Titel:
Erledigung der Hauptsache durch Nachholen einer Ermessensbegründung
Normenketten:
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
BeiO § 2 Abs. 3
HKaG Art. 15 Abs. 2, Art. 61, Art. 65
Leitsätze:
1. Die Hauptsache hat sich objektiv erledigt, wenn dem Klagebegehren rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist, wenn also das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einer Anfechtungsklage, die sich allein auf eine fehlerhafte Ermessensbegründung stützt, ist die Grundlage entzogen, wenn im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Begründung der Ermessensentscheidung im streitgegenständlichen Bescheid den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG genügt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einseitige Erledigungserklärung, Feststellungsklage, Nachholen der Begründung, Ermessen, Beitragsbescheid, Psychotherapeutenkammer, Elternzeit, Erledigung, Gegenvorstellung, Kammerbeitrag, Mitgliedsbeitrag, Psychotherapeut
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2789
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass sich die Hauptsache erledigt hat.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13. Juli 2017, Az.: … …, mit dem er zur Zahlung des Mitgliedsbeitrages für das Jahr 2017 in Höhe von 375,00 EUR verpflichtet worden ist.
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Der Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut und als solcher Mitglied der Beklagten. Er hat einen halben Versorgungsauftrag (Teilzulassung) und arbeitet seit 2011 in Teilzeit. Bis Juli 2017 war er in Teilzeit selbstständig tätig. Die Teilzulassung des Klägers ruhte laut Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Mittelfranken vom 7. Dezember 2017 bis zum 6. August 2018 vollständig. Grund hierfür war, dass der Kläger in diesem Zeitraum in Elternzeit war.
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Unter Vorlage dieses Beschlusses beantragte der Kläger mit Schreiben vom 13. April 2017, seinen Kammerbeitrag wegen einer vorübergehenden vollständigen Praxisunterbrechung auf die Höhe des Mindestbeitrages von 95,00 EUR zu ermäßigen.
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Mit Bescheid vom 21. April 2017 forderte die Beklagte vom Kläger den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2017 in Höhe von 435,00 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger auf Grund seiner selbstständigen Tätigkeit der Beitragsgruppe A gemäß der Beitragsordnung vom 18. September 2013 angehöre. Für diese Beitragsgruppe betrage der Jahresbeitrag laut Beitragsordnung 435,00 EUR. Die Berechtigung der Beklagten zur Erhebung der Mitgliedsbeiträge ergebe sich aus Art. 15 Abs. 2 und Art. 65 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG). Der Kläger sei als gesetzliches Kammermitglied gemäß Art. 61 HKaG beitragspflichtig.
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Auf Grund der Mitteilung des Klägers vom 13. April 2017, eingegangen bei der Beklagten am 18. April 2017, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2017 den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2017 neu fest und zwar auf 385,00 EUR. Der Kläger sei der Beitragsgruppe A gemäß der Beitragsordnung vom 18. September 2013 zugeordnet. Der für die Beitragsgruppe vorgesehene Mitgliedsbeitrag von 435,00 EUR sei gemäß § 3 Abs. 2 lit. 1 BeiO wegen vorübergehender Unterbrechung der Berufstätigkeit von mindestens drei Monaten ermäßigt worden.
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Der Kläger machte mit Schreiben vom 4. Mai 2017 bei der Beklagten seine Einwände gegen den Beitragsbescheid vom 2. Mai 2017 geltend und formulierte eine Gegenvorstellung. In den Jahren 2017 und 2018 werde er insgesamt 365 Tage berufstätig und 365 Tage nicht berufstätig sein. Für diese zwei Jahre seien ein Beitrag in voller Höhe von 435,00 EUR und ein Mindestbeitrag in Höhe von 95,00 EUR und somit insgesamt 530,00 EUR zu bezahlen. Der Einfachheit halber könne für jedes Jahr die Hälfte dieses Gesamtbetrages, mithin 265,00 EUR pro Jahr verlangt werden. Die Ermäßigung für die Jahre 2017 und 2018 betrage insgesamt 340,00 EUR. Alternativ könne diese Gesamtermäßigung monatsweise auf die Jahre 2017 und 2018 verteilt werden, sodass sich für 2017 ein Beitrag von 295,00 EUR (Ermäßigung 140,00 EUR) und für 2018 von 235,00 EUR (Ermäßigung 200,00 EUR) ergebe.
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Zur Begründung dieser Gegenvorstellung führte der Kläger aus, dass die Beitragsordnung für seine Situation keine eindeutige Regelung enthalte. Der Mindestbeitrag für nicht berufstätige Mitglieder betrage gemäß § 2 Abs. 3 BeiO pro Jahr 95,00 EUR. Der Kläger werde sich ein Jahr im Ausland aufhalten und während dieser Zeit nicht berufstätig sein. Dies komme einem vollständigen Ruhen der Berufszulassung gleich, sodass sein Fall am ehesten von § 2 Abs. 3 BeiO erfasst werde. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im August 2018 werde er zunächst seine Praxis neu aufbauen müssen, sodass er erst einmal weniger verdienen könne. Die Beitragsordnung scheine die Beitragshöhe im Wesentlichen von der Höhe der Einkünfte abhängig zu machen. § 3 Abs. 2 BeiO sehe die Möglichkeit der Ermäßigung des Beitrages bis zur Höhe des Mindestbeitrages von 95,00 EUR vor. Die Beitragsordnung enthalte keine Anhaltspunkte für die Art und Weise der Festlegung des Ermäßigungsbetrages. Allenfalls § 2 Abs. 3 BeiO weise darauf hin, dass bei einem vollständigen Ruhen der beruflichen Tätigkeit auf den Mindestbeitrag von 95,00 EUR zu reduzieren sei. Angesichts einer fehlenden Begründung der Ermittlung des Ermäßigungsbetrages im Beitragsbescheid und in der Beitragsordnung erscheine eine Ermäßigung von 50,00 EUR „willkürlich festgelegt“.
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Des Weiteren beantragte der Kläger im selben Schreiben vom 4. Mai 2017 eine Ermäßigung seines Mitgliedsbeitrages ab 2017, da er lediglich einer Teilzeittätigkeit nachgehe. Damit wolle er keine eigenständige Ermäßigung erreichen, sondern seinen ursprünglichen Antrag unterstreichen, da er bisher von der Geltendmachung dieses Ermäßigungsgrundes abgesehen habe.
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Zur Bearbeitung der Gegenvorstellung des Klägers forderte die Beklagte den Kläger am 22. Juni 2017 zur Ausfüllung eines Erhebungsblattes zur Beitragsfestsetzung für 2017 auf.
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Der Kläger reichte das ausgefüllt Erhebungsblatt am 27. Juni 2017 bei der Beklagten ein. In dem beigefügten Schreiben vom 26. Juni 2017 beantragte er die Berücksichtigung sowohl der Elternzeit als auch der Teilzeittätigkeit bei der Festsetzung des Beitrages. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von Januar bis Juli 2017 habe 15,9 Stunden betragen und damit ca. 40% einer Vollzeitstelle entsprochen. Der Beitrag für das Jahr 2017 müsse daher 141,00 EUR betragen (Januar bis Juli 2017: 40% des monatlichen Anteils bei einem Jahresbetrag von 435,00 EUR und August bis Dezember 2017: monatlicher Anteil bei einem Jahresbetrag von 95,00 EUR). Der Kläger bat darum, „als Begründung für die festgelegte Beitragsreduktion genaue, nachvollziehbare Angaben über die zugrunde gelegte Rechenweise zu machen“.
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In Reaktion auf dieses Schreiben des Klägers setzte die Beklagte den Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2017 mit Bescheid vom 13. Juli 2017 auf nunmehr 375,00 EUR fest. Der Kläger sei der Beitragsgruppe A gemäß der Beitragsordnung zugeordnet. Der für die Beitragsgruppe vorgesehene Mitgliedsbeitrag von 435,00 EUR sei gemäß § 3 Abs. 2 lit. 1 und lit. c BeiO wegen vorübergehender Unterbrechung der Berufstätigkeit von mindestens drei Monaten und Teilzeittätigkeit ermäßigt worden. Die Bemessung des Beitragssatzes sei unter Berücksichtigung der Grundsätze der Beitragsordnung erfolgt. Der Beitrag sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BeiO ein Jahresbeitrag, das Beitragsjahr entspreche gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 BeiO dem Kalenderjahr, sodass eine Beitragsfestsetzung für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht vorsehen sei. Laut Beitragsordnung habe der Vorstand der Beklagten ein Ermessen hinsichtlich der Festsetzung der Beitragshöhe. Ein Anspruch auf zeitanteilig-bruchteilige Berechnung des Beitrages bestehe nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete ein individuelles Aushandeln der Beitragshöhe mit dem einzelnen Mitglied. Bei der Ermittlung der Beitragsstufen im Rahmen der Ermäßigungsgründe würden die Dauer der Kammermitgliedschaft bzw. der Berufstätigkeit in Monaten und die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im jeweiligen Beitragsjahr berücksichtigt werden.
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Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 Klage und beantragt,
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. Juli 2017 aufzuheben.
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Zur Begründung führte der Kläger aus, dass von einem zumindest partiell willkürlich festgesetzten Beitrag und einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen sei, da die Angaben zur Begründung der Ermäßigungshöhe nicht ausreichend spezifiziert seien und der festgesetzte Beitrag nicht in adäquatem Verhältnis zu den Referenzpunkten für Beitragshöhen bzw. -ermäßigungen in der Beitragsordnung stünden. Verletzt seien die Gesamtsystematik der Beitragsordnung, der Gleichheitsgrundsatz, das Gebot der Verhältnismäßigkeit und das Willkürverbot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gesamtsystematik der Beitragsordnung impliziere, dass die Regelbeiträge von der Verdienstmöglichkeit der jeweiligen Beitragsgruppe abhingen und an eine Vollzeittätigkeit anknüpften. Außerdem sei laut Beitragsordnung für nicht berufstätige Mitglieder ein Mindestbeitrag in Höhe von 95,00 EUR vorgesehen. Bei Teilzeittätigkeit bzw. vorübergehender Nichttätigkeit sei der Beitrag in nachvollziehbarem Verhältnis zu den Referenzpunkten zu ermäßigen. Es sei von der Beklagten nicht dargelegt worden, wie im Rahmen der Ermessensausübung die Faktoren Dauer der Kammermitgliedschaft bzw. der Berufstätigkeit in Monaten und durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im jeweiligen Beitragsjahr berücksichtigt worden seine. Die Willkür, Unverhältnismäßigkeit und Intransparenz der Entscheidung werde dadurch deutlich, dass zunächst eine Ermäßigung um 50,00 EUR und nach Vortrag der Teilzeittätigkeit eine weitere Ermäßigung um 10,00 EUR gewährt wurde. Dieser zweite knappe Ermäßigungsbetrag scheine „aus der Luft gegriffen“. Der Kläger nimmt Bezug auf seine Schreiben vom 13. April 2017, 4. Mai 2017 und 26. Juni 2017, deren Inhalt oben wiedergegeben ist.
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Mit Beschluss des Gerichts vom 8. August 2017 (AN 4 K 17.01343) wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Beide Beteiligten hatten dies beantragt vor dem Hintergrund eines Auslandsaufenthaltes des Klägers ab 8. Juli 2017. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 10. September 2018 seine Rückkehr nach Deutschland mitgeteilt hatte, wurde das Verfahren unter dem Aktenzeichen AN 4 K 18.01810 weitergeführt. Am 8. Februar 2019 zeigte sich Frau Rechtsanwältin Dr. … … als anwaltliche Vertreterin des Klägers an.
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Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020, im Original mit Anlagen bei Gericht eingegangen am 4. Februar 2020, legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Leitlinien zur Ausübung des Ermessens in Form einer Punktetabelle und einer Übersicht über die für den Veranlagungszeitraum gültigen Beitragsgruppen vor. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit des Klägers und der Berufstätigkeit in Monaten ergebe sich für den Kläger eine Punktsumme von 18, was bei Zuordnung zur Beitragsgruppe A zur Festsetzung eines ermäßigten Beitrages von 375,00 EUR geführt habe (1. Teilzeitstufe).
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In der mündlichen Verhandlung am 7. Februar 2020 erklärte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Hauptsache für erledigt und beantragte sinngemäß festzustellen, dass sich die Hauptsache erledigt hat.
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Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schloss sich der Erledigungserklärung nicht an und beantragte
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Ergänzend wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 7. Februar 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.). Die Erledigung ist festzustellen, da die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Hauptsache für erledigt erklärt hat, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, die Hauptsache sich aber tatsächlich erledigt hat.
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1. Die geänderte Klage ist als Feststellungsklage zulässig.
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Durch die einseitig gebliebene Erledigungserklärung hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers von dem bisherigen Anfechtungsbegehren Abstand genommen und begehrt stattdessen die gerichtliche Feststellung der Erledigung der Hauptsache. An die Stelle des durch den ursprünglichen Klageantrag bestimmten Streitgegenstandes tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein nachträgliches Ereignis die Grundlage entzogen worden. Dieser Austausch des Klagebegehrens führt zu einer Änderung des Streitgegenstandes und stellt eine zulässige Klageänderung dar (BVerwG, U.v. 27.2.1969 - VIII C 37, 38/67 - BVerwGE 31, 318; BVerwG, B.v. 30.10.1969 - VIII C 219/67 - BVerwGE 34,159; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 161 Rn. 28). Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Kläger keine andere Möglichkeit zur Vermeidung der Kostenlast hat (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 161 Rn. 28; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 120).
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2. Die Klage ist auch begründet, da sich die Hauptsache durch das Nachholen der Ermessensbegründung erledigt hat.
23
Die Erledigung der Hauptsache ist festzustellen, wenn sich das ursprüngliche Klagebegehren durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis erledigt hat (BVerwG, B.v. 25.11.1981 - 1 WB 131/80 - BVerwGE 73, 312). Der Beklagte unterliegt, wenn er zu Unrecht die Erledigung des Rechtsstreits bestreitet und demgemäß zu Unrecht an seinem Klageabweisungsantrag festhält (BVerwG, U.v. 27.2.1969 - VIII C 37, 38/67 - BVerwGE 31, 318). Die Hauptsache hat sich objektiv erledigt, wenn dem Klagebegehren rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist, wenn also das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (BVerwG, U.v. 24.9.2009 - 7 C 2/09 - NVwZ 2010, 189 Rn. 22). Der Kläger muss infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen können, seinem Klagebegehren muss vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen sein (BayVGH, B.v. 2.12.2019 - 13a ZB 19.32868 - juris Rn. 8). Dies läuft letztlich darauf hinaus, dass die ursprüngliche Klage zumindest jetzt unzulässig oder unbegründet sein muss (Just in Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 4. Aufl. 2016, § 161 Rn. 39; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 161 Rn. 22; Neumann/Schacks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 148f.).
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Vorliegend ist dem Klagebegehren des Klägers dadurch die Grundlage entzogen worden, dass in Folge der Vorlage der Leitlinien zur Ermessensausübung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Art. 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG) zumindest im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Begründung der Ermessensentscheidung im streitgegenständlichen Bescheid den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG genügt. Damit ist die Anfechtungsklage des Klägers, die sich allein auf die fehlerhafte Ermessensbegründung stützt, zumindest im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung unbegründet. Die Begründung der Ermessensentscheidung im streitgegenständlichen Bescheid genügt nach Vorlage der Leitlinien zur Ermessensausübung durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. Januar 2020 den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG. Nach Satz 3 dieser Vorschrift muss die Begründung einer Ermessensentscheidung die Gesichtspunkte erkennen lassen, die die Behörde ihrer Ermessensausübung zugrunde gelegt hat. Die Begründung muss substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar sein (Tiedemann in BeckOK, VwVfG, 46. Ed., Stand 01.01.2020, § 39 Rn. 28 m.w.N.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 39 Rn. 25). Dabei genügt ein Verweis auf Verwaltungsvorschriften, wenn diese veröffentlicht oder dem Bescheid beigefügt sind und sich aus ihnen die Ermessensgesichtspunkte erkennen lassen (Tiedemann in BeckOK, VwVfG, 46. Ed., Stand 01.01.2020, § 39 Rn. 47). Aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Leitlinien zur Ermessensausübung, welche die Beklagte seit dem Jahr 2004 anwendet und auch dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde gelegt hat, geht hinreichend nachvollziehbar hervor, wie die Beklagte bei Teilzeittätigkeit bzw. vorübergehender Unterbrechung der Tätigkeit die Beitragsermäßigung ermittelt. Nach diesen Leitlinien werden für jeden Monat in Abhängigkeit von der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 0 und 4 Punkte vergeben, wobei zwischen Angestellten und Selbstständigen unterschieden wird. Anhand der so ermittelten Punktesumme für das Beitragsjahr ergibt sich aus einer Tabelle die Beitragshöhe, wobei zwischen drei Beitragsgruppen unterschieden und in jeder Beitragsgruppe vier Beitragsstufen gebildet werden. Der Kläger fällt mit einer Punktesumme von 18 als Selbstständiger in die 1. Teilzeitstufe mit einem Beitrag von 375,00 EUR. Das Nachholen dieser Begründung war gemäß Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich. Ob die Leitlinien der Beklagten einer rechtlichen Prüfung standhalten, war nicht Gegenstand dieses Erledigungsfeststellungsstreits.
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Auch wenn es auf die ursprüngliche Begründetheit der Klage nicht ankommt (BVerwG, U.v. 12.4.2001 - 2 C 16/00 - BVerwGE 114, 149; BVerwG, U.v. 14.1.1965 - 1 C 68/61 - BVerwGE 20,146; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 161 Rn. 28 m.w.N.), ist festzustellen, dass bis zur Vorlage der Leitlinien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ermessensentscheidung nicht den Anforderung des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG entsprechend begründet war, da für den Kläger unter den gegeben Umständen nicht nachvollziehbar erkennbar war, wie die Beklagte zu dem Ermäßigungsbetrag von 60,00 EUR gekommen ist. Die Beklagte hat als Ermessensgesichtspunkte im streitgegenständlichen Bescheid die Dauer der Kammermitgliedschaft bzw. der Berufstätigkeit in Monaten und die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im jeweiligen Beitragsjahr genannt. Sie hat nicht einmal dargelegt, in welcher Weise sich die Dauer der Kammermitgliedschaft bzw. der Berufstätigkeit in Monaten auswirkt, sprich ob z.B. eine lange Kammermitgliedschaft zu einer höheren oder geringeren Ermäßigung führt. Die bloße Nennung dieser Ermessensgesichtspunkte war aus folgenden Gründen nicht ausreichend:
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Zum einen war der Mitgliedsbeitrag des Klägers erst zwei Monate vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides mit Bescheid vom 2. Mai 2017 auf 385,00 EUR ermäßigt worden. In diesem Bescheid vom 2. Mai 2017 hatte die Beklagte lediglich den Ermäßigungsgrund der vorübergehenden Unterbrechung der Berufstätigkeit wegen Elternzeit (5 Monate) berücksichtigt und war zu einer Ermäßigung von 50,00 EUR gegenüber dem Regelbeitrag gekommen. Wenn die Beklagte nun im streitgegenständlichen Bescheid neben dem Ermäßigungsgrund der Elternzeit zusätzlich den Ermäßigungsgrund der Teilzeit (7 Monate) berücksichtigte, jedoch trotz dieses zweiten Ermäßigungsgrundes ohne nähere Erläuterung nur eine weitere Ermäßigung in Höhe von 10,00 EUR gewährte, musste dies beim Kläger verständlicherweise den Anschein erwecken, er solle mit einem kleinen Nachlass abgespeist werden. Aus der ursprünglichen Begründung des Bescheides ging nicht hervor, warum trotz einer hinzutretenden Teilzeittätigkeit über sieben Monate mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit, die ca. 40% der Vollzeittätigkeit entsprach, lediglich weitere 10,00 EUR Ermäßigung veranlasst waren. Die Beklagte räumte in der mündlichen Verhandlung selbst ein, dass diese weitere Reduzierung von 10,00 EUR letztlich vielleicht zur Klage geführt hat und die Kommunikation hier nicht optimal gelaufen sei.
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Zum anderen muss auch berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides mit Schreiben vom 4. Mai 2017 gegenüber der Beklagten erklärt hat, dass ihm die Ermäßigung von 50 EUR im Bescheid vom 2. Mai 2017 „willkürlich festgelegt“ erscheine und mit weiterem Schreiben vom 26. Juni 2017 die Beklagte darum gebeten hat, „als Begründung für die festgelegte Beitragsreduktion genaue, nachvollziehbare Angaben über die zugrunde gelegte Rechenweise zu machen.“ Aus diesen Schreiben ging deutlich hervor, dass der Kläger der bisherigen Ermessensausübung durch die Beklagte kritisch gegenüberstand. Der Bitte des Klägers um eine nachvollziehbare Begründung der Ermäßigungsberechnung hätte die Beklagte mit relativ geringem Aufwand nachkommen können, indem sie dem Bescheid ihre Leitlinien zur Ermessenausübung beigefügt hätte. Einer Veröffentlichung der Leitlinien stehen nach eigener Angabe der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch keine Geheimhaltungsaspekte entgegen. Angesichts dieser einfachen Möglichkeit, die Ermessensentscheidung ausführlicher zu begründen, verfängt auch das Argument der Beklagten nicht, sie könne aus Kapazitätsgründen bei der Bearbeitung nicht jeden Bescheid ausführlich begründen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.