Inhalt

VG München, Beschluss v. 15.10.2020 – M 26b S 20.5125
Titel:

Verbot der Abgabe von Alkohol in Gaststätten wegen Corona

Normenketten:
GastG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 3
BayIfSMV § 13
IfSG § 4, § 16 Abs. 8, § 28 Abs. 1
Leitsatz:
Das Verbot der Abgabe von alkoholischen Getränken durch Gastronomiebetriebe zum Verzehr an Ort und Stelle zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr ist zur Eindämmung des Coronavirus rechtmäßig und mit dem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit vereinbar. (Rn. 38 und 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsausübungsfreiheit, Coronavirus, Alkohol, Gaststätten
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27813

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, die in M. ein Restaurant betreibt, wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen das mit Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2020 angeordnete Verbot des Verkaufs und der Abgabe von alkoholischen Getränken durch Gastronomiebetriebe zum Verzehr an Ort und Stelle im Stadtgebiet der Antragsgegnerin zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages.
2
Am 13. Oktober 2020 erließ die Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) i.V.m. § 25 Abs. 1 und Abs. 3 der 7. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1. Oktober 2020 (7. BayIfSMV) aufgrund erhöhter Infektionszahlen eine „Allgemeinverfügung - Öffentliches Leben“. In Nr. 6 dieser Allgemeinverfügung wird angeordnet, dass der Verkauf und die Abgabe von alkoholischen Getränken durch Gastronomiebetriebe im Sinne des Gaststättengesetzes zum Verzehr an Ort und Stelle im Stadtgebiet der Landeshauptstadt M. zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages verboten ist.
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Daneben werden weitere infektionsschutzrechtliche Maßnahmen getroffen, insbesondere der Aufenthalt im öffentlichen Raum und in Gastronomiebetrieben im Stadtgebiet abweichend von § 2 Abs. 1 Nr. 2 7. BayIfSMV auf Gruppen von bis zu maximal fünf Personen beschränkt, Zusammenkünfte in privat genutzten Räumen begrenzt sowie private Veranstaltungen auf eine Teilnehmerzahl von maximal 25 Teilnehmern in geschlossenen Räumen beschränkt.
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Die Allgemeinverfügung gilt nach Nr. 9 vom 14. Oktober 2020, 0:00 Uhr, bis zum 27. Oktober 2020, 24.00 Uhr.
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Zur Begründung der Allgemeinverfügung wurde ausgeführt, dass die Infektionszahlen in M. trotz der Erfolge der bereits frühzeitig ergriffenen Maßnahmen zunächst weiter erheblich angestiegen seien. Der 7-Tages-Inzidenzwert des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sei am 18.09.2020 mit 50,7/100.000 Einwohnern erstmals überschritten worden. Nach einer Verbesserung seit dem Erlass der Allgemeinverfügungen mit Kontaktbeschränkungen am 23. September 2020 sei seit dem 7. Oktober 2020 wieder ein starker Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen. Auffällig am derzeitigen Münchner Infektionsgeschehen sei, dass die steigenden Fallzahlen nicht auf einzelne lokale Ausbruchsgeschehen zurückzuführen seien, sondern sich flächig über das gesamte Stadtgebiet verteilten. Das RKI  sowie das Gesundheitsamt der Antragsgegnerin hätten festgestellt, dass ein großer Teil der Neuinfektionen auf Fälle im Zusammenhang mit Feiern ihren Familien- und Freundeskreis sowie mit Treffen von größeren Personengruppen im öffentlichen Raum zurückzuführen seien. Das Durchschnittsalter neu infizierter Personen sei von 50,1 Jahren auf 37,3 Jahre gefallen. Dies sei auf eine mangelnde Akzeptanz der Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen zurückzuführen. Eine Weiterführung und Verschärfung geeigneter Maßnahmen sei aus epidemiologischer Sicht unabdingbar.
6
Das Verbot der Alkoholabgabe in Gastronomiebetrieben sei ein zur effektiven Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus geeignetes Mittel. Nach 22:00 Uhr steige nach allgemeiner Lebenserfahrung bei den Besuchern von Gaststätten der Konsum von Alkohol an, der zuvor konsumierte Alkohol zeige verstärkt seine Wirkung. Die Alkoholisierung beeinflusse das Verhalten der Gäste maßgeblich dergestalt, dass mit steigendem Alkoholkonsum die Bereitschaft sinke, sich an die geltenden Schutzmaßnahmen zu halten. Mit dem Alkoholkonsum gehe in der Regel eine aufgeheiterte Stimmung mit lautem Sprechen und Singen einher, was das Risiko einer Tröpfcheninfektion begünstige. Alkoholisierte Personen zeigten der Erfahrung nach mit steigendem Alkoholpegel oftmals Uneinsichtigkeit und Ignoranz gegenüber Hinweisen auf die Infektionsschutzregeln durch Gaststättenpersonal und Polizei. Erhöhte Alkoholisierung führe regelmäßig zu engeren Kontakten zwischen den Gästen über das durch die 7. BayIfSMV bzw. diese Allgemeinverfügung erlaubte Maß hinaus.
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Mildere und gleich geeignete Infektionsschutzmaßnahmen seien nicht ersichtlich. Der Verkauf, die Abgabe und der Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum außerhalb von Gaststätten seien an den Hotspots zu den relevanten Zeiten bereits untersagt worden, ohne dass dies allein ausreichend gewesen sei, die Zahl der Neuinfektionen im erforderlichen Maß zu verringern. Ein Verbot erst ab 23:00 Uhr, wie es § 25 Abs. 3 Nr. 6 der 7. BayIfSMV vorsehe, sei nicht ausreichend, denn nach allgemeiner Lebenserfahrung beginne der Alkoholkonsum und die damit verbundenen risikobehafteten Verhaltensweisen in M. bereits deutlich früher als 23:00 Uhr. Die gewählte Uhrzeit für den Beginn des Verbots, 22:00 Uhr, sei unter Zugrundelegung der aktuellen Infektionslage der Zeitpunkt, welcher infektionshygienisch notwendig, aber auch ausreichend sei. Andererseits sei die Abgabe von Alkohol im Rahmen von Gastronomiebetrieben länger möglich als für den Außer-Haus-Verkauf in den Verkaufsverbotszonen der „Hotspots“, wo ein Verkaufsverbot schon ab 21:00 Uhr gelte.
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Die Maßnahme sei auch angemessen, da sie sich nur auf den Zeitraum zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr des Folgetages und inhaltlich auf den Verzehr von alkoholischen Getränken an Ort und Stelle beschränke.
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Mit Schriftsatz vom …. Oktober 2020 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Gleichzeitig beantragte er,
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die aufschiebende Wirkung der am ….10.2020 erhobenen Klage der Antragstellerin gegen die „Allgemeinverfügung - Öffentliches Leben“ der Antragsgegnerin vom 13.10.2020 wird bezüglich ihrer Ziffer 6 angeordnet.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin mehrgängige Menüs, in der Regel mit Weinbegleitung, anbiete. Der letzte Hauptgang sowie die anschließenden Gänge würden regelmäßig erst nach 22:00 Uhr verzehrt. Das Restaurant schließe um 24 Uhr. Derzeit sei aufgrund der Einschränkungen durch die 7. BayIfSMV die Auslastung des Restaurants auf 40 bis 50 % der maximalen Kapazität beschränkt.
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Das Ausschankverbot sei nicht geeignet, das mit ihm verfolgte Ziel zu erreichen. Jedenfalls sei es weder erforderlich noch angemessen. Die Ausgangsannahme der Antragsgegnerin, das Abendessen in Gaststätten sei in aller Regel spätestens ab 22:00 Uhr beendet, sei - nicht nur für den Betrieb der Antragstellerin - realitätsfremd. Belege für die Kausalitätsannahmen der Antragsgegnerin (Ansteigen des Konsums und der Wirkung von Alkohol nach 22:00 Uhr, dadurch sinkende Bereitschaft der Gäste zum Einhalten der Schutzmaßnahmen und fortschreitende Enthemmung, dadurch Zunahme des Infektionsgeschehens) lägen nicht vor. Angesichts der bereits geltenden erheblichen infektionsschutzrechtlichen Einschränkungen für das Gastronomiegewerbe sei nicht erkennbar, welche zweckfördernde Wirkungen darüber hinaus das Ausschankverbot haben könnte. Die Maßnahme unterstelle letztlich den Gastronomen, die bereits geltenden Maßnahmen nicht einhalten zu wollen oder zu können. Im Übrigen sei es bereits nach § 20 Nr. 2 des Gaststättengesetzes verboten, in Ausübung eines Gewerbes alkoholische Getränke an erkennbar Betrunkene zu verabreichen. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach der Ausschank von Alkohol nach 22:00 Uhr mit besonders enthemmenden Wirkungen verknüpft, ein Ausschank vor 22:00 Uhr aber unproblematisch sei. Anders als der Verfügbarkeit von Alkohol auf öffentlichen Plätzen komme dem Alkoholausschank in der Gastronomie keine besondere Anziehungswirkung zu, so dass auch insoweit ein Ausschankverbot zur Verhinderung von infektionsschutzrechtlich bedenklichen Menschenansammlungen nicht geeignet sei. Die Antragsgegnerin habe nicht nachgewiesen, dass eine erhöhte Inzidenz - wenigstens zum Teil - gerade auf den nach 22:00 Uhr stattfindenden Alkoholausschank zurückzuführen sei. Angesichts der mittlerweile weitgehenden Öffnung des öffentlichen Raums mit einer Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten ohne zeitliche Beschränkung sei die Maßnahme ungeeignet. Jedenfalls hinsichtlich Restaurants und Speisegaststätten wie dem der Antragstellerin seien die Annahmen der Antragsgegnerin unzutreffend und das Ausschankverbot ungeeignet. In solchen Speisegaststätten finde Kommunikation von vornherein nur im Kreis der Personen am Tisch statt. Daran ändere auch der Konsum von Alkohol nichts. Das Ausschankverbot habe im Übrigen auch keinen positiven Effekt auf das Infektionsgeschehen insgesamt, sondern sei geradezu kontraproduktiv. Denn statt in Gastronomiebetrieben würden potentielle Gäste in entsprechend großen Gruppen im privaten Bereich trinken. Handlungen zur Umgehung des Ausschankverbots ab 22:00 Uhr wie rascheres und früheres Trinken oder Bestellung in erheblichen Mengen kurz vor 22:00 Uhr lägen auf der Hand.
13
Es gäbe statt des pauschalen Ausschankverbots für alle Gastronomiebetriebe mildere und gleich geeignete Mittel. Für Speisegaststätten wie die der Antragstellerin sei die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung vorzusehen. Das Ausschankverbot könne auch von vornherein auf Schankwirtschaften begrenzt werden, die die Antragsgegnerin ohnehin im Auge habe, da dort typischerweise viel und ungezügelt Alkohol konsumiert werde. Die Unterscheidung von Schank- und Speisewirtschaften sei in § 1 Abs. 1 GastG angelegt und werde auch in § 13 BayIfSMV nachvollzogen. Auch der Bayerisch Verwaltungsgerichtshof habe auf die infektionsschutzrechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen Speise- und Schankwirtschaften hingewiesen. Das Ausschankverbot könne auch etwa an die Größe der Gaststätte anknüpfen.
14
Zuletzt sei das Ausschankverbot auch nicht angemessen. Seine allenfalls unbedeutende Wirkung stehe außer Verhältnis zu den damit einhergehenden erheblichen Einschränkungen für die Gastronomie. Gerade vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen erheblichen Einschränkungen der Gastronomie stelle das nunmehr angeordnete Ausschankverbot einen zusätzlichen Eingriff von erheblichem Gewicht dar, welches die Fortführung des Bewirtungskonzepts der Antragstellerin unmöglich mache.
15
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 beantragt die Antragsgegnerin,
16
den Antrag abzulehnen.
17
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass das Alkoholabgabeverbot dem entspreche, was am 9. Oktober 2020 in der Besprechung der Oberbürgermeister der 11 größten deutschen Städte mit der Bundeskanzlerin als Maßnahmen ab einer Inzidenz von 50 vereinbart wurde. Auch die Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 14. Oktober 2020 habe ergeben, dass eine Sperrstunde bereits ab einem Inzidenzwert von 35 ein angemessenes Mittel sei, die Pandemie weiter einzuschränken. Das Verbot sei Teil eines Maßnahmenbündels zur Pandemiebekämpfung, das in seiner Gesamtwirkung das notwendige Maß an Wirksamkeit entfalte. Die Antragsgegnerin habe einen erheblichen Spielraum hinsichtlich Auswahl und Ausgestaltung ihrer Bekämpfungsmaßnahmen. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 verwiesen.
18
Mit Schriftsatz vom …. Oktober 2020 nahm der Bevollmächtigte der Antragstellerin zur Antragserwiderung Stellung.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
20
Der vorliegende Antrag hat keinen Erfolg.
21
1. Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, da Anfechtungsklagen gegen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG).
22
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
23
2.1 Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage - wie hier (vgl. § 28 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG) - keine aufschiebende Wirkung hat.
24
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
25
2.2 Gemessen daran lässt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Hauptsache zu treffende Abwägungsentscheidung ein Überwiegen des Suspensivinteresses der Antragstellerin nicht erkennen. Die Hauptsacheklage der Antragstellerin hat nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage und summarischer Prüfung der Sachlage (vgl. BVerwG, B. v. 23.2.2018 - 1 VR 11.17 - juris Rn. 15) keine Aussicht auf Erfolg. Nr. 6 der angegriffenen Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2020 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.2.1 Das Gericht geht aufgrund der nur möglichen vorläufigen Prüfung davon aus, dass die Antragsgegnerin als Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Allgemeinverfügung zu Recht § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG herangezogen hat. Danach trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Es spricht vieles dafür, dass diese speziell dem Infektionsschutz dienende Regelung in ihrem Anwendungsbereich den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Regelungen und wohl auch den Regelungen im Gaststätten- und Gewerberecht vorgeht (so wohl auch Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 56). Die Befugnis zu Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG wird jedenfalls nicht durch die Regelungen der 7. BayIfSMV verdrängt, denn diese sind nicht abschließend.
27
§ 25 Abs. 3 der 7. BayIfSMV in der aktuell gültigen Fassung bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden, auch soweit in der 7. BayIfSMV Schutzmaßnahmen oder Schutz- und Hygienekonzepte vorgeschrieben sind, im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen können, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist.
28
Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können auch Form der Allgemeinverfügung ergehen (BayVGH, B. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 - juris Rn. 9; Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 1; Häberle/Lutz, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8).
29
2.2.2 Formelle Mängel der Allgemeinverfügung - etwa Bekanntmachungsmängel - wurden nicht vorgetragen und sind bei summarischer Prüfung auch sonst nicht ersichtlich.
30
2.2.3 Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2020 ist in ihrer Nr. 6 voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
31
Nach der streitgegenständlichen Nr. 6 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2020 ist der Verkauf und die Abgabe von alkoholischen Getränken durch Gastronomiebetriebe im Sinne des Gaststättengesetzes zum Verzehr an Ort und Stelle im Stadtgebiet der Landeshauptstadt M. zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages verboten.
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(1) Die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 35 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG für den Erlass einer Allgemeinverfügung sind gegeben; insbesondere handelt es sich bei Nr. 6 der Verfügung der Antragsgegnerin aufgrund des räumlich und zeitlich begrenzten Geltungsumfangs um die Regelung eines Einzelfalls für einen bestimmbaren Personenkreis und damit um eine konkret-generelle Regelung.
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(2) Tatbestandlich setzt § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Dass diese Voraussetzungen für ein gesundheitsbehördliches Eingreifen angesichts der immer noch anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage grundsätzlich bestehen, hat die Antragsgegnerin zu Recht angenommen. Dies wird von der Antragstellerin nicht bestritten und ist auch sonst nicht zweifelhaft. Das RKI, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E. v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 7. Oktober 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt (auf einer Skala von „gering“, „mäßig“, „hoch“ bis „sehr hoch“) als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein und verweist dabei auf die seit Anfang Juli wieder stetig steigenden Fallzahlen. Seit Ende August (KW 35) würden wieder vermehrt Übertragungen in Deutschland beobachtet. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau sei aktuell ein kontinuierlicher Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Die Dynamik nehme in fast allen Regionen zu (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Nach dem täglichen Lagebericht des RKI vom 14. Oktober 2020 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html) liegt in Bayern die 7-Tage-Inzidenz mit 27,4 zwar leicht unter dem bundesweiten Durchschnitt (29,6 Fälle pro 100.000 Einwohner). In der Landeshauptstadt M. jedoch überschritt die 7-Tage-Inzidenz am 18. September 2020 erstmals 50 Fälle/100.000 Einwohner und liegt aktuell laut LGL bei 52,15 (Stand: 14.9.2020). Auch in vielen anderen europäischen Ländern sind 7-Tage-Inzidenzen von über 50 Fälle pro 100.000 im Landesdurchschnitt beziehungsweise unverändert steigende 7-Tage-Inzidenzen festzustellen (https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/covid-19-testing). Angesichts des zu befürchtenden exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens, einer Vielzahl klinischer Verläufe mit Todesfolge oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden und der Tatsache, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen, ist die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung als hoch beziehungsweise als sehr hoch jedenfalls nicht offensichtlich unplausibel (vgl. BayVerfGH, E. v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 17).
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Weitere tatbestandliche Voraussetzungen für ein Tätigwerden der zuständigen Behörde enthält § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht.
35
(3) Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen - „wie“ des Eingreifens - ist der Behörde durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG ein Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass nur „notwendige Schutzmaßnahmen“ in Betracht kommen, also Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 3 C 16/11 - BVerwGE 142, 205 - juris Rn. 24).
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Ermessensfehler der Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der ausführlichen Begründung der angegriffenen Allgemeinverfügung den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt hinreichend ermittelt, verschiedene Handlungsalternativen auf ihre Durchführbarkeit und Wirksamkeit hin überprüft und die betroffenen Belange hinreichend abgewogen und in ein angemessenes Verhältnis gesetzt. Die für und wider das Verbot des Verkaufs und des Ausschanks alkoholischer Getränke durch Gaststätten nach 22.00 Uhr sprechenden Gründe einschließlich der Interessen der betroffenen Adressaten sind erwogen und Handlungsalternativen berücksichtigt worden. Ihre Erwägungen sind vor dem Hintergrund des eingeschränkten Prüfungsumfangs der Gerichte (§ 114 Satz 1 VwGO) rechtlich nicht zu beanstanden.
37
Insbesondere genügt das Verbot auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
38
Legitimer Zweck des Verbots des Verkaufs und der Abgabe von alkoholischen Getränken durch Gastronomiebetriebe zum Verzehr an Ort und Stelle zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages ist, wie auch der anderen insbesondere kontaktbeschränkenden Anordnungen der Allgemeinverfügung, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus durch die Reduzierung infektionsbegünstigender physischer Kontakte zeitlich und räumlich zu verlangsamen, um so eine Überlastung des Gesundheitssystems und das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit Betroffener an einer SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern. Insbesondere dienen die Anordnungen dem Zweck, das sog. Contact Tracing, also das Ermitteln der infektionsrelevanten Kontakte und die Durchbrechung der Infektionsketten durch Quarantänisierung, in ausreichendem Maße zu ermöglichen und die Gesundheitsbehörde handlungsfähig zu halten.
39
(a) Das von der Antragsgegnerin verfügte Verbot des Verkaufs und Ausschanks von Alkohol nach 22.00 Uhr ist eine geeignete Schutzmaßnahme zur Verhinderung weiterer Ansteckungen. Dabei reicht es nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen aus, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, U. v. 2.8.2012 - 7 CN 1.11 - juris Rn. 29, BayVGH, B. v. 13.8.2020 - 20 S 20.1821 - juris Rn. 27). Es ist demnach gerade nicht erforderlich, dass die Maßnahme allein den Zweck erreichen kann. Die von der Antragstellerin hauptsächlich gegen die Eignung des streitgegenständlichen Verbots vorgebrachten Einwände greifen im Ergebnis nicht durch.
40
Das Alkoholausschankverbot nach 22.00 Uhr in Gaststätten ist geeignet, die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln zu fördern, da alkoholisierte Menschen sich erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alkoholgenuss immer weniger an die bestehenden Regeln halten, und auf Ermahnungen oder Anweisungen durch wen auch immer zunehmend uneinsichtiger reagieren, was wiederum die Durchsetzung infektionsschutzrechtlicher Ge- und Verbote erheblich erschwert oder gar unmöglich macht. Insoweit wird auf die ausführlichen und nachvollziehbaren Erläuterungen der Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung verwiesen. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin hierfür keine wissenschaftlichen Belege oder konkrete Daten liefert, wie sie beispielsweise im Hinblick auf die Erfahrungen der Polizeibehörden und Ordnungskräfte mit alkoholisierten Menschenansammlungen an sogenannten Hotspots in anderen Allgemeinverfügungen angeführt wurden. Denn für eine derartige Annahme reicht aufgrund ihrer offensichtlichen Plausibilität der behördliche Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung bzw. der Hinweis auf die aktuell in M. gemachten Erfahrungen aus. Angesichts der Neuartigkeit des SARS-CoV-2 Virus ist nicht jeder Bereich des gesellschaftlichen Lebens im Hinblick auf seine epidemiologische Bedeutung bisher ausreichend wissenschaftlich erforscht und durch entsprechende Studien beleuchtet. Angesichts der Gefahren eines fortschreitenden Infektionsgeschehens ist die Antragsgegnerin aber nicht gehalten, künftige wissenschaftliche Erkenntnisse abzuwarten, sondern darf sich auf Plausibilitätserwägungen und die allgemeine Lebenserfahrung stützen.
41
Darüber hinaus trägt die Maßnahme, wie die Antragsgegnerin zu Recht ausführt, dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum, also nach Verlassen der Gaststättenbetriebe, insgesamt weniger stark alkoholisiert sind; insofern dient Nr. 6 der Allgemeinverfügung nicht nur der Reduzierung des Infektionsgeschehens während des Besuchs der Gastronomiebetriebe, sondern auch nach Verlassen derselben.
42
Im Hinblick auf die Wirkung von Alkohol ist in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Pandemie anerkannt, dass Alkoholkonsum aufgrund seiner enthemmenden Wirkung im Hinblick auf den Infektionsschutz zu problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) führen (so - im Blick auf Ansammlungen - BayVGH, B. v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - Rn. 31 juris; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 12.9.2020 - OVG 11 S 81.20 -, juris). Dies gilt aufgrund der physiologischen Wirkungen des Alkohols nicht nur bezüglich Ansammlungen von Jugendlichen an Hotspots, für Familienfeiern oder sonstige Veranstaltungen oder in den „typischen“ Bars und Kneipen, wo ausschließlich Alkohol konsumiert wird, sondern in jedem gesellschaftlichen Kontext und für alle Altersgruppen, also auch für solche Gruppen von Personen, die zum Genuss von Speisen in Restaurants und Speisewirtschaften zusammenkommen. Dabei sind zwei Aspekte der Wirkung von Alkohol zu sehen. Einerseits senkt die alkoholbedingte Enthemmung die Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, andererseits fördert sie auch die gerade in geschlossenen Räumen für die Ausbreitung des SARS-Cov-2-Virus förderliche Entstehung von Aerosolen. Befindet sich eine größere Anzahl von Menschen über einen längeren Zeitraum im selben Raum, so besteht nach derzeitigem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis die Gefahr der Bildung von Aerosolen, die beim Sprechen, vor allem beim lauten Sprechen oder Lachen entstehen und die wesentlich zur Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus beitragen. Die Infektionsgefahr ist dabei umso höher einzuschätzen, je mehr Aerosole gebildet werden, je länger die Verweildauer in dem Raum ist und je weniger gelüftet werden kann. Da der Konsum von Alkohol nach allgemeiner Lebenserfahrung die Lautstärke von Gesprächen und Gelächter ansteigen lässt und auch die Verweildauer in einem Lokal verlängert, erscheint es vor dem Hintergrund, dass in der kalten Jahreszeit eine ausreichende Belüftung nicht möglich ist, plausibel und nachvollziehbar, dass eine zeitliche Beschränkung des Alkoholkonsums auch unter diesem Aspekt geeignet ist, zur Verlangsamung des Infektionsgeschehens beizutragen.
43
Die Frage, ob das Alkoholausschankverbot bereits ab 22:00 Uhr (oder erst ab 23.00 Uhr) verhältnismäßig ist, ist keine Frage der Geeignetheit, sondern der Erforderlichkeit der Maßnahme (s.u. (b)).
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Die Eignung des Verbots des Ausschanks von alkoholischen Getränken nach 22.00 Uhr wird auch durch den Vorhalt der Antragstellerin, das Ausschankverbot habe keinen positiven Effekt auf das Infektionsgeschehen insgesamt, denn statt in Gastronomiebetrieben würden potentielle Gäste in entsprechend großen Gruppen im privaten Bereich trinken und Handlungen zur Umgehung des Ausschankverbots ab 22:00 Uhr wie rascheres und früheres Trinken oder Bestellung in erheblichen Mengen kurz vor 22:00 Uhr lägen auf der Hand, nicht in Frage gestellt. Ungeachtet etwaiger Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage reicht es für die Geeignetheit einer Maßnahme, wie oben dargelegt, aus, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt, wobei es ist für die Geeignetheit gerade nicht erforderlich ist, dass die Maßnahme allein den Zweck erreichen kann.
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Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass es bereits nach § 20 Nr. 2 des Gaststättengesetzes verboten ist, in Ausübung eines Gewerbes alkoholische Getränke an erkennbar Betrunkene zu verabreichen, ist dem schon entgegenzuhalten, dass die enthemmende Wirkung des Alkohols mit seinen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht problematischen Verhaltensweisen bereits deutlich früher einsetzen dürfte als mit einem erkennbaren Betrunkensein.
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(b) Das zeitlich beschränkte Verbot des Ausschanks von alkoholischen Getränken ist auch erforderlich. Gleich geeignete, den Adressatenkreis des Verbots weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich.
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Dabei ist zu erwägen, dass die bloße Fortführung der bereits bestehenden infektionsschutzrechtlichen Einschränkungen bezüglich des Gaststättenbetriebs insbesondere durch § 13 der 7. BayIfSMV sowie durch Nr. 2 i.V.m. 1 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung (begrenzte Teilnehmerzahl) als milderes Mittel ausscheiden, weil sie nach den überzeugenden Ausführungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der infektiologischen Entwicklung und der aktuellen Infektionslage in M. zur Vermeidung eines weiteren, insbesondere auch exponentiellen Anstiegs der Infektionszahlen evident nicht mehr ausreichen. Die Antragsgegnerin hat diesbezüglich unter Hinweis auf die bisher seit Ende August ergangenen Allgemeinverfügungen aufgezeigt, dass aufgrund stetig steigender Fallzahlen, die nicht mehr auf konkrete Ereignisse zurückführbar sind, sondern sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen, ein über die bisher ergriffenen Maßnahmen hinausgehender Handlungsbedarf besteht.
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In zeitlicher Hinsicht wäre ein hinausgeschobenes Ausschankverbot ab 23:00 Uhr, wie es auch die 7. BayIfSMV in § 25 Abs. 3 Nr. 6 - allerdings generell für die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle - vorsieht, zwar ein milderes, aber kein gleich geeignetes Mittel. Dabei ist auch hier zu berücksichtigen, dass, wie oben erläutert, der Antragsgegnerin insofern ein Ermessensspielraum zuzugestehen ist. Dass der Beginn des Verbots ab 22:00 Uhr die Grenzen dieses Spielraums überschreiten würde, hat die Antragstellerin nicht plausibel aufgezeigt. Vielmehr ist nach dem oben Gesagten nachvollziehbar, dass ein Beginn des Ausschankverbots erst ab 23:00 Uhr nicht ebenso effektiv wäre, um die nachteiligen Wirkungen eines sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Alkoholkonsum auf das Infektionsgeschehen einzudämmen.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen in dem auch von der Antragstellerin angeführten Beschluss vom 19.06.2020, 20 NE 20.1127, ausgeführt, soweit die Befürchtung des Antragsgegners, es könne alkoholbedingt zu einer Nichteinhaltung von Hygienestandards durch Gäste kommen, zutreffen sollte, stünden ihm jedenfalls mildere infektionsschutzrechtliche Mittel als eine Einschränkung der Bewirtungszeiten zur Verfügung, beispielsweise das Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke ab einer bestimmten Uhrzeit. Eben dieses Mittel hat die Antragsgegnerin hier gewählt. In derselben Entscheidung hat der BayVGH, worauf die Antragstellerin ebenfalls hinweist, zwar festgestellt, dass es durch die Öffnung der Gastronomiebranche bislang zu keinem nennenswerten Anstieg der Infektionszahlen gekommen ist. Die aktuelle Infektionslage stellt sich aber im Vergleich zur damaligen Lage (Juni 2020) in M. und auch bayern-, deutschland- und europaweit, wie ein Blick ins Ausland (etwa nach Frankreich, Tschechien oder in die Beneluxstaaten) und in die Verlautbarungen des RKI zeigt, wesentlich verschärfter dar.
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Schließlich ist auch die Möglichkeit einer Beschränkung des Verbots ausschließlich auf Schankwirtschaften kein gleich effektives Mittel. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Speisewirtschaften und Schankwirtschaften grundsätzlich möglich und durchführbar ist, wie z.B. ein Blick auf § 13 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV zeigt, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Übrigen unter Gleichheitsgesichtspunkten wiederholt gebilligt hat (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 14.7.2020 - 20 NE 20.1572 - juris). Auch ist richtig, dass der BayVGH in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass für den Bereich der Innengastronomie zwischen Speise- und Schankwirtschaften - ausgehend von den dort typischen Betriebskonzepten und Angeboten - erhebliche Unterschiede bestehen, die im Hinblick auf den Infektionsschutz bedeutsam sein können, so dass er bezüglich der damaligen Verordnungslage (§ 13 der 6. BayIfSMV) eine Ungleichbehandlung von Schank- und Speisewirtschaften für gerechtfertigt gehalten hat. Die hier in Streit stehende Maßnahme beschränkt sich jedoch auf ein Element, das sowohl den Schank- als auch den Speisewirtschaften gemein ist, namentlich den Ausschank von alkoholischen Getränken.
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Hierbei darf aber nicht übersehen werden, dass, anders als noch in der damals geltenden 6. BayIfSMV, in der aktuell geltenden 7. BayIfSMV der Verordnungsgeber in § 13 Schank- und Speisewirtschaften als Gastronomiebetriebe grundsätzlich gleichermaßen erlaubt, sie gleichstellt und sie denselben strengen Schutz- und Hygienevorschriften unterwirft. Auch § 25 Abs. 3 Nr. 6 der 7. BayIfSMV enthält keine Differenzierung von Gaststättenbetrieben nach Schank- und Speisewirtschaften. Damit ist davon auszugehen, dass zur Zeit in Speisewirtschaften und in Schankwirtschaften im Wesentlichen dasselbe infektionsschutzrechtliche Schutzniveau besteht, so dass die Antragsgegnerin ohne Ermessensfehler ein Alkoholverbot, wenn überhaupt, für beide Betriebsformen der Gastronomie für erforderlich halten konnte.
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Dass die mit dem Betrieb von Schankwirtschaften typischerweise einhergehenden Infektionsgefahren betreffend SARS-CoV-2 gleichwohl höher sein mögen als diejenigen in Speisewirtschaften, ist dabei unschädlich. Wie der Verordnungsgeber, so darf aber auch die Antragsgegnerin besonders bei Massenerscheinungen, wie hier den in M. bestehenden vielfältigsten gastronomischen Angebotsformen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz oder, aus anderem hier einschlägigen Blickwinkel, gegen das Übermaßverbot zu verstoßen; Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (BayVerfGH, E. v. 15.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 12; E. v. 15.5.2014 - Vf. 8-VII-12 u.a. - NJW 2014, 3215 - juris Rn. 103).
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Die Beschränkung des Verbots auf besonders große Gastronomiebetriebe, wie sie die Antragstellerin vorschlägt, ist ebenfalls nicht gleich geeignet, da, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, dies zu einer gerade nicht erwünschten Privilegierung von Schankwirtschaften, die in vielen Fällen kleiner sind als Speisewirtschaften, führen würde.
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(c) Das Verbot der Abgabe von alkoholischen Getränken nach 22.00 Uhr ist auch angemessen. Die Folgen für die Antragstellerin stehen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck der Maßnahme.
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Die Antragstellerin ist durch die angegriffene Allgemeinverfügung in ihrer Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Der Eingriff erfolgt jedoch lediglich auf der Ebene der Berufsausübung, sodass zu seiner Rechtfertigung lediglich vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen müssen (st. Rspr, vgl. etwa BVerfG, B. v. 20.12.2017 - 1 BvR 2233/17 - juris Rn. 11 m.w.N.), was im Hinblick auf den angestrebten Schutz der Gesundheit Einzelner und der Allgemeinheit als Positionen von überragender Bedeutung vor ansteckenden Krankheiten der Fall ist. Auch stehen gaststättenrechtliche Erlaubnisse von vornherein unter dem Vorbehalt der nachträglichen Anordnung von Auflagen aus Gründen des Schutzes der Allgemeinheit vor Gesundheitsgefahren (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Das angegriffene Verbot ist aufgrund der Befristung der angegriffenen Allgemeinverfügung bis zum 27. Oktober 2020 zeitlich beschränkt. Es kann mangels Angaben der Antragstellerin nicht davon ausgegangen werden, dass das zeitlich beschränkte und befristete Verbot für sich genommen den Betrieb der Antragstellerin existenziell bedroht. Solches hat die Antragstellerin auch nicht behauptet. Das Abgabeverbot von Alkohol nach 22.00 Uhr bedeutet insbesondere für die Antragstellerin, die ohnehin bereits um 24.00 Uhr schließt, keinen unzumutbaren Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit. Der Alkoholausschank wird für sie lediglich für zwei Stunden ihrer Betriebszeit eingeschränkt. Alle sonstigen kulinarischen Angebote der Antragstellerin bleiben ohne zeitliche Beschränkung zulässig. Es dürfte den Gästen gerade bei einer individuellen und exklusiven Betreuung durch das Personal ohne weiteres nahezubringen zu sein, dass und warum ab 22:00 Uhr die Weinbegleitung für die exklusiven Menüs entfallen muss. Die Antragstellerin kann auch ohne weiteres ihr Betriebskonzept während der Geltungsdauer des Verbots derart umstellen, dass sie ihr Angebot so organisiert, etwa durch einen früheren Beginn des Abendmenüs oder ein gestrafftes Angebot, dass der letzte Gang mit Weinbegleitung vor 22:00 Uhr beginnen kann. Dieser Eingriff in die unternehmerische Entscheidung und die Betriebsabläufe der Antragstellerin erscheint ohne weiteres zumutbar.
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Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie, Art. 14 GG, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, da Art. 14 GG das Erworbene und in Abgrenzung dazu Art. 12 GG den Erwerb schützt. Nachdem es hier nach dem Vortrag der Antragstellerin um entgehende Einnahmen geht, ist demnach ausschließlich der Erwerb betroffen. Anders wäre es nur, wenn die angefochtene Maßnahme den Betrieb der Antragstellerin in ihrer Existenz gefährden würde, wofür aber nichts vorgetragen ist.
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Angesichts dessen überwiegen die dargestellten öffentlichen Interessen an der Unterbindung weiterer Infektionen und der damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit und das Leben einzelner Personen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems die finanziellen Interessen der Antragstellerin (so im Ergebnis zuletzt auch BayVerfGH, E. v. 3.7.2020 - Vf. 34-VII-20 - a.a.O. Rn. 21 f.; dem folgend etwa BayVGH, B. v. 20.7.2020 - 20 NE 20.1606 - juris Rn. 33; B. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 - juris Rn. 30).
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2.3. Selbst wenn das Gericht von offenen Erfolgsaussichten der Klage ausgehen würde, käme eine Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis
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Die sofortige Vollziehung der streitgegenständlichen Abgabe von alkoholischen Getränken von 22.00 bis 6.00 Uhr ist als Teil eines Maßnahmenpakets zur Verhinderung der weiteren Verbreitung des Corona-Virus im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der Nachteil, den die betreffenden Anordnung der Antragstellerin auferlegt, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Dem Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG stehen der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens entgegen. Bei einer Abwägung eines zeitlich befristeten Eingriffs in das Grundrecht der Antragstellerin mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog (Nr. 1.5 Satz 2).