Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 28.09.2020 – B 7 E 20.939
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz: Feststellung der Beendigung einer Quarantäneanordnung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1 S. 2
GG Art. 19 Abs. 4
IfSG § 16 Abs. 8, § 28 Abs. 3
Allgemeinverfügung des BayStMGP v. 18.8.2020 (Az. GZ6a-G8000-2020/572)
Leitsätze:
1. Die häusliche Quarantäne stellt eine massive Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit dar, sodass ein Anordnungsgrund für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. An der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020, GZ6a-G8000-2020/572 (im Folgenden Allgemeinverfügung Isolation) selbst als Rechtsgrundlage für die Anordnung häuslicher Quarantäne, deren Mindestdauer und die dabei zu beachtenden Verhaltensvorschriften bestehen keine durchgreifenden Zweifel. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein negatives Testergebnis kann die 14-tägige Quarantänezeit nach der Allgemeinverfügung Isolation grundsätzlich nicht verkürzen, weil sie sich an der Inkubationszeit des SARS-CoV-2-Virus orientiert.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Covid-19, Häusliche Isolation, Ende der Quarantäne für Kontaktpersonen der Kategorie I, Coronavirus SARS-SoV-2, Quarantäneanordnung, Familien-Quarantäne, Anordnungsgrund, Anordnungsanspruch, Absonderungstage, Inkubationszeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27620

Tenor

1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass die am 13.09.2020 begonnene vierzehntätige Quarantäne der Antragsteller abgelaufen ist.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass ihre Pflicht zur häuslichen Quarantäne geendet hat.
2
Der Antragsteller zu 1 ist der Vater der Antragstellerinnen zu 2 und 3. Die Ehefrau des Antragstellers zu 1 und Mutter der Antragstellerinnen zu 2 und 3, Frau …, erhielt am 11.09.2020 eine Mitteilung des Landratsamts …, wonach sie möglicherweise Kontakt zu einer mit Covid-19 infizierten Person gehabt habe und die Anweisung, sich bis einschließlich 21.09.2020 in häusliche Quarantäne zu begeben. Am selben Tag wurde bei ihr ein Covid-19-Test vorgenommen. Mit E-Mail vom 12.09.2020 leitete das Landratsamt - Gesundheitsamt - … an Frau … die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020, GZ6a-G8000-2020/572 (im Folgenden Allgemeinverfügung Isolation), die „Ergänzenden Informationen zur Allgemeinverfügung Isolation“ des StMGP sowie eine schriftliche Bestätigung der Isolierungsanordnung zu. Mit E-Mail vom 13.09.2020 wurde Frau … durch das Testlabor mitgeteilt, dass ihr Test eine Covid-19-Infektion erwiesen habe. Am selben Tag wurde den Antragstellern durch das Landratsamt - Gesundheitsamt - … mitgeteilt, dass sie sich als Kontaktpersonen bis zum 06.10.2020 in individuelle häusliche Quarantäne zu begeben hätten.
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Mit E-Mail vom 14.09.2020 wurde die Isolierungsanordnung den Antragstellern schriftlich bestätigt, angefügt waren wiederum die Allgemeinverfügung Isolation und die „Ergänzenden Informationen“ des StMGP. Am selben Tag wurden bei den Antragstellern Covid-19-Tests durchgeführt, die negativ waren. Mit Ablauf des 21.09.2020 endete die Quarantäne von Frau … Am 22.09.2020 wurden die Antragsteller erneut negativ auf Covid-19 getestet. Am 25.09.2020 fragten der Antragsteller zu 1 und Frau … telefonisch bei der Leiterin des Landratsamts …, Frau Dr. …, ob die Isolationszeit korrekt berechnet worden sei und ob diese nicht schon vor dem 06.10.2020 enden müsse, was das Landratsamt - Gesundheitsamt - aber zurückwies.
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Am 25.09.2020 um 13.55 Uhr erschien Frau … persönlich bei der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth und beantragte unter Vorlage einer Vollmacht für die Antragsteller, 
dass die Quarantäneanordnung für ihre Familie - ihren Ehemann … und die Töchter … und … - zum 28.09.2020 aufgehoben wird.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass ihre eigene Quarantäne am 22.09.2020 geendet habe. Das Landratsamt - Gesundheitsamt - gehe aber offensichtlich von diesem Zeitpunkt ab von weiteren zwei Wochen aus, in denen die Antragsteller in häuslicher Isolierung verbleiben müssten. Für die Familie würden negative Testergebnisse vorliegen. Keines der Familienmitglieder habe im Laufe der Isolierung irgendwelche Symptome gezeigt. Die älteste Tochter sei im Abitur und der Antragsteller zu 1 habe eine wichtige Funktion in der Universität … Eine weitergehende Isolierung erscheine ihnen daher nicht verhältnismäßig und notwendig. Sofern das Landratsamt - Gesundheitsamt - anzweifle, dass sich die Familie tatsächlich isoliert habe, verweise man auf eine Liste mit von der Familie ergriffenen Maßnahmen. Die Ablehnung der vorzeitigen Beendigung der Isolierung sei Frau … lediglich telefonisch mitgeteilt worden und liege noch nicht schriftlich vor.
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Eingereicht wurde dazu eine chronologische Übersicht sowie eine von den Antragstellern unterschriebene Liste mit Maßnahmen zur häuslichen individuellen Isolation, auf der aufgeführt ist: „Aufenthalt in individuellen Räumen bzw. Gartenterrasse; Nachtruhe in separaten Räumen (4 Schlafzimmer); Trennung der Waschbecken und Hygieneartikel im Bad; nur serielle Nutzung der WC- und Badräume mit anschließender Desinfektion mit Virus geeigneten Hygienemitteln (70% Alkohol); Küchennutzung nur mit Mund- und Nasenbedeckung durch Frau …; keine gemeinsame Nutzung von Küche/Bad; Mahlzeitenzubereitung durch nichtinfiziertes Familienmitglied mit Mund- und Nasenbedeckung mit anschließender Desinfektion; Getrennte Einnahme aller Mahlzeiten; kein persönlicher Kontakt unter 1,5 Metern“
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Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt …unter dem 28.09.2020,
den Antrag abzulehnen.
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Er sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Die Verpflichtung zur Quarantäne ergebe sich für die Antragsteller unmittelbar aus der Allgemeinverfügung Isolation. Diese stelle einen belastenden Verwaltungsakt dar, gegen den mit Hilfe einer Anfechtungsklage in der Hauptsache vorzugehen sei. Die Allgemeinverfügung Isolation sei gem. § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kraft Gesetzes sofort vollziehbar, sodass ein Antrag gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das korrekte Instrument im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gewesen wäre. Da ausdrücklich ein Antrag gem. § 123 VwGO gestellt worden sei, sei dieser bereits unzulässig.
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Der Antrag sei unbegründet, weil es jedenfalls an einem Anordnungsanspruch fehle. Die Antragsteller besäßen keinen Anspruch auf vorzeitige Aufhebung ihrer Quarantäneverpflichtung. Die Antragsteller seien Kontaktpersonen der Kategorie I nach Nr. 1.1 der Allgemeinverfügung Isolation (wird näher ausgeführt). Die Allgemeinverfügung Isolation sehe keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Isolierung wegen eines negativen Testergebnisses vor. Schon aus diesem Grund müssten sich die Antragsteller bis zum 06.09.2020 in häuslicher Quarantäne aufhalten. Auch aus der vorgetragenen gegenseitigen Isolierung im eigenen Haus ergebe sich kein Anspruch auf eine frühere Beendigung. Zum einen seien nach wie vor Räume im gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus gemeinsam benutzt worden. Zum anderen sehe die Allgemeinverfügung Isolation in Ziffer 2.4 gerade eine solche räumliche und zeitliche Trennung von anderen im Hausstand lebenden Personen vor, ohne hieran auch nur die Möglichkeit einer Quarantäneverkürzung zu knüpfen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass es eine solche Möglichkeit der vorzeitigen Quarantänebeendigung nach der Allgemeinverfügung Isolation nicht gebe, da die Inkubationszeit nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand bis zu 14 Tage betrage (wird weiter ausgeführt). Auch die alltägliche Erfahrung in der Corona-Bekämpfung belege, dass es gerechtfertigt sei, dass alle Personen, die in den letzten 14 Tagen einen engen Kontakt im Sinne der Empfehlungen des RKis mit einem Covid-19-Fall hatten, abgesondert werden müssten. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Isolierung daher zwingend. Vor diesem Hintergrund sei die Quarantäneverpflichtung auch verhältnismäßig. Der zwangsläufig eintretenden Einschränkung der Grundrechte der von der Isolierung Betroffenen stünden die Grundrechte der Allgemeinheit gegenüber. In der Abwägung der privaten Interessen der Antragsteller an ihrer beruflichen und schulischen Tätigkeit sowie ihrer persönlichen (Bewegungs-)Freiheit mit den Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven Eindämmung des Virus sei den Interessen der Allgemeinheit der Vorrang einzuräumen. Insbesondere sei der Antragsteller zu 1 auch nicht in einem Unternehmen der kritischen Infrastruktur tätig.
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Es fehle zudem an einer Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Außer den unbehelflichen negativen Testergebnissen bleibe es bei bloßen Behauptungen der Ehefrau bzw. Mutter der Antragsteller.
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Selbst wenn der Antrag in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO umgedeutet werden könnte, bleibe er zumindest unbegründet (wird weiter ausgeführt).
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag ist gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt - Gesundheitsamt - …, zu richten. Nach Auffassung der Kammer spricht einiges dafür, dass - nach Auslegung des Begehrens der Antragsteller - ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist.
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a) Die Pflicht für Kontaktpersonen der Kategorie I, sich in häusliche Isolierung zu begeben, ergibt sich unmittelbar aus der Allgemeinverfügung Isolation. Es bedarf daher grundsätzlich keines weiteren Verwaltungsaktes seitens der Kreisverwaltungsbehörde, um bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Isolation anzuordnen (vgl. dazu VG Regensburg, B.v. 3.9.2020 - RN 14 S 20.1916). Zum einen hat vorliegend jedoch das Landratsamt - Gesundheitsamt - … unter dem 14.09.2020 die Quarantäneanordnung hinsichtlich des Beginns und des Endes der Isolationszeit individualisiert und damit einzelfallbezogen gegenüber den Antragstellern bestätigt. Zum anderen stellen die Antragsteller nicht primär die Rechtmäßigkeit der Quarantäneverpflichtung an sich in Frage, sondern möchten festgestellt haben, dass die Verpflichtung zur Quarantäne inzwischen geendet hat. Das Ende der Isolationszeit ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus der Allgemeinverfügung Isolation. Diese sieht zwar Mindestfristen vor (vgl. Nr. 6 ff. Allgemeinverfügung Isolation), über das Ende im Einzelfall hat aber ausdrücklich das Landratsamt - Gesundheitsamt - zu entscheiden. Dieses hat im Schreiben vom 14.09.2020 das Ende der Isolationszeit für die Antragsteller mit dem 06.10.2020 angegeben.
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b) Anknüpfungspunkt für das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller ist im Übrigen nicht das Schreiben vom 14.09.2020, sondern die telefonische Auskunft an Frau … und den Antragsteller zu 1. Die Antragsteller hatten sinngemäß beantragt, aus der Pflicht zur Quarantäne entlassen zu werden, was das Landratsamt - Gesundheitsamt - telefonisch abgelehnt hat. Richtigerweise verfolgen die Antragsteller daher ihr Begehren mit einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel, festzustellen, dass die Pflicht zur häuslichen Quarantäne inzwischen geendet hat.
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Dabei ist der Antrag, den die anwaltlich nicht vertretene Mutter bzw. Ehefrau der in Quarantäne befindlichen Antragsteller in der Rechtsantragstelle zu Protokoll gegeben hat, anhand der Umstände des Einzelfalls nach ihrem erkennbaren Rechtsschutzziel auszulegen, §§ 88, 122 VwGO. Frau …hat zwar dem Wortlaut nach beantragt festzustellen, dass die Quarantäneanordnung zum 28.09.2020 aufzuheben ist. Ihr erkennbares Ziel ist aber, die - negativ getesteten - Antragsteller so bald wie möglich aus der Quarantäne zu entlassen, ohne sich hinsichtlich des Datums einzugrenzen.
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Weil für dieses Begehren in einer etwaigen Hauptsache jedenfalls keine Anfechtungsklage statthaft ist, ist der richtige Eilrechtsbehelf ein Antrag auf einstweilige Anordnung, § 123 Abs. 1 und 5 VwGO.
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c) Es kann aber letztendlich offen bleiben, ob vorliegend Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu suchen ist. Selbst wenn man als Anknüpfungspunkt unmittelbar die Allgemeinverfügung Isolation bzw. das Schreiben vom 14.09.2020 für maßgeblich hält und letzterem nicht nur informatorischen, sondern Regelungscharakter zusprechen will, ist der Maßstab für die gerichtliche Entscheidung im Wesentlichen der gleiche: Der Antrag ist in beiden Fällen nur dann begründet, wenn sich bei der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg hätte. Hier steht - unabhängig von der Natur der Hauptsacheklage - materiell die Frage im Raum, ob die Quarantänezeit der Antragsteller gemessen an der Allgemeinverfügung Isolation inzwischen abgelaufen ist oder nicht.
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Weil der Antrag auf einstweilige Anordnung zusätzlich den Anforderungen einer besonderen Dringlichkeit und des grundsätzlichen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache unterliegt, sind seine Anforderungen insofern sogar höher.
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2. Der Antrag ist begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
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Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Wird mit der begehrten Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht und dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare, Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris; vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - juris).
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a) Der Anordnungsgrund folgt vorliegend daraus, dass die häusliche Quarantäne, in der sich die Antragsteller bereits seit 13.09.2020 befinden, eine massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit darstellt und die alltägliche Lebensführung sowie die Erwerbstätigkeit des Antragstellers zu 1 und den Lernfortschritt der schulpflichtigen Antragstellerinnen zu 2 und 3 erheblich beeinträchtigt.
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b) Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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aa) An der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung Isolation selbst als Rechtsgrundlage für die Anordnung häuslicher Quarantäne, deren Mindestdauer und die dabei zu beachtenden Verhaltensvorschriften bestehen keine durchgreifenden Zweifel (vgl. VG Regensburg, B.v. 18.9.2020 - RO 14 S 20.2260 -; B.v. 3.9.2020 - RN 14 S 20.1916 -).
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bb) Die Verpflichtung der Antragsteller, sich in häusliche Quarantäne zu begeben, folgt aus Nr. 2.2.1 der Allgemeinverfügung Isolation, da die Ehefrau des Antragstellers zu 1 und Mutter der Antragstellerinnen zu 2 und 3, Frau …, am 11.09.2020 positiv auf Covid-19 getestet wurde. Zwar hat Frau … darauf hingewiesen, das positive Testergebnis nicht selbst zu Gesicht bekommen zu haben und durchgehend symptomfrei gewesen zu sein, jedoch bestehen keine durchgreifenden Zweifel am Testergebnis. Solche wurden auch zur Begründung des Antrags nicht angeführt. Als Familienangehörige von Frau … sind die Antragsteller, die mit ihr zusammenleben, als Kontaktpersonen der Kategorie I anzusehen.
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cc) Nach Nr. 2.1.1 der Allgemeinverfügung Isolation haben sich die Antragsteller als Kontaktpersonen der Kategorie I bis zum Ablauf des 14. Tages nach dem vom Landratsamt - Gesundheitsamt - mitgeteilten letzten Kontakt mit einem bestätigten Covid-19 Fall in Quarantäne zu begeben. Gem. Nr. 6.1 der Allgemeinverfügung Isolation endet die häusliche Isolation bei Kontaktpersonen der Kategorie I, bei denen kein positives Testergebnis auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2 vorliegt, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten Covid-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt und während der Quarantäne keine Covid-19-typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind. Ein negatives Testergebnis kann die Frist grundsätzlich nicht verkürzen, weil sie sich an der Inkubationszeit des SARS-CoV-2-Virus orientiert (vgl. dazu VG Regensburg, B.v. 3.9.2020 - RN 14 S 20.1916 -). Insoweit sind zwar die von den Antragstellern vorgelegten negativen Testergebnisse nicht maßgeblich, wohl aber der Umstand, dass sie alle seit Anordnung der Quarantäne durchgehend symptomfrei sind.
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Zeitlicher Anknüpfungspunkt für das Ende der Quarantäne der Antragsteller ist der letzte enge Kontakt zu Frau … als Covid-19-Kontaktperson, weil nur aus einem solchen Kontakt eine Ansteckungsgefahr resultieren kann. Dieser letzte Kontakt hat jedoch bereits am 11.09.2020 stattgefunden. An diesem Tag wurde die Quarantäneverpflichtung gegenüber Frau … ausgesprochen und ab diesem Zeitpunkt hat sie sich nach eigenen, glaubhaften Angaben gemäß der eingereichten Maßnahmenliste und entsprechend den Vorgaben des StMGP hausintern isoliert und eine weitere Ansteckungsgefahr der Familienmitglieder damit unterbunden. Das Landratsamt - Gesundheitsamt - hat keinerlei Anhaltspunkte geltend gemacht, die darauf hindeuten würden, dass die räumliche und zeitliche Trennung von Frau … zu den anderen im Hausstand lebenden Personen zu irgendeiner Zeit missachtet worden wäre. Nur dann läge aber ein sachlicher Grund vor, die vierzehntägige Regelzeit der Quarantäne - die sich an der maximalen Inkubationszeit von Covid-19 orientiert - zu verlängern und nach Ablauf der 14 Tage von der Beendigung der Quarantäne abzusehen.
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Das Landratsamt - Gesundheitsamt - hat dazu vorgetragen, dass das RKi in seiner Empfehlung „Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-SoV-2, Stand 14.08.2020, zu den Kontaktpersonen der Kategorie I insbesondere Personen aus Lebensgemeinschaften zähle und die Familie der Antragsteller nach wie vor gemeinsame Räume im Haus nutze. Jedoch resultiert auch nach der Auflistung des RKis das erhöhte Infektionsrisiko nicht per se aus einem gemeinsamen Hausstand, sondern dadurch, dass im Zuge des Zusammenlebens typischerweise häufig Situationen entstehen, bei denen das Coronavirus übertragen werden kann. Das RKi führt demgemäß die Mitglieder eines Hausstands als Beispiel für Personen mit kumulativ mindestens 15-minütigem Gesichts- („face-to-face“) Kontakt. Werden - auch innerhalb eines Hausstands - diese potentiellen Übertragungssituationen durch geeignete Maßnahmen unterbunden, findet auch kein „enger Kontakt“ mit Ansteckungsgefahr statt.
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Insbesondere gibt es keine grundsätzliche Vermutung, dass innerhalb eines Hausstandes eine wirksame Isolation einzelner Mitglieder unmöglich wäre, sodass im Umkehrschluss eine zu isolierende Person stets den Hausstand verlassen und die Quarantäne z.B. in einem Hotel verbringen müsste. Das StMGP selbst gibt Betroffenen in Form der „Ergänzenden Informationen“ zur Allgemeinverfügung Isolation konkrete Maßnahmen für eine wohnungsinterne Isolation an die Hand. Während der Quarantäne muss gem. Nr. 2.4 der Allgemeinverfügung Isolation eine räumliche und zeitliche Trennung der isolierten Person von den Mitgliedern des eigenen Hausstands vorgenommen werden. Es sind verschiedene Verhaltensmaßregeln zu beachten, die das StMGP in den „Ergänzenden Informationen“ zur Allgemeinverfügung Isolation (abrufbar unter https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/rechtsgrundlagen/) näher ausführt. Insbesondere werden dort auch Maßnahmen zum Verhalten gegenüber Angehörigen desselben Hausstandes aufgeführt. Insbesondere sollen die Kontakte verringert werden, der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht unterschritten und eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Die Oberflächen gemeinsam genutzter Räume sollen gründlich gereinigt werden und die Benutzung zeitlich versetzt erfolgen. Schlafzimmer sollen getrennt benutzt werden. Diese Regeln hat das Landratsamt - Gesundheitsamt - den Antragstellern mit E-Mail vom 14.09.2020 schriftlich zukommen lassen.
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Die Antragsteller haben eine detaillierte Liste mit Maßnahmen vorgelegt, die sie selbst zur individuellen Isolation während der Quarantäne befolgen und befolgt haben. Darunter finden sich namentlich die oben aufgeführten Vorschläge des StMGP. Aus der Maßnahmenliste der Antragsteller ergibt sich insbesondere hinsichtlich der gemeinsam genutzten Räume, dass z.B. Küche und Bad nicht gemeinsam benutzt und ein persönlicher Kontakt von unter 1,5 Metern vermieden worden sei. Gemeinsam mit der in den „Ergänzenden Informationen“ zum Ausdruck kommenden Einschätzung des StMGP geht das Gericht davon aus, dass durch diese Maßnahmen das Ansteckungsrisiko zwischen den Familienmitgliedern wirksam unterbunden werden konnte.
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Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied der Familie diese Vorschriften missachtet hätte, hat das Landratsamt - Gesundheitsamt - nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Antragsteller und Frau … rechtstreu verhalten und die nach Ziffer 2.4 der Allgemeinverfügung Isolation vorgeschriebene zeitliche und räumliche Trennung erfolgt ist (vgl. dazu VG Regensburg, B.v. 18.9.2020 - RO 14 S 20.2260).
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Demgemäß muss davon ausgegangen werden, dass der letzte, im Sinne der Allgemeinverfügung Isolation „enge“ Kontakt zwischen Frau …und den Antragstellern am 11.09.2020 erfolgt ist und die vierzehntätige Mindestdauer der Quarantäne bereits mit Ablauf des 25.09.2020 endete. Sachliche Gründe für eine Verlängerung sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.
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dd) Nach dem oben Ausgeführten hat die Quarantäne der Antragsteller mit Ablauf des 25.09.2020 geendet.
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c) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist nach alldem vorliegend schon wegen Art. 19. Abs. 4 GG gerechtfertigt. Bis zum Ablauf der vom Landratsamt - Gesundheitsamt - vorgesehenen Quarantänefrist am 06.10.2020 ist Rechtsschutz in der Hauptsache nicht zu erlangen. Aufgrund der erheblichen, grundrechtlich relevanten Einschränkungen durch die häusliche Quarantäne muss die Fortdauer seitens der Antragsteller auch nicht hingenommen werden, zumal davon auszugehen ist, dass auch eine etwaige Klage in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein würde.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.