Titel:
Verunstaltung einer Wand durch Werbevitrinen
Normenketten:
BayBO Art. 8 S. 1, S. 2
BauNVO § 4
WAS § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 4e
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7
Leitsatz:
Eine Verunstaltung i.S.v. Art. 8 Satz 2 BayBO gegeben, wenn die zur Prüfung stehende Anlage das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verunstaltung einer Wand durch Werbevitrinen, Bauantrag, gewerbliche Nutzung, Ortsbild, Verunstaltung, Wohngebiet, Baugenehmigung, Außenwerbung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 28335
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren die Erteilung der Baugenehmigung für zwei Werbevitrinen.
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Mit am 15. August 2019 bei der Beklagten eingegangenem Bauantrag beantragte die Klägerin die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung von zwei beleuchteten Werbevitrinen mit einer Höhe von jeweils 1,88 m und einer Breite von ca. 1,31 m. Die Werbeanlagen sollen an der östlichen Wand des Gebäudes … in einer Höhe von ca. 1 m über Grund und ca. 0,60 cm nördlich der südöstlichen Gebäudeecke angebracht werden.
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Mit planungsrechtlicher Stellungnahme vom 30. September 2019 verweigerte die Beklagte die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens und führte zur Begründung aus, der Gebietscharakter des Baugebiets entspreche hier einem allgemeinen Wohngebiet, das Vorhaben stelle eine störende gewerbliche Nutzung dar und sei deshalb auch ausnahmsweise nach § 4 BauNVO nicht zulässig.
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Mit Schreiben vom 27. August 2019 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung des Bauantrags angehört. Dort wurden als Ablehnungsgründe die planungsrechtliche Unzulässigkeit, ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Werbeanlagensatzung der Beklagten (WAS) sowie ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO angeführt.
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Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019, der Klägerin zugestellt am 31. Oktober 2019, wurde der Bauantrag für die begehrten Werbeanlagen abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben liege im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplanes Nr. …, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Die hier geplanten Fremdwerbeanlagen seien im allgemeinen Wohngebiet unzulässig, auch eine Ausnahme könne nicht zugelassen werden. Weiter sei ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4e der WAS gegeben, da das Vorhaben in einem Gebiet liege, das in Zone D einzustufen sei. Damit aber gälten die Größenbeschränkungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4e WAS, die von den Werbeanlagen jeweils überschritten würden. Die beantragten Werbeanlagen stellten hinterleuchtete Kästen mit einer Größe von insgesamt 4,93 qm dar, während nach der Satzung in der Zone D nur Werbeanlagen mit einer Größe bis 2 qm zulässig seien. Auch verunstalteten die Werbeanlagen zunächst das Gebäude, an dem sie angebracht werden sollten und damit auch das Ortsbild, so dass ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO gegeben sei. Das Gebäude sei geprägt durch die für solche Gebäude typische Lochfassade, neben den vertikalen Fensterreihen befänden sich auf der Süd- und Ostseite geschlossene Wandbereiche, die wesentlich zur Beruhigung beitrügen und damit charakteristischer Bestandteil der Architektur seien.
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Mit am 30. November 2019 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz ließ die Klägerin Klage gegen die Stadt … erheben mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Baugenehmigung zu erteilen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die maßgebliche Umgebung des geplanten Anbringungsorts stellte sich jedenfalls im Erdgeschoss als überwiegend gewerblich geprägtes Mischgebiet dar, damit sei auch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WAS nicht einschlägig. Die Werbevitrinen stellten auch keine Verunstaltung in bauordnungsrechtlichem Sinn dar, da von einem unerträglichen Auswuchs nicht die Rede sein könne.
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Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 3. Januar 2020,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Begründung des angefochtenen Bescheids wiederholt.
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Mit Beschluss der Kammer vom 6. August 2020 wurde das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Am 17. September 2020 nahm der Einzelrichter das gegenständliche Vorhaben und dessen nähere Umgebung in Augenschein, im Anschluss daran wurde vor Ort mündlich verhandelt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, hinsichtlich des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung auf die jeweilige Niederschrift sowie die gefertigten Lichtbilder verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, diese hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
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Dem Vorhaben der Klägerin stehen bauordnungsrechtliche Gründe entgegen, die zwar nicht Prüfungsmaßstab nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind, von der Beklagten aber im Bescheid gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BayBO zur Begründung herangezogen wurden. Zur Begründung wird insofern zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen. Ergänzend ist hierzu auszuführen, dass auch aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Augenscheins sich die Einschätzung der Beklagten im Hinblick auf die festgestellte Verunstaltung des Gebäudes und damit des Straßen- und Ortsbilds durch die geplanten Werbeanlagen bestätigt hat, sodass die Werbeanlagen gegen Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO verstoßen und damit die Baugenehmigung zu Recht abgelehnt wurde. Die östliche Außenwand des Gebäudes …, an der die geplanten Werbeanlagen nebeneinander in einer Höhe von ca. 1 m über Grund angebracht werden sollten, weist wie der gesamte Gebäudeblock eine charakteristische Gliederung durch horizontal und vertikal aufeinander abgestimmte Fensterreihen auf, wobei Wandteile wie der hier gegenständliche als optische Ruhezone von jeglicher Gestaltung frei bleiben. Diese horizontale und vertikale Gliederung wird im hier unmittelbar maßgeblichen Bereich des zurückgesetzten Gebäudeteils an der Südostecke des Gebäudes durch die die Gliederung aufnehmende Balkonanlage verstärkt. Die geplanten beleuchteten und eine Fläche von 2 x 1,88 x 1,31 cm bedeckenden Werbevitrinen stören diesen ruhigen Wandbereich, sie fügen sich nicht in die architektonische Gliederung der Wand ein und verunstalten diese durch ihre grelle Farbgebung, was durch die Beleuchtung noch erheblich verstärkt wird. Damit ist hier eine Verunstaltung i.S.v. Art. 8 Satz 2 BayBO gegeben, da die zur Prüfung stehende Anlage das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt, denn der Anbringungsort wird verunstaltet, da die entsprechende Wand mit einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild durch einen Fremdkörper empfindlich gestört wird (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 22.11.2016, 9 ZP 17.264, VG AN, U.v. 22.11.2016, AN 9 K 16.00421).
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Damit erfolgte die Ablehnung des Bauantrags hier rechtmäßig, die Klage kann insofern keinen Erfolg haben. Auf die Frage, ob die Werbeanlagen auch bauplanerisch unzulässig sind und hier ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Nr. 4e vorliegt, was ebenfalls zur Unzulässigkeit der Werbeanlagen führten würde, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an, wobei im Hinblick auf die in der näheren Umgebung vorhandene Bebauung, die hier aus dem Wohnblock bestehend aus den Anwesen … bis …, … Str. … bis … und … … bis … besteht sowie aus den auf der gegenüberliegenden Seite der … gelegenen Anwesen … Str. … und … sowie … … und … besteht, wohl der Zone D der Werbeanlagensatzung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 WAS einzustufen sind, nachdem dort ausschließlich Wohn- und Büronutzung vorhanden sind. Die … Straße hat dem gegenüber wohl eher trennende Wirkung, da es sich insofern um eine breite Straße mit im Bereich des Baugrundstücks abgetrennten Gleisen für die Straßenbahn handelt und die Bebauungs- und Nutzungsstruktur beidseits der Straße sich im hier gegenständlichen Bereich unmittelbar östlich und westlich des Baugrundstücks deutlich und auch optisch auffällig unterscheiden.
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Damit war die Klage abzuweisen, die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.