Inhalt

VG München, Urteil v. 20.08.2020 – M 10 K 18.4743
Titel:

Ausweisung aus dem Bundesgebiet

Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 84 Abs. 2 S. 1
VwGO § 101 Abs. 2, § 117 Abs. 5, § 124, § 124a Abs. 4
BZRG § 47 Abs. 3, § 51 Abs. 1, § 63 Abs. 1, Abs.4
Leitsätze:
1. Bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgericht eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (Anschluss an VGH München BeckRS 2012, 59963 Rn. 38) (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein relevanter Verstoß gegen das das Verwertungsverbot des Bundeszentralregistergesetzes hinsichtlich getilgter Eintragungen liegt nicht vor, wenn nicht zu verwertende Eintragungen in einem Ausweisungsbescheid nur im Sachverhalt aufgeführt, in der rechtlichen Würdigung aber nicht mehr berücksichtigt werden. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straffälligkeit, Verurteilung zu 4 Jahren und 10 Monaten wegen schweren Bandendiebstahls, überwiegendes öffentliches Interesse an der Ausreise, Aufenthaltsverbot, Abschiebung, Ausreisepflicht, Freiheitsstrafe, Roma, Strafzumessung, öffentliches Interesse, Prognose, Verwertungsverbot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 02.12.2020 – 10 ZB 20.2595
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27768

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
2
Der am … April 1992 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste mit seiner Familie im Mai 1999 in das Bundesgebiet ein, wo die Familie zunächst geduldet wurde. Am 10. Juli 2003 erhielt er eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrfach befristet verlängert wurde. Seit dem 23. November 2008 besitzt der Kläger eine Niederlassungserlaubnis. Der Kläger hatte zunächst weder einen Schulabschluss noch eine berufliche Ausbildung. Ab dem Alter von etwa 14 Jahren musizierte er als Alleinunterhalter in Gaststätten und bei Hochzeitsveranstaltungen, wodurch er geringfügige Einkünfte erzielte. Nachdem seine Mutter im Jahr 2008 ein Speiselokal eröffnet hatte, musizierte er auch dort. Im Jahr 2013 arbeitete er ein halbes Jahr lang als Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Vor seiner Inhaftierung lebte er überwiegend von finanziellen Zuwendungen durch seine Freundin und seine Mutter und lebte in der Wohnung seines Schwagers. Seit dem Alter von 19 Jahren konsumierte er Cannabis, zuletzt mehrfach täglich, und seit mehreren Jahren gelegentlich auch Kokain.
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Nach dem Rentenversicherungsverlauf bezog der Kläger ab dem Jahr 2007 bis auf zwei kurze Unterbrechungen zwischen Februar 2010 und August 2010 und zwischen Februar 2013 und März 2013 Arbeitslosengeld II.
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Der Kläger befand sich vom 4. November 2014 in Untersuchungshaft und im Anschluss in Vollstreckungshaft; er wurde nach vollständiger Verbüßung am 10. September 2019 aus der Strafhaft entlassen. Der Kläger hat während der Strafhaft den erfolgreichen Abschluss der Mittelschule erworben.
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Die Beklagte hat den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung aus dem Bundesgebiet angehört. Der Kläger hat mit Schreiben vom 17. Dezember 2017 hierzu vorgetragen, seine Familie sei 1999 aus Serbien nach Deutschland geflohen, weil sie dort als ethnische Minderheit der Roma und Sinti verfolgt gewesen seien. In Serbien habe er keinerlei Verwandte oder soziale Kontakte mehr. Er spreche kein Serbisch, da zuhause nur Romanes gesprochen worden sei. Seine Straffälligkeit sei aufgrund der damaligen starken Cannabisabhängigkeit und der daraus entstandenen finanziellen Notlage entstanden. Durch den starken Konsum habe er keinen Anschluss mehr zum normalen Leben gefunden. In der Haft habe er aber angefangen umzudenken und habe seit Haftbeginn keinerlei Drogen mehr konsumiert. Er habe intensiv im sozialtherapeutischen Wohngruppenvollzug mit zweimal wöchentlichen Gruppensitzungen an sich und seinen Defiziten gearbeitet. Er würde in Haft den qualifizierenden Mittelschulabschluss anstreben. Nach Haftentlassung möchte er eine Ausbildung beginnen, um sich wieder gesichert und drogenfrei ins Leben zu integrieren. Mit seiner Verlobten möchte er eine Familie gründen. Der Kontakt zu seiner Familie in Deutschland sei sehr gut, er bekäme jegliche Unterstützung, um nicht mehr straffällig zu werden. Er sei sich sicher, nicht mehr straffällig zu werden. Die drei Jahre Haft hätten zu einem Umdenken geführt. Nach Haftentlassung könne er als Reinigungskraft arbeiten.
6
Nach dem von der Beklagten angeführten Führungsbericht der JVA … vom 23. Januar 2018 war der Kläger als Hausarbeiter und mit Lohnarbeiten beanstandungsfrei beschäftigt. Er habe den Kurs zum Abschluss der Mittelschule erfolgreich beendet und sich in der Schule motiviert, interessiert und fleißig gezeigt und gute Leistungen erbracht. Mittlerweile sei er in der Wäscherei zum Arbeiten eingeteilt. Er befinde sich seit dem 6. September 2017 im sozialtherapeutisch orientierten Wohngruppenvollzug, wo er regelmäßig und engagiert an den Gruppenstunden teilnehme. Er werde als höflich, respektvoll, freundlich, hilfsbereit und ordentlich beschrieben. Er erhalte regelmäßig Besuch von seinen Eltern, seiner Schwester und sonstigen Verwandten und Bekannten. Disziplinarmaßnahmen hätten nicht verhängt werden müssen.
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Mit Bescheid vom 10. September 2018 wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1 des Bescheids), befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot unter der Bedingung, dass Straf- und Drogenfreiheit nachgewiesen wird, auf sechs Jahre, beginnend mit Ausreise. Wird die Bedingung nicht erfüllt, betrage die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot acht Jahre ab Ausreise (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung aus der Haft nach erfülltem Strafanspruch und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach Serbien an; im Fall einer Haftentlassung vor einer Abschiebung sei er verpflichtet, das Bundesgebiet bis spätestens vier Wochen nach Entlassung aus der Haft und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zu verlassen. Für den Fall nicht fristgerechter Ausreise wurde die Abschiebung nach Serbien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 3).
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Strafrechtlich sei der Kläger im Bundesgebiet wie folgt in Erscheinung getreten:
9
- Am 17. August 2007 sah die Staatsanwaltschaft München I von der Verfolgung einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem Diebstahl nach § 45 Abs. 2 JGG ab;
10
- am 22. April 2008 stellte das Amtsgericht München ein Verfahren wegen Diebstahls gegen Erbringung von Arbeitsleistungen nach § 47 JGG ein;
11
- am 8. Oktober 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht München wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem zweitägigen Jugendarrest. Wegen Zuwiderhandlung gegen die Auflagen wurden weitere vier Tage Jugendarrest verhängt;
12
- am 2. April 2009 erging durch das Amtsgericht München wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen eine richterliche Weisung. Da er den Auflagen zuwiderhandelte, wurde ein weiterer viertägiger Jugendarrest verhängt;
13
- am 30. November 2012 sah die Staatsanwaltschaft M. I von der Verfolgung des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 45 Abs. 1 JGG ab;
14
- am 15. Mai 2013 erging durch das Amtsgericht München wegen Erschleichens von Leistungen in fünf tatmehrheitlichen Fällen eine richterliche Weisung. Wegen Zuwiderhandlung gegen die Auflage wurde zunächst ein einwöchiger und sodann ein zweiwöchiger Jugendarrest verhängt;
15
- am 20. März 2014 verurteilte ihn das Amtsgericht München wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen;
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- am 13. November 2015 verurteilte ihn das Landgericht München I wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl in Mittäterschaft, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit Verabredung zu einem Verbrechen des schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren und sechs Monaten. Mit Urteil des Landgerichts München I vom 12. Mai 2017 wurde das Urteil aufgrund teilweise erfolgreicher Revision dahingehend abgeändert, dass der Kläger wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, in allen Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie des Diebstahls in Mittäterschaft in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und 10 Monaten verurteilt wurde.
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Der Kläger sei nach § 53 Abs. 1 AufenthG auszuweisen, da sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet gefährde und bei der vorzunehmenden Abwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise sein Interesse am weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Insbesondere die mit Urteilen vom 13. November 2015 bzw. 12. Mai 2017 abgeurteilten Straftaten gefährdeten die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Nach den Feststellungen des Strafgerichts sei er im Bereich der Betäubungsmitteldelikte bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Er gehe keiner geregelten Arbeit nach. Vor Inhaftierung habe er seine Tage in der Regel damit verbracht, Betäubungsmittel zu kaufen und selbst zu konsumieren. Einbruchsdiebstähle hätten dazu gedient, seine Drogensucht zu finanzieren, und zwar schon seit dem Jahr 2008. Bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten sei der Kläger mit einem Mittäter in eine Arztpraxis eingebrochen, in der sie einen Laptop, Briefmarken von erheblichem Wert und Bargeld entwendeten. Zwischen dem 4. April 2014 und dem 7. August 2014 sei es nach einer Verabredung mit zwei anderen Mittätern zu mehreren weiteren Einbruchsdiebstählen gekommen, bei denen Gegenstände im Wert von bis zu 40.000 Euro erbeutet und Schäden in Höhe von bis zu 2.000 Euro verursacht worden seien. Am 20. Oktober 2014 sei er gemeinsam mit anderen Mittätern durch Starnberg auf der Suche nach einem geeigneten Einbruchsobjekt gefahren, wobei es zu keinem unmittelbaren Ansetzen gekommen sei. Am 27. Oktober 2014 habe er sich mit den Mittätern nach Berlin begeben, um dort nach einem geeigneten Einbruchsobjekt Ausschau zu halten, wobei es auch hier nicht zu einem unmittelbaren Ansetzen gekommen sei. Das Gericht habe beim Kläger erkennbare Einbußen im sozialen Leistungsverhalten festgestellt, die Ausfluss einer weniger leistungsbereiten, dissozial geprägten Persönlichkeit seien; es sei nicht von einer konsumbedingten Veränderung auszugehen. Auch im Rahmen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung habe das Gericht noch einmal ausdrücklich dissoziale Persönlichkeitsanteile beim Kläger festgestellt, die dazu führten, dass keine günstige Sozialprognose vorliege.
18
Sein bisheriges Verhalten zeige der Ausländerbehörde, dass der Kläger offenbar nicht gewillt oder in der Lage sei, in Deutschland ein gesetzeskonformes Leben ohne Straftaten zu führen. Sein bisheriger Lebenslauf lasse deutlich erkennen, dass es sich bei den zuletzt abgeurteilten Straftaten nicht um bloße Jugendverfehlungen handele, sondern um den bisherigen Höhepunkt seiner strafrechtlichen Karriere. Bei den Eigentumsdelikten habe es sich gewissermaßen um Beschaffungskriminalität gehandelt. Dem stehe doch entgegen, dass schon das Strafgericht festgestellt habe, dass sein Betäubungsmittelkonsum und der sich daraus ergebende Suchtdruck nicht so erheblich seien, als dass dies als einzige Erklärung für seine Straffälligkeit herangezogen werden könnte. Die Tatsache, dass er sich erstmals für längere Zeit in Haft befinde und sich augenscheinlich gut führe, vermöge nichts an der aus Sicht der Ausländerbehörde vorliegenden Wiederholungsgefahr zu ändern. Dass eine so hohe Strafe gegen den Kläger verhängt worden sei, zeuge deutlich von der Schwere der Taten. Ein beanstandungsfreies Verhalten im geschützten Rahmen der Haft stelle keinen außergewöhnlichen, gegen eine Wiederholungsgefahr sprechenden Umstand dar. Jedenfalls bis zum erfolgreichen Abschluss einer Sozial- und Drogentherapie werde vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr auszugehen sein. Zusammenfassend seien die vom Kläger verübten Straftaten im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln, es bestehe eine erhöhte Wiederholungsgefahr und somit gehe vom Kläger die ernsthafte Gefahr weiterer besonders schwerwiegender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus.
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Beim Kläger wiege das Ausweisungsinteresse besonders schwer, da er wegen mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten verurteilt worden sei, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Auch § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG sei einschlägig, da es sich um Straftaten gegen das Eigentum handle, die serienmäßig begangen worden seien.
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Sein Bleibeinteresse wiege ebenfalls besonders schwer, da er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
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Bei der Abwägung seien insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familie und Angehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob er sich rechtstreu verhalten habe, zu berücksichtigen, § 53 Abs. 2 AufenthG. Dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung aufgrund der weiter bestehenden Gefahr weiterer schwerer Straftaten des Klägers stehe dessen Bleibeinteresse gegenüber. Der Kläger lebe seit Mai 1999 und somit seit seinem siebten Lebensjahr im Bundesgebiet, so dass er als faktischer Inländer zu sehen sei. Seine Integration stütze sich allerdings alleine auf den langen Aufenthalt; aktive Integrationsleistungen habe der Kläger kaum erbracht. Er habe erst in der Haft einen Schulabschluss erreicht. Vor Inhaftierung habe er von Zuwendungen seiner Freundin und seiner Familie gelebt bzw. langjährig Arbeitslosengeld II bezogen. Eine wirtschaftliche Integration liege nicht vor. Auch sonst habe keine nachhaltige Integration stattgefunden, wie die begangenen Straftaten zeigten. Dagegen sei davon auszugehen, dass seine Sprachkenntnisse für eine Rückkehr ausreichend seien. Durch die Telefonüberwachung bei den polizeilichen Ermittlungen sei bekannt, dass er sowohl Serbisch als auch Romanisch fließend spreche. Dem Kläger könne zugemutet werden, sich in seiner Heimat eine eigene Existenz aufzubauen. Demgegenüber finde er nach seiner Haftentlassung im Bundesgebiet keinen positiven Empfangsraum vor, in den er zurückkehren könne. Vielmehr komme er in das gleiche instabile Umfeld zurück, in dem er seit vielen Jahren Straftaten begehe und Drogen konsumiere. Er besitze im Bundesgebiet keine eigene Kernfamilie. Als sechsundzwanzigjähriger Mann sei er nicht mehr auf die Fürsorge und den Beistand seiner in München lebenden Eltern bzw. Verwandten angewiesen. Aufgrund der drohenden Wiederholungsgefahr müssten in seinem Fall die privaten Belange zurückstehen. Die Ausländerbehörde habe seinen Bindungen und dem langjährigen Aufenthalt mit der Befristung der Ausweisungswirkung auf sechs Jahre Rechnung getragen. Zur Abmilderung etwaiger Härten habe der Kläger darüber hinaus die Möglichkeit, Betretenserlaubnisse für das Bundesgebiet zu beantragen. Letztlich ergebe die Abwägung der öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthalts mit seinem persönlichen Interesse an einem weiteren Verbleib unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts überwiege.
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Mit der Ausweisung erlösche sein Aufenthaltstitel; er sei zur Ausreise verpflichtet, da er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitze.
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Außer der gesetzlichen Ausreisepflicht habe die Ausweisung ein Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge. Diese Folgen würden bei Erfüllung der genannten Bedingungen auf sechs Jahre befristet. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sei das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedürfe der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Klägers seine persönlichen Interessen zurückdränge. Er sei aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen und von ihm gehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Somit dürfe die Fristlänge fünf Jahre überschreiten. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachte die Ausländerbehörde auch im Hinblick auf seine familiären und persönlichen Bindungen im Bundesgebiet einen Zeitraum von sechs Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential Rechnung tragen zu können. Für die Sechsjahresfrist sei Bedingung, dass der Kläger keine neuen Ausweisungsgründe verwirkliche, nachzuweisen durch Vorlage eines Führungszeugnisses ohne Eintrag, sowie das Drogenfreiheit mittels Haartest nachgewiesen werde. Sollte der Kläger die Bedingungen nicht erfüllen, werde die Sperrfrist auf acht Jahre ab Ausreise befristet. Unter erneuter Berücksichtigung der öffentlichen und privaten Interessen, insbesondere des besonders schweren Anlassdelikts und der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet, erscheine eine Verlängerung der Grundfrist um zwei Jahre geeignet, erforderlich und angemessen. Besondere Härten, die sich durch die Sperrwirkung der Ausweisung ergäben, könnten durch Ausnahmegenehmigungen nach § 11 Abs. 8 AufenthG gemildert werden.
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Sein Aufenthalt sei nach erfülltem Strafanspruch des Staates durch Abschiebung zu beenden. Er befinde sich auf richterliche Anordnung in Haft. Seine Ausreise bedürfe daher der Überwachung. Einer Fristsetzung bedürfe es nicht, er werde nach erfülltem Strafanspruch des Staates aus der Haft abgeschoben. Für den Fall, dass er aus der Haft entlassen werde, bevor die Ausländerbehörde die Abschiebung durchführen könne, sei er verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen. Hierzu werde eine angemessene Ausreisefrist gesetzt.
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Der Kläger hat mit Eingang am 25. September 2018 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2018 aufzuheben.
27
Zur Begründung wird vorgetragen, im angegriffenen Bescheid würden Voreintragungen des Klägers berücksichtigt, die bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt seien. Insoweit habe auch das Landgericht München II im Urteil vom 12. Mai 2017 Voreintragungen nicht berücksichtigt. Soweit im Bescheid ausgeführt werde, dass auch bei der Gesamtstrafenbildung ausdrücklich nochmals die dissozialen Persönlichkeitsanteile des Klägers festgestellt worden wären, habe das Landgericht letztlich nur Hilfserwägungen angestellt. Bei der eigentlichen Strafzumessung finde sich eine entsprechende Einschätzung durch die Strafkammer nicht. Bei der Abwägung zwischen Ausweisungsinteresse und Bleibeinteresse werde behauptet, die Ausweisung würde den Kläger zwar schwer, aber nicht unverhältnismäßig treffen. Hierbei werde auf die wiederholt begangenen Straftaten abgestellt. Es werde auch behauptet, der Kläger habe keinen positiven Empfangsraum in Deutschland. Hierbei werde auf die familiäre Situation eingegangen, dass auch ein Mittäter zur Familie gehöre. Dabei werde jedoch nicht berücksichtigt, dass dieser Familienangehörige länger in Haft bleiben werde. Die Mutter des Klägers sei letztlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, was eine günstige Sozialprognose voraussetze. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Straftaten 22 Jahre alt gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass in diesem Alter die Persönlichkeitsentwicklung abgeschlossen sei. Der Kläger habe sehr frühzeitig die Taten gestanden und zur Aufklärung beigetragen, so dass ihm eine Strafrahmenverschiebung zugebilligt worden sei. Der Kläger habe sich von seinen strafbaren Handlungen distanziert. Soweit in einem Gutachten im Rahmen des Strafverfahrens von einer dissozial geprägten Persönlichkeit ausgegangen worden sei, habe sich der Kläger im Vollzug positiv geführt. Entsprechend sei von einer positiven Veränderung seiner Persönlichkeit auszugehen. Letztlich handle es sich bei den abgeurteilten Taten um eine Episode, die nicht auf eine durchgängig negative kriminelle Perspektive schließen lasse.
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Das Gericht hat am 24. Oktober 2019 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Das Gericht regte eine einvernehmliche Lösung an. Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung für den Fall, dass keine Einigung zu Stande kommt, verzichtet.
29
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 schloss die Beklagte die Erteilung einer Bewährungsduldung aus. Eine konkrete Gefahr weiterer schwerer Straftaten bestehe fort. Der Kläger sei zuletzt wegen einer erheblichen Zahl von Einzeltaten zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Das im Strafverfahren eingeholte Gutachten vom 27. August 2018 habe im Einzelfall neben positiven Indikatoren eine ganze Reihe negativer Umstände festgestellt. Insbesondere gehe auch die Gutachterin von einer ganz erheblichen Rückfallwahrscheinlichkeit aus. Zudem habe die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 12. Oktober 2018 die Zweidrittelentlassung abgelehnt und mit Beschluss vom 7. Juni 2019 Führungsaufsicht für den maximal zulässigen Zeitraum von fünf Jahren angeordnet, wobei ausdrücklich eine positive Sozialprognose verneint worden sei. Zuvor hätten sich Staatsanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt ebenfalls für Führungsaufsicht ausgesprochen. Der Kläger habe mit seiner Familie mehrmals Urlaubsreisen nach Serbien unternommen, woraus sich Bindungen ans Heimatland ergäben. Die Integration des Klägers im Bundesgebiet sei sehr begrenzt. Abgesehen von seiner Schwerkriminalität sei der Kläger vor seiner Inhaftierung kaum erwerbstätig gewesen, habe keinen beruflichen Abschluss erworben und sei enorm verschuldet. Unabhängig von der Spezialprävention sei die Ausweisung auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt.
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Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2020 entgegnete der Kläger, dass die angeordnete Führungsaufsicht auf der Tatsache beruhe, dass die Freiheitsstrafe bis zuletzt vollstreckt worden sei. Damit sei nach § 68 f Abs. 1 StGB zwingend Führungsaufsicht anzuordnen. Eine konkrete Prognoseentscheidung habe nicht stattgefunden. Es wurde das in der Haft erworbene Mittelschulzeugnis vom 26. Januar 2018 vorgelegt. Der Kläger habe sich mittlerweile beim Amt für Wohnen der Beklagten als Wohnungssuchender gemeldet. Weiter wurden eine Arbeitsbeurteilung des derzeitigen Arbeitgebers des Klägers (* …*) vom 31. Januar 2020 sowie eine Beratungsbestätigung vom 5. Februar 2020 der Suchtberatungsstelle … von ... vorgelegt, wonach der Kläger zwischen dem 18. September 2019 und dem 5. Februar 2020 insgesamt fünf Beratungsgespräche in Anspruch genommen habe.
31
Mit Schreiben vom 6. Juni 2020 legte die Beklagte ergänzende Telefonvermerke vor, zuletzt vom 24. März 2020. Danach sei der Kläger nach wie vor am … bis Juli 2020 beschäftigt, aufgrund der aktuellen Situation mit Corona sei offen, wie es danach weitergehe. Der Kläger habe bis März 2020 dort gearbeitet, jetzt sei nur noch Notbetrieb.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf für den Fall, dass keine Einigung zu Stande kommt, verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
34
2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Ausweisungsbescheid der Beklagten vom 10. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
35
Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 117 Abs. 5 VwGO.
36
Ergänzend wird zum Klagevorbringen ausgeführt:
37
2.1 Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Maßstäbe, die der rechtlichen Beurteilung einer Ausweisungsverfügung zugrunde zu legen sind, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2017 geklärt (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 20 ff.) und in der Folge bestätigt (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2017 - 1 C 12.16 - juris Rn. 15 ff.). Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder „besonders schwerwiegend“ (Absatz 1) oder als „schwerwiegend“ (Absatz 2). Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
38
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG festgestellt, da der Kläger wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren verurteilt worden ist. Vorliegend wurde der Kläger zuletzt vom Landgericht München II mit Urteil vom 12. Mai 2017 wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, in allen Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie des Diebstahls in Mittäterschaft in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und 10 Monaten verurteilt.
39
Die vom Gesetzgeber normativ in § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund des hohen Strafmaßes prognostizierte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht auch weiter.
40
Bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgericht eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (BayVGH, U.v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - BeckRS 2012, 59963).
41
Es müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass auch in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit durch neue Straftaten des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 28.06.2016 - 10 B 15.1854 - BeckRS 2016, 50099). Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 18). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Kläger weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Diese Gefahr beruht auch gerade auf der strafgerichtlichen Verurteilung, sodass der erforderliche Kausalzusammenhang gegeben ist.
42
In dem im Strafverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 27. August 2018 kam die Gutachterin unter anderem zum Ergebnis, dass der Kläger zwar dissoziale und kränkbare Persönlichkeitszüge zeige. Seine Persönlichkeitsentwicklung sei jedoch auch und das nicht unerheblich durch seinen Drogenkonsum mitgeprägt und nicht wie sonst üblich durch die altersübliche Bewältigung von Anforderungen des Alltags-, Berufs- und persönlichen Lebens. Mittlerweile habe der Kläger einen Schulabschluss geschafft. Inwieweit er sich ins Berufsleben integrieren werde und ob er eine Ausbildung zu Ende bringen werde, müsse erst der weitere Lebensverlauf zeigen, somit auch, ob seine Verhaltensmuster anhalten werden und seine soziale Funktions- und Leistungsfähigkeit gestört bleiben werde. Eine kriminogene Motivation sei beim Kläger durchaus erkennbar. Er zeige auch eher instabile Beziehungsmuster; überwiegend habe er sehr kurze, eher sexuelle Verhältnisse zur Frauen gehabt. Arbeitsverhältnisse habe er bisher nie längere Zeit aufrechterhalten können und letzten Endes zuletzt auch nicht mehr danach gesucht. Sein Cannabiskonsum zeige eine Toleranzentwicklung über die Jahre sowie einen Kontrollverlust bei starkem Wunsch, Marihuana zu konsumieren. Auflagen in Form von Sozialstunden habe er nicht geleistet und somit wiederholt verlängerten Jugendarrest erhalten. Auch sein familiäres Umfeld weise dementsprechende Vorstrafen auf, insbesondere die Mutter. Ein Bruder sei derzeit wegen einer Schlägerei inhaftiert. Dieses kriminelle Umfeld, in das der Kläger zurückkehren wolle, begünstige die Prognose in keinster Weise. Was seine Persönlichkeitsentwicklung betreffe, sehe er bei sich kein Drogenproblem mehr und sei zu einer Therapie jetzt nicht mehr motiviert. Seine frühere Motivation habe auch nur darin gelegen, eine Verkürzung der Haftzeit zu erreichen, wie er selbst zugegeben habe. Mit seiner Delinquenz gehe er nur teilweise selbstkritisch um. Es werde eine ambulante Drogentherapie direkt im Anschluss an die Entlassung vorgeschlagen. Es müsse auch ein geregeltes Einkommen sicher gestellt sein und eine geeignete Wohnform gefunden werden. Nur wenn der Kläger bereit sei, diese Auflagen zu akzeptieren und an der Therapie mitzuwirken und sie durchzuhalten, sei aus forensisch-psychiatrisches Sicht dann noch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von eine günstigen Sozial- und Legalprognose auszugehen.
43
Im Führungsbericht der JVA ... vom 10. September 2018 wird zunächst ausgeführt, der Kläger verhalte sich ruhig, gesetzt, verträglich, nüchtern und besonnen. Gegenüber den Bediensteten verhalte er sich anständig, gefällig und erkenne Autoritäten an. Auch den Mitgefangenen gegenüber zeige er sich verträglich, zurückhaltend und friedliebend. Allerdings habe sich der Kläger für die Arbeit in der Gefängnisverwaltung als nicht geeignet gezeigt und sei abgelöst worden. Es sei eine Suchtproblematik unbekannten Ausmaßes vorhanden. Im Bericht vom 26. März 2019 wird ausgeführt, das Verhalten des Klägers sei nicht beanstandungsfrei gewesen. Er habe 7 Tage Arrest erhalten, weil er synthetische Cannabinoide (Spice) konsumiert habe. Es liege ein kontrollierter Substanzkonsum vor. Aufgrund des doch eher kontrollierten Konsums werde die Anbindung an eine Drogenberatungsstelle für sinnvoll erachtet, um den riskanten Konsum zu thematisieren. Dies könne gegebenenfalls in eine ambulante Therapie münden. Da der Kläger es bisher nicht geschafft habe, sich altersgemäß unabhängig von elterlicher oder anderweitiger Unterstützung einen legalen Broterwerb aufzubauen, als auch wegen des strafrechtlichen Erscheinungsbildes erscheine die Führungsaufsicht notwendig. Diese sollte bei Vollverbüßung der Freiheitsstrafe eintreten und auf 5 Jahre festgesetzt werden. Verschiedene strafbewehrte Weisungen wurden vorgeschlagen. Der Kläger wurde erst nach vollständiger Strafverbüßung entlassen.
44
Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht ... vom 7. Juni 2019 wurde gegenüber dem Kläger unter anderem angeordnet, dass die Führungsaufsicht nicht entfällt und ihre Höchstdauer nicht abgekürzt wird. Sein Abhängigkeitssyndrom von Cannabis lasse erneute Straftaten befürchten, da er auch dafür Geld beschaffen müsse. Seine Entlassungssituation stelle sich weiterhin nicht günstig dar, eine positive Sozialprognose können nicht mehr gestellt werden. Er wurde der zuständigen Bewährungshilfe- und Führungsaufsichtsstelle unterstellt.
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Seit seiner Entlassung am 10. September 2019 wohnt der Kläger wieder bei seiner Mutter. Nach der vom Kläger vorgelegten Arbeitsbestätigung war er seit dem 1. Oktober 2019 als Aushilfe in der Abteilung Transport fall- und bedarfsweise beim … am … beschäftigt. Wie eine Nachfrage der Beklagten ergab, sollte das befristete Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2020 enden. Bereits seit April 2020 war er aufgrund der Coronasituation tatsächlich nicht mehr beschäftigt, sondern wegen des Notbetriebs freigestellt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er mittlerweile eine andere Anstellung oder sonstige Beschäftigung zur Einkommenserzielung hat. Er hat offenbar auch entgegen seiner ursprünglichen Planung keine eigene Wohnung.
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Der Kläger hat nach einer vorgelegten Bestätigung der Suchtberatungsstelle … vom 5. Februar 2020 bisher 5 Beratungsgespräche in Anspruch genommen. Er nehme die Angebote der Beratung offen und motiviert war. Vereinbarungen und Termine würden zuverlässig eingehalten. Es sei ein weiterer Termin vereinbart. Eine aussichtsreiche Fortführung, geschweige einen erfolgreichen Abschluss einer Drogentherapie sowie eine längerfristige Drogenfreiheit hat der Kläger damit aber nicht nachgewiesen.
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Auch wenn der Kläger mit der Aufnahme einer Tätigkeit kurz nach Haftentlassung sowie mit den Beratungsgesprächen zu seiner Suchtproblematik gute erste Schritte hin zu einem künftigen straffreien Leben unternommen hat, reicht dies doch nicht aus, die sich in den begangenen Straftaten manifestierte und im psychologischen Gutachten grundlegend festgestellte Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten auszuräumen, zumal es ihm bisher auch nicht gelungen ist, seine soziale und wirtschaftliche Situation grundlegend zu verändern. Es ist derzeit von einer erheblichen Gefahr der Begehung erneuter Straftaten auszugehen.
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2.2 Soweit die Beklagte im angefochtenen Ausweisungsbescheid auch frühere strafrechtliche Entscheidungen, überwiegend aufgrund des Jugendgerichtsgesetzes aufzählt, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsentscheidung.
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Ein Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG i.V.m. § 63 Abs. 1 und 4 BZRG bestand zwar für Eintragungen im Erziehungsregister. Danach dürfen Eintragungen von Verurteilungen bzw. Entscheidungen und Anordnungen, die getilgt worden oder tilgungsreif sind, dem Betroffenen im Rechtsverkehr, wozu auch das Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. April 1984, Az. 1 C 57.81, NVwZ 1984, 653), nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Maßgeblich für die Tilgung oder Tilgungsreife ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Hinsichtlich der Eintragungen im Erziehungsregister hat bereits das Landgericht München II im Urteil vom 12. Mai 2017 festgestellt, dass diese aus dem Erziehungsregister zu entfernen waren und nicht mehr berücksichtigt werden durften.
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Dagegen war die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen durch das Amtsgericht München mit Urteil vom 20. März 2014 sowohl im Strafverfahren vor dem Landgericht München II wie auch im ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren noch verwertbar. Insoweit lag bereits eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht vor. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG beträgt die Tilgungsfrist bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen 5 Jahre. Allerdings ist nach § 47 Abs. 3 BZRG die Tilgungsfrist gehemmt. Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG gilt aber für die letzte Verurteilung vom 12. Mai 2017 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten eine Tilgungsfrist von 15 Jahren; diese ist ersichtlich nicht abgelaufen.
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Die nicht zu verwertenden Eintragungen im Erziehungsregister wurden von der Beklagten im Bescheid aber nur im Sachverhalt (unter I.) unter „Strafrechtliches Erscheinungsbild“ aufgeführt. In der „Rechtlichen Würdigung“ (unter II.) wurden die zuvor aufgeführten Eintragungen nicht mehr berücksichtigt, vielmehr stellte die Beklagte weitestgehend nur auf die zuletzt gemäß Urteil vom 12. Dezember 2017 begangenen Straftaten ab. Damit liegt kein vom Klägerbevollmächtigten gerügter relevanter Verstoß gegen das Verwertungsverbot des Bundeszentralregistergesetzes vor.
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2.3 Die Beklagte hat auch zutreffend das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, da er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich schon seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, gesehen und in ihre Abwägung eingestellt. Der Kläger hält sich seit 1999 im Bundesgebiet auf und hat sein Herkunftsland bereits im Alter von sieben Jahren zusammen mit seiner Familie verlassen. Auch die Eltern und Geschwister des Klägers leben seitdem in der Bundesrepublik.
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Unter Berücksichtigung der weiteren relevanten Umstände fällt die Abwägung im Rahmen einer Gesamtwürdigung letztlich zulasten des Klägers aus.
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Dabei sind insbesondere, aber nicht ausschließlich die in den §§ 54 f. AufenthG aufgezählten Ausweisungs- bzw. Bleibeinteressen in die Abwägung einzubeziehen. Daneben können weitere Umstände im Einzelfall eine andere Bewertung rechtfertigen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49), insbesondere die vom Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) genannten Kriterien sind zu berücksichtigen. Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie das Maß der Schwierigkeiten, denen die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (EGMR, U.v. 18.10.2006 - 46410/99 - juris).
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Der Kläger hat im Bundesgebiet erhebliche Straftaten begangen, die zu dem besonders schweren Ausweisungsinteresse führen. Der Kläger ist im Bundesgebiet trotz seines langjährigen Aufenthalts augenscheinlich nicht sonderlich integriert. Er hat zwar mittlerweile in Haft den mittleren Schulabschluss nachgeholt, er hat jedoch keine berufliche Ausbildung und derzeit auch keine Arbeit, mit der er seinen Lebensunterhalt finanzieren könnte. Er hat bisher außer einigen Beratungsgesprächen nicht nachgewiesen, dass er sich grundlegend mit seiner latenten Drogenproblematik auseinandergesetzt und davon Abstand gefunden hat. Er hat keine eigene Wohnung, sondern wohnt seit Haftentlassung wieder bei seiner Mutter, die bei einzelnen seiner Straftaten als Hehlerin beteiligt war. Auch ein Bruder war wegen abgeurteilter Straftaten in Haft. Der mittlerweile 28-jährige Kläger ist anders als ein Minderjähriger nicht wesentlich auf den Beistand seiner Familienangehörigen im Bundesgebiet angewiesen. Er hat selbst keine Kinder oder eine Ehefrau. Ihm ist zuzumuten, in sein Herkunftsland zurückzukehren und dort ein eigenständiges Leben aufzubauen. Er kann sich in seinem Herkunftsland auch durchaus verständigen, er hat selbst angegeben, zumindest gebrochen serbisch zu sprechen. Seine Chancen, sich dort eine soziale und wirtschaftliche Existenz aufzubauen, sind nicht wesentlich schlechter als im Bundesgebiet.
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3. Auch die weiteren Anordnungen der Beklagten in den Nummern 2 und 3 des angefochtenen Bescheids sind rechtmäßig.
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Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG in Nr. 2 des Bescheids auf sechs Jahre unter der Bedingung der nachgewiesenen Straffreiheit, ansonsten acht Jahre ist verhältnismäßig. Die Frist berücksichtigt die Anforderungen des § 11 Abs. 5 AufenthG, da sie zehn Jahre nicht übersteigt. Angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Klägers ist sie auch angemessen.
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Auch die Androhung der Abschiebung des Klägers aus der Haft heraus gemäß § 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ist rechtlich nicht zu beanstanden, hat sich aber mittlerweile infolge der Haftentlassung des Klägers erledigt. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung für den Fall, dass die Abschiebung während der Haft nicht durchgeführt werden kann, sind ebenfalls rechtmäßig im Sinne des § 59 AufenthG. Der Kläger ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig; durch die Ausweisung ist sein Aufenthaltstitel erloschen (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.