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LG München II, Endurteil v. 10.09.2020 – 13 O 3296/20
Titel:

Grundstückseigentümer hat Überschwenkungen eines Kranauslegers in 17 Metern Höhe zu dulden

Normenketten:
BGB § 905 S. 2, § 1004 Abs. 1
ZPO § 935, § 940
Leitsatz:
Der Eigentümer eines Grundstücks hat es gemäß § 905 S. 2 BGB zu dulden, dass der Ausleger eines auf dem Nachbargrundstück stehenden Krans ohne Lasten in einer Höhe von rund 17 Metern über dem Dachfirst in den Luftraum seines Grundstücks gerät. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eigentum, Lasten, Kran, einstweiliger Rechtsschutz, Gefahr, Höhe, Schäden, Kranausleger, Unterlassungsanspruch, Grundstück
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 15.10.2020 – 8 U 5531/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 27169

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung der Antragsgegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Antragsstellerin verlangt von den Antragsgegnern im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass diese die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit ein Kranarm eines Baukrans nicht über das Grundstück der Antragstellerin schwenkt.
2
Die Antragstellerin betreibt auf dem Grundstück der Gemarkung Gilching, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Starnberg für Gilching,, eine Rechtsanwaltskanzlei. Der Antragsgegner zu 1) errichtet mit Hilfe der Antragsgegnerin zu 2) auf dem Nachbargrundstück Flurnummer, ein Mehrfamilienhaus mit 14 Wohneinheiten mit Tiefgarage für 24 Stellplätze. Auf dem Nachbargrundstück wurde zum Zwecke der Durchführung dieses Bauvorhabens am 24.08.2020 etwa mittig ein Kran mit einem Schwenkbereich, der eine Reichweite von 40 m aufweist, installiert. Der Ausleger des Krans kann über das Anwesen der Antragssteller bis zur schwenken. Die Antragsgegner beabsichtigen, den Kran in der Weise zu handhaben, dass der Ausleger nur lastenfrei über das Grundstück der Antragsteller schwenkt. Beim Schwenken über das Grundstück der Antragstellerin hat der Ausleger eine Höhe zum Dachfirst von rund 17 m.
3
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.08.2020 forderte die Antragsstellerin den Antragsgegner zu 1) und mit Schriftsatz vom 19.08.2020 die Antragsgegnerin zu 2) dazu auf, keinen Kran aufzustellen, der über das Grundstück der straße schwingt.
4
Die Antragstellerin befürchtet, dass ihr Grundstück durch ein Umstürzen des Baukrans oder durch das Abbrechen von Teilen davon, egal ob mit oder ohne Last, zu ernsthaften Sachschäden oder lebensbedrohlichen Personenschäden führen könnte.
5
Die Antragstellerin trägt vor, die Beeinträchtigung durch das Schwenken des Auslegers über ihr Grundstück stelle eine nicht zu duldende Eigentums- und Besitzstörung dar, auch wenn der Ausleger lastenfrei über das Grundstück schweben sollte.
6
Die Antragstellerin beantragt,
1.
den Antragsgegnern - jedem für sich - zu gebieten, es zu unterlassen, vom Baugrundstück aus einen Baukran in den Luftbereich über dem Grundstück xy in G., Flur-Nr. zu schwenken oder schwenken zu lassen und durch geeignete Maßnahmen, wenn nicht anders möglich auch durch Beseitigung des Baukrans ein Unterbleiben des Schwenkens in den Luftraum über dem Grundstück der Antragstellerin, sicher zustellen;
2.
für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot von Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monate anzudrohen.
7
Die Antragsgegner beantragen,
den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
8
Die Antragsgegner wenden ein, das Eigentum der Antragstellerin sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. In der Sache wenden sie ein, der Baukran mit einer Gesamthöhe von 29,00 m und einem Ausleger von 40 m sei für das streitgegenständliche Bauvorhaben erforderlich, um pro Hub 2,5 t Beton zu heben und zu transportieren. Eine andere Positionierung des Krans sei nicht möglich. Eine Gefahr des Umfallens sei nicht gegeben.
9
Hinsichtlich der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen.
11
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner keinen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB in der Weise, dass der Ausleger des Baukrans nicht den Luftraum des Grundstücks der Antragstellerin überfliegen darf.
12
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass künftig von den Antragsgegnern durch den aufgestellten Baukran eine Gefährdung insoweit ausgeht, als der Ausleger des Krans mit Lasten in den Lauftraum über dem Grundstück der Antragstellerin schwenken könnte. Dies wäre eine nicht zu duldende Eigentumsstörung im Sinne des § 1004 BGB.
13
In der Sitzung vom 09.09.2020 war vielmehr zwischen den Parteien unstreitig, dass der Ausleger nur ohne Lasten in den Luftraum des Grundstücks gerät und zwar in einer Höhe von rund 17 m über dem Dachfirst des Gebäudes der Antragstellerin.
14
Diese Einwirkung ist jedoch gemäß § 905 Satz 2 BGB zu dulden. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. Dabei kommt es auf die konkreten Verhältnisse an und ob angesichts dieser Verhältnisse die Antragstellerin an der Ausschließung der Antragsgegner von der Nutzung ihres Luftraums vernünftigerweise ein Interesse hat. Ansonsten wäre das Ausschließungsinteresse des Eigentümers unbegrenzt. Da keine Lasten über dem Grundstück der Antragsgegner transportiert werden, können Befürchtungen, dass vom Kranausleger Gefahren für Personenschäden oder Sachschäden am Grundstück der Antragstellerin ausgehen, von verständigen Personen nicht geteilt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.2007 - I - 9 W 105/06-, juris).
II.
15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6., 711 ZPO.
16
Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO auf 20.000,00 EUR festzusetzen.