sich jedenfalls als eine zu respektierende, psychische Lebenswirklichkeit darstellt. Ist der Kindeswille eher weniger Ausdruck bewusster Selbstbestimmung, jedoch auf Grund einer solchen psychischen Lebenswirklichkeit zu beachten, so kann er, zumal bei jüngeren Kindern, im Verhältnis zu den übrigen Kindeswohlkriterien im Einzelfall weniger stark gewichtet werden, zumal im Rahmen der Prüfung von Abänderungsvoraussetzungen gemäß § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2018 - 1 UF 74/18 -, Rn. 45, juris).
57
Der subjektiv geäußerte Kindeswillen muss sich zudem stets am objektiven Kindeswohl messen lassen (KG v. 1.7.2005 - 13 UF 199/04, FamRZ 2005, 1768). Dem Gericht obliegt daher die Prüfung, ob der geäußerte Wille stabil ist und objektiv mit dem Kindeswohl in Einklang steht (BVerfG v. 22.09.2014 - 1 BvR 2102/14, FamRZ 2015, 210 = FamRB 2015, 248).
58
bb) Vorliegend war zu beachten, dass sich A in der gerichtlichen Anhörung gegen das Wechselmodell ausgesprochen hatte. Sie begründete dies insbesondere wegen der Hausaufgaben, da ihr der Antragsgegner hier besser helfen könne als die Antragstellerin.
59
Bei B war dies schon differenzierter. Insbesondere wäre es aus ihrer Sicht auch in Ordnung, wenn der Umgang ausgeweitet werde. Bei C war aufgrund ihres Alters kein klarer Wille festzustellen. Selbst A äußerte aber in der gerichtlichen Anordnung, dass sie auch gerne unter der Woche bei ihrer Mutter schlafen würde. Dass der Antragsgegner weiterhin vorträgt, er könne sich nicht vorstellen, dass die Kinder den Wunsch geäußert hätten, auch von der Antragstellerin in die Schule gebracht zu werden, verwundert daher. Auch gab A an, die (derzeit nötigen) vielen Wechsel zwischen den Haushalten für schwierig zu halten.
60
Demgegenüber hat vor allem die Vertreterin des Jugendamtes angegeben, dass die Kinder, insbesondere A, den Wunsch geäußert hätten, mehr Zeit mit der Mama verbringen zu können. A habe deutlich vermittelt, dass sie auch mehr Zeit alleine mit ihrer Mutter verbringen möchte, insbesondere da diese aus ihrer Sicht derzeit C als Lieblingskind habe. Zu beachten war auch, dass A gegenüber Frau S., neben der Hausaufgabenproblematik, die Ablehnung des Wechselmodells v. a. damit begründete, dass ihr der Antragsgegner in Telefonaten gegenüber äußere, dass er sehr traurig sei, dass sie nicht bei ihm sei. Solche Situationen will sie offensichtlich (verständlicherweise) vermeiden. Der Antragsgegner hat diesbezüglich auch in der Anhörung kein Problembewusstsein gezeigt, insbesondere welche Belastung ein solches Verhalten für seine Tochter darstellt.
61
Frau S. stellt auch klar, dass sie auch bei B eine Zerrissenheit bzw. einen entsprechenden Loyalitätskonflikt feststellen konnte. B habe ihr ebenfalls gegenüber den Wunsch geäußert, mehr Zeit mit Mama zu verbringen, was aber laut ihrem Vater nicht gehen würde. Es ist hierbei bezeichnend, dass sie vor ihrem Vater aus ihrer Sicht geheim halten muss, dass sie ihre Mutter gleich lieb hat wie ihren Vater.
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C gab ihr gegenüber an, lieber beim Papa zu bleiben aber beide gleich lieb zu haben. Allerdings sollten die Eltern netter zueinander sein. Auch bei ihr sei ein Loyalitätskonflikt festzustellen.
63
Damit mag es insgesamt verständlich sein, dass der Antragsgegner weiter davon ausgeht und vorträgt, die Kinder würden das Wechselmodell ablehnen. Offensichtlich trauen sich aber zumindest A und B aufgrund des vorhandenen Loyalitätskonflikts ihm gegenüber nicht, ihre wahren Bedürfnisse zu offenbaren.
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Auch die Verfahrensbeiständin bestätigte die Einschätzung des Jugendamts. Bei ihrem Spaziergang mit A und B habe sie auch durch indirekte Fragen herausbekommen, dass beide eigentlich gleich viel Zeit mit Mama verbringen möchten.
65
Letztlich stellt sich daher der geäußerte Kinderwille nicht völlig konstant dar, im Gegensatz zur Ansicht des Antragsgegnervertreters auch nicht einmal im Rahmen der Anhörung durch das Gericht. Aus den überzeugenden Ausführungen der Vertreterin des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin, welche entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgabenzuweisung auch den gegenüber dem Gericht teils geäußerten gegenläufigen Willen der drei betroffenen Kinder berücksichtigte (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 -, Rn. 30, juris), folgt jedoch, dass das Wechselmodell dem tatsächlichen Kindeswillen der drei Kinder am ehesten entspricht. Die Einwände des Antragstellers hierzu verfangen nicht. Insbesondere verwundert die Argumentation des Antragstellervertreters, dass die Stellungnahmen der Vertreterin des Jugendamtes sowie des Beistands der Kinder nicht neutral und damit für das Gericht unbeachtlich seien, er aber gleichzeitig die Stellungnahme der Lebensgefährtin des Antragsgegners vom 31.01.2020 als taugliches Beweismittel angesehen haben will. Dieses ist geprägt von großen Vorbehalten gegenüber der Antragstellerin und völlig einseitig (was aufgrund ihrer Stellung als Lebensgefährtin des Antragsgegners allerdings auch nahe liegt).
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cc) Nach den Feststellungen des Jugendamtes, welches die Familie schon eine längere Zeit begleitet, und der Verfahrensbeiständin, welchen sich das Gericht vollumfänglich anschließt, haben daneben alle drei Kinder eine enge und tragfähige emotionale Bindung sowohl zu ihrer Mutter als auch zu ihrem Vater. Soweit der Antragsteller bzw. seine Lebensgefährtin vortragen, dass die Kinder die Mutter nach der Anhörung (fast) ignoriert hätten, widerspricht dies der eigenen Wahrnehmung des Gerichts. Unabhängig davon, welche Wahrnehmung nun zutrifft, ging es nach der Anhörung sehr schnell und sämtliche Beteiligte haben schnell den Sitzungssaal betreten. Daraus (negative) Rückschlüsse ziehen zu wollen, geht offensichtlich fehl.
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b) Erziehungseignung der Eltern und Förderungsprinzip aa) Beide Elternteile sind nach Einschätzung des Jugendamts, welcher sich das Gericht ebenfalls vollumfänglich anschließt, auch uneingeschränkt erziehungsfähig. Bestehende Unterschiede im Erziehungsstil erscheinen nicht derart gravierend, dass sie der Anordnung eines Wechselmodells entgegenstünden. Kinder sind in der Regel schon früh in der Lage, unterschiedliche Erziehungsvorstellungen ihrer Eltern als Ausdruck der unterschiedlichen Persönlichkeiten von Vater und Mutter zu begreifen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2019 - 16 UF 4/19 -, Rn. 37, juris). Die geäußerten Befürchtungen des Antragsgegners, die Antragstellerin wäre mit der Betreuung der Kinder überfordert, konnten durch die bisherigen Erkenntnisse durch das Jugendamt nicht bestätigt werden.
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bb) Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Kinder bei beiden Elternteilen ausreichend gefördert werden. Dem Vorwurf des Antragsgegners, die Antragstellerin würde die Kinder v. a. in Einrichtungen oder an Dritte abschieben, ist die Antragsgegnerin überzeugend entgegengetreten. So führte sie aus, dass der Besuch eines Kindergartens oder auch der Mittagsbetreuung die persönliche Entwicklung von Kindern fördere. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Kinder bisher an Tagen, in welchen sie unter der Woche beim Antragsgegner sind, länger in der Schule bzw. Kindergarten und damit fremdbetreut sind als an Tagen, in welchen sie bei der Antragstellerin sind. Das Gericht ist sich darüber bewusst, dass dies der Vollzeittätigkeit in Kombination mit der Hauptbetreuung der Kinder durch den Antragsgegner geschuldet und auch völlig nachvollziehbar ist. Der Vorwurf ist aber in jedem Fall inkonsequent. Dass die Kinder auch zu den Eltern bzw. der Mutter der Antragstellerin gegeben werden und bei Freundinnen übernachten, ist ebenfalls ein nicht nachzuvollziehender Einwand. Dass für Kinder ein guter Kontakt zu den Großeltern (und auch zu Freunden) förderlich ist, wird auch der Antragsgegner kaum bestreiten können.
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Daneben ist davon auszugehen, dass durch eine längere Betreuung durch die Antragsgegnerin auch die bisherigen Probleme unter der Woche gelöst bzw. zumindest abgemildert werden. Zwar wurde bereits oben ausgeführt, dass nicht die Quantität der Kontakte zum anderen Elternteil im Vordergrund stehe, sondern dessen Qualität bzw. Intensität des Umgangs entscheidend sei. Allerdings ist das Gericht der Auffassung, dass gerade bei den bisherigen Umgängen mit der Mutter unter der Woche für nur wenige Stunden offensichtlich die Qualität des Umgangs zumindest seit dem Schuleintritt der beiden älteren Töchter an der fehlenden Quantität leidet. Die Antragstellerin hat hier für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Kinder aufgrund der vielen Wechsel bei ihr nie richtig ankommen würden. Da sie die Kinder unter der Woche abends zurück zum Antragsgegner bringt, herrsche immer jeweils großer Zeitdruck und vieles könne nicht zu Ende gemacht werden.
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Aus der Akte ergeben sich zudem keinerlei (objektiven) Anhaltspunkte, dass die Mutter oder der Vater zur Förderung ihres Kindes nicht gleichermaßen geeignet wären. Im Unterschied zur aktuellen Regelung folgt aus dem paritätischen Wechselmodell auch mehr Klarheit und Berechenbarkeit für die Mädchen, wann sie sich bei ihrer Mutter und wann bei ihrem Vater aufhalten, wodurch die zahlreichen Wechsel (wobei dahinstehen kann, ob dies durchschnittlich bisher 13 oder 16 Wechsel durchschnittlich im Monat ausmachte) deutlich reduziert werden können auf vier bzw. fünf im Monat, wodurch die Kinder zur Ruhe kommen können.
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Eine Folge war auch, dass zwischen den Beteiligten bisher die Problematik Hausaufgaben zu erheblichen Differenzen führte. Auch dies wird sich durch die neue Umgangsregelung höchst wahrscheinlich ändern, da die Antragstellerin mehr Zeit zur Hausaufgabenkontrolle hat und der Antragsgegner in dieser Zeit auch nicht mehr gezwungen ist, diese zu kontrollieren. Für grundsätzliche Verständnisprobleme der Kinder bleibt es dem Vater im Übrigen unbenommen, die aus seiner Sicht noch bestehenden etwaigen Rückstände mit den Kindern aufzuholen. Die beiden schulpflichtigen Kinder sind erst acht und sechs Jahre alt und damit soweit bekannt in der dritten und ersten Klasse. Der zu beherrschende Stoff dürfte damit überschaubar sein, zumal auch vertreten wird, dass Sinn der Hausaufgaben aus pädagogischer Sicht ist, den aktuellen realistischen Wissensstand der Kinder abzubilden, damit die zuständigen Lehrer hierauf entsprechend reagieren können. Die Antragstellerin wandte hier zudem ein, dass die Hausaufgabe auch in der Mittagsbetreuung gemacht werde, sie die Vorwürfe daher ohnehin nicht nachvollziehen könne.
c) Kontinuitätsgrundsatz
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Durch die räumliche Nähe der Elternhaushalte, die fußläufig nur 700 Meter bzw. max. 1 Kilometer (= sicherster Weg für die Kinder) entfernt wohnen, wird insbesondere der Kindergarten- bzw. Schulbesuch durch die Anordnung eines Wechselmodells nicht beeinträchtigt.
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Gleiches gilt für den Freundeskreis, der sich durch die Einführung des Wechselmodells nicht ändern muss und konstant bleibt. Da die Kinder bereits bei beiden Elternteilen eigene Zimmer haben, werden sich auch sonst keine Änderungen ergeben, abgesehen vom jeweiligen Aufenthaltsort.
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Die Kinder haben auch in beiden Haushalten jeweils eigene Zimmer, was durch die neue Regelung nicht tangiert wird.
75
Das Gericht ist daher der Auffassung, dass aufgrund des ohnehin schon erheblichen Umgangs zur Mutter (erweiterter Umgang während der Schulzeit, bereits hälftiger Umgang in den Ferien) und der bereits vorhandenen Voraussetzungen in den Haushalten die Umstellung keine höhere Anpassungsleistung der Kinder erfordert.
76
Auch ist zu beachten, dass bis zur Trennung der Betreuungsschwerpunkt bei der Antragstellerin lag, wobei nicht verkannt wird, dass sich der Antragsgegner bereits zu dieser Zeit wohl schon erheblich bei der Betreuung eingebracht hat.
d) Bindungstoleranz und Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern
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Die für die Anordnung eines Wechselmodells unerlässliche Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ist im vorliegenden Fall zu bejahen, auch wenn ein weiterhin bestehender Elternkonflikt festzustellen ist.
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aa) Bindungstoleranz dabei meint die Fähigkeit der Elternteile, trotz des Scheiterns der Partnerschaft Bindungen des Kindes zum anderen Elternteil und dessen Angehörigen zu dulden und auch positiv zu fördern. Diese Pflicht zum wechselseitigen loyalen Verhalten ist in § 1684 Abs. 2 BGB festgelegt.
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Das Gericht sieht insbesondere durch die Anhörung der Beteiligten das Vorbringen des Jugendamts bestätigt, dass der Kindsvater hinsichtlich der Kindsmutter v.a. defizitorientiert ist. Allerdings ist auch der Vortrag des Antragsgegners nicht von der Hand zu weisen, dass er bereits einem umfangreichen Umgangsrecht zugestimmt habe und er diese Umgangsvereinbarung auch umzusetzen versucht, selbst wenn dies manchmal schwierig sei. Aus seinem Vortrag wird ersichtlich, dass er v. a. auf (aus seiner Sicht bestehende) Probleme bei der Ausübung des Umgangsrechts der Antragstellerin mit den Kindern hinweisen und nicht die Bindungen der Kinder zur Mutter insgesamt infrage stellen wollte.
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bb) Soweit es Eltern nicht vermögen, miteinander in Erziehungsfragen zu diskutieren bzw. Lösungen zu erarbeiten, fehlt es letztlich an einer Basis für ein Wechselmodell. Dabei ist auch irrelevant, wer für den Elternstreit verantwortlich ist und wer die Störung auf der Kommunikationsebene mehr zu verantworten hat (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 18. September 2017 - 2 UF 133/17 -, Rn. 25, juris). Selbst wenn die Eltern kaum zu einer vernünftigen Kooperation und Kommunikation imstande sind, kann es aber ausnahmsweise angezeigt sein, ein Wechselmodell anzuordnen. Insbesondere sind die o. g. Kriterien keine „Tatbestandsvoraussetzungen“ für die Anordnung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 01. März 2019 - 7 UF 226/18 -, Rn. 42, juris).
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Der Antragsgegner trug hier vor, dass insbesondere schon das jetzige Verfahren zeige, dass ein Konsens zwischen den Beteiligten nicht hergestellt werden könne und daher das Wechselmodell per se ausscheide. Diese Argumentation ist jedenfalls vor dem Hintergrund der oben angeführten neueren Rechtsprechung des BGH kein Kriterium gegen das Wechselmodell, da andernfalls der Elternwille ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende jeweilige Motivation des Elternteils in sachwidriger Weise über das Kindeswohl gestellt würde (s. o.).
82
Hinsichtlich der Erziehung der Kinder im Übrigen gibt es keine festzustellenden gravierenden Unterschiede. Die Einwände des Antragsgegners hierzu verfangen nicht bzw. stellen jedenfalls keine gravierenden Unterschiede dar. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass es den Eltern in der Zeit nach der Trennung nicht gelang, sich in einer für die Kinder erheblichen Angelegenheit nicht zu einigen (vgl. hierzu auch OLG Bamberg, Beschluss vom 01. März 2019 - 7 UF 226/18 -, Rn. 53, juris). Die Eltern haben wiederholt gezeigt, dass sie grundlegende Absprachen, z. B. zur Wahl der Schule oder zur Ferienregelungen, gemeinsam treffen können und auch bereit sind, Kompromisse einzugehen, notfalls durch Vermittlung Dritter. Im Übrigen hat bereits der Sachverständige in seinem Gutachten 2017 festgestellt, dass die Zusammenarbeit der Eltern weitgehend gelinge (s. o.). Eine Änderung zum Negativen ist hier nicht ersichtlich.
e) Gesamtabwägung
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Eine Gesamtabwägung ergibt hier vorliegend, dass die Voraussetzung für ein Wechselmodell unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB vorliegen. Insbesondere die o. g. Entscheidung des OLG Bamberg vom 01. März 2019 zeigt, dass sich das Wechselmodell in der Praxis etabliert, dass aber stets die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt und die Vor- und Nachteile dieser Form der Kinderbetreuung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. Auch das Ausmaß des Loyalitätskonflikts bei den Kindern und deren Resilienz sind - wie vom OLG Bamberg berücksichtigt - stets zu hinterfragen (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 257_1). Insbesondere folgende Punkte waren dabei zu beachten:
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aa) Sowohl die Kindseltern als auch deren neue Lebenspartner sind beruflich sehr flexibel. Beide haben gegenüber dem Gericht bekundet, bei einem Wechselmodell in der kinderfreien Woche die Arbeitsstunden vor- bzw.- nacharbeiten zu können. Zudem besuchen alle drei Kinder unter dem Tag die Schule bzw. den Kindergarten mit der Möglichkeit der Fremdbetreuung bis nachmittags, wodurch auch die von den Kindern verlangten Anpassungsleistungen reduziert werden (s. o.).
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bb) Erheblich ins Gewicht fällt daneben, dass die Haushalte der Eltern fußläufig voneinander entfernt sind und laut Jugendamt auch eine kindgerechte Unterbringung in beiden Haushalten vorhanden ist. Damit handelt es sich faktisch für die Kinder nicht um zwei Lebensumgebungen, auf die sie sich einstellen müssen. Auch die Hobbys können unverändert wahrgenommen werden und es gibt auch keine Wechsel beim Freundeskreis bzw. der Schule/des Kindergartens.
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cc) Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beider Eltern ist ebenfalls gegeben. Auch sind die jeweils drei vollwertigen Kinderzimmer mit den damit einhergehenden erhöhten Wohnkosten bereits vorhanden. Daneben ist das Gericht überzeugt, dass hier keine finanziellen und sachfremden Erwägungen auf Seiten der Beteiligten eine wesentliche Rolle spielten. Der Vorwurf, insbesondere erhoben in der Stellungnahme der Lebensgefährtin des Antragsgegners, verfängt nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass die wenigsten Menschen grds. in der privilegierten Lage sind, völlig frei von finanziellen Interessen zu sein. Zum einen hat hier die Antragstellerin jedoch glaubhaft versichert, dass es ihr vorliegend nicht um Unterhaltszahlungen bzw. ums Geld gehe. Zudem ist festzuhalten, dass der Antragsgegner hier dasselbe finanzielle Interesse an einer Antragsabweisung hat wie die Antragstellerin an ihrem Antrag. Soweit die Antragstellerin von Kindesunterhalt entlastet wird, fehlen dem Antragsgegner zukünftig entsprechende Zahlungen.
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dd) Die Kinder haben starke Bindungen zu beiden Elternteilen, insbesondere auch zur Mutter, welche bis zur Trennung aufgrund der Vollzeittätigkeit des Antragsgegners die Hauptbezugsperson der Kinder war. Damit ist auch eine größere Erfahrung in der Betreuung der Kinder aus der Zeit vor der Trennung gegeben.
88
ee) Die Kinder sind nach den o. g. Forschungs- und Meinungsstand derzeit in einem idealen Alter zur Durchführung des Wechselmodells. Hierdurch erhalten die Kinder die Möglichkeit, trotz der Trennung ihrer Eltern mit beiden möglichst viel Kontakt zu haben. Dass ein möglichst umfangreicher Kontakt zu beiden Elternteilen dem Kindeswohl am dienlichsten ist, zeigt nachdrücklich die Befundlage der psychologischen empirischen Forschung (vgl. Sünderhauf, FamRB 2013, 290 ff. und 327 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Gerade jüngere Kinder bis fünf Jahren absolvieren danach den Wechsel völlig unproblematisch (Sünderhauf, a. a. O., 329), wobei Wechselmodellfamilien mit Kleinkindern die Erfahrung gemacht haben, dass die Unterstützung der Kinder vor, während und auch nach den Übergängen wichtig ist; dazu gehören wiederkehrende Rituale, die positive Ankündigung des Wechsels und - je nach Alter - auch das Gespräch darüber (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2019 - 16 UF 4/19 -, Rn. 47, juris). Da die Wechsel aber bisher schon (und noch viel häufiger) erfolgen, hat das Gericht die Erwartung, dass die Kindeseltern hierzu willens und in der Lage sind.
89
Das Gericht ist davon überzeugt, dass hierdurch auch die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit mit der Antragstellerin steigt, da der insbesondere unter der Woche bestehende Zeitdruck für die Antragstellerin genommen wird, wodurch auch die Kinder zur Ruhe kommen können.
90
ff) Auch der Kindeswille spricht eher für das Wechselmodell (s. o.), jedenfalls aber nicht dagegen.
91
gg) Das Gericht verkennt nicht, dass mit dem Wechselmodell Gefahren einhergehen, insb. mögliche Loyalitäts- und Ambivalenzkonflikte der Kinder. Nach den o. g. Ausführungen bestehen diese aber schon in einem erheblichen Maße, würden also nicht erst durch das Wechselmodell entstehen. Zudem hat das Gericht die Hoffnung aber auch Erwartung an die Beteiligten, dass sie sich mit dem geänderten Modell gut arrangieren und es den Kindern durch die Stärkung der Bindung zur Mutter auch möglich sein wird, ihre tatsächlichen Wünsche dem Antragsgegner zu offenbaren und nicht nur angeben, was dieser ihrer Ansicht nach hören möchte.
92
ii) Aus diesen Erwägungen heraus schließt sich das Gericht der Einschätzung der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts hinsichtlich einer allen Interessen gerecht werdenden Umgangsregelung vollumfänglich an. Auch die Probleme auf der Elternebene sind allein nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu kommen (s. o).
93
Insbesondere sind aufgrund der eben genannten Punkte auch die höheren Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB erfüllt. Wie oben bereits aufgeführt sind die bei der Abänderung einer Umgangsregelung die Anforderungen für eine Abänderung niedriger als bei der Abänderung einer Sorgeentscheidung (vgl. MüKoBGB/Lugani, 8. Aufl. 2020, BGB § 1696 Rn. 24). Zu beachten war, dass bei Abschluss der ursprünglichen Umgangsvereinbarung die Kinder viel jünger waren und daher damals ein Wechselmodell damals quasi von Vorneherein ausschied. C war zu dieser Zeit nicht einmal halb so halt, so dass alleine schon deshalb nunmehr eine ganz andere Grundlage gegeben ist. Zusammen mit den o. g. Gründen, die eindeutig für ein Wechselmodell sprechen, ist festzuhalten, dass die mit der Veränderung der bisherigen Umgangsregelung verbundenen dargelegten Vor- und Nachteile (s. o.) für das Kindeswohl das Bedürfnis der Kontinuität der bestehenden Regelung deutlich überwiegen.
94
Das Gericht betont nochmals ausdrücklich, dass dies keine Entscheidung gegen den Antragsgegner, sondern ausschließlich zum (objektiven) Kindeswohl ist. Der Antragsgegner leistet bisher Überobligatorisches, indem er eine Vollzeitstelle mit der Betreuung seiner drei noch kleineren Kinder erfolgreich managt. Da der Antragsgegner wiederholt bewiesen hat, wie wichtig ihm die gemeinsamen Kinder sind, hat das Gericht die Hoffnung, dass er zum Wohl der Kinder auch bis zu einer etwaigen Rechtskraft des Beschlusses diesen vorläufig akzeptiert.
f) Absehen von Einholung eines Sachverständigengutachtens
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Der Antragsgegnerin sowie der Vertreterin des Jugendamtes wird auch dahingehend beigepflichtet, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorliegend nicht angezeigt war.
96
Zwar wird nicht verkannt, dass der im abgeänderten Verfahren eingesetzte Sachverständige das Wechselmodell vor ca. zweieinhalb Jahren noch nicht befürwortet hat. Nach Überzeugung des Gerichts haben sich die Voraussetzungen jedoch grundlegend geändert. Zum einen war zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung der Kindesmutter nur ein deutlich geringerer Umgang mit den Kindern gestattet. Mittlerweile hat die Kindesmutter seit Abschluss der Vereinbarung einen deutlich ausgeweiteten Umgang. Das Gericht ist der Überzeugung, dass die Anpassungsleistung der Kinder an das Wechselmodell nunmehr viel geringer ist als noch zum damaligen Zeitpunkt (s.o.). Die jetzige Situation führt zu zahlreichen Wechseln innerhalb eines Monats, sodass die notwendigen Absprachen zwischen den Beteiligten jedenfalls nicht höher ausfallen werden. Zudem ist auch C mittlerweile in einem Alter, dem ein Wechselmodell nicht mehr entgegensteht. Sie ist jetzt schon deutlich älter als ihre Schwester B zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung. Für B sah der Sachverständige schon zum damaligen Zeitpunkt keine Schwierigkeiten des Wechselmodells bei ihrem damaligen Alter.
97
Auch wenn die Entscheidung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen zu ergehen hat, ist daneben festzuhalten, dass keiner der Beteiligten eine solche Einholung angeregt oder beantragt hat, auch nicht der Antragsgegner. Im Gegenteil hat er ein solches vermeiden wollen, um eine (erneute) umfangreiche Exploration der Kinder mit der damit einhergehenden Belastung zu vermeiden. Im Lichte des - in Kindschaftssachen besonders verdichteten - Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) muss das Gericht zwar die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich entscheidungserheblicher Tatsachen ausschöpfen. Verfügt das Gericht aber über eine zuverlässige Grundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung, so ist es nicht stets gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 1026). Eine solche zuverlässige Grundlage war hier gegeben, insbesondere auch aufgrund des umfassenden Berichts des Jugendamts sowie der ausführlichen (auch mündlichen) Stellungnahmen der weiteren Beteiligten sowie den Feststellungen aus den bisherigen Verfahren, soweit diese zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht wurden.
98
Berücksichtigt wurde hierbei auch das sich aus § 155 FamFG ergebende Beschleunigungsgebot. Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Kindeswohl vorliegend am wenigsten gedient wäre, das Verfahren monatelang bis zu einer abschließenden Entscheidung zu verzögern und die Kinder einer erneuten Exploration auszusetzen, die aufgrund der Aktenlage nicht angezeigt war.
IV.
99
Im Übrigen war der Antrag abzuweisen, soweit die Antragstellerin die Abänderung auch der bestehenden Ferienregelungen begehrte. Dem Vorbringen des Antragsgegners, welchem die Antragsgegnerin im Übrigen auch nicht entgegengetreten ist, für die Ferien bestünde überhaupt kein Abänderungsbedarf, wird vollumfänglich beigetreten. Insbesondere der Vortrag, dass für die Sommerferien zwischen den Beteiligten bereits eine konkrete Umgangsregelung getroffen worden sei und der Antragsgegner auch schon entsprechende Planungen/Buchungen vorgenommen hat, war hierbei zu berücksichtigen. Die einvernehmliche Ferienregelung hat hier offensichtlich zwischen den Beteiligten bisher ohne größere Probleme geklappt. Es ist im Übrigen geplant, ab dem Jahr 2021 die etablierte Sommerferienregelung fortzusetzen. Die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB sind damit (zumindest derzeit) offensichtlich nicht erfüllt.
V.
100
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
101
Bei der Billigkeitsentscheidung ist der allgemeine Grundsatz zu berücksichtigen, dass in familiengerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Anordnung, außerordentliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten ist (vgl. u.a. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. Juni 2014 - 10 WF 71/14). Damit wird in Kindschaftssachen dem Umstand Rechnung getragen, dass die Eltern bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres Begehrens jedenfalls auch das Kindeswohl im Auge haben, so dass die Anordnung einer Kostenerstattung die Ausnahme sein wird. Derartige Verfahren sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten subjektiv sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, was erhebliches Konfliktpotential birgt und häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Die eindeutige Verantwortlichkeit nur eines Beteiligten dafür, dass es zu dem Verfahren und damit zu Kosten gekommen ist, lässt sich regelmäßig nicht feststellen. Der Gedanke der Zurückhaltung führt in Kindschaftssachen überdies regelmäßig dazu, dass die Gerichtskosten zwischen den Eltern hälftig geteilt werden (vgl. u.a. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. Juni 2014 - 10 WF 71/14). Im vorliegenden Fall sind keine Umstände dafür gegeben, abweichend vom Grundsatz der Zurückhaltung in Familiensachen etwa die Verfahrenskosten dem Antragsgegner aufgrund des überwiegenden Unterliegens allein aufzuerlegen. Eines der Regelbeispiele des § 81 Abs. 2 FamFG, wonach das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen soll, ist nicht gegeben.
102
2. Der Hinweis auf die Vollstreckung durch Anordnung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft beruht auf §§ 89, 90 FamFG. Die Beteiligten haben insbesondere jegliche Beeinflussung der Kinder und alle anderen Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die Erziehung erschweren oder das Verhältnis der Kinder zu dem Sorgeberechtigten bzw. Umgangsberechtigten beeinträchtigen.
103
3. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.