Titel:
Unzulässige Klage auf Flüchtlingsanerkennung und gegen Abschiebungsandrohung
Normenketten:
AsylG § 10 Abs. 4, § 15 Abs. 2 Nr. 4, § 30 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Reagiert ein Kläger nicht auf eine durch die Beklagte im Klageverfahren schriftsätzlich geänderte Abschiebungsandrohung, wird diese nicht im Wege einer Klageänderung (§ 91 VwGO) Gegenstand der Klage. Hinsichtlich der ursprünglichen Abschiebungsandrohung wird die Klage insofern wegen Erledigung unzulässig. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfristung der Klage, 1-wöchige Rechtsmittelfrist bei Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet Ersetzung der Abschiebungsandrohung durch Bundesamt im Klageschriftsatz führt bei fehlender Klageänderung zur Erledigung des Rechtsstreits gegen alte Abschiebungsandrohung, Abschiebung, Asylanerkennung, Asylantrag, Frist, Verfristung, Abschiebungsandrohung, Wiedereinsetzung, Flüchtlingseigenschaft
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27505
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Der 1989 geborene Kläger ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 22. November 2019 auf dem Luftweg über den Flughafen … in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war dabei im Besitz eines Flugtickets von … nach … mit Zwischenlandung in …, wo er den Transitbereich verlassen und einen Asylantrag gestellt hat.
2
Er wurde von der Bundespolizeidirektion am Flughafen in … am 23. und 25. November 2019 und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), Außenstelle Flughafen- … am 28. November 2019 zu den Umständen seiner Einreise und seinen Asylgründen befragt. Er gab dabei zunächst an, seinen Reisepass verloren zu haben, gestand dann jedoch, diesen zerrissen und weggeworfen zu haben. Er erklärte, nicht mehr nach Kuba zurückkehren zu können. Er sei mit einer in Spanien lebenden Kubanerin verheiratet. In Kuba habe er Probleme gehabt mit der Polizei im Zusammenhang mit Demonstrationen, an denen er teilgenommen habe. Er sei ungefähr 16- bis 17mal verhaftet worden und dabei bis zu einer Woche lang festgenommen, aber nicht verhört worden. Hinsichtlich des Ortes, an dem man ihn festgehalten habe und hinsichtlich des Zeitpunktes, wann dies geschehen sei, machte er im Rahmen der Befragungen unterschiedliche Angaben. Er sei Mitglied einer Gruppe namens „Disidentes“ gewesen, zu der er über einen Freund gekommen sei.
3
Mit Bescheid vom 4. März 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4), drohte dem Antragsteller die Abschiebung - in erster Linie - nach Kuba an, wenn er die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung verlasse (Ziffer 5) und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
4
Zur Begründung ist im Bescheid ausgeführt, dass der Sachvortrag des Klägers unsubstantiiert und oberflächlich gewesen sei und konstruiert wirke. Im Rahmen der Auslesung seines Handys seien zum benannten Freund Umstände ermittelt worden, die nicht zu seinem Sachvortrag passten. Im Übrigen sei es lebensfremd, dass man ihn unbehelligt habe ausreisen lassen, wenn er als Dissident gelte. Da sein Vortrag unsubstantiiert und in sich widersprüchlich sei, sei die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG begründet und auf Grund der vorsätzlichen Unterdrückung seines Passes nach § 30 Abs. 3 Ziffer 5 i.V.m. § 15 Abs. 2 Ziffer 4 AsylG.
5
Der mit Rechtsbehelfsbelehrung:(1 Woche) versehene Bescheid wurde dem Kläger in der zentralen Aufnahmeeinrichtung am 9. März 2020 übergeben.
6
Er erhob am 18. März 2020 Klage zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Ansbach und beantragte,
den Bescheid des Bundesamtes vom 4. März 2020 aufzuheben.
Weiter beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
7
Das Bundesamt beantragte mit Schriftsatz vom 23. März 2020,
die Klage abzuweisen und verwies auf die Nichteinhaltung der Klagefrist. Das Bundesamt änderte mit gleichem Schreiben Ziffer 5 des Bescheids wie folgt ab: „Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu verlassen.“
8
Mit Beschluss vom 6. April 2020 lehnte das Verwaltungsgerichts Ansbach den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen Verfristung von Klage und Eilantrag als unzulässig ab.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
10
Die Klage ist abzuweisen, weil sie unzulässig ist.
11
Die Klage wurde nicht innerhalb der Klagefrist von einer Woche erhoben. Nach §§ 74 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. 36 Abs. 3 AsylG ist die Klage gegen einen als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu erheben. Der Bescheid vom 4. März 2020 wurde dem Kläger nach § 10 Abs. 4 AsylG am Montag, 9. März 2020 ordnungsgemäß zugestellt, so dass die einwöchige Klagefrist am 10. März 2020 an- und mit Ablauf des Montags, 16. März 2020 ablief. Die erst am Mittwoch, 18. März 2020 erhobene Klage wurde damit zu spät erhoben. Nachdem der Bescheid mit einer korrekten Rechtsmittelbelehrungversehen war, kam auch nicht die verlängerte Rechtsmittelfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung.
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Zwar hat der Kläger zu Protokoll der Geschäftsstelle auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO beantragt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist wurden jedoch mit der Klageerhebung nicht vorgetragen und waren auch nicht ersichtlich. Die Säumnisgründe hätten innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 2 VwGO geltend gemacht werden müssen. Hieran fehlt es, nachdem der Kläger außer der unbegründeten Klageerhebung bis heute keinerlei Stellungnahme abgegeben hat. Er hat weder auf den abgelehnten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO reagiert, noch ist er zur mündlichen Verhandlung erschienen. Nach zwischenzeitlichem Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 VwGO ist die Klage endgültig verfristet und damit unzulässig.
13
Da der Kläger auf die durch die Beklagte geänderte Abschiebungsandrohung im Schriftsatz vom 23. März 2020 nicht reagiert hat, ist diese nicht im Wege einer Klageänderung (§ 91 VwGO) Gegenstand der Klage geworden und war über diese nicht zu befinden. Die neu formulierte Abschiebungsandrohung hat die ursprüngliche Abschiebungsandrohung, gegen die sich die Klage weiter richtet, aber ersetzt. Die gegen die nicht mehr existente Regelung gerichtete Klage, ist insofern - im Hinblick auf die alte Abschiebungsandrohung - auch wegen Erledigung unzulässig.
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Die Kostenentscheidung der erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.