Titel:
Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes
Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3, § 4, § 25
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 86
Leitsatz:
Def Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Iran, Glaubhaftmachung, angebliche Bestrafung mit Peitschenhieben, medizinisches Gutachten, Asylverfahren, glaubhafter Vortrag
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27509
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Der … 1982 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 2. oder 3. November 2019 auf dem Landweg aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. November 2019 einen Asylantrag. Nachdem ein Dublin-Verfahren wegen der vormaligen Zuständigkeit Griechenlands erfolglos abgelaufen war, wurde gemäß Verfügung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) im sog. nationalen Verfahren entschieden (Bl. 140 der Behördenakte).
2
Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 25 AsylG am 14. November 2019 erklärte der Kläger gegenüber dem Bundesamt zu seinen Ausreisegründen, in den Jahren 2009/2010 Kontakt zu Freiheitsgruppen gehabt zu haben. Es habe sich um die Gruppen „Weiße Freiheitskämpfer“ und „Grüne Partei“ gehandelt. Diese seien über Telegram organisiert gewesen und irgendwann von der Regierung aufgelöst worden. Anschließend habe man sich dann nur noch so unter den Freunden draußen getroffen. Man habe gemeinsam Flugblätter und Bücher verteilt. Aber das mit den Gruppen sei schon lange her und letztlich nicht der Grund für die Flucht gewesen. Dies seien vielmehr Umstände gewesen, die in den letzten zwei Jahren vor der Ausreise passiert seien. In diesem Zusammenhang sei der Kläger zweimal verhaftet worden, das erste Mal etwa ein Jahr vor der Ausreise, das zweite Mal acht bis neun Monate vorher. Der Grund für die Festnahmen sei gewesen, dass er in seiner Druckerei, deren Teilhaber er gewesen sei, Bücher nachdruckt habe. Es habe sich zum einen um das Buch „Satanische Verse“ von Salman Rushdie gehandelt sowie um ein Buch von Karo. Der Kläger gab an, dass er vermute, dass sein Teilhaber ihn verraten habe. Auf Nachfrage des Bundesamtes erläuterte der Kläger, dass er die beiden Werke im Kundenauftrag nachgedruckt habe. Insgesamt habe es sich um mehr als 1000 oder 1500 Bücher gehandelt. Er wisse nicht genau, was die Kunden mit den nachgedruckten Büchern getan hätten, er vermute, dass sie sie entweder verkauft oder verteilt hätten. Er habe auch deswegen nicht weiter nachgefragt, weil er es eigentlich nicht schlecht gefunden habe, dass die Leute durch solche Werke aufgeklärt würden. Bei den Kunden habe es sich um Freiheitskämpfer oder Personen gehandelt, die mit dem Regime Probleme gehabt hätten.
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Der Kläger gab an, aufgrund dessen in den letzten zwei Jahren zweimal verurteilt worden zu sein. Vor seiner Ausreise sei er auf Kaution aus dem Gefängnis freigekommen. Im Iran sei es nämlich nicht so wie in Deutschland, dass man ein Urteil bekomme, wo genau drinstünde, für welche Zeit man im Gefängnis bleiben müsse. Im Iran würden sie machen, was sie wollten, das liege ganz in deren Hand. Man werde ein paar Tage willkürlich festgehalten, dann wieder freigelassen, dann wieder festgenommen usw. Bei solchen Sachen wie der seinigen komme man manchmal auf Kaution frei, manchmal ließen sie einen auch im Gefängnis, bis man sterbe. Er sei in … in Untersuchungshaft gewesen, für ca. 10 - 15 Tage.
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Auf Frage des Bundesamtes, warum der Teilhaber der Druckerei den Kläger verraten haben solle, erklärte der Kläger, dass er glaube, dass man den Teilhaber geschnappt und dieser im Verhör oder unter Folter ausgesagt habe. Sein Teilhaber habe allerdings nichts mit dem Druck der verbotenen Bücher zu tun gehabt, denn er habe nicht gewollt, dass dieser Bescheid wisse. Der Kläger habe die Drucke immer dann angefertigt, wenn der Teilhaber nicht im Laden gewesen sei. Auf die Frage, weshalb man dann den Teilhaber festgenommen habe und nicht gleich den Kläger, gab dieser an, dass die Polizei nur gewusst habe, aus welchen Laden die Bücher kamen, aber nicht, wer für den Druck verantwortlich sei. Woher die Polizei habe wissen können, aus welchem Laden die Druckwerke stammten, konnte der Kläger nicht beantworten.
5
Der Kläger gab an, aus dem Land geflüchtet zu sein, weil seine Freilassung auf Kaution nur vorläufig gewesen sei. Wenn er im Iran geblieben wäre, wäre er vermutlich hingerichtet oder auf unbestimmte Zeit inhaftiert worden. Oder aber er werde so fertig gemacht, dass er nicht mehr Herr der eigenen Sinne sei. Auf Nachfrage gab der Kläger an, ein Schriftstück über seine Freilassung auf Kaution sowie ein Urteil bzw. eine Haftbescheinigung bekommen zu haben, die Unterlagen seien allerdings in Teheran bei seiner Mutter geblieben. Er könne sich die Unterlagen von seiner Mutter schicken lassen.
6
Der Kläger führte aus, dass er zudem mit christlichen Freunden Kontakt gehabt und seine Religion gewechselt habe. Dies sei kurz vor seiner Ausreise gewesen. Bei den Freunden handle es sich um alte Freunde, die er schon lange kenne. Mit dem Christentum sei er erst ein Jahr vor seiner Ausreise in Kontakt gekommen. Der Kontakt sei durch eben diese Freunde zustande gekommen. Diese seien Armenier oder Aramäer und daher schon immer Christen. Der Kläger habe bei diesen Freunden die christliche Lebensweise gesehen und mitbekommen, dass sie die Kirche besuchen. Er selber habe aber keine Kirche besuchen können. Eines Tages habe er ein kleines Buch über Jesus und Geschichten um ihn bekommen. Dieses Buch habe ihn dazu bewogen, sich näher mit dem Christentum zu beschäftigen.
7
Mit Bescheid vom 13. Januar 2020 (Az.: …*) lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Asylanerkennung ab. Die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde zudem aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Die Abschiebung in den Iran oder in jeden anderen zur Aufnahme bereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat wurde angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsgebot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab den Tag der Abschiebung befristet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Bescheids vom 30. Januar 2020 (Bl. 172 ff. Behördenakte) Bezug genommen.
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Mit bei Gericht am 6. Februar 2020 eingegangenem Schreiben vom 2. Februar 2020 erhob der Kläger Klage gegen den Bundesamtsbescheid vom 30. Januar 2020.
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Eine Begründung der Klage erfolgte zunächst nicht.
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Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020 beantragte die Beklagte Klageabweisung und bezog sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2020.
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Mit Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2020 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 1 AsylG übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 gab der Kläger an, aufgrund des illegalen Buchdruckes nicht nur verhaftet, sondern auch zu 60 und 80 Peitschenhieben verurteilt worden zu sein. Die beiden Strafen seien vollstreckt worden. Seine Berührungspunkte mit dem Christentum spielten für die Asylantragstellung keine Rolle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 24. April 2020 Bezug genommen.
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Der Kläger beantragte,
„1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Januar 2020 (Az. …) wird aufgehoben.
2. Das Bundesamt wird verpflichtet, mich als Asylberechtigten anzuerkennen, die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Weiterhin wird beantragt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.“
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Am 30. April 2020 erließ die Einzelrichterin folgenden Beschluss:
I. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt.
II. Durch Erhebung eines fachärztlichen Gutachtens ist Beweis zu erheben über folgende Fragen:
1. Weist der Körper des Klägers Spuren von Peitschenhieben auf?
2. Wenn ja: Passen diese zum Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020, er sei erstmals vor ca. 2 Jahren (März 2018) mit 60 Peitschenhieben bestraft worden und vor ungefähr einem Jahr (Mai 2019) mit 80 Peitschenhieben?
3. Passen die etwa festgestellten Spuren zu den vom Kläger vorgelegten Fotos?
15
Mit Schreiben vom 30. April 2020 wurde Herr Professor Dr. …, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität …, mit der Erstellung des fachärztlichen Gutachtens beauftragt.
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Das Gutachten vom 29. Mai 2020 wurde nach durchgeführter Untersuchung des Klägers erstellt und liegt dem Gericht seit 5. Juni 2020 vor (Bl. 58 der Gerichtsakte). Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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In der fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2020 wiederholte der Kläger seinen in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 gestellten Klageantrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen am 24. April 2020 und am 1. Oktober 2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (1.), auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG (2.) und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG (3.) hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, so dass die Klage abzuweisen war, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
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Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der - letzten - mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
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Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten Bescheid des Bundesamtes vom 13. Januar 2020, § 77 Abs. 2 AsylG, und führt im Hinblick auf die durchgeführte Beweisaufnahme sowie auf den Verlauf und das Ergebnis der beiden mündlichen Verhandlungen nur noch ergänzend aus:
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG (1.1) und ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG (1.2).
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1.1 Da der Kläger von der Türkei über Griechenland und somit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, kann er sich nicht auf das Grundrecht der Asylanerkennung berufen, Art. 16a Abs. 2 GG.
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1.2 Der Kläger ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG.
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Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass er die Verfolgung durch iranische Behörden aufgrund seiner Tätigkeit in der Druckerei fürchtet. Was die angebliche Hinwendung zum Christentum angeht, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 erklärt, dass diese für die Asylantragstellung keine Rolle spielt.
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Seinen Fluchtgrund hat der Kläger jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht.
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Allgemein ist zur Glaubhaftmachung folgendes auszuführen: Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 - I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
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Der Kläger hatte bereits gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass er in seiner Druckerei mehrfach verbotene Bücher gedruckt und dies zu seiner zweimaligen Verhaftung geführt habe. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 trug der Kläger vor, aufgrund des illegalen Buchdruckes nicht nur inhaftiert, sondern mit Stockhieben bestraft worden zu sein. Die vorgelegten Fotos veranlassten das Gericht trotz des Umstandes, dass der Kläger diesen Sachvortrag gegenüber dem Bundesamt unerwähnt gelassen hatte, zur Einholung eines Sachverständigengutachtens.
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Das aufgrund des gerichtlichen Beweisbeschlusses vom 30. April 2020 erstellte Gutachten ist nach Auffassung des Gerichts schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Fragen des Gerichts werden umfassend beantwortet.
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Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2020 ist zudem nicht geeignet, die zentralen Aussagen des Gutachtens zu erschüttern:
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Nach den Feststellungen des Gutachters weist der Körper des Klägers „keinerlei Spuren von Peitschenhieben auf, die sich insbesondere auch den auf den vom Kläger vorgelegten Fotos erkennbaren ‚Befunden‘ an dessen Körperrückseite zuordnen ließen“ (S. 6).
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2020 auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts eingewendet, dass er im Rahmen der Begutachtung - im Wortsinne - nur oberflächlich untersucht worden sei. Er habe erwartet, „in die Röhre geschoben zu werden“, damit man die Spuren von den Peitschenhieben überhaupt erkennen könne. Der damit implizierten Behauptung, die Auspeitschungen hätten zwar stattgefunden, seien aber rein äußerlich nicht mehr zu erkennen, so dass das Gutachten insoweit nicht aussagekräftig ist, kann nicht gefolgt werden. Denn der Untersuchungsmethode des Gutachters begegnen keine Zweifel. Es erscheint vielmehr geradezu abwegig, dass Auspeitschungen, welche die vom Kläger durch die vorgelegten Fotos behaupteten Verletzungen zur Folge gehabt haben sollen, nach eineinhalb Jahren äußerlich überhaupt nicht mehr zu erkennen sein sollen. Das Gericht hat zudem keine Zweifel, dass der Gutachter eine entsprechend andere Untersuchungsmethode („Röhre“) gewählt hätte, wenn die Behauptung des Klägers wissenschaftlich auch nur ansatzweise denkbar gewesen wäre.
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Außerdem „stellen die auf den Aufnahmen dargestellten Befunde aber definitiv keine Folgen von Peitschenhieben dar. (…) Bei Hieben mit einem peitschenartigen Gegenstand, die den Rücken auf beiden Seiten, also rechts und links der Körpermittellinie, treffen, ist eine lineare Verlängerung bzw. Fortsetzung der Veränderungen über die Mittellinie hinaus in identischer Ausrichtung zu erwarten. Dies ist auf den übergebenen Lichtbildern zumindest an zwei Stellen definitiv nicht der Fall (…). Bei Schlägen auf die Oberschenkelrückseiten einer stehenden Person (…) müsste sich diese aber, wie bereits am Rücken beschrieben, in den zentralen Bereichen beider Oberschenkel in gleichförmiger Ausrichtung fortsetzen, ohne dass hierbei die Oberschenkelinnenseiten von den Schlägen auch nur ansatzweise betroffen wären.“ (S.7f.).
36
Demnach sind die vom Kläger vorgelegten Fotos nicht geeignet, seinen Vortrag, er sei wegen des illegalen Buchdruckes nicht nur zweimal verhaftet, sondern auch mit 60 bzw. 80 Peitschenhieben bestraft worden, zu stützen. Denn nach den eindeutigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Gutachters können die auf den Fotos erkennbaren Veränderungen auf dem Rücken und den Oberschenkeln nicht die Folge von Peitschenhieben sein.
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Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit Peitschenhieben bestraft worden ist. Das entsprechende Vorbringen ist nach den gutachterlichen Feststellungen nicht glaubhaft und der Kläger nach Auffassung des Gerichts unglaubwürdig. Denn die Ausführungen des Gutachters legen den Schluss nahe, dass der Kläger die „Veränderungen“ am Rücken und an den Beinen - wie auch immer - manipuliert hat, um auf diese Weise im hiesigen Asylverfahren bessere Erfolgsaussichten zu haben.
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Hinzu kommt, dass der Kläger sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens in besonderem Maße gesteigert hat. Während er die angeblichen Auspeitschungen gegenüber dem Bundesamt nicht einmal erwähnt hat, stützt er seine Flucht aus dem Iran nun maßgeblich hierauf. Aufgrund der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vortrags und der fehlenden Glaubwürdigkeit des Klägers besteht keine Veranlassung, seinem Einwand, er habe die Peitschenhiebe bereits gegenüber dem Bundesamt dargestellt, weiter nachzugehen.
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„Übrig“ bleibt vom Sachvortrag des Klägers nur noch, dass er illegal Bücher gedruckt habe und deswegen mehrfach verhaftet worden sei. Auch insoweit hat der Kläger seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 ergänzt, nämlich dahingehend, dass die zweite Verhaftung anlässlich eines Zeitungsartikels erfolgt sei, worin über eine Aktion unter dem Motto „Landsmann, hupe nicht“ berichtet worden sei. Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2020 legte der Kläger ein Lichtbild vor, worauf der entsprechende Zeitungsausschnitt zu sehen sein soll. Allerdings stellt sich auch insoweit die Frage, weshalb er dies nicht bereits vor dem Bundesamt vorgetragen hat. Gerade im Zusammenhang mit dem gesteigerten Sachvortrag, was die Verhaftungen und die Peitschenhiebe betrifft, erscheint der Kläger höchst unglaubwürdig. Warum zudem eine Aktion unter dem Motto „Landsmann, hupe nicht“ zu einer Verhaftung und letztlich zu der zweiten Auspeitschung des Klägers geführt haben soll, erschließt sich nicht und ist daher bereits unglaubhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der angeblichen Aktivitäten des Klägers in seiner Druckerei auf den ausführlichen und zutreffend begründeten Bundesamtsbescheid verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 77 Abs. 2 AsylG.
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Nach alledem ist der Kläger nicht als Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG anzusehen.
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2. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
42
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
43
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüberhinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG. Was die angeblichen Auspeitschungen, die als wahr unterstellt möglicherweise einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus begründen würden, angeht, wird auf die Ausführungen unter Ziff. 1.2. verwiesen.
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3. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
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4. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 13. Januar 2020 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
46
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
47
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.