Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.01.2020 – 1 ZB 18.935
Titel:

Keine Einfriedung eines Wohnhauses im Außenbereich

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
BayBO Art. 76
BayNatSchG Art. 33 Nr. 2
Leitsätze:
1. Der öffentliche Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft wird beeinträchtigt, wenn das Vorhaben der naturgegebenen Bodennutzung des Außenbereichs oder seiner Funktion als Erholungsraum für die Allgemeninheit widerspricht und deshalb einen Fremdkörper in der Landschaft bildet. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB ist planungsrechtlich unzulässig, wenn ein Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange vorliegt. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob das Vorhaben auch im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans steht bzw. die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Einfriedung, Beeinträchtigung öffentlicher Belange, Eigenart der Landschaft, Erteilung einer Baugenehmigung, Wohnhaus, Außenbereich, Zaun, Beseitigungsanordnung, Genehmigungsverfahren, Genehmigung, Bauvorhaben
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.10.2017 – M 9 K 17.1102
Fundstelle:
BeckRS 2020, 2757

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine beantragte Einfriedung eines Wohnhauses im Außenbereich in vier Varianten auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung M… … Darüber hinaus wendet er sich gegen den Erlass einer Beseitigungsanordnung für die bereits errichteten Zaunelemente. Bei einer Ortsbesichtigung im Januar 2017 wurde festgestellt, dass auf den Grundstücken FlNr. … und … ein Metallzaun und sieben Bauzaunelemente errichtet worden waren. Mit Bescheid vom 31. Januar 2017 lehnte das Landratsamt den Bauantrag des Klägers ab und schloss das Beseitigungsverfahren ab. Die auf Erteilung der Baugenehmigung und Aufhebung der Beseitigungsanordnung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 25. Oktober 2017 abgewiesen. Das Gericht hat im Wesentlichen ausgeführt‚ dass die beantragten Einfriedungen bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig seien. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Auch sonst bestehe kein rechtfertigender Grund für die Genehmigung des Bauantrags. Sie seien jeweils zu groß dimensioniert und von der konkreten Situierung nicht geeignet, (nur) als Einfriedung des Hausgartenbereichs zu dienen. Eine aktuelle Baugenehmigung für das Wohnhaus liege nicht vor. Ein möglicher Bestandsschutz sei jedenfalls erloschen. Die Beseitigungsanordnung sei rechtmäßig.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
3
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen‚ sind zu bejahen‚ wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011‚ 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG‚ B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004‚ 838). Das ist hier nicht der Fall.
4
Das Verwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des nicht gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten, mithin nach § 35 Abs. 2 BauBG zu beurteilenden sonstigen Vorhabens zu Recht verneint, weil es öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
5
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die geplanten Einfriedungen unterliegen in allen vier Varianten der Baugenehmigungspflicht und sind bauplanungsrechtlich gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO i.V.m §§ 29 ff. BauGB unzulässig. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Bauvorhaben um ein nichtprivilegiertes „sonstiges Vorhaben“ handelt, dessen Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, weil die Einfriedung weder einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient noch unter die übrigen Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB fällt, wird vom Kläger nicht in einer dem Darlegungsgebot im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise in Frage gestellt. Aus dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht erkennen, inwiefern sein Betrieb die Voraussetzungen für die Annahme des Bestehens eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfüllen könnte. Allein die behauptete Verfahrensfreiheit des Vorhabens gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO, da die Einfriedungen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers dienten, der die für seinen Damwildbetrieb benötigten Futter- und Betriebsmittel auf der Hofstelle lagere, reicht hierfür nicht aus.
6
Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet auch nicht insoweit ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit, als es eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch das Vorhaben feststellt. Die im Zusammenhang mit der für das sogenannte „G… Wohnhaus“ beantragten Wohnnutzung stehenden Einfriedungen beeinträchtigen die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB. Dieser öffentliche Belang dient dem Schutz der naturgegebenen Bodennutzung und der Erholungsfunktion des Außenbereichs vor dem Eindringen einer der freien Landschaft wesensfremden Bebauung. Der öffentliche Belang wird beeinträchtigt, wenn das Vorhaben der naturgegebenen (land- und forstwirtschaftlichen) Bodennutzung des Außenbereichs oder seiner Funktion als Erholungsraum für die Allgemeinheit widerspricht und deshalb einen Fremdkörper in der Landschaft bildet. Eine Beeinträchtigung durch ein nichtprivilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich scheidet nur dann aus, wenn das Baugrundstück sich wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung eignet noch einen Erholungswert hat oder wenn es seine Schutzwürdigkeit bereits durch andere Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2002 - 4 C 4.01 - BVerwGE 116, 169; U.v. 15.5.1997 - 4 C 23.95 - BauR 1997, 988; BayVGH, B.v. 13.3.2019 - 1 ZB 17.1763 - juris Rn. 4; B.v. 25.4.2006 - 1 ZB 05.1014 - juris Rn. 13). Anhaltspunkte dafür, dass die Umgebung in einer den Belang der Bewahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft mindernden Weise vorbelastet ist, bestehen nicht. Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, das Vorhabengrundstück, das durch die über Jahrzehnte verfestigte Bebauung geprägt sei, stehe der Allgemeinheit als freie Natur- und Erholungslandschaft nicht mehr zur Verfügung, trifft dies nach den vorliegenden Unterlagen für alle Varianten der geplanten Einfriedungen nicht zu.
7
Da bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ausreicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 - 4 B 85.99 - BauR 2000, 1171), kommt es nicht darauf an, ob das Vorhaben auch noch im Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) steht bzw. die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB).
8
Soweit der Kläger in der Zulassungsbegründung zur Frage der Zulässigkeit der beantragten Einfriedungen gemäß Art. 27 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Nr. 2 BayNatSchG ausführt, kommt es hierauf nicht an. Da das Bauvorhaben bereits an den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen scheitert, kann offen bleiben, ob das Vorhaben (auch) den naturschutzrechtlichen Vorschriften entspricht. Gleichermaßen kommt es auf die Frage eines etwaigen Bestandsschutzes hinsichtlich des sogenannten „G… Wohnhauses“ nicht an.
9
Die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung folgt aus den vorstehenden Ausführungen. Gründe dafür, dass die Ermessensausübung des Landratsamts zu beanstanden sein könnte, wurden weder vorgetragen noch sind solche erkennbar.
10
2. Der behauptete Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, da die entscheidungserheblichen Fragen von der Rechtsprechung geklärt sind. Die aufgeworfene Frage der Auslegung des Art. 33 Nr. 2 BayNatSchG ist nicht entscheidungserheblich.
11
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen‚ da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
12
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).