Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 17.09.2020 – Au 9 K 20.30940
Titel:

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines in Deutschland geborenen nigerianischen Kleinkinds

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 3e, § 4, § 30 Abs. 3 Nr. 7
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
Leitsätze:
1. Art. 31 Abs. 8 Asylverfahrens-RL enthält in seiner enumerativen Aufzählung keine rechtliche Grundlage, auf die sich § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG stützen ließe. Aufgrund der Unvereinbarkeit mit Unionsrecht ist § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG daher nicht anzuwenden (vgl. VG Minden BeckRS 2019, 15828). (Rn. 27 – 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. (Rn. 30 – 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Da Genitalverstümmelung in ländlichen Gebieten Nigerias weiter verbreitet ist als in Städten, ist es den Eltern eines gefährdeten Mädchens im Fall einer tatsächlichen Bedrohung möglich, sich in einem städtischen Gebiet niederzulassen, in welchem die Beschneidungspraxis nicht mehr derart verbreitet ist. So gilt die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung in Lagos mittlerweile als absolute Ausnahme. (Rn. 35) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Im Hinblick auf religiös motivierte Auseinandersetzungen kann in Nigeria ein landesweiter innerstaatlicher Konflikt iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG nicht angenommen werden. Die insoweit immer wieder aufkommenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen bzw. die Auseinandersetzungen mit "Boko Haram" sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne der Vorschrift auf. (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine solche kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem (VGH München BeckRS 2018, 37518). (Rn. 41) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Nigeria, Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ (bestätigt), Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (verneint), keine hinreichende Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung (FGM), innerstaatliche Fluchtalternative, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), nigerianische Asylbewerberin, Kleinkind, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, weibliche Genitalverstümmelung, Igbo, interner Schutz, subsidiärer Schutz, Boko Haram, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Lebensumstände in Nigeria, Corona-Pandemie, RL 2013/32/EU
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27744

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
2
Die am ... 2019 in ... (Bundesrepublik Deutschland) geborene Klägerin ist nigerianische Staatsangehörige mit Volkszugehörigkeit der Igbo und christlichem Glauben.
3
Für die Klägerin wurde am 6. Februar 2020 ein Asylantrag mit Eingang des Schreibens der Ausländerbehörde vom 4. Februar 2020 aufgrund der Antragsfiktion des § 14a Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) als gestellt erachtet. Eine Beschränkung des Asylantrages gemäß § 13 Abs. 2 AsylG auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht. Von einer persönlichen Anhörung der Klägerin im Asylverfahren wurde gemäß § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG abgesehen, weil der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter sechs Jahren gestellt erachtet wurde und der Sachverhalt aufgrund der Verfahrensakten der Eltern (Aktenzeichen des Bundesamts: ...) ausreichend geklärt ist.
4
Mit Schreiben des Bundesamts für ... (im Folgenden: Bundesamt) vom 8. April 2020 wurden die Eltern der Klägerin aufgefordert, schriftlich zu eigenen Asylgründen der Klägerin Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ging dem Bundesamt am 16. April 2020 zu. Insoweit wurde auf die Asylantragstellung der Eltern verwiesen. Es würden dieselben Verfolgungsgründe auch für die Klägerin geltend gemacht.
5
Die Asylanträge der Eltern und der in Italien geborenen Schwester der Klägerin wurden mit Bescheid des Bundesamts vom 22. März 2019 als offensichtlich unbegründet abgelehnt und es wurde eine Abschiebungsandrohung nach Nigeria ausgesprochen. Sämtliche von den Eltern der Klägerin hiergegen eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2019 (Az: M 8 K 19.31454) wurde die gegen die ablehnende Entscheidung des Bundesamts erhobene Klage abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
6
Das vorbezeichnete Urteil ist seit dem 24. August 2020 rechtskräftig. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
7
Mit Bescheid des Bundesamts vom 10. Juni 2020 (Gz.: ...) wurde der Antrag der Klägerin auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass auch der Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4). In Nr. 5 wird die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde der Klägerin die Abschiebung nach Nigeria angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass die Klägerin auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet sei. In Nr. 6 des Bescheids wird das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
8
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte offensichtlich nicht vorlägen. Die Klägerin sei kein Flüchtling i.S.d. § 3 AsylG. Es bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Klägerin im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland die Durchführung einer Genitalverstümmelung drohe. Eine drohende Verfolgung sei durch die Eltern bereits nicht glaubhaft vorgetragen. Insoweit könne auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München im Urteil vom 19. August 2019 verwiesen werden. Es bestehe auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit staatlicher Verfolgung allein wegen einer Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Der Asylantrag werde zudem als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG sei ein Asylantrag für einen nach dem Asylgesetz handlungsunfähigen Ausländer als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn er gestellt werde oder nach § 14a AsylG als gestellt gelte, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des alleinpersonenberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden seien. Die Asylanträge der Eltern der Klägerin seien am 24. August 2019 unanfechtbar abgelehnt worden. Erst am 6. Februar 2020 sei für die Klägerin Asylantrag gestellt worden. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der derzeit weltweit auftretenden Covid-19-Pandemie ergebe sich keine andere Bewertung der Sachlage. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe der Klägerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange lägen zugunsten der Klägerin nicht vor. Diese verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen seien.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 10. Juni 2020 wird ergänzend verwiesen.
10
Der vorbezeichnete Bescheid wurde den Eltern der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 17. Juni 2020 bekannt gegeben.
11
Die Klägerin bzw. deren gesetzliche Vertreter haben mit Schriftsatz vom 17. Juni 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragen,
12
1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2020 (Az.: ...) wird aufgehoben.
13
2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.
14
3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren.
15
4. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
16
Zur Begründung wurde auf die Angaben der gesetzlichen Vertreter der Klägerin gegenüber der Beklagten Bezug genommen. Eine weitergehende Klagebegründung ist nicht erfolgt.
17
Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.
18
Mit Berichtigungsbescheid des Bundesamts vom 20. Juli 2020 wurde die Begründung des mit der Klage angegriffenen Bescheids zum Vorliegen von Abschiebungsverboten neu gefasst. Auf den diesbezüglichen Änderungsbescheid wird Bezug genommen.
19
Ein von der Klägerin angestrengtes Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Az.: Au 9 S 20.30941) blieb mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Juni 2020 ohne Erfolg. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
20
Mit weiterem Gerichtsbeschluss vom 7. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
21
Am 17. September 2020 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der die gesetzlichen Vertreter der Klägerin informatorisch angehört wurden, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Akte der Eltern und der Schwester der Klägerin (Gz.: ...) und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

23
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2020 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurde den Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2020 form- und fristgerecht geladen worden.
24
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamts vom 10. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz VwGO). Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Grundgesetz - GG), auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) bzw. auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Ebenfalls liegen zugunsten der Klägerin keine nationalen Abschiebungsverbote auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (§ 113 Abs. 5 Satz 1).
25
1. Die Beklagte hat in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 10. Juni 2020 im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Asylantrag der Klägerin als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 1, 2 AsylG) abzulehnen ist. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) bestehen an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamts vernünftigerweise keine Zweifel, so dass sich die Ablehnung des Asylantrags nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG [Kammer], B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00; BVerfG [Kammer], B.v. 3.9.1996 - 2 BvR 2353/95 - beide juris). Der Asylantrag war als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil bei der Klägerin im Ergebnis offensichtlich keine Gründe vorliegen, die für die Zuerkennung von Asyl oder internationalem Schutz relevant sind und auch (zielstaatsbezogene) Abschiebungshindernisse nicht vorliegen.
26
Die Ablehnung des Asylantrags der Klägerin als offensichtlich unbegründet erweist sich jedenfalls im Ergebnis als zutreffend. Zwar durfte das Bundesamt nicht § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG als Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet heranziehen.
27
a) Nach dieser Vorschrift ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a AsylG als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen dem Grunde nach vor. Die Vorschrift des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG steht jedoch nicht mit der Richtlinie 2013/32/EU in Einklang.
28
Nach Art. 32 Abs. 2 RL 2013/32/EU können die Mitgliedsstaaten im Fall von unbegründeten Anträgen, bei denen einer der in Art. 31 Abs. 8 RL 2013/32/EU aufgeführten Umstände gegeben ist, einen Antrag als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Dabei ist die in Art. 31 Abs. 8 RL 2013/32/EU erfolgte Aufzählung abschließender Natur, weil Art. 5 RL 2013/32/EU bei Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes lediglich die Einführung und die Beibehaltung günstigerer Bestimmungen vorsieht (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 15.12.2015 - 5 L 3947/15 A - juris Rn. 20 ff.). Art. 31 Abs. 8 RL 2013/32/EU enthält in seiner enumerativen Aufzählung indes keine rechtliche Grundlage, auf die sich eine nationale Vorschrift wie die des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG stützen ließe (vgl. VG Minden, B.v. 4.7.2019 - 6 L 715/19 A - juris Rn. 8 ff.; VG Minden, B.v. 30.8.2019, 10 L 370/19 A - juris Rn. 26). Aufgrund der Unvereinbarkeit mit Unionsrecht ist § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG daher nicht anzuwenden (vgl. EuGH, U.v. 22.5.2003 - C 462.99 - juris Rn. 40; EuGH, U.v. 9.3.1978 - C-106/77 - juris Rn. 21 bis 24).
29
Die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamts erweist sich jedoch im Ergebnis insbesondere unter Berücksichtigung der zum Asylverfahren der Eltern und der Schwester der Klägerin ergangenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2020 (rechtskräftig seit dem 24. August 2019) als zutreffend. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer für die Klägerin geltend gemachten Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung (FGM).
30
Für die Klägerin scheidet die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Asylanerkennung wegen einer vorgetragenen geschlechtsbezogenen Verfolgung (§ 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG) nach dem dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen offensichtlich aus. Zwar stellt die geltend gemachte zwangsweise Beschneidung einen asylerheblichen Eingriff dar, der vom Grundsatz her einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen kann.
31
Dabei geht das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich davon aus, dass die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen nach wie vor in Nigeria verbreitet ist. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% bis 60% (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria - Lagebericht - vom 21. Januar 2018, Stand September 2017, Nr. II.1.8).
32
Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch ist die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolgt dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Auch nach der allgemein zugänglichen Stellungnahme „The Epidemiology of Female Genital Mutilation in Nigeria - A Twelve Year Review“ ist selbst innerhalb der Ethnie der Yoruba von 2013 bis 2016 die Beschneidungspraxis stark rückläufig (von 54,5 auf 45,4%). Gesamtbetrachtet lag der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen in Nigeria im Jahr 2013 noch bei 24, 8%. 2017 waren es nur noch 18,4% (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - BFA - Nigeria, Gesamtaktualisierung vom 12.4.2019 Nr. 18.1, S. 38 m.w.N.).
33
Aufgrund dieser Erkenntnislage in Zusammenschau mit dem Vortrag der gesetzlichen Vertreter der Klägerin insbesondere in deren Asylverfahren und der nachfolgenden Rechtsstreitigkeiten vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München scheidet bei der Klägerin - für die eine Vorverfolgung in Nigeria aufgrund der Tatsache, dass sie in Deutschland geboren ist - aus, da eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Gefahr hinsichtlich der Durchführung einer Genitalverstümmelung nicht besteht. Dies auch unter Berücksichtigung der Volkszugehörigkeit der Klägerin zur Volksgruppe der Igbo.
34
Nach dem Informationsblatt des Bundesamts für ... - Informationszentrum Asyl und Migration - Weibliche Genitalverstümmelung - Formen, Auswirkungen - Verbreitung - Asylverfahren vom April 2010 verhält es sich bei der Volksgruppe der Igbo so, dass die Beschneidung während der Pubertät und vor der Heirat durchgeführt wird. Der Volkszugehörigen der Igbo im Südosten wird die Beschneidung innerhalb von sieben Tagen nach der Geburt vorgenommen. Bereits aufgrund dieser Erkenntnislage ist ausgehend vom Alter der Klägerin die Gefahr einer weiblichen Genitalverstümmelung für die Klägerin nicht hinreichend wahrscheinlich, so dass sich eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet aufdrängt.
35
Überdies ist davon auszugehen, dass der Klägerin interner Schutz vor Verfolgung zur Verfügung steht, § 3e Abs. 1 AsylG. Da Genitalverstümmelungen in ländlichen Gebieten weiter verbreitet sind als in den Städten, ist es den Eltern der Klägerin im Fall einer tatsächlichen Bedrohung möglich, sich in einem städtischen Gebiet niederzulassen, in welchem die Beschneidungspraxis nicht mehr derart verbreitet ist. So gilt beispielsweise die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung beispielsweise in Lagos mittlerweile sogar als absolute Ausnahme (vgl. zum Gesamten: Bundesamt für ... Informationszentrum Asyl und Migration - weibliche Genitalverstümmelung - Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren - April 2010, S. 44). Auch werden alleinstehende oder allein lebende Frauen im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - eher akzeptiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 10. Dezember 2018, Stand: Oktober 2018, Nr. II.1.8,S. 15). Eine Ansiedlung der Familie der Klägerin kann auch vernünftigerweise außerhalb der vormaligen Aufenthaltsorte der Großfamilien erwartet werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin eine Beschneidung der Klägerin selbst ablehnen. Die Familie dürfte bei einer Ansiedlung in Nigeria außerhalb der vormaligen Aufenthaltsorte - eine Gefahr der Beschneidung dürfte allenfalls von den Großfamilien ausgehen - hinreichenden Schutz vor der Gefahr einer Beschneidung bieten. Es ist den gesetzlichen Vertretern der Klägerin auch zumutbar, sich in einem anderen sicheren Gebiet des Landes niederzulassen und dort eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um jedenfalls das Existenzminimum zu sichern. Die Ansiedlung kann vorliegend auch vernünftigerweise erwartet werden. Zum einen wird die Klägerin gemeinsam mit ihren Eltern nach Nigeria zurückkehren. Zudem besteht die Möglichkeit effektiven Schutz und Unterstützung durch staatliche Stellen und NGO's, die über landesweite Netzwerke verfügen, zu erhalten (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA - Nigeria, Gesamtaktualisierung vom 12.4.2019, Nr. 20, S. 40; Bundesamt für ... Informationszentrum Asyl und Migration - weibliche Genitalverstümmelung - Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren - April 2010, S. 44). Dass dies hier aufgrund der Volkszugehörigkeit der Igbo anders sein könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Da in Nigeria kein funktionierendes Meldebzw. Fahndungssystem existiert, erscheint es als völlig abwegig, dass der Vater der Klägerin bei einer Einreise nach Nigeria beispielsweise am Flughafen bzw. an der Grenze als Volkszugehöriger der Igbo identifiziert würde und dies über soziale Kontakte die Beschneidung der Klägerin zur Folge hätte. Ebenfalls ist bereits nicht ersichtlich, wie die fehlende Beschneidung der Klägerin bei einer Ansiedlung in einer nigerianischen Großstadt überhaupt bekannt werden sollte. Dafür fehlen jegliche Anhaltspunkte.
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Aus den gleichen Gründen scheidet auch die geltend gemachte Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte im Sinne von Art. 16a GG offensichtlich aus.
37
Weiter liegen zugunsten der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt) offensichtlich nicht vor.
38
b) Ein landesweiter innerstaatlicher Konflikt ist für den Herkunftsstaat der Klägerin nicht festzustellen. Ein solcher kann auch nicht im Hinblick auf die religiös motivierten Auseinandersetzungen in Nigeria angenommen werden. Die insoweit immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen bzw. die Angriffe und Auseinandersetzungen mit der Gruppierung „Boko Haram“ sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts im Sinne der Vorschrift auf. Eine landesweite Verübung von Terrorakten durch die Organisation „Boko Haram“ findet nicht statt (vgl. dazu: AA, Lageberichte von Nigeria vom 16. Januar 2020, 10. Dezember 2018, 21. Januar 2018, 26. November 2016, 28. November 2014, jew. Zusammenfassung S. 5). Vielmehr konzentrieren sich die Auseinandersetzungen hauptsächlich auf den Norden bzw. Nordosten Nigerias.
39
Die Klägerin wäre zusammen mit ihren ebenfalls ausreisepflichtigen Eltern und ihrer Schwester daher in der Lage, diesen Konflikten durch Rückkehr in weniger gefährdete Gebiete im Sinne eines internen Schutzes (§ 3e AsylG) aus dem Weg zu gehen.
40
3. Auch an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keine Zweifel.
41
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 - 13a B 18.30632 - juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 25).
42
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07 - NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (VGH BW, U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - juris Rn. 79 ff.).
43
Schlechte humanitäre Verhältnisse können somit nur in ganz „besonderen Ausnahmefällen“ Art. 3 EMRK verletzen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 - 13a B 18.30632 - juris Rn. 26).
44
Dabei können Ausländer aber grundsätzlich kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Denn Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Unterschiede im Fortschritt in der Medizin sowie Interschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23). Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie beispielsweise im Fall einer tödlichen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat diesbezüglich keine Unterstützung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 ff.).
45
Dies zugrunde gelegt ist zu Gunsten der Klägerin ein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben. Bei einer naheliegenden und unterstellen Rückkehr der Klägerin zusammen mit ihren ebenfalls ausreisepflichtigen Eltern und ihrer Schwester liegen die Voraussetzungen für die Gewährung eines zielstaatsbezogenen Abschiebeverbots nicht vor. Überdies bleibt festzustellen, dass auch nach Nigeria zurückgeführte Personen, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden, bei einer Rückkehr keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet werden.
46
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für ein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Diesbezüglich fehlt es bereits an einem berücksichtigungsfähigen Vortrag der Klägerin. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind im Verfahren nicht geltend gemacht worden. Überdies gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also - wie hier - die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat die Klägerin bzw. deren gesetzliche Vertreter nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden. Insbesondere in Bezug auf die Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Erkrankungen bei Kindern seltener und in der Regel mild verlaufen (vgl. https://www.rki.de/DE/content/infaz-n/neuartiges:_coronavirus/steckbrief.html#boc13776792body2.)
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Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 56.604 Corona-Fälle bestätigt, wovon 47.872 Personen genesen sind und es lediglich zu 1.091 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 17.9.2020). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
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Gleiches gilt letztlich für eine lediglich befürchtete Hepatitis B-Erkrankung. Es wurde bereits kein qualifizierter Nachweis erbracht, dass eine solche Erkrankung bei der Klägerin überhaupt vorliegt. Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln eine Hepatitis B-Erkrankung in Nigeria behandelbar wäre. Auch wenn die Gesundheitsversorgung in Nigeria vor allem auf dem Lande mangelhaft ist, finden Rückkehrer allerdings in den Großstädten eine ausreichende medizinische Versorgung vor, da es sowohl staatliche als auch zahlreiche privatbetriebene Krankenhäuser gibt und auch aufwendigere Behandlungsmethoden möglich sind. Überdies weist das Gericht darauf hin, dass angesichts der hohen Hepatitis-B-Prävalenz in Nigeria festzuhalten bleibt, dass es sich hinsichtlich dieser dort weit verbreiteten Krankheit um eine allgemeine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG handelt, die eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG erfordern würde (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1998 - 9 C 13/97 - juris Leitsatz 1; BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 9), die jedoch nicht vorliegt.
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4. Die auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Ausreiseaufforderung mit einwöchiger Ausreisefrist und die gleichzeitig erfolgte Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sind demnach jedenfalls in der Fassung des Schreibens der Beklagten vom 29. Juni 2020 nicht zu beanstanden.
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5. Nach allem war die Klage damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
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Das Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG unanfechtbar.